Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Wir haben eine Investitionsquote von gerade einmal 45,4 %, zuzüglich Bauinvestitionen, und eine Neuverschuldung in Höhe von 600 Millionen Euro. Warten wir ab, Frau Ministerin, ob hier nicht vielleicht doch ein Verfassungsbruch vorliegt. Aber das wird im Zweifelsfall das Verfassungsgericht entscheiden müssen.

Die Tatsache einer Pro-Kopf-Verschuldung von 5 620 Euro vom Säugling bis zum Greis im Land Brandenburg ist ebenfalls nicht wegzudiskutieren, ebenso wenig wie ein Zinsanteil am Gesamthaushalt von 8,3 %. Im Jahr 2000 lag dieser noch bei 7 %. Ihre Einsparvorschläge, Frau Finanzministerin und Herr Ministerpräsident? - Betriebsbedingte Kündigungen.

Die DVU-Fraktion wird dem vorliegenden Nachtragshaushalt nicht zustimmen. Er ist handwerklich so schlecht gemacht, dass die beiden Zahlen wirklich auf eine Briefmarke passen würden. Auch einer Ausschussüberweisung werden wir nicht zustimmen. Wir fordern stattdessen, dass der Doppelhaushalt 2002/2003 komplett neu aufgemacht und neu verhandelt wird, zumindest für das Jahr 2003. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, an den Abgeordneten Lunacek.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit gestern liegen die Ergebnisse der November-Steuerschätzung vor und damit haben wir amtlich, was wir befüchtet haben. Die Steuereinnahmen in Deutschland brechen in diesem Jahr um 15,1 Milliarden Euro ein. Die auf Brandenburg entfallenden Steuerausfälle sind noch nicht amtlich. Sie werden sich bei knapp 600 Millionen Euro bewegen. Das sind Steuerausfälle, meine Damen und Herren, wie wir sie noch nie hatten.

Darüber hinaus treffen den Landeshaushalt zwingende Mehrausgaben, 120 Millionen Euro für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der ehemaligen DDR sowie 35 Millionen Euro Mehrausgaben für Sozialhilfe und - als wenn das alles noch nicht genug wäre - die Feuersozietät benötigt finanzielle Hilfe. Sollte sie in diesem Jahr nicht mehr veräußert werden können, drohen weitere Einnahmeausfälle.

Das ist, meine Damen und Herren, eine Finanzierungslücke im Landeshaushalt von insgesamt etwa 8 %, 8 % des Gesamtetats, eine unglaubliche Last, die wir zu schultern haben.

Die massiven Steuerausfälle sind im Wesentlichen das Ergebnis einer miserablen Wachstums- und Beschäftigungslage in Deutschland. Diese haben wir hier in Brandenburg nicht zu verantworten. Das muss man auch in aller Klarheit sagen. Diese Jacke ziehen wir uns nicht an. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich 0,2 oder 0,4 % - je nachdem, welche Prognosen man zugrunde legt - betragen, im Jahr 2003 allenfalls 1 bis 1,4 %. Die wirtschaftliche Stagnation ist das Ergebnis einer falschen Politik der Bundesregierung. Sie führt im Ergebnis dazu, dass die Staatsfinanzen in eine Krise laufen. Das haben wir nicht zu verantworten, aber wir müssen mit den Folgen umgehen.

Zum Zweiten gibt es infolge der Steuerreform erhebliche zusätzliche Verwerfungen und Ausfälle beim Steueraufkommen. Die großen Kapitalgesellschaften in Deutschland zahlen de facto keine Steuern mehr, die Finanzämter werden zu Zahlstellen. Gleichzeitig muss man konstatieren, dass finanzielle Lasten in zunehmendem Maße auf Länder und Kommunen abgewälzt werden. Ich nenne als Beispiele die Grundsicherung, die ab 1. Januar nächsten Jahres die Kreise treffen wird, die diese Last zu schultern haben, Kindergeld, Wohngeld, BAföG etc. Hinzu kommt, dass wir in Brandenburg sehr hohe Zinslasten zu tragen haben; denn wir haben gemeinsam mit Sachsen-Anhalt die höchste Pro-Kopf-Schuldenlast. - Das ist die Situation.

Wie gehen wir mit diesen Lasten um? Meine Damen und Herren, für das Jahr 2002 wurde nach der Mai-Steuerschätzung bereits eine Haushaltssperre in Höhe von 130 Millionen Euro verhängt. Ab 1. Oktober 2002 gab es eine weitere Haushaltssperre. Ziel ist es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Ausgaben zu reduzieren. Was nicht durch Einsparungen zu erbringen ist, wird mit dem Nachtragshaushalt über zusätzliche Kredite aufgefangen werden müssen. Neue Kredite aufzunehmen ist

keine Perspektive. Da stimme ich mit Mike Bischoff ausdrücklich überein. Das sage ich in aller Klarheit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es ist aber unabdingbar, denn um die Finanzierungslücken zu schließen, müssen tiefe strukturelle Einschnitte vorgenommen werden. Diese müssen sorgfältig vorbereitet und dann hier diskutiert werden. Das, meine Damen und Herren, wird schwer genug.

An die PDS gerichtet muss ich sagen: Bei aller lockeren Vortragsweise Ihrer Reden - Sie sagen immer, Sie haben Vorschläge vorgelegt. Sie haben aber keine Vorschläge vorgelegt, im Gegenteil.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Ausreichend!)

- Ja, Frau Dr. Enkelmann, Sie haben ausreichend Vorschläge vorgelegt, jeden Monat, was man Neues und was man Weiteres machen könnte, was aber mehr Kosten verursachen würde. Auch jetzt gerade liegen dem Haushaltsausschuss noch solche Gesetzesvorlagen von Ihnen vor.

(Frau Osten [PDS]: Wissen Sie, dass Sie im Augenblick richtig lügen?)

Meine Damen und Herren, wir werden mit dem Nachtragshaushalt 2003 diese Dinge schultern und die Diskussion führen. Als Grundlage wird zurzeit ein Gutachten zu einem Ländervergleich vorbereitet, übrigens nicht nur mit den Westländern, wie hier vonseiten der PDS gesagt wurde, sondern auch mit den neuen Ländern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Lunacek?

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Vietze.

Herr Lunacek, ist Ihnen bekannt, dass die PDS-Fraktion Vorschläge zur Reduzierung des Mitteleinsatzes für überdimensionierte Flughafenplanungen, zum Einsatz bzw. zum Bau des Lausitzringes und anderer Großprojekte vorgelegt hat und dass diese Regierung mit den sie tragenden Fraktionen der Regierungskoalition es als eine ganz entscheidende Aufgabe gesehen hat, diese Projekte durchzuziehen, einschließlich der Liquidation der Landesentwicklungsgesellschaft, und dass damit natürlich in hohem Maße finanzielle Auswirkungen verbunden sind, die am Ende 10 % des Haushaltes umfassen? Das ist jene Größe, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, die...

Herr Abgeordneter Lunacek, die Frage war formuliert worden. Das ist jetzt eine Zusatzkommentierung. Sie können antworten.

Herr Vietze, wenn wir diese Vorschläge realisierten, dann würden wir eines der für die Entwicklung der Brandenburger Wirtschaft wichtigsten Projekte, nämlich den Flughafen, abwürgen. Sie wissen, dass an diesem Projekt nach realistischen Schätzungen perspektivisch Arbeitsplätze in einer Größenordnung von 50 000 hängen.

(Zurufe von der PDS)

Dann würde genau das passieren, was uns in diese Katastrophe geführt hat: Die wirtschaftliche Basis würde einbrechen. Das ist das Problem.

Ich kenne eine ganze Reihe von Vorschlägen von Ihnen, zum Beispiel solche für die virtuelle Erhöhung von Steuereinnahmen, wobei wir das Gegenteil davon erleben. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres darüber diskutiert. Das Gegenteil Ihrer Vorschläge ist jetzt eingetreten. Sie haben auch Vorschläge zur Einsparung von Personalverstärkungsmitteln gemacht, wobei Sie andererseits vierteljährlich eine volle Angleichung der Ostlöhne an die Westlöhne fordern. So etwas ist nicht glaubwürdig.

(Beifall bei CDU und SPD - Zurufe von der PDS)

Herr Abgeordneter Lunacek, auch Frau Dr. Enkelmann möchte Ihnen eine Frage stellen. Möchten Sie diese beantworten?

Bitte schön.

Herr Lunacek, ist Ihnen bekannt, dass die PDS bei den letzten Haushaltsberatungen vorgeschlagen hat, einen Teil der Mittel für zentrale Abwasseranlagen nicht für diesen Zweck auszugeben, und dass Sie mit der jetzigen Haushaltssperre genau diesem Vorschlag folgen?

Frau Dr. Enkelmann, das hat mit der Diskussion über den Nachtragshaushalt überhaupt nichts zu tun; denn das sind im Wesentlichen Europamittel.

(Zurufe von der PDS)

Im Übrigen bleibt das Problem Ihrer Fraktion, dass diese Vorschläge macht und das Gegenteil davon eintritt, davon unberührt.

(Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren, wir werden den Nachtragshaushalt 2002 in den nächsten Wochen beraten und verabschieden. Neben der Erhöhung der Nettokreditaufnahme, die schmerzlich, aber notwendig ist, wird darin auch die Absicherung der Beteiligung des Landes an der Communicant AG vorgesehen. Wir

stehen zu diesem Projekt und wollen seinen Erfolg. Deshalb wollen wir das tun. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Lunacek. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 3/5022 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist mehrheitlich so beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und unterbreche die Landtagssitzung bis 13.15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.32 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.16 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne den Nachmittagsteil der 66. Plenarsitzung und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Vereidigung des Ministers für Wirtschaft

Der Ministerpräsident hat mir mitgeteilt, dass er gemäß Artikel 84 der Verfassung des Landes Brandenburg Herrn Ulrich Junghanns zum Minister für Wirtschaft ernannt hat.

Herr Junghanns, ich bitte Sie, vor Übernahme Ihrer Amtsgeschäfte vor den Abgeordneten des Landtags den Eid gemäß Artikel 88 der Verfassung des Landes Brandenburg zu leisten.

Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde so wahr mir Gott helfe.

Herr Minister, ich gratuliere Ihnen herzlich zur Übernahme des Amtes, wünsche Ihnen viel Erfolg in diesem verantwortungsvollen Amt und uns eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Alles Gute!