Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Ehler.

In der Zwischenzeit begrüße ich Gäste aus Lauchhammer. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst anmerken, dass aus den Antworten der Landesregierung erkennbar ist, wenn man genauer hinschaut, dass nicht für alle statistischen Fragen der Fraktion der PDS auch statistisches Material verfügbar war. Aus Sicht der Unternehmer finde ich das eher beruhigend. Kollege Müller ist ja ein sehr höflicher Mensch und hat sozusagen gelobt, dass mit dem der Landesverwaltung eigenen Fleiß hier noch einmal im Grunde genommen alles zusammengetragen wurde, was in diversen anderen Berichten auch schon steht.

Insofern stellt sich die Frage: Was ist der Hintergrund unserer heutigen Diskussion? Von der PDS-Fraktion hätte ich, wenn sie das auf die Tagesordnung setzt, erwartet, dass sie als Opposition angreift, Fragen stellt, Konzepte entwickelt. Was wir hier haben, ist im Grunde genommen nur der Fakt, dass Ihnen mit den 47 Fragen Ihrer Anfrage das Verdienst zukommt, den breiten Schrotschuss als Instrument der volkswirtschaftlichen Diskussion in Brandenburg eingeführt zu haben. Aber die Frage, wohin Sie mit all Ihren Fragen wollen, lässt sich im Grunde genommen weder aus dem Redebeitrag noch aus der Anfrage richtig beantworten. Dass Sie, wie Sie in der Anfrage ausführen,

für eine aktive Arbeitsmarktpolitik sind, haben wir in vielfältiger Weise von ehemaligen und heutigen Mitgliedern der PDSFraktion schon über Jahre hinweg gesagt bekommen.

Wenn ich hier höre, dass Sie die Initiative begrüßen, die ein Mitglied der Landesregierung gemeinsam mit den ostdeutschen Arbeitsministern beschlossen hat, dann können wir das als CDU-Fraktion durchaus so mittragen. Wenn ich höre, dass Sie dann sozusagen vom großen allgemeinen Ganzen auf zwei bis drei einzelne Stichpunkte kommen, indem Sie sagen, Jugendförderbetriebe, Einstiegsprogramme, so kann ich darauf nur entgegnen: Mein Gott, wir sind weit über die Phase hinaus, in der wir in den Gräben sitzen und sagen, dass Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik nicht miteinander vereinbar sind. - Wir müssen vor dem Hintergrund der finanziellen Gegebenheiten eben nur nüchtern überlegen, wie wir das optimieren können. Es ist wirklich eine der wichtigen Aufgaben der Landesregierung, aus diesen Gräben herauszukommen. Insofern kann man im Einzelnen auch nichts dagegen sagen. Die Frage ist nur, ob das nun der große Wurf im Rahmen der Aussprache zum Stand der Sozial, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik des Landes Brandenburg ist oder ob wir außer Allgemeinplätzen überhaupt nichts gehört haben.

Dann kritisieren Sie ein bisschen Hartz. Da können wir mitmachen oder auch nicht. Das gipfelt in der Aussage, dass alle Vorschläge auf den Prüfstand gestellt werden. Dagegen ist nicht einmal Herr Hartz. Auch dieser sagt, dass wir uns genau überlegen müssen, was wir tun wollen.

Das ist also schon von einer Allgemeinheit, die nicht zu überbieten ist und die Antwort der Landesregierung ist eine ganz erstaunliche Fleißaufgabe von Kohorten von Mitarbeitern, aber eine Generaldebatte oder die Vorstellung eines Entwurfes vonseiten der Opposition ist das bei weitem nicht. Da ist heute der Kollege Müller hier sozusagen engagierter in die Bütt gestiegen, als es die Opposition getan hat. Wenn wir jetzt schon die Opposition selbst geben müssen, dann wird es langsam schwierig.

(Beifall bei der CDU - Vietze [PDS]: Reden Sie zum The- ma, Herr Ehler!)

Dann stellt sich die Frage, was solche Schrotschussanfragen eigentlich bringen, außer dass sie die Landesverwaltung beschäftigt haben.

Wenn denn zu den Aussagen der PDS zu diesem Thema schon nichts zu sagen ist, dann vielleicht doch zu den Aussagen der Landesregierung. Dabei bleibt festzuhalten, dass wir sehr froh sind und es begrüßen, dass in der Antwort auf die Frage 27 steht:

„Die Landesregierung verfolgt daher konsequent den Kurs, ein Absinken der Investitionsquote der öffentlichen Haushalte zu verhindern - unter anderem durch vollen Einsatz der Mittel aus dem Solidarpakt ausnahmslos für zusätzliche infrastrukturelle Investitionen - und private Investitionen durch Förderung, Entbürokratisierung und all die anderen Maßnahmen, die zur Attraktivität des Standortes Brandenburg beitragen, zu stimulieren.“

Das können wir vollinhaltlich mittragen. Das ist eine der ge

meinsamen Grundlagen dieser Koalition. Das sind klare Aussagen auch in Bezug auf den Landeshaushalt.

Ich kann nur immer wieder sagen: Die Landesregierung trägt hier ihre Verantwortung, sie reflektiert die jetzige Situation gut und solide, sie gibt hier vernünftig wieder, was seit drei Jahren in schwieriger Zeit und mit manchen Auseinandersetzungen, aber mit guten Erfolgen an Politik gemeinsam gemacht wurde. Insofern stellt sich natürlich wieder die Frage, was Ihre Anfrage sollte.

Gehen wir zum nächsten Punkt: Zum Thema Wirtschaftswachstum sind natürlich einige interessante Dinge darin enthalten. Es gibt - das ist eklatant - einen Schrumpfungsprozess in der Bauwirtschaft, wie er in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie da gewesen ist. Das wirft volkswirtschaftlich das Problem auf, dass wir ein vollkommen uneinheitliches Bild haben. Die Statistiken - die Gefahr liegt darin, dass man zu statistikgläubig ist - laufen völlig auseinander. Wir haben in diesem Bereich eine Schrumpfung in der Größenordnung von 30 % zu verzeichnen - das ist dramatisch - und gleichzeitig in einigen Bereichen Zuwächse, die dem Land Brandenburg wirklich gut anstehen und die wir auch einmal formulieren müssen, weil wir sonst nur immer alles schlechtreden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Jetzt gilt es - das ist die Quintessenz - die wirtschaftliche Entwicklung, die wir in Brandenburg haben, auf eine breitere Basis zu stellen. Das ist die Aussage in der Antwort der Landesregierung. Es besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen den peripheren Regionen und den Verdichtungsregionen. Da ist die Frage: Was ist der Weg? Setzen wir auf die dezentrale Konzentration oder sagen wir, wir müssen erst einmal die Kernbereiche stärken, um dann das andere finanzieren zu können? Alles Fragen, die ich von Ihnen erwartet hatte, von denen ich aber kein Wort gehört habe.

Das reicht in andere Bereiche hinein, die Fragen der Exportwirtschaft betreffend. Hier zeigt die Antwort - wie auch alle Aussagen schon vorher - überdeutlich, dass der Export das zentrale Thema ist. Wenn wir sehen, dass die Exportquote in Brandenburg bei nur 10 % liegt und nur ein Drittel der westdeutschen beträgt, wir aber ein Land mit geringer Bevölkerungszahl und geringer Binnennachfrage sind, ist Export ein zentrales Thema. Das Gemäkel an den Auslandsplattformen usw. zeigt im Grunde eine Einstellung, die ausschließlich auf unseren Nabel fixiert ist und nichts mit den Gegebenheiten in der Welt zu tun hat. Ein kleines Land wie Irland mit 3 Millionen Einwohnern hat 30 Auslandsplattformen mit jeweils fünf bis zehn Mitarbeitern, und es lebt davon, dass es den Export fördert, dass es im Ausland für seinen Wirtschaftsstandort wirbt. Wir wären gut beraten, dies auch zu tun. Das ist eine zentrale Aussage in der Antwort.

Damit komme ich zum Thema Bildung. Der Ministerpräsident hat es genannt, ich meine, es spricht aus jeder Zeile des Berichts: Das Thema Bildung umfasst sehr viel mehr als nur ein Ressort. Wir müssen Wirtschaft, Hochschulen und Forschung sehr viel stärker miteinander verbinden. Wir dürfen das Thema „Lebenslanges Lernen“ nicht nur im Mund führen, sondern müssen Voraussetzungen dafür schaffen, dass tatsächlich lebenslang gelernt werden kann. Das ist in der gestrigen Regierungserklärung unmissverständlich deutlich geworden und das belegt auch dieser Bericht.

Ein letzter Punkt, das Thema Zukunftsbranchen: Ich gehe selten und ungern auf die DVU ein, aber ich bitte Sie: Das war doch ein Erbsenzählervortrag, den Sie da gehalten haben, wenn Sie beim Thema Biotechnologie sagen, das betreffe doch nur 1 000 Arbeitsplätze. Haben Sie sich einmal das Investitionsvolumen im Biotechnologiebereich angeschaut? Allein im Biotechnologiezentrum in Herrmannswerder und Hennigsdorf haben 15 Firmen ein Investitionsvolumen von mehreren Hundert Millionen Mark eingesetzt. Ich bitte Sie, eine Statistik nicht einfach so zu lesen, dass Sie am Rechenschieber die Dinge miteinander vergleichen. Sie müssen einmal die volkswirtschaftliche Dimension sehen. Es ist doch eine Kaspertheaterdiskussion, die wir führen, wenn wir dies so betreiben wie Sie, dass Sie mit dem Rechenschieber etwas aufzählen. Das ist auch die Gefahr von solch dubiosen Berichten.

Ich fasse zusammen: Ich meine, dass die Antwort der Landesregierung die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten bestätigt: Trends, die er aufgezeigt hat, sind darin zahlenmäßig bestätigt worden. Ich wünsche den Brandenburger Betrieben, dass sie nicht in der Regulierungswut untergehen, die die PDS in ihren statistisch aufgezogenen Anfragen andeutet. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Ehler und gebe das Wort der fraktionslosen Abgeordneten Dr. Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Ehler, Deutschland hat an über 80 Standorten der Welt 117 Auslandsbüros des DIHK. Das dürfte Ihnen bekannt sein. Warum nutzt das Land Brandenburg diese professionellen, zertifizierten Büros nicht? Das einmal vorweg.

Gestern hat der Sachverständigenrat die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Von einem Wirtschaftsaufschwung in Deutschland sind wir weit entfernt. In Brandenburg vermag man einen Zusammenhang von Wirtschaft und Konjunkturaufschwung kaum mehr herzustellen, ganz zu schweigen von einem Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung.

(Dr. Ehler [CDU]: Dann schaffen wir doch die Wirtschaft ab!)

Wir werden in diesem Jahr durchschnittlich die höchste Arbeitslosigkeit - das ist jetzt schon klar - überhaupt in Brandenburg erreichen. Herr Wirtschaftsminister Junghanns, da wird es in Ihrem Amt keine Schonfristen geben.

Die Finanz-, Wirtschafts- und Beschäftigungslage des Landes Brandenburg hat sich in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich verschlechtert. Die Landesregierung hat es bisher nicht vermocht, diesen Trend umzukehren. Der Optimismus, den der Ministerpräsident mit seiner Regierungserklärung gestern zu verbreiten suchte, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unbegründet, und ich sage „noch“. Brandenburg verfügt zwar über eine anhaltend hohe Zahl von Erwerbspersonen, trotzdem lässt sich nach den neuesten Prognosen auch für die Jahre 2002 und 2003 ein weiteres Zurückgehen bzw. eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts anscheinend nicht aufhalten.

Absolutes Wachstum gibt es auf vier Gebieten im Land: Landesschulden, Unternehmensinsolvenzen, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe. Hier zeigen die Kurven steil nach oben. Das ist die Bilanz seit 1991. Der Untergang der DDR ist wohl in diesem Zusammenhang kein Maßstab, an dem man sich messen muss.

Die Antworten zur Großen Anfrage „Arbeit und Wirtschaft“ sollten wir nicht als eine bloße Datensammlung begreifen, sondern als Grundlage für eine Bilanz und einen Ausblick auf das Umsteuern in der Beschäftigungspolitik des Landes. Das wäre dann der große Wurf, Herr Dr. Ehler. Denn im Hinblick auf Arbeit, Wirtschaft und Finanzen hat die Landesregierung die Weichen bis jetzt noch immer nicht in Richtung nachhaltiges Wirtschaftswachstum und dauerhaften Wohlstand für alle gestellt. Drei Beispiele:

Erstes Beispiel: Auf dramatisch steigende Arbeitslosenzahlen, insbesondere steigende Zahlen der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, reagiert die Landesregierung mit einer drastischen Reduzierung in der Bereitstellung von Landesmitteln zur Arbeitsförderung. Betroffen davon sind insbesondere Frauen und hier wiederum besonders allein stehende Mütter. Wie verträgt sich das mit den Worten aus der gestrigen Regierungserklärung, wonach die Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben ausdrücklich als falsch und ökonomisch kontraproduktiv bewertet wird? Ich habe mich sehr gefreut über die Sensibilität in der Regierungserklärung gegenüber dieser speziellen Problematik. Doch vermisse ich Konzepte und konkretes Handeln. Dies duldet keinen Aufschub; denn wir wissen, dass im Jahr 2001 60 000 Frauen weniger beschäftigt waren als 1991 und gleichzeitig die Zahl der arbeitslosen Frauen um 53 000 zunahm.

Zweites Beispiel: Auf steigende Insolvenzen im Bereich kleiner und mittelständischer Betriebe reagiert die Landesregierung mit einer deutlichen Reduzierung der reinen Landesfinanzierung in der Wirtschaftsförderung. Ein Glück, dass dieser falsche Trend in der Mittelbereitstellung nicht auch noch durch den Bund und die EU gefördert wird!

(Bartsch [CDU]: Wissen Sie, was Sie erzählen?)

Insgesamt ist die Wirtschaftsförderung durch den Bund einschließlich Landeskofinanzierung seit 1995 und insbesondere auch seit 1999 deutlich rückläufig. Dafür zolle ich wie viele Existenzgründer und Unternehmer dieses Landes dem Ex-Wirtschaftsminister Fürniß wahrlich keinen Respekt.

Drittes Beispiel: Auf sinkende Steuereinnahmen und wachsende Schuldenlasten reagiert die Landesregierung mit verschwenderischen Auslandsplattformen, unwirtschaftlichen Großprojekten

(Bartsch [CDU]: So ein Blödsinn!)

- ich brauche sie hier nicht noch einmal alle aufzuzählen -, verpatzten Industrieansiedlungen wie neuerdings in Wittenberge. Jawohl, die Fördersätze für Großprojekte müssen heruntergesetzt werden. Hier, Herr Müller, sind wir einer Meinung. Wir müssen uns gemeinsam Gedanken machen, wie Mittel wirklich effizient in KMU fließen können. Hier sehe ich das Hauptdefizit brandenburgischer Landespolitik.

Ich möchte hier abbrechen wegen der Zeit.

(Bartsch [CDU]: Ein Glück auch!)

So kann man sich die Zukunft, die Modernisierung märkischer Prägung verbauen, meine Damen und Herren.

Aber einen Lichtblick gibt es wohl noch bei diesem negativen Trend. Brandenburg wird auf seinem falschen Weg voraussichtlich auch nach 2006 Ziel-1-Gebiet der Europäischen Union bleiben. Das haben neueste Prognosen ergeben. Wir müssen uns nun aber entscheiden, ob wir knappes Geld weiterhin leichtfertig in den märkischen Sand setzen oder ob wir daraus Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle im Lande machen. Nur eine Bestandsaufnahme und eine Debatte eben mal so über das Thema Nr. 1 greift natürlich viel zu kurz und ist dem Vorankommen auf den Gebieten Arbeit und Wirtschaft kaum dienlich. Vertrauen in die Landesregierung habe ich nach den bisherigen Ministerskandalen nicht.

Meine Damen und Herren, wir brauchen - im Jargon von Hartz auch in Brandenburg die gesellschaftlichen Kräfte als Profis der Nation und einen Masterplan.

(Vereinzelt Lachen bei der CDU)

Darum plädiere ich für eine Enquetekommission in diesem Land „Arbeit und Wirtschaft“.

Frau Dr. Schröder, ich hatte Ihnen schon vor einiger Zeit signalisiert, dass Sie zum Schluss kommen sollen.

Ich komme zum letzten Satz.

Ich werde in die nächste Landtagssitzung einen entsprechenden Antrag zur Einsetzung einer solchen Enquetekommission einbringen,

(Bartsch [CDU]: Schade um das Papier!)