Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

- und das halten wir für besonders wichtig -

„individuelle Stütz- und Fördermaßnahmen anbieten.“

(Beifall bei der PDS)

Brandenburg ist bisher mit 87 Ganztagsschulen das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Ganztagsschulen. Wir könnten eigentlich stolz sein auf diese Schullandschaft. Uns sind auch viele Einzelbeispiele bekannt, bei denen ausgereifte pädagogische Konzepte, stimmige Schulprogramme, die Öffnung von Schule, Integrationsmodelle usw. zu übernachgefragten Schulen auch zu Erfolgen führen. Eine richtige Evaluation aber gibt es nicht. Das ist umso bedauerlicher, weil es in unserem Land eine solche Vielfalt an Ganztagsschulen gibt und wir hier Impulse für die gesamte Bundesrepublik geben könnten.

Nach unserer Kenntnis wird es jetzt eine Vielzahl von Anträgen geben. Schulen, deren Standort bedroht ist, werden sich bemühen, ihren Standort attraktiver zu machen, indem sie sich bewerben, Ganztagsschule zu werden, manchmal vielleicht auch aus Lust am Ausprobieren neuer Konzepte. Es wird also einen neuen Bedarf geben bzw. der Bedarf wird steigen.

In Richtung CDU möchte ich noch einmal deutlich sagen: Für uns gibt es trotz des schlechten PISA-Ergebnisses keinen Grund, die Ganztagsschulen oder die Erweiterung des Netzes infrage zu stellen. Wir wollen nur genauer hinsehen.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja.

Frau Kollegin, Sie haben gesagt, dass wir Brandenburger auf das Ganztagsschulangebot stolz sein sollen. Meine Frau, meine Kinder und ich sind immer froh, wenn wir zusammen sind,

wenn also die Kinder nach der Schule wieder zu Hause sind. Können Sie mir vor diesem Hintergrund erklären, warum wir auf das Ganztagsschulangebot in Brandenburg stolz sein sollen?

(Zurufe von der PDS)

Herr Kollege Homeyer, wir wollen ja niemanden nötigen, eine Ganztagsschule zu besuchen. Wenn Ihre Frau in der Lage ist, das zu Hause zu machen! Vielleicht können Sie meinen weiteren Ausführungen auch noch eine Antwort entnehmen.

Wir wollen einfach nur genauer hinsehen, um Folgendes zu erkennen - Herr Homeyer, passen Sie jetzt bitte auf! -: Wie werden die Kinder an Ganztagsschulen gefordert und gefördert? Welche Unterstützungssysteme gibt es? Wie werden Begabungen erkannt? Wird Schülern an Ganztagsschulen mehr Zeit, mehr Zuwendung entgegengebracht? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Eltern? Welche Kooperationsstrukturen mit Hochschulen, Volkshochschulen, Museen, Musikschulen usw. gibt es? Welche Netzwerke gibt es inzwischen hin zu Einrichtungen der Jugendhilfe, zum jugendpsychologischen Dienst, zu Kinderärzten, zum Gesundheitsdienst? Wie sind die 87 Kommunen mit der Mehrbelastung bisher zurechtgekommen? Welche Ressourcen sind durch die Schulträger geschaffen worden für die relevanten Bereiche Lernen, Verpflegung, Spiel, Begegnung, Rückzug? Wie sind die Lehrerarbeitsplätze ausgestattet?

Das sind nur einige Fragen, die bisher nur unzureichend oder gar nicht von der Landesregierung beantwortet werden können.

Auch das für Juli 2002 angekündigte Grobkonzept - Herr Homeyer, Sie sollten wirklich zuhören; ich glaube, Sie wissen gar nicht wirklich, was eine Ganztagsschule ist

(Zurufe von der PDS)

ist uns bisher nicht bekannt. Aus unserer Sicht reicht es eben nicht, das Ganztagsschulnetz auf die 100 angekündigten Ganztagsschulen zu erweitern, ohne solche wichtigen Fragen geklärt zu haben.

Ebenso unklar ist, inwiefern die Landesregierung bereit ist, die Verankerung eines Rechtsanspruchs auf einen Platz in einer Ganztagsschule vorzubereiten.

Unklar ist bisher auch, inwieweit die Landesregierung konzeptionelle Vorstellungen dazu entwickelt hat, dass auch Schulen, die bisher kaum eine Chance dazu hatten, Ganztagsschule zu werden - wie Grundschulen, Förderschulen, Gymnasien, bedingt auch Realschulen - künftig einbezogen werden können.

Dass dies alles auch eine Frage des gestern im Kabinett beschlossenen Schulressourcenkonzepts, also eine Frage der Planstellenentwicklung, ist, will ich heute nur andeuten. Wir erwarten von der Landesregierung, dass mit dem Schulressourcenkonzept auch die personelle Ausstattung der Ganztagsschulen abgesichert wird. Erforderlich ist dafür eine Verbesserung der Stellenausstattung um mindestens 30 %.

Im Zusammenhang mit der Errichtung weiterer Ganztagsschu

len darf es nicht zu einer unbezahlten Erhöhung der Gesamtarbeitszeit der Lehrkräfte kommen.

Darüber hinaus bedarf es gesicherter Beschäftigungsverhältnisse für sozialpädagogisches und schulpsychologisches Fachpersonal, das den gleichen Arbeitgeber haben muss wie die Lehrkräfte.

Wir wissen, dass Ganztagsschulen in Brandenburg den Schulbetrieb bisher unter problematischen räumlichen Bedingungen organisieren müssen. Sowohl Schulen vom Typ Erfurt als auch viele alte Schulgebäude sind für den Ganztagsschulbetrieb nicht gut geeignet. Umso wichtiger ist es, die sinkenden Schülerzahlen zu nutzen, um in der dann entspannteren Situation räumliche Ressourcen besser zu erschließen. Auch das spricht übrigens Herr Fritsch, ich erinnere an die von Ihnen apostrophierten nicht mehr zu nutzenden halb vollen Schulen - für den Erhalt kleinerer Schulstandorte.

(Beifall bei der PDS) : Schulneubauten sollten von vornherein so angelegt sein, dass sie einen Ganztagsbetrieb ermöglichen. Zur Unterstützung der Schulträger sollte die Landesregierung hierzu Mindeststandards erarbeiten. Wir wünschen uns, dass es bei der Verteilung der Bundesmittel weder zu Leuchtturmlösungen noch zur Anwendung des Gießkannenprinzips kommt. Nötig ist ein kluges, differenziertes Herangehen. Eben dafür bedarf es des von uns geforderten Konzepts. (Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung hat sich zur Ganztagsschule bekannt. Die Opposition sieht dafür ebenfalls einen hohen Bedarf. Ganztagsschulen sind gesellschafts- und sozialpolitisch überfällig und pädagogisch dringend notwendig. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Siebke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Brandenburg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern einen hohen Anteil an Ganztagsschulen. Auch die Zahl 86 wurde hier bereits genannt.

Die Ganztagsschule wurde frühzeitig im Schulgesetz verankert, weil ihre Bedeutung für das Lernen, für den sozialen Ausgleich und natürlich auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung ebenfalls frühzeitig erkannt worden ist.

(Zuruf von der PDS: Das ist wichtig für Herrn Homeyer!)

Die Angebote zum Ganztagsbetrieb wurden von den Schulen in Brandenburg sehr gut angenommen. Es zeigt sich, dass mehr

Schulen den Wunsch nach Ganztagsangeboten hatten, als letztendlich ausfinanziert werden konnte.

Die Ganztagsschulen haben meiner Meinung nach auch eine Vorreiterrolle bei der Erstellung der Schulprogramme gespielt; denn alle Ganztagsschulen waren verpflichtet, Schulprogramme zu erarbeiten, um die Qualität von Ganztagsschulen zu sichern. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sich die Ganztagsschulen in den letzten Jahren qualitativ sehr unterschiedlich entwickelt haben.

Der Anteil der Ganztagsschulen im Lande Brandenburg wird in den nächsten Jahren sicherlich steigen. Das hängt zum einen damit zusammen - ich könnte sagen, dass das ein negativer Effekt ist -, dass wir in Brandenburg weniger weiterführende Schulen haben werden und dass somit der Prozentsatz der Ganztagsschulen steigen wird. Wie hier schon gesagt wurde, bildet aber auch das Schulressourcenkonzept darüber hinaus eine Voraussetzung dafür, das Angebot an Ganztagsschulen zu erweitern.

Die Ergebnisse der PISA-Studie rückten den Gedanken in den Blickpunkt, das Ganztagsschulsystem deutschlandweit auszubauen. Der Grund dafür ist eindeutig darin zu sehen, dass alle Länder, die von den Ergebnissen der PISA-Studie her vor Deutschland liegen, in der Regel Ganztagsschulsysteme vorhalten. Nicht umsonst stellt der Bund 4 Milliarden Euro für 10 000 neue Ganztagsschulen zur Verfügung. Die entsprechenden Zahlen für Brandenburg wurden hier schon genannt. Ich möchte sie nicht wiederholen.

Jedenfalls möchte ich sagen, dass Ganztagsschule allein nicht automatisch Erfolg begründet. Richtig ist, dass man Ganztagsschule inhaltlich entsprechend ausgestalten muss. Deshalb halte ich es für richtig, dass die Ganztagsschulen in Brandenburg evaluiert worden sind. Soweit ich weiß, liegen die Ergebnisse dieser Evaluation bereits vor und müssen nur noch bewertet werden. Ich schlage ausdrücklich vor, dass wir uns mit den Ergebnissen und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zeitnah - ich denke dabei an einen Zeitpunkt zu Anfang des nächsten Jahres - im Ausschuss befassen. Die Ergebnisse der Evaluation und die Tatsache, dass die geltende Verordnung zu Ganztagsschulen ausläuft, machen es notwendig, ein überarbeitetes Konzept zur Neubewerbung von Schulen für den Ganztagsbetrieb zu erarbeiten. Darin sind wir uns völlig einig.

Ich stimme den in dem Antrag der PDS-Fraktion genannten Eckpunkten zu. Dabei muss das Augenmerk aber auch darauf gerichtet werden, in welchen Formen das Ganztagsangebot vorgehalten werden soll. Ich spreche mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür aus, auch offene Angebote vorzuhalten, sodass die Wahlmöglichkeit der Eltern und der Kinder auf eine breitere Basis gestellt wird.

Was hier gefordert wird, halte ich für notwendiges Verwaltungshandeln. Im Gegensatz zur PDS-Fraktion sehe ich keinen Grund, das durch einen Landtagsbeschluss zu untermauern. Ich weise darauf hin, dass der Ausschuss jederzeit die Möglichkeit hat - darauf werde ich auch bestehen -, sich das überarbeitete Konzept vorlegen zu lassen. Nach dem, was ich darüber weiß, halte ich als Zeitpunkt dafür den April/Mai nächsten Jahres für angemessen. Dann werden wir nach meinen Vorstellungen im Ausschuss auch sehr ausführlich über Inhalte, Formen, Personalstellen und alles andere, was damit zusammenhängt, diskutieren, damit das Konzept anschließend entsprechend umgesetzt werden kann. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS möchte von der Landesregierung bis zum März nächsten Jahres ein Konzept zur Weiterentwicklung der Ganztagsschulen bzw. für Ganztagsangebote an brandenburgischen Schulen sehen. Es ist den Genossen der PDS tatsächlich gelungen, einen sachlichen Antrag zu formulieren, aus dem einem nicht sofort die gleichmacherische marxistische Ideologie anspringt, die die Kommunisten mit den Sozialdemokraten teilen.

(Beifall bei der DVU)

Die Abgeordneten der Deutschen Volksunion werden daher diesem Antrag zustimmen; denn auch inhaltlich können wir mit ihm mitgehen.

Unsere Zustimmung zu diesem Antrag ist jedoch keinesfalls eine Zustimmung zu den marxistischen Wunschvorstellungen einer verstaatlichten Erziehung. Eine kinder- und familienfreundliche Politik muss den Eltern die freie Wahl lassen, ob sie ihre Sprösslinge am Nachmittag, also nach der normalen Schulzeit, selbst betreuen oder der Betreuung der Schule überlassen wollen. Keine Schule, kein angestellter Betreuer kann die Zeit ersetzen, die Kinder mit ihren Eltern verbringen.

(Beifall bei der DVU)

Die Ganztagsbetreuung von Kindern in den Schulen ist nur eine Variante, nur eine mögliche Alternative. Die erste Instanz für die Erziehung unserer Kinder, für die Wertevermittlung ist und bleibt die Familie, bleiben die Eltern.

Meine Damen und Herren! Die für Brandenburg blamablen Ergebnisse der PISA-Studie zwingen förmlich zum Handeln. Die Erfahrungen aus anderen Ländern präsentieren als eine mögliche Maßnahme zur Verbesserung unseres Bildungssystems eben die Ganztagsbetreuung unserer Schüler. Auch infolge gesellschaftlicher Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, der schlechten Arbeitsmarktlage und der Vielzahl von Alleinerziehenden bietet sich die Ganztagsbetreuung geradezu an.

Viele Brandenburger wären froh, wenn sie die Kinder sicher untergebracht und betreut wüssten, während die Eltern ihrer Arbeit nachgehen oder sich auf dem Heimweg befinden. Eine Verbesserung der schulischen Leistungen wäre dabei ein sehr angenehmer Nebeneffekt. Daher hält es die Fraktion der Deutschen Volksunion für eine gute Idee, dass die Landesregierung ausführlich darlegt, wie sie sich die angekündigte Ausweitung der Ganztagsbetreuung vorstellt.

Wir stimmen daher diesem Antrag zu. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)