Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion beantragt heute, die Landesregierung zu beauftragen, binnen drei Monaten ein Konzept zur Weiterentwicklung des Systems der Ganztagsschulen in Brandenburg vorzulegen. Der Antrag enthält sechs Punkte, von denen wir meinen, dass eine ganze Reihe bereits erfüllt ist, oder, wie Frau Siebke vorhin deutlich sagte, eigentlich normales Verwaltungshandeln darstellt.

Sie erwarten eine Evaluation und die Erstellung von Schulprogrammen. Das haben wir vor anderthalb Jahren im Schulgesetz ganz deutlich verändert. Das heißt, die Masse der Schulen im Land Brandenburg steht vor der Aufgabe, Schulprogramme mit der Maßgabe zu entwickeln, diese laut Gesetz zu evaluieren, und zwar intern, aber auch extern.

Sie erwarten, dass die personelle Ausstattung für Ganztagsschulen geregelt oder in einem Konzept festgelegt wird. Auch das geschieht über die Verwaltungsvorschriften, die im Land Brandenburg jährlich überarbeitet werden und die auch die Mitwirkungsgremien passieren, das heißt, letzten Endes auch den Landesschulbeirat.

Die Formen der Ganztagsschulen, auf die Sie auch eingehen, sind ebenfalls im Schulgesetz geregelt. Wir haben auf der einen Seite verbindliche Ganztagsschulen, wir haben die Form der Bildung von Ganztagsschulklassen, aber auch die Arbeit in Arbeitsgemeinschaften und anderes mehr.

Die sächlichen Voraussetzungen für die Ganztagsschulen, die Sie im Konzept fordern, sind vonseiten des Landes nur schwer von zentraler Stelle festzulegen; denn die Verhältnisse vor Ort, Frau Große, sind sehr unterschiedlich. Ich kann nicht eine Schule mit der anderen vergleichen. Ich kann auch nicht die Schule an einem Ort mit der Schule an einem anderen Ort vergleichen. Hier zentrale Parameter zu erarbeiten und aufzustellen halte ich für problematisch.

Nun zur Meinung der CDU-Fraktion bezüglich der Ganztagsschulen insgesamt. Die Zahl 86 ist genannt worden. 86 verbindliche Ganztagsschulen haben wir im Land Brandenburg. Wir meinen, das ist genug und deckt den Bedarf. Wir treten für freiwillige Ganztagsangebote ein, für den Ausbau von Arbeitsgemeinschaften an den Schulen und für die Öffnung von Schule für Vereinsarbeit, aber auf freiwilliger, am Bedarf orientierter Grundlage.

Wir wenden uns gegen die Einrichtung von neuen Ganztagsschulen, von verbindlichen Ganztagsschulen im Grundschulbereich. Das hat etwas damit zu tun, dass wir im Grundschulbereich die mögliche Ganztagsbetreuung über den Hort abgesichert haben. Wenn ich sage, dass ich im Grundschulbereich neue Ganztagsschulen einrichten will, dann muss ich auch sagen, wie ich mit den Erziehern vor Ort verfahre, die Angestellte der Gemeinden oder der freien Träger sind und die Hortkinder betreuen. Was mache ich dann mit ihnen? Dann stiehlt sich das Land aus der Verantwortung für den Umgang mit diesen Erziehern.

Wir treten jedoch dafür ein, dass Hort und Schule stärker miteinander kooperieren und auch Bildungsziele vereinbaren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Große [PDS])

Auch Ganztagsschulen bringen Probleme mit sich, nicht nur im Grundschulbereich, sondern auch im Bereich der Sekundarstufe I, also der 7. bis 10. Klasse. Viele Dinge, für die sich junge Leute engagieren, sind im Bereich der Ganztagsschule nicht unterzubringen. Ich denke zum Beispiel an übergeordnete Chöre oder an viele Sportarten, die man im Laufe des Nachmittags betreiben muss, weil man dafür Licht braucht und sie nicht irgendwo ausüben kann, oder an die Arbeit in Musikschulen, Orchestern oder Spielmannszügen. Man könnte noch vieles nennen.

Es gibt auch noch immer christliche Eltern, die ihre Kinder nach der Schule zum Kommunionsunterricht, zur Christenlehre oder zum Konfirmandenunterricht schicken. Das geschieht dann nach 17 Uhr, wenn die Kinder mit dem Schulbus nach Hause gefahren worden sind. Das ist, glaube ich, nicht ganz in Ordnung.

(Schippel [SPD]: Das wäre nicht so tragisch!)

Es soll auch noch Eltern geben - Herr Homeyer hat es vorhin gesagt -, die davon überzeugt sind, dass das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht nach der Schule in erster Linie in ihrer Hand liegen.

(Beifall bei der CDU)

Daraus ergibt sich - ich sage es noch einmal -: freiwillige Ganztagsangebote ja, verbindliche neue Ganztagsschulen wollen wir nicht.

Mein letzter Punkt: Der Bundeskanzler hat versprochen, 4 Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsschulen oder sächliche Kosten an die Länder auszureichen. Das ist eine Mogelpackung, meine Damen und Herren.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss!

Denn der erste Batzen der Kosten bleibt bei den Ländern, die die zusätzlichen Lehrer bezahlen müssen - wir hatten heute früh die Haushaltsdiskussion -, und der zweite Batzen bleibt bei den Kommunen.

(Schippel [SPD]: Richtig nachlesen!)

Mein Rat an alle Abgeordneten vor dem Hintergrund der vorhandenen Haushaltslage: Wir sollten weniger versprechen, aber das, was wir versprechen, dann halten. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an die Landesregierung. Für sie spricht Herr Minister Reiche. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Schüler aus der Gesamtschule Dahme! Ich bin dankbar für diese Diskussion; denn sie ist notwendig, macht sie doch

auch ein Stück weit deutlich, dass es hier Missverständnisse gibt. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes,

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“

gilt auch bezüglich der Ganztagsschule.

(Beifall bei der PDS und der Abgeordneten Siebke [SPD])

Insofern konnte ich Ihren eben gehaltenen Beitrag zwar verstehen, muss aber darauf hinweisen, dass es sich dabei sozusagen um eine grundgesetzlich gesicherte Binsenweisheit handelt.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Wir müssen nur gemeinsam darauf achten, dass die Eltern - für Herrn Homeyer träfe das zumindest an den beiden Parlamentstagen im Monat zu - unterstützt werden, damit dann Ganztagsangebote...

(Heiterkeit - Homeyer [CDU]: Wollen Sie mit mir in eine familienpolitische Debatte eintreten, Herr Minister?)

- Herr Homeyer, ich wollte nur auf Ihren Zwischenruf eingehen. Sie müssen deshalb nicht sauer sein. Wir sind ja in der Tat alle darauf angewiesen.

(Homeyer [CDU]: Dann behalten Sie doch Ihren ideologi- schen Schrott für sich!)

- Deshalb muss man doch nicht so sauer sein.

Meine Herrschaften, ich möchte Sie herzlich bitten, das Niveau nicht zu unterschreiten, das uns bisher ausgezeichnet hat.

Dem schließe ich mich an. - Es geht, Herr Homeyer, nicht um ideologischen Schrott. Um zu verdeutlichen, dass wir hierbei alle einen Konsens erreicht haben, der grundgesetzlich gesichert ist, habe ich das noch einmal vorgetragen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Bitte sehr, Frau Abgeordnete Hartfelder.

Herr Minister Reiche, ich bin ja hinsichtlich der Umsetzung des Paragraphen Ihrer Meinung.

(Beifall bei der PDS)

Können Sie sich jedoch auch meiner Meinung anschließen, dass es Eltern gibt, die das an Erziehungskraft Mögliche für ihre Kinder einsetzen wollen? Eltern wenden sich heute schon per Petition an den Landtag Brandenburg, um gegen die verbindliche Einführung, die Pflicht, den Zwang zum Besuch der Ganztagsschule vorzugehen.

(Zuruf von der PDS)

- Mehr oder weniger habe ich nicht gesagt.

Liebe Frau Hartfelder, dabei hätten Sie mich ganz an Ihrer Seite. Ich bin während meiner gesamten Amtszeit immer dagegen gewesen. Diesbezüglich kann ich auch die Empörung von Herrn Homeyer verstehen, wenn verbindliche Ganztagsangebote für bestimmte Regionen so eingeführt würden, dass es dazu keine Alternative mehr gibt.

Was wir machen müssen, ist - das wollen die PDS, die CDU und die SPD, das hat in der bisherigen Diskussion leider eine zu geringe Rolle gespielt -, offene Ganztagsangebote an den Schulen Brandenburgs einzuführen. Eines ist jedoch ganz klar: Eltern können ersetzen, was Schule versäumt; das müssen sie an manchen Stellen auch tun. Aber Schule kann niemals ersetzen, was Eltern versäumen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Darüber herrscht doch auch hier im Parlament breiter Konsens.

Wir haben in Brandenburg für etwa 20 % der gesamten Schülerschaft in der Sekundarstufe I und für rund 30 % der Schülerschaft an den Gesamtschulen die Ganztagsschule organisiert. Wir können das, wenn es vor Ort gewünscht wird, auch ausweiten. Nur wenn der Bedarf dafür vorhanden ist, ist ein solches Angebot sinnvoll. Deshalb sind wir dabei, das Schulressourcenkonzept in den nächsten Jahren dafür einzusetzen, das Ganztagsangebot zu erweitern. Dafür nutzen wir die Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation.