Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

Wir haben in Brandenburg für etwa 20 % der gesamten Schülerschaft in der Sekundarstufe I und für rund 30 % der Schülerschaft an den Gesamtschulen die Ganztagsschule organisiert. Wir können das, wenn es vor Ort gewünscht wird, auch ausweiten. Nur wenn der Bedarf dafür vorhanden ist, ist ein solches Angebot sinnvoll. Deshalb sind wir dabei, das Schulressourcenkonzept in den nächsten Jahren dafür einzusetzen, das Ganztagsangebot zu erweitern. Dafür nutzen wir die Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation.

Ich wünsche mir, dass die PDS wiederum an unserer Seite steht, wenn wir nicht bei jeder Schulschließung, die in Rede steht, sagen: Wir sind dabei, sie auch mit kleinsten Frequenzen weiterzuführen. - Denn wir wollen ja gerade die Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation nicht nur in den Erhalt aller möglichen und denkbaren Standorte, sondern auch in die Erhöhung des Ganztagsangebotes stecken. Deutschland, sehr geehrte Damen und Herren, ist im schulpolitischen Bereich eine Insel der Besonderheiten. Wir haben anders als andere Länder eben nicht für alle Kinder ein Ganztagsangebot. Unsere Kita-Erzieherinnen, die für den wesentlichen Eingangsbereich zuständig sind, verfügen nicht - anders als in anderen Ländern - über eine Fachhochschul- oder Hochschulausbildung. Deshalb gelingt es uns schlechter als anderen Ländern, die Entkopplung von sozialer Herkunft und Zukunftschancen zu gewährleisten.

(Beifall der Abgeordneten Kaiser-Nicht [PDS])

Der Ausbau von Ganztagsschulen wird uns gelingen, wenn wir die Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation insbesondere in diesen Bereich lenken. Deshalb will ich es so organisieren, dass im Schuljahr 2004/2005 alle derzeitigen Ganztagsangebote

auslaufen und dann - gerechter als bisher - allen sechs Schulämtern ein Sockel, gemessen an der Schülerzahl der Region, zugewiesen wird sowie ergänzend zu dem Sockel die Schulämter, wenn sie Schule gut organisieren, mehr ganztagsschulische Angebote vorhalten können, sodass wir auf dieser Basis mit dem Schuljahr 2005/2006 die neuen Ganztagsschulangebote zuweisen können. Das werden alte, aber auch mehr und hoffentlich auch viele neue Schulen sein.

Sie haben genauso große Erwartungen und Hoffnungen wie ich bezüglich des Ganztagsschulprogramms der Bundesregierung in Höhe von 135 Millionen Euro. Wir sind leider immer noch nicht in der Lage zu sagen, wie entschieden wird, ob also auf der Grundlage des Artikels 104 oder des Artikels 106 Grundgesetz den Ländern die Mittel zugewiesen werden, das heißt, entweder gekoppelt an die Umsatzsteuer oder als Direktzuweisungen für die Ganztagsschulen. Erst wenn wir das wissen, werden wir genau darüber Auskunft geben können, wie es uns gelingen wird, diese Investitionen zu sichern.

Mein letzter Punkt: Ich bitte Sie dafür zu sorgen, dass wir in dem Konsens, der im Grunde genommen möglich ist, Schule und Jugendhilfe besser verzahnen. Ich will noch einmal ganz deutlich Herrn Homeyer und allen Kritikern von Ganztagsschulen sagen: Ich bin wie Sie dagegen, dass die Ganztagsschule eine Erweiterung der Schule auf den ganzen Tag bedeutet. Genau das darf es nicht sein. Darüber besteht aber Konsens in allen Fraktionen dieses Hauses. Wir müssen Ganztagsschule so organisieren, dass Schule und Jugendhilfe, formale, nonformelle und informelle Bildungsprozesse zu einem ganztägigen Bildungserlebnis und einer Chance für die Schüler werden.

Herr Minister Reiche, Sie überschreiten die vereinbarte Zeit erheblich.

Ich danke Ihnen dafür, dass ich folgenden Satz noch sagen darf. Ich lade herzlich dazu ein, gemeinsam - von der CDU bis zur PDS - an der Entwicklung und Qualifizierung von Ganztagsschulen in Brandenburg zu arbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und PDS)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 3/5157 der PDS-Fraktion. Wer diesem Antrag zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 15 und rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Keine Kürzungen im GFG 2003

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5158

Herr Domres spricht für die beantragende Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, dass die Regierung mit einem großen Ziel gestartet ist. Sie wollte endlich für die kommunalen Haushalte Planungssicherheit schaffen. Als erster Schritt war ein Doppel-GFG vorgesehen. Im Jahre 2004 sollte es dann ein dauerhaftes kommunales Finanzausgleichsgesetz geben. Der Innenminister sagte in der damaligen Lesung: Durch dieses Doppel-GFG, mit dem die Zuweisungen des Landes an die Kommunen für die Jahre 2002 und 2003 verbindlich festgelegt werden, besteht für die Kommunen insbesondere für das Jahr 2003 frühzeitig Planungssicherheit.

In der gleichen Debatte bedankte sich der Innenminister bei seinen Kabinettskollegen dafür, dass sie mit ihrer Zustimmung zum GFG einen Beleg dafür abgegeben haben, dass die Landesregierung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den kommunalen Finanzausgleich sehr ernst nimmt. Letzteres nahm der Innenminister auch für sich in Anspruch. Er stellte im September 2001 fest, dass nach den Ergebnissen der letzten Steuerschätzungen das GFG 2001 mit 80 Millionen Euro überzahlt sei, und teilte mit, dass diese Überzahlung für die Jahre 2002 und 2003 einbehalten werden sollte, um ohne finanzielle Vorbelastung das FAG erarbeiten zu können.

Schon damals wurde zugegeben, dass der Verfügungsrahmen für 2002/2003 geschmälert wird. Dennoch ging Minister Schönbohm davon aus, dass das GFG eine solide Basis für eine aufgabenadäquate Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände ist und zugleich eine gute Ausgangsbasis für das FAG bildet.

Wie der Presse zu entnehmen war und heute Vormittag bestätigt wurde, beabsichtigt die Finanzministerin, die Finanzmasse des GFG 2003 um 140 Millionen Euro zu kürzen.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, nicht nur ich frage mich: Was bedeutet für die Landesregierung Verbindlichkeit? Was bedeutet für die Landesregierung Planungssicherheit? Wie ernst nimmt die Landesregierung verfassungsrechtliche Anforderungen?

(Beifall bei der PDS)

Wie halten Sie es mit der kommunalen Selbstverwaltung?

Es ist noch nicht lange her, als auch die Regierungskoalition große Ziele hatte. Festgeschrieben waren sie in der Koalitionsvereinbarung. Es heißt darin:

„Die kommunale Selbstverwaltung muss durch eine dauerhafte, den Aufgaben angemessene Finanzausstattung der Kommunen gesichert werden.... Die finanziellen Zuweisungen an die Brandenburger Kommunen müssen diesen gestalterische Spielräume öffnen. Hierbei sind die den Kommunen zustehenden Mittel soweit wie möglich unmittelbar und ohne bürokratische Antragsverfahren auszureichen.... Um allen Regionen des Landes vergleichbare Entwicklungschancen zu gewährleisten, sind die Grundlagen der Gemeindefinanzierung auf der Basis eines Finanzausgleichs bis 2001 neu zu gestalten.“

So weit, so gut. Die Realität im Lande sieht aber anders aus.

Ich frage Sie: Ist diese Vereinbarung noch Grundlage gemeinsamen Agierens hier im Landtag? Wenn ja - warum spiegelt sich diese Koalitionsvereinbarung im Regierungshandeln nicht wider?

(Beifall bei der PDS)

Mit der Ankündigung, am GFG 2003 erneut Kürzungen vorzunehmen, werden sowohl die Rede von „Kommunalminister“ Schönbohm zur Einbringung des Doppel-GFG als auch die Koalitionsvereinbarung ad absurdum geführt. Von Vertrauensschutz kann keine Rede mehr sein. Ob sich die CDU für starke Gemeinden und für eine strenge Beachtung der Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung einsetzt, wird sich hier und heute beweisen.

Aber auch der Ministerpräsident kann das Gespenst der Kürzungen im GFG vertreiben. Herr Ministerpräsident, sprechen Sie ein Machtwort! Sie müssten doch noch sehr genau wissen, welche Auswirkungen die Kürzungen im GFG zum Beispiel auch für die Landeshauptstadt Potsdam haben werden, für die Sie bis vor kurzem noch die Verantwortung trugen.

Die Kommunen sind finanziell am Ende. Fast täglich erreichen uns Hilferufe. Die Kommunen können auch die geringsten Kürzungen nicht mehr kompensieren. Haushaltssperren in den Gemeinden, darunter auch für Pflichtaufgaben, sind bereits angekündigt. Oberbürgermeister Patzelt aus Frankfurt (Oder) sagte, dass selbst die Streichung aller freiwilligen Aufgaben die bestehenden Defizite Frankfurts nicht decken könnte. Für Cottbus wäre laut Oberbürgermeisterin Rätzel ein Ausgleich des Defizits auch dann nicht möglich, wenn alles veräußerbare Eigentum verkauft würde.

Die kreisfreien Städte Brandenburgs erwägen eine Verfassungsbeschwerde gegen die vom Land geplante Kürzung der Gemeindefinanzierung. Die Oberbürgermeister sind sich hinsichtlich einer neuerlichen Kürzung einig, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzausstattung der Kommunen damit wohl kaum mehr gewährleistet sein dürfte. Sie sprachen eine Forderung aus, die ich an dieser Stelle nur unterstützen kann:

„Die Landtagsabgeordneten, die sich für Kürzungsmöglichkeiten aussprechen, sollten sich die tatsächliche Finanzsituation in den Kommunen ihrer Wahlkreise anschauen und sagen, woraus die Kommunen dann ihre Aufgaben finanzieren sollen.“

Noch schärfer reagierte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Er sprach von einer Bankrotterklärung der Finanzministerin und schloss ebenfalls eine Klage vor dem Verfassungsgericht nicht aus.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Namen der PDS-Fraktion fordere ich Sie auf, den am Rande der Pleite stehenden Kommunen keine weiteren Streichungen zuzumuten und auf die angekündigten Kürzungen im kommenden Jahr zu verzichten. Die Belastungen sind schon jetzt enorm. Die Zahl der Anträge auf Hilfen aus dem Fonds für hoch verschuldete Gemeinden wächst ständig; mehr als 120 Anträge liegen bereits vor. Das Innenministerium selbst hat mitgeteilt, dass sich 90 % der Gemeinden mit ihren Haushalten in den roten Zahlen befinden. Im Jahr 2001 waren 960 von 1 070 Gemeinden ohne einen ausgeglichenen Haushalt, die Finanzierungslücke betrug allein in diesem Jahr 152 Millionen Euro.

Ich verweise nochmals auf die Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes, dem das Land Brandenburg zugestimmt hat, obwohl der dafür vorgesehene Ausgleich des Bundes für das gesamte Land Brandenburg lediglich 6,9 Millionen Euro beträgt. Allein der voraussichtliche ungedeckte Bedarf der vier kreisfreien Städte beträgt ca. 12 Millionen Euro. Hinzu kommen Mehrbelastungen bei den Landkreisen in Höhe von 44 Millionen Euro, wobei die in Aussicht gestellte Kofinanzierung durch das MASGF noch nicht bezifferbar ist. Die Belastungen für die Kommunen werden also auch ohne Kürzungen im GFG größer. Dazu kommen Mehrausgaben für die Kita-Plätze. Eigenanteile für den Stadtumbau sind schon jetzt von manchen Kommunen nicht mehr aufzubringen. Diskussionen über Streichungen in der Jugend- und Sozialarbeit stehen auf der Tagesordnung; dies war gerade in der vergangenen Woche im Landkreis OstprignitzRuppin zu erkennen.

Statt in dieser schwierigen Situation über eine Entlastung der Kommunen nachzudenken und die kommunale Finanzausstattung in Ordnung zu bringen, konzentriert das Innenministerium seine ganze Kraft auf die Gemeindegebietsreform.

(Beifall bei der PDS)

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass auch die Kommunen mit Steuermindereinnahmen zu kämpfen haben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der 2. Lesung des GFG bezeichnete Kollege Petke den kommunalen Finanzausgleich in Brandenburg als Bollwerk, das den Kommunen die notwendige Planungssicherheit gebe. Er sagte:

„Die kommunalen Vertreter wissen, dass wir keine Anstrengungen scheuen, die finanzielle Situation der Kommunen in Brandenburg zu verbessern.“

Der Beweis kann heute angetreten werden. Stimmen Sie unserem Antrag zu, am GFG keine Kürzungen vorzunehmen!

(Beifall bei der PDS)

Auch hinsichtlich der Gemeindefinanzreform schwächelt die Koalition ungemein. Wo bleibt der Entwurf eines Finanzausgleichsgesetzes? Bei der Einbringung des GFG 2002/2003 haben Sie, Herr Schönbohm, sich noch eine breite Diskussion über das FAG gewünscht, weil wir damit die Weichen für die weitere Entwicklung unseres Landes stellen. Das Gesetzesvorhaben sollte 2002 erörtert werden. Von einer breiten Diskussion und Erörterung war bisher jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass Sie diese Diskussion deckeln wollen. Der Entwurf muss endlich auf den Tisch und in die Beratung.

Sehr geehrter Herr Innenminister, es ist ja kein Geheimnis, dass die Zahl der politischen Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und der PDS nicht sehr groß ist.

(Petke [CDU]: Das ist auch gut so!)

In einem stimmen wir Ihnen aber zu: Hände weg von den Kommunen! - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Domres, die Zeiten, in denen die Opposition mit politischen Ritualen den Anschein, es würden Probleme gelöst, erwecken konnte, sind vorbei.

(Zuruf von der PDS: Wovon reden Sie denn?)