Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

(Zuruf von der PDS: Wovon reden Sie denn?)

Sie sollten die Worte Gorbatschows beherzigen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. - Sie sollten wenigstens jetzt nicht wieder dieselben Fehler begehen wie Ihre Altvordern. Wer angesichts der Finanzlage in Brandenburg einen einzigen Politikbereich, und sei es den der Gemeindefinanzen, zum Tabu erklären will - das ist ja Inhalt Ihres Antrages -, trägt überhaupt nichts zur Problemlösung bei. Problemlösungen können nur im Zusammenwirken aller Politikbereiche gefunden werden. Sagen Sie hier und heute, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie erstens die ohnehin hohe Nettokreditaufnahme bis zur Verfassungswidrigkeit erhöhen und anschließend klagen oder wollen Sie zweitens im Sozial- oder im Bildungshaushalt entsprechend stärker kürzen, um dann noch die Verfassungsmäßigkeit zu garantieren, oder wollen Sie drittens das Personalvertretungsgesetz so ändern, dass Personalabbau rigoroser und rücksichtsloser möglich ist? Die Personalkosten sind ja der größte Ausgabenblock.

Was bleibt also? Es bleibt das alte politische Ritual der Opposition, Scheinanträge zu stellen, ohne bei den Bürgerinnen und Bürgern für die Konsequenzen geradestehen zu müssen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Es ist unstrittig, dass der Bund bis 1998 so viele Schulden angehäuft hat, dass sein Haushalt hart an der Verfassungswidrigkeit liegt.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Dies waren Schulden bzw. sind finanzielle Mittel, meine Damen und Herren von der PDS, von denen gerade wir Ostdeutschen in hohem Maße profitieren. Denken Sie nur an die 1 Milliarde Euro für das Investitionsprogramm Pflege oder an die Bergbausanierung. Es ist auch unstrittig, dass das Land Brandenburg Schulden angehäuft hat und der Landeshaushalt hart an der Verfassungswidrigkeit liegt.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Davon haben aber auch Brandenburger Kommunen profitiert.

Nicht zuletzt deshalb sind sie von allen Kommunen in der gesamten Bundesrepublik am wenigsten verschuldet.

(Anhaltende Zurufe von der PDS)

Sie haben gefragt, wie wir das in den Griff bekommen können. Da die Haushalte des Bundes und des Landes gerade so an der Verfassungswidrigkeit vorbeikommen, ginge es den Kommunen doch nicht besser, wenn diese Haushalte endgültig verfassungswidrig wären. Unsere Sorge muss es sein, die Verfassungsmäßigkeit der kommunalen Haushalte zu sichern. Mehr wird nicht möglich sein und mehr sollten wir den Bürgern auch nicht versprechen.

Sie haben gesagt, die Finanzministerin sei schuld. Die Finanzministerin hat aufgrund bestehender Gesetze, die wir mit Ihnen zusammen verabschiedet haben

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Nein, wir nicht!)

- die Verbundquote haben Sie mitgetragen -, auf die im Raum stehende Summe hingewiesen. Vorschläge, damit umzugehen, müssen jetzt von anderen kommen.

Herr Innenminister Schönbohm, wir sind über Ihren Vorschlag erstaunt, Einsparungen im GFG 3 in Höhe von 140 Millionen Euro über die Verminderung von Aufgaben erreichen zu wollen. Zum Abbau von Normen und Standards haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet. Von welchen Aufgaben jedoch die kommunale Ebene entbunden werden soll, sodass Einsparungen auch in nur zweistelliger Millionenhöhe kurzfristig möglich wären, ist bisher noch nicht geklärt. Wir befürchten, dass ein großer Teil der in Rede stehenden Summen die kommunalen Haushalte direkt und ohne Kompensation träfe, was im Hinblick auf die vielfach abgeschlossene Planung der Kommunen zu großen Belastungen führte.

Ich möchte uns allen zum Abschluss meiner Rede einen anderen Satz des ehemaligen Staatspräsidenten der UdSSR ins Stammbuch schreiben:

„Die Umgestaltung ist kein Spaziergang auf einem planierten Weg. Es ist die Besteigung des Berges - häufig auf Pfaden, die noch niemand begangen hat.“

Diesen Berg können die Koalitionsfraktionen nur gemeinsam erklimmen. Daher sehen wir Ihren Vorschlägen, Herr Innenminister, mit Interesse entgegen. Den PDS-Antrag lehnen wir ab, weil wir Verantwortung für das Land tragen...

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss!

... und weil wir diese Verantwortung ernst nehmen.

(Frau Faderl [PDS]: Ich weiß nicht, ob Gorbatschow von Ihnen vereinnahmt werden will.)

- Von Ihnen will er es sicherlich nicht!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanznot der Kommunen im Land Brandenburg ist weitaus dramatischer als bislang befürchtet. Allein 220 der noch rund 900 Gemeinden gelten nach Berechnungen des Städte- und Gemeindebundes als pleite.

In Ihrem Ministerium, Herr Schönbohm, liegen wegen nicht ausgeglichener Haushalte von Kommunen massenweise Anträge auf Liquiditätshilfen vor. Die finanzielle Schieflage in den Kassen der meisten Brandenburger Kommunen spitzt sich weiter zu. Für notwendige Investitionen steht schon lange kein Geld mehr zur Verfügung. Kennzeichnend für die Haushalte der Gemeinden sind sinkende Einnahmen und steigende soziale Belastungen.

So werden nach Ihrer eigenen Berechnung, Herr Innenminister, die Kommunen des Landes infolge der Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes und der konjunkturellen Einbrüche mit rund 92 Millionen Euro an den Einnahmeverlusten des Landes beteiligt - und dies bei einem gleichzeitigen Anstieg bei den sozialen Leistungen um rund 40 Millionen Euro. Hinzu kommen noch horrende Schulden durch die bei den Banken eingegangenen Kredite.

Die gegenwärtig vorhandene Finanzierungslücke in den Kommunen beträgt weit über 150 Millionen Euro. Das bedeutet 705 Euro Kommunalschulden für jeden Brandenburger - vom Kleinkind bis zum Rentner.

Dass Sie, Frau Finanzministerin, angesichts dieser Zahlen die Kommunen gemäß ihrer Verbundquote von 25 % an den erwarteten Einnahmeausfällen des nächsten Jahres beteiligen und den Kommunen somit 150 Millionen Euro weniger als vorgesehen auszahlen wollen, schlägt dem Fass den Boden aus und macht Sie zur Totengräberin der kommunalen Selbstverwaltung in Brandenburg. Besonders zynisch war Ihre Bemerkung, Frau Finanzministerin, gegenüber der Presse, die Kommunen hätten sich ja angesichts der aktuellen Steuerentwicklung auf die neuen Gegebenheiten rechtzeitig einstellen können.

Schlicht und ergreifend: Es ist bei den Kommunen nichts mehr zu holen. Herr Petke, wir stimmen Ihnen zu. Sie erklärten kürzlich gegenüber der Presse: Wenn sich die Finanzministerin mit ihren 150 Millionen Euro Kürzungen durchsetzte, würde das Verfassungsgericht die Landesregierung vermutlich auf den Boden der Verfassung zurückholen. Im Sinne der Erhaltung der kommunalen Selbstverwaltung und insbesondere der Investitionskraft der Kommunen, an der Zigtausende von Arbeitsplätzen hängen, stimmen wir dem vorliegenden Antrag zu. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Kommunen unseres Landes ist in den letzten Jahren viel erreicht worden. Wir haben im Gemeindefinanzierungsgesetz Umbauten, die Systematik betreffend, vorgenommen. Forderungen, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung an uns gestellt hat, sind erfüllt worden. Wir haben auch Umverteilungen vorgenommen, die natürlich nicht bei allen - insbesondere nicht bei denen, denen etwas genommen wurde - auf Zustimmung gestoßen sind. Aber bei den großen Städten, vor allem den kreisfreien Städten, sind sie auf Zustimmung gestoßen.

Herr Domres, Sie müssen sich schon entscheiden. Offensichtlich scheint es in der PDS-Fraktion mit der Abstimmung nicht zu klappen.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das müssen gerade Sie sa- gen!)

Sie werfen dem Innenminister vor, mit dem FAG sozusagen nicht in die Puschen zu kommen, und stellten vor 15 Minuten die Forderung an Jörg Schönbohm, er möchte jetzt endlich einmal sein Haus weg von der Gemeindereform hin zur Neuordnung der Kommunalfinanzen ausrichten. Schauen wir einige Punkte weiter auf die Tagesordnung, stellen wir fest, dass Sie die Entlassung dieses Mannes begehren.

(Zurufe von der PDS)

Die PDS-Fraktion müsste sich schon entscheiden, wie ernst sie ihre eigenen Anträge nimmt

(Vietze [PDS]: Den Herrn Innenminister! - Anhaltende Zurufe von der PDS - Glocke des Präsidenten)

und inwieweit die Kommunikation in den eigenen Reihen funktioniert.

Mit der Glocke gehe ich jedem Dialog aus dem Wege.

Zurück zu den Kommunen. Sie sind die großen Verlierer der Politik der Bundesregierung. Der durch die Steuerreform und auch durch die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik verursachte dramatische Rückgang der Steuereinnahmen schlägt auf die Kommunen in Deutschland und besonders die in Brandenburg hart durch. Auf die Kommunen Brandenburgs entfallen lediglich 1,5 % der Gesamteinnahmen - im letzten Jahr betrugen sie 50 Milliarden Euro - aller deutschen Kommunen.

Man kann schon daraus ersehen, warum unsere Kommunen so abhängig von den Schlüsselzuweisungen des Landes sind: weil ihre eigene Steuerkraft - das ist kennzeichnend für die Kommunen in den ostdeutschen Ländern - so gering ist.

(Zuruf von der PDS: Richtig!)

Dabei droht den Finanzen der Kommunen von zwei Seiten Gefahr. Zum einen handelt es sich um die sinkenden Steuereinnahmen und zum anderen um die sinkenden Landeszuweisun

gen. Des Weiteren sind steigende Ausgaben, insbesondere im sozialen Bereich, zu nennen. Eine besonders große Gefahr besteht in der weitere Übertragung neuer Aufgaben, ohne dafür die Kosten zu erstatten. Auch dieser Vorwurf geht insbesondere an die Adresse der Bundespolitik.

Die Bundesregierung gibt sich gern Mühe und bezeichnet sich als als reformfreudig. Diese Selbstdarstellung bestätigt sich hinsichtlich der Kommunalfinanzen leider nicht.

(Zuruf von der PDS)

So findet sich im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen aus dem Jahre 1998 der Passus, eine Gemeindefinanzreformkommission einzusetzen und das strikte Prinzip der Konnexität, das die Verfassung des Landes Brandenburg enthält, auch auf Bundesebene zu verankern.