Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

(Die Abgeordnete Tack [PDS] gibt ihr Votum ab.)

Herr Meyer.

(Der Abgeordnete Meyer [SPD] gibt sein Votum ab.)

Gibt es noch jemanden, der nicht abgestimmt hat?

(Die Abgeordneten Vietze und Thiel [PDS] geben ihr Votum ab.)

Gibt es noch jemanden, der keine Gelegenheit hatte, zu votieren? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung.

Herr Bochow, Sie haben mit Enthaltung votiert?

(Bochow [SPD]: Ja!)

Ich gebe das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten 25 Abgeordnete, dagegen 43. Zwei Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Damit ist er mehrheitlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten s. Anlage S. 4538)

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 16 und rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Entlassung des Innenministers

Antrag der Fraktion der PDS

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Maß ist voll. Der brandenburgische Innenminister und Ihr Stellvertreter, Herr Ministerpräsident, soll gehen, damit weiterer Schaden vom Land abgewendet wird. Die PDS-Fraktion fordert Sie auf, Herrn Schönbohm zu entlassen. Dieser Minister fügt dem Ansehen des Landes Brandenburg regelmäßig schweren Schaden zu. V-Mann-Skandal, Crashkurs gegen die Generalstaatsanwälte der Länder und des Bundes, persönliche Befindlichkeiten statt Diplomatie im Umgang mit Berlin, Missbrauch des Bundesrates für CDU-Politik - sind einige Stichpunkte dazu.

(Beifall bei der PDS - Lebhafter Widerspruch bei der CDU)

Als eine Auswahl von Gründen für die Notwendigkeit seiner Entlassung führe ich hier drei Punkte an.

(Zuruf von der CDU: Sie wissen immer noch nicht, was ein Rechtsstaat ist!)

Erstens: Als wesentlichen Grund für die Entlassung sieht die PDS-Fraktion - übrigens nicht nur sie - das unklare oder zumindest interpretierbare Verhältnis des Innenministers zu rechtsradikalen Tätern und Ideologen. Niemand stellt infrage, dass er rechtsextremistische Gewalt ablehnt und bekämpfen lässt. Unverständlich und im Widerspruch dazu sind aber folgende Tatsachen:

(Zuruf von der DVU: Linksextremisten!)

Die öffentliche Tändelei seines Pressesprechers mit der Zeitung „Junge Freiheit“ blieb schon vor Jahr und Tag ohne Konsequenzen.

(Zuruf von der CDU: Das „Neue Deutschland“ ist schlim- mer!)

Die in der Sendung „Panorama“ erhobenen und belegten Vorwürfe, Herr Schönbohm pflege regelmäßige Kontakte zu rechtsradikalen Ideologen, stehen seit einem halben Jahr im Raum. Sie wurden auch auf Nachfragen nicht ausgeräumt.

Wie kann es sein, dass für die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen ausgerechnet rechtsextreme Gewalt- und Gesinnungstäter als Vertrauensleute des Verfassungsschutzes herangezogen und hoffähig gemacht werden, dass man aus dem Skandal um den V-Mann „Piato“ und dem NPD-Verbotsverfahren nichts lernte, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht und das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert wird?

(Zurufe von der CDU)

Unverantwortlich und nicht nachvollziehbar wurde hier laut Gerichtsurteil gegen V-Mann Toni S. durch die Behörde gehandelt. Waffenbesitz, Mordaufrufe, Herstellung und Verteilung von CDs mit verbotenem Inhalt: Wie lange will der Minister noch ignorieren, dass V-Leute des Verfassungsschutzes strafrechtlich voll verantwortlich sind?

(Lachen und Widerspruch bei der CDU)

Wie lange noch will er öffentliche Mittel dafür verwenden, rechtsradikale Strukturen in ihrer Funktion zu fördern, Straftaten zu ermöglichen, statt sie zu verhindern?

(Beifall bei der PDS)

Den Versuch, den lässigen Umgang mit solchen V-Leuten über die Innenministerkonferenz auch noch politisch sanktionieren zu lassen, kann man schon als besonderen Starrsinn oder als politische Absicht werten, ebenso das jüngste Interview für die „Junge Freiheit“. Nein, meine Damen und Herren, nicht dass man sprach, sondern was man sprach, ist entscheidend.

(Beifall bei der PDS)

Zweitens kritisieren wir Art und Weise des Ministers, mit Problemen und Verantwortung umzugehen. Sein Umgang mit Andersdenkenden wie mit ihm Anvertrauten ist so wenig akzeptabel wie das Wort „Gesetzesbefehl“. Was auf dem Kasernenhof oder am Stammtisch gut ankommt, Herr Minister, ist dem zweiten Repräsentanten eines Landes jedoch meist nicht angemessen.

(Beifall bei der PDS)

Wir kritisieren zum Beispiel Ihre Art des Umgangs mit dem Generalstaatsanwalt des Landes, mit Aktivisten des Aktionsbündnisses „Für ein tolerantes Brandenburg“, mit Gegnern der Gemeindegebietsreform, mit Vertretern der Gewerkschaft der Polizei oder mit Bundespolitikern wie Herrn Thierse, die gegen Rassismus und Gewalt demonstrierten und denen Sie tatsächlich unterstellten, am Erstarken des Rechtsextremismus mit schuld zu sein.

Es wird ganz klar: Innenminister Schönbohm hat eine andere Lesart der brandenburgischen Landesverfassung als diejenigen Mitglieder der Landesregierung, die im Unterschied zur CDU 1992 für diese Verfassung kämpften. Sein schon sprichwörtliches „Schwert des Rechtsstaates“ belegt den repressiven innenpolitischen Kurs. Ich erinnere nur an den Aufbau des Verfas

sungsschutzes, die überhöhten Sicherheitsmaßnahmen beim Castortransport oder bei den so genannten Chaostagen in Cottbus,

(Klein [SPD]: Und wenn da etwas passiert wäre?)

an die Rasterfahndung oder die aktuelle Debatte zum Demonstrations- und Versammlungsrecht. Für den Innenminister tritt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, treten die Grundrechte der Bürger im Verhältnis zu den Machtdemonstrationen des starken Staates offensichtlich zurück.

(Beifall bei der PDS)

Indem er gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ablehnt und das gleichberechtigte Miteinander von Kulturen in einem Land als Irrlehre bezeichnet, wird die Richtung deutlich, in welche er die brandenburgische Verfassung offensichtlich verändern will. Möglicherweise, Herr Schönbohm, sind Sie sich der Wirkung und Ihres Tuns nicht bewusst; aber auch dann sind Sie auf dem Ministersessel fehl am Platze. Sie waren es ja schon dereinst in Berlin.

Herr Ministerpräsident, verehrte Abgeordnete, in dieser Wahlperiode sind alle von uns zum Rücktritt aufgeforderten Minister dieser Aufforderung gefolgt, wenn auch nicht immer sofort.

(Lachen bei der SPD)

Erinnern Sie sich an den schönbohmschen Nachruf auf Herrn Fürniß, es gebe Vorwürfe, auf die man als Spitzenpolitiker anständigerweise nur mit Rücktritt antworten könne?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, die PDS-Fraktion stellt diesen Abwahlantrag, weil wir uns sicher sind: Dieser CDU-Innenminister als Ihr Stellvertreter ist für das Land Brandenburg nicht länger tragbar und auch nicht zu ertragen. Sie müssen entscheiden, ob Sie seine Politik weiter tolerieren und damit faktisch zu Ihrer Politik machen

(Widerspruch bei der CDU)

oder ob Sie einen Schlussstrich ziehen. Mit dem Eid schwören die Minister, dem Wohl des Landes zu dienen, Schaden von ihm zu wenden, das Amt unparteiisch zu verwalten, Verfassung und Gesetze zu wahren und zu verteidigen. Herr Schönbohm hat dem nicht entsprochen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist ein Beispiel dafür, wie extrem unterschiedlich man die Leistungen von Personen bewerten kann. Während die PDS aus nachvollziehbaren Gründen Herrn Schönbohm gerne los wäre, sind wir aus eben diesen Gründen stolz, Jörg Schönbohm

als Innenminister dieses Landes und stellvertretenden Ministerpräsidenten zu haben.