Protokoll der Sitzung vom 19.12.2002

Den Krankenhäusern lässt das Gesetz eine Tür offen, die Nullrunde zu umgehen, nämlich dann, wenn sie sich für das Optionsmodell zur Fallpauschalenvergütung entscheiden. Dies bedeutet eine radikale Umstellung, auf die man sich betriebswirtschaftlich, organisatorisch und medizinisch gründlich vorbereiten muss. Es ist zu befürchten, dass wegen dieses Anreizes einige Häuser ohne ausreichende Vorbereitung in die Fallpauschalen einsteigen.

Ein Wort zu den Apotheken. Die PDS spricht sich nicht dagegen aus, im Bereich der Arzneimittel Einsparmöglichkeiten zu suchen. Ganz im Gegenteil, angesichts eines relativ hohen Anteils an Mitteln ohne erwiesenen Nutzen, die zulasten der GKV in Deutschland verordnet werden können, wären Einsparungen möglich, ohne die Qualität der Versorgung infrage zu stellen. Mit den jetzt vorgesehenen Rabatten ist allerdings zu befürchten, dass die Pharmaindustrie wieder einmal ziemlich trocken durch den Regen kommt und stattdessen die Apotheken die Belastungen zu tragen haben. Einwände, ja selbst alternative Sparvorschläge der Apothekerverbände sind nach meinem Eindruck nicht einmal geprüft worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Versorgungssituation in den ländlichen Regionen Brandenburgs als entscheidenden Grund für die Ablehnung des Gesetzes genannt. Insofern erübrigen sich auch Fingerzeige nach Berlin, wenn dort dem Gesetz zugestimmt wird. Die Großstadt Berlin hat nicht mit Versorgungsproblemen zu kämpfen wie beispielsweise die Uckermark. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Birkholz, und gebe das Wort der Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Kallenbach, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es spricht nicht gerade für die Qualität des vorliegenden Antrags, wenn man schon bei der Überschrift ins Straucheln kommt. Der Herr Präsident hat vorhin den Terminus benutzt, der in der Tagesordnung ausgedruckt, jedoch korrekturbedürftig ist. Die Entwurfsverfasser der PDS haben gerade noch rechtzeitig bemerkt, dass sie ein Beitragssatzsicherungsgesetz ablehnen möchten. Dieses wurde gemeinsam mit dem Zwölften SGB VÄnderungsgesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen. Die Ziele: Ausgabenbegrenzung in der Sozialversicherung, Stabilität der Lohnnebenkosten.

Es ist natürlich klar, dass die hier verfolgten Zielrichtungen in der Bewertung unterschiedlich ausfallen. Ich möchte Ihnen

einige konkrete Maßnahmen aus beiden Gesetzen nennen, die der Stabilisierung des Krankenversicherungsbeitrages dienen sollen - einige sind von Frau Birkholz genannt worden, sodass ich Wiederholungen nicht ausschließen kann -: Einführung von Hersteller-, Großhandels- und Apothekenrabatten für die Krankenkassen, therapienutzenbezogene Einbeziehung teurer Analogpräparate in die Festbetragsregelung, Einführung einer Positivliste zur qualitativen Verbesserung im Arzneimittelbereich und zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, Begrenzung der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen auf das Niveau dieses Jahres, Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, Begrenzung der Vergütung für die Krankenhausversorgung und für ambulante ärztliche und zahnärztliche Leistungen auf das Niveau dieses Jahres.

Meine Damen und Herren, bezüglich der Begrenzung - das gebe ich gern zu - habe ich auch Bauchschmerzen; denn sie stellt die neuen Bundesländer und damit auch Brandenburg vor große Probleme. Ich erinnere nur an die medizinische Versorgung in der Fläche, vor allen Dingen im Bereich der Hausärzte, an die hohe Arbeitsbelastung des Krankenhauspersonals und die immer noch bestehenden Unterschiede im Lohnniveau.

Eine Pauschalkritik an all diesen Festlegungen halte ich dennoch für unangebracht, da es Ausnahmeregelungen gibt, die für die neuen Länder sogar umfangreicher sind als für die alten. Personalkostensteigerungen durch die Ost-West-Tarifangleichung werden in den neuen Bundesländern zu 100 % von den Kassen getragen. Durch die Einführung des Wohnortprinzips haben die Krankenkassen im Osten auch im nächsten Jahr Spielraum für Honorarerhöhungen bei niedergelassenen Ärzten; ob er ausreichend ist, ist sicherlich eine andere Frage. Krankenhäuser, die nach dem neuen DRG-System abrechnen, sind von der Budgetbegrenzung ausgenommen. Auch das wurde bereits gesagt. Die niedergelassenen Ärzte, die sich an der Umsetzung von Disease-Management-Programmen beteiligen, können hierfür entstehende Kosten in die Vertrags- und Budgetverhandlungen einbringen.

Meine Damen und Herren, den vorliegenden Antrag der PDSFraktion halte ich für unangebracht. In den Plenardebatten des Deutschen Bundestages stellt sich Ihre Kollegin Gesine Lötzsch hin, begrüßt, dass der Pharmaindustrie, dem Handel, den Apotheken und den besser Verdienenden in die Tasche gegriffen wird, lehnt das Gesetz aber trotzdem ab, weil auch die Leistungserbringer ihren Teil tragen sollen.

Ich halte den Antrag für unangebracht, weil Brandenburg das im Rahmen seines Mitwirkungsrechtes bei der Bundesgesetzgebung Mögliche getan hat, um eine Anhebung der Vergütung der Kassenärzte auch im Jahr 2003 zu erreichen.

Der PDS-Fraktion scheint entgangen zu sein, dass die Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, also auch mit den Stimmen der dortigen Vertreter der PDS, einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat einbrachten, der leider keine Mehrheit fand.

Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, und weil ich glaube, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz für die Stabilisierung der Lohnnebenkosten von hoher Bedeutung ist, empfehle ich die Ablehnung dieses Antrages. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Willen der PDS-Genossen soll sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, die Grundlagen der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg deutlich zu verbessern. Das ist so ähnlich wie etwa die Forderung, es solle immer schönes Wetter sein. Eine solch flache, allumfassende Forderung kann man fast gar nicht ablehnen.

Der zweite Satz dieses Antrages hingegen richtet sich gegen ein ganz konkretes Vorhaben der Bundesregierung. Brandenburg soll den im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss für das Beitragssatzsicherungsgesetz im Bundesrat ablehnen. Ich weiß nicht, ob dieses Vorhaben der Bundesregierung im Westen unserer Republik den gewünschten Effekt haben wird und haben kann. Ich bezweifle es. Im Land Brandenburg wird sich dieses Gesetz sehr negativ auswirken, denn wenn man eine krisenhafte Situation verschlechtert, dann hat man bald eine Katastrophe.

Bereits jetzt herrscht in vielen Regionen Brandenburgs akuter Ärztemangel, der sich ohne das Gesetz mittel- und langfristig verschärfen wird. Mit dem Gesetz wird diese Verschärfung aller Voraussicht nach schneller und härter eintreten.

Die Behauptung von Gesundheitsministerin Schmidt, kein Arzt werde in seiner Existenz gefährdet, mag auf Stuttgart oder Aachen zutreffen. In Wittstock, Rathenow, Guben und den noch stärker ländlich geprägten Regionen Brandenburgs könnte dieses Gesetz vielen Ärzten sprichwörtlich den Rest geben. Als Ausgleich dafür, dass sie mehr arbeiten müssen und dafür weniger Geld bekommen, sollen diese Ärzte jetzt mit einer Nullrunde „belohnt“ werden.

Die gesundheitliche Versorgung Brandenburgs ist derzeit in einem verbesserungsbedürftigen Zustand. Durch die in Arbeit befindliche Reform wird sich dieser Zustand nicht verbessern, sondern weiter verschlimmern. Wer die Grundlagen der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg verbessern will, der muss zwangsläufig das Beitragssatzsicherungsgesetz in der geplanten Form ablehnen. Auch unsere Fraktion lehnt dieses Gesetz in seiner jetzigen Form ab. Deshalb werden wir dem Antrag der PDS-Fraktion zustimmen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Wagner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Absenkung des Pultes, nicht der Honorare.

(Heiterkeit bei der CDU)

Beim Thema Ablehnung des Beitragssatzsicherungsgesetzes sind, glaube ich, meine Vorredner, ohne dass ich sie in irgendeiner Weise angreifen möchte, einem Trugschluss erlegen. Es handelt sich hier nicht um ein Vorschaltgesetz, sondern es wird, meine Damen und Herren, auch von der PDS-Fraktion als Schnellschussgesetz bezeichnet. Wenn man Schnellschussgesetze erarbeitet, dann sollte man sich auch gefallen lassen, sich einige Worte dazu anzuhören.

Ich habe hier einen Ausschnitt aus der Ärztezeitung - sicherlich ein Lobbyistenblatt und deswegen schon von vornherein schlecht - in dem steht: Kassen leben kräftig auf Kredit; das ist keine Neuheit.

„Allein in der Regierungszeit der rot-grünen Koaliton seit 1998 hat sich die rechtswidrige Verschuldung der Krankenkassen verdoppelt und erreicht inzwischen nahezu eine Monatsausgabe. Zuletzt hatten die Kassen im Jahre 1994 ein Finanzpolster von 50 Millionen Euro.“

Da hat man schnell wieder die Zuzahlung beseitigt, Frau Birkholz, und es ging ins Minus. - Aber das nur am Rande. Wir sollten immer wissen, wovon wir reden.

Meine Damen und Herren, ich würde diesem Antrag der PDS einen anderen Namen geben wollen, nämlich: Rot-grün kassiert, die Versorgung der Patienten im Osten leidet und die Krankenkassenbeiträge steigen unaufhörlich, wie nie zuvor.

Der Antrag der PDS - das sage ich Ihnen ganz deutlich - ist vernünftig,

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

sowohl in der Beschlussformulierung als auch in der Begründung, bis auf einen entscheidenden Satz. - Klatschen Sie nicht zu früh!

In der Beschlussformulierung steht: Dazu ist es erforderlich, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz im Bundesrat abgelehnt wird. - Das können wir nicht. Wir sind in einer Koalition mit unserem Partner und wir sind koalitionstreu.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen nicht die Belehrung durch das Bundesverfassungsgericht. Deswegen sage ich, dass das nicht geht. Deshalb ist der formale Grund, weswegen wir dieses Gesetz von vornherein ablehnen - das wissen Sie -, dass es ein Schuss in den Ofen ist, wenn ich mich hier so profan ausdrücken darf, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, eine Frage sei gestattet. Ich glaube, Kollege Kallenbach hat die Frage auch gestellt. Ich frage Sie von der PDS: Warum hat das Land Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat nicht mit Ja votiert, als es darum ging, die Auflassung dieses patienten- und wirtschaftsfeindlichen Gesetzes zu erwirken?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hackel [CDU])

- Reg Dich nicht auf, Wolfgang!

Warum, meine Damen und Herren, hat das SPD/PDS-regierte Berlin am 29.11., nämlich zum gleichen Datum, nicht mit „Enthaltung“ votiert?

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

- Sie hätten auch anders regieren können. Die PDS ist doch im Abgeordnetenhaus und in der Regierung nicht als Pförtner tätig.

(Beifall bei der CDU)

Das Verhalten zeigt, Herr Kollege Bisky - er ist leider nicht da-,

(Zuruf von der PDS: Er ist da!)

die Doppelzüngigkeit - ich sehe trotz Absenkung schlecht, Herr Bisky - der PDS und entlarvt bestens das Scheingefecht, welches billigen Wählerfang darstellt.

Aber, meine Damen und Herren, die anderen mögen da nicht so laut lachen, ich habe auch noch ein Wort zur SPD zu sagen.

(Aha! bei der SPD)

- Es ist doch bald Weihnachten. - Wenn Sie es ernst meinen mit dem Entschließungsantrag, der leider von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg abgelehnt worden ist - er war ja gut, weil es dadurch im Osten etwas moderater zugehen sollte -, dann reden Sie bitte mit Ihren SPD-Bundestagsabgeordneten, zum Beispiel mit Petra Bierwirth, Frau Dr. Spielmann und Dr. Peter Danckert; mir fallen nicht alle ein. Diese müssten, wenn sie nach ihrem Gewissen entschieden, morgen im Deutschen Bundestag diesen Gesetzentwurf konsequenterweise ablehnen. Also lachen wir bitte nicht zu früh an dieser Stelle.

Kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages!