Protokoll der Sitzung vom 19.12.2002

In einer diesbezüglichen Beratung des Landesumweltamtes mit dem Munitionsbergungsdienst und dem Amt Bad FreienwaldeInsel als Straßenbaulastträger wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

Das Landesumweltamt erteilt dem Munitionsbergungsdienst noch in diesem Jahr den Auftrag zur Kampfstoffbergung im Straßenbereich bzw. im Deich. Der Munitionsbergungsdienst realisiert diese Leistung in Abhängigkeit von der Witterungslage umgehend. Das Amt Bad Freienwalde-Insel reicht ebenfalls noch in diesem Jahr einen Fördermittelantrag beim MSWV ein, der den kompletten Neubau der durch die Kampfstoffbergung zerstörten Straßen zum Inhalt hat; natürlich unter den Bedingungen des GVFG, also 75 % Förderung.

Eine Freigabe der Straße wird nach derzeitiger Einschätzung erst nach Abschluss der Munitionsbergung und der notwendigen Wiederherstellung der Straße erfolgen können. Die Landesregierung wird die zuständigen Behörden - soweit dies erforderlich und möglich ist - bei einer zügigen Realisierung der notwendigen Maßnahmen unterstützen.

Herr Dellmann, bitte.

Herr Birthler, ich habe zwei Nachfragen. Frage 1: Mit welchem Zeithorizont rechnen Sie, bis die Straße wieder befahrbar sein wird?

Frage 2: Angesichts der ausgesprochen schlechten Haushaltssituation des Straßenbaulastträgers, der Kommune, stellt sich die Frage: Sieht die Landesregierung über das bisher angekündigte Maß hinaus Möglichkeiten, die Kommune bei der Erbringung ihres Eigenanteils zu unterstützen?

Zur ersten Frage muss ich auf die Witterungsbedingungen hinweisen. Insofern ist hier eine genaue Zeitangabe nicht möglich.

Zur zweiten Frage muss ich auf die noch schlimmere Haushaltslage des Landes verweisen; deshalb können hier keine Ausnahmen gemacht werden.

Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 1421 (Abbau von Normen und Standards), die vom Abgeordneten Rainer Neumann gestellt wird.

In der ARD-Sendung „Panorama“ vom 7. November 2002 wurde in einem Bericht mit dem Titel „Die überregulierte Republik - Deutschland zwischen Bürokraten und Paragraphen“ festgestellt, dass Deutschland die höchste Regelungsdichte aller Länder in Europa hat. Beispielsweise wurde festgestellt, wie die

wirtschaftenden Menschen in unserem Land oftmals durch eine Vielzahl von Verordnungen, Normen und Standards in ihrer Kreativität und Innovation eingeengt und benachteiligt werden. Der Bericht hat erneut deutlich gemacht, dass der Abbau von Normen und Standards eine der dringlichsten Aufgaben ist, deren Umsetzung innerhalb der Brandenburger Landesregierung jedoch sehr uneinheitlich erfolgt. So sind - nach Angaben der Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage 1850 zum Beispiel im Bereich des Innenministeriums bisher über 700 Vorschriften weggefallen, während in einigen anderen Ministerien noch nicht einmal Überprüfungen stattgefunden haben.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Was wird sie unternehmen, um die Regelungsdichte in Brandenburg abzubauen und damit den wirtschaftenden Menschen mehr Gestaltungsspielräume zu geben?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Neumann, Sie fragen zu Recht nach Maßnahmen der Landesregierung, die Regelungsdichte abzubauen, um den wirtschaftenden Menschen größere Gestaltungsspielräume zu geben. Jeder von Ihnen kennt vermutlich die Klagen von Gastwirten oder Hotelbesitzern, wenn sie ein Schild aufstellen wollen, das darauf hinweist, wie man ihre Gaststätte findet. Ich gehe davon aus, dass Kollege Meyer und ich uns darin einig sind, dass die Lösung solcher Probleme mit der neuen Bauordnung erleichtert wird. An diesem Beispiel kann man feststellen, wie viele Bereiche überreguliert sind.

Wir haben uns dieses Themas angenommen. Das Kabinett hat am 12. November dieses Jahres beschlossen, in jedem Ressort Normenprüfstellen einzurichten, eine Liste mit nicht veröffentlichten Verwaltungsvorschriften zu erarbeiten und zu veröffentlichen, veröffentlichte Verwaltungsvorschriften in das Internet zu stellen und Regelungen zur Intensivierung der Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an beabsichtigten Rechtsetzungsakten zu treffen. Die Ressorts sind aufgefordert, Normen und Standards abzubauen, wobei diese um möglichst 50 % reduziert werden sollten.

Durch die Straffung von Genehmigungsverfahren und die Reduzierung behördeninterner Abläufe sollen größere Handlungsspielräume für Kommunen und Unternehmen geschaffen werden. Es geht darum, die Menschen, die in diesem Land etwas unternehmen und sich beteiligen wollen, so wenig wie möglich zu gängeln.

Dabei sind wir alle, auch das Parlament, gefordert. Im Rahmen der parlamentarischen Erarbeitung von Gesetzentwürfen und der Debatte darüber erhalten wir oftmals Hinweise, dass man Dinge straffer regulieren sollte, als es vielleicht möglich ist. Wenn wir Normen und Standards abbauen wollen, müssen wir uns gemeinsam dazu bekennen, dass die Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Der Landtag gibt die Rahmenregelungen vor, aber die Regelungsdichte muss in allen Bereichen reduziert werden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Der Ministerpräsident hat dies in seiner Regierungserklärung am 13. November ausdrücklich gefordert. Bei all den Erörterungen in den verschiedenen Ausschüssen und im Plenum sollten wir uns daran erinnern, dass wir gemeinsam Normen und Standards reduzieren wollen. Die Regierung ist gefragt. Das geht aber nur, wenn das Parlament mitmacht.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 1422 (Entbürgerlichte und entchristlichte Gesellschaft), gestellt vom Abgeordneten Hammer. Bitte sehr.

„Nicht nur ich beklage als Erbe der DDR eine entbürgerlichte und entchristlichte Gesellschaft“, sagte der Innenminister des Landes Brandenburg am 03.12.2002 gegenüber dem „Tagesspiegel“.

Ich frage die Landesregierung: Repräsentiert Herr Schönbohm mit dieser Aussage die Haltung der gesamten Regierung?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hammer, ich beschreibe und beklage eine Situation. Ich möchte einige Fakten in Erinnerung rufen.

Wissen Sie noch, wie die Umwelt zum Zeitpunkt der deutschen Einheit aussah? Wissen Sie noch, wie die Innenstädte aussahen? Wissen Sie, wie viele Menschen geflohen waren? Wissen Sie, wie wenig Handwerk es gab? Wissen Sie, wie wenig Christen wir in unserem Lande haben? Diese Situation beklage ich. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten - Sie vielleicht nicht -, dass sich daran etwas ändert.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wenn in Brandenburg nicht einmal 24 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirche sind und 15 % aller Kinder nicht mehr in einer intakten Familie aufwachsen, dann muss dies doch für uns gemeinsam Anlass sein, darüber nachzudenken, worin die Ursachen dafür liegen und wie wir es ändern können. Wenn 6 300 heranwachsende Jugendliche im letzten Jahr rechtskräftig verurteilt wurden - rund 1 000 davon wegen Körperverletzung -, dann muss nach den Ursachen dafür gefragt werden. Diese sind vielfälig.

Das Zitat, das Sie vorgetragen haben, stammt aus einer Beschreibung der Lage in Brandenburg, die mich sehr nachdenklich stimmt und von der ich glaube, dass sich daran etwas ändern muss.

Während sich in Polen und Russland die Kirchen noch immer oder wieder - füllen, hat sich die reformatorische Spiritualität der ostdeutschen Volkskirchen praktisch erschöpft. Darüber müssen wir reden können.

Ich gesteht Ihnen gern zu, dass man solche Gedanken nicht im „Neuen Deutschland“ liest; denn nur aus Verantwortung für die Menschen in unserem Lande werden diese Sorgen artikuliert. Sie werden von denjenigen vorgebracht, die diesem Land und seinen Menschen helfen wollen.

Sie kommen aus Frankfurt (Oder). Gehen Sie einmal nach Sieversdorf! Bis zum Jahre 1990 gab es dort die LPG „Florian Geyer“. Informieren Sie sich bitte, wie sie 1990 aussah, und sehen Sie sich dann die heutige Situation an. Der Alteigentümer ist zurückgekehrt, hat mit eigenem Geld zurückgekauft, was seinen Vorfahren über 350 Jahre gehörte, und ein Kulturzentrum eingerichtet. Er hat sich darum gekümmert, dass die Kirche und die Orgel instand gesetzt werden. Er hat dafür gesorgt, dass sich in diesem Dorf ein Handwerksbetrieb ansiedelt, der Backsteine herstellt - Handarbeit im wahrsten Sinne des Wortes! Das Dorf insgesamt wurde wiederbelebt. Die Menschen, die dort leben, sind heute froh.

Ich wiederhole meinen Vorschlag: Gehen Sie dorthin und sehen Sie sich das an! Dann wissen Sie, was ich meine. Es geht um das wirkliche Leben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit Herrn Hammer.

Er zog sich kämpfend wie ein Held zurück ins hohe Erbsenfeld Sie sind nicht auf den Kern meiner Frage eingegangen. Wir können uns zwar über Werte unterhalten, aber ich wollte wissen, ob dieses Zitat Ihre persönliche Ansicht oder die der gesamten Landesregierung ist.

Herr Abgeordneter Hammer, ich habe keine Regierungserklärung abgegeben. Das konnten Sie dem Interview entnehmen. Es wurde mit Jörg Schönbohm, Innenminister des Landes Brandenburg, geführt. Ich habe meine Auffassung dargelegt. Diese war nicht innerhalb des Kabinetts abgestimmt, aber ich bin mir sicher, dass die Landesregierung dieser Auffassung zustimmt, weil sie das reflektiert, was wir in Brandenburg erleben. Wenn Sie Ihre Augen öffnen und Ihre Schablonen und Scheuklappen ablegen, werden Sie das auch erleben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Frau Osten [PDS]: Sie bauen ständig Pappkameraden auf! Mer- ken Sie das nicht, Herr Ex-General?)

Frau Faderl, bitte.

Herr Innenminister, ich fühle mich als Nichtchristin in gewisser Weise diffamiert. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie folgender Meinung: Da in Brandenburg so wenige Christen leben, haben wir mehr Gewalt. Sind Sie nicht eher der Meinung,

dass Gewalt in dieser Gesellschaft insgesamt ein durchaus legitimes Mittel ist, um Probleme zu lösen, und dass Kinder und Jugendliche genau das widerspiegeln und dass es eine Vielzahl von freien Trägern gibt, die nichtchristlich organisiert sind, sich genau mit diesem Problem befassen, Ursachen erforschen und den Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen und dass eigentliche Prävention in der Stärkung der Familie durch die Politik bestehen sollte?

Frau Abgeordnete, zulässig sind nur klare, kurze Fragen. Es waren nicht zwei, sondern wenigstens sechs.

Das ist eine Frage gewesen. Ich habe immer „und“ gesagt.

(Heiterkeit)

Daran habe ich ablesen können, wie viele Fragen es waren.

Ich weiß, dass es freie Träger gibt. Es geht mir nicht darum, alle Menschen zu Christen zu machen. Ich habe eine Situation beschrieben. Da Sie im östlichen Teil Brandenburgs leben, können Sie ohne weiteres am Wochenende nach Polen fahren und sich dort umsehen. Wir sind ein entchristlichtes Land. Das habe ich beschrieben. Es ist so. Sie mögen das sehr gut finden; ich finde das nicht so gut. Dazu bekenne ich mich.

Eine Frage aber habe ich nicht verstanden. Ich wiederhole sie, bevor ich mich dazu äußere. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie verstehen könnten, wenn Jugendliche zu Gewalt greifen, um ihre Probleme zu lösen.

(Widerspruch bei der PDS)

- Gut, dann habe ich Sie falsch verstanden. Sie haben sich so ausgedrückt

(Zurufe von der PDS)

- ich werde das im Protokoll nachlesen -, dass unsere Gesellschaft dazu führen würde, dass Gewalt ein legitimes Mittel zum Austragen von unterschiedlichen Auffassungen ist. Wenn das Ihre Auffassung ist, widerspreche ich dem ganz entschieden. Wenn das nicht Ihre Auffassung ist, bitte ich Sie, das klarzustellen. Sie haben sich missverständlich ausgedrückt.