Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

Die hausgemachten Ursachen überwiegen. Es ist das Erbe der „kleinen DDR“, wie Brandenburg unter Ex-Ministerpräsident Stolpe nicht ohne Grund genannt wurde, das schwer zu schaffen macht. Nach sozialistischem Muster wurde mehr ausgegeben, als man sich leisten konnte. Brandenburg nahm, obwohl leistungsschwächer, doppelt so viele Kredite auf wie beispielsweise das benachbarte Sachsen. Das geborgte Geld floss in den Konsum, floss in soziale Standards. Es floss in Großprojekte wie den Lausitzring oder in marode ehemalige Ostkombinate, die dann später doch Pleite gingen.

(Schippel [SPD]: EKO!)

Es floss in Projekte wie zum Beispiel die LEG. Es haben sich wenige Menschen schwer bereichert. Bei der Pöstchenbeschaffung war die SPD nicht gerade zimperlich. Damit nicht genug: Das Land leistete sich die üppigste und teuerste Verwaltung ganz Deutschlands, geizte dafür aber bei den Hochschulen.

Für diesen „sozialdemokratischen Brandenburger Weg“ muss das Land nun teuer bezahlen. Die Rekordverschuldung engt den finanziellen Spielraum so sehr ein, dass es jetzt und erst recht künftig dramatisch weniger Mittel für öffentliche Leistungen also für Kultur, Soziales, Wirtschaft, Bildung, Hochschulen und innere Sicherheit - ausgeben kann als zum Beispiel Sachsen.

Aber es kommt schon in wenigen Jahren noch viel schlimmer. Die Höhe der Solidarleistungen und der Finanzhilfen des Bundes und der EU, die bislang die Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur ermöglichten, wird nämlich abnehmen. Die Randregionen Brandenburgs haben es immer schwerer und es ist kein Ende der Massenflucht junger Leute in Sicht. Die Regierung lässt bislang trotz „Giftliste“ ein konsequentes Krisenmanagement vermissen. Ich habe diesbezüglich auch Ihren Reden nichts entnommen, Herr Bischoff und Herr Lunacek. Womit wollen Sie denn Bildung, Wissenschaft und Forschung finanzieren, wenn die Investitionen immer weiter heruntergefahren werden? Das ist schlecht für die Wirtschaft, aber nur mit einer guten Wirtschaft können wir auch die Konjunktur wieder ankurbeln.

(Beifall bei der DVU)

Der jetzige Ansatz, allein in diesem Jahr erneut Schulden in Höhe von 1 Milliarde Euro zu machen - das ist dreimal mehr als die Summe, die man einsparen will - und gleichzeitig eine Einsparliste vorzulegen, die ganze Wirtschaftszweige und Bevölkerungsgruppen buchstäblich fast an den Bettelstab bringt, kann jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Daher fordern wir als DVU-Fraktion Sie auf: Lassen Sie die Finger weg von irgendwelchen Notoperationen! Der Nachtragshaushalt ist nur Flickschusterei. Haben Sie den Mut, endlich politisch konsequent umzusteuern! Verhandeln Sie das Haushaltsgesetz und den Haushaltsplan 2003 komplett neu! Ein Antrag der DVU-Fraktion liegt dazu vor. Sie brauchen ihm nur zuzustimmen. Planen Sie dann mit uns gemeinsam das Geld für die Ankurbelung der Wirtschaft ein und ich verspreche Ihnen: Dann werden Sie auch Ihren Lichtschalter

für den Tunnel finden, Herr Fritsch. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Bevor ich das Wort an die Landesregierung gebe, möchte ich Frau Dr. Schröder daran erinnern, dass die Handy-Benutzung im Plenarsaal nicht erlaubt ist. - Herr Ministerpräsident Platzeck, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzte Dreiviertelstunde hat uns allen, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass unser Land vor einem schwierigen und für seine Zukunft entscheidenden Umbruch steht. Wir wissen, dass die Menschen in unserem Land umbrucherfahren sind, werden aber all diese Erfahrungen, die wir in den letzten 13 Jahren gesammelt haben, in den nächsten Jahren auch dringend benötigen.

Es ist vorhin gesagt worden, dass „Notstand“ das falsche Wort ist. Das denke ich auch, aber wir müssen mit Sicherheit davon sprechen, dass sich unser Haushalt, dass sich die Finanzen unseres Landes in einer Krise befinden. Wenn wir nicht umsteuern, dann werden wir in allerkürzester Zeit den Zustand erreichen, dass uns die Zinsen erwürgen und das Land vor der Wand steht.

Aber, meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur ums Sparen, sondern es geht auch darum, einen neuen Kurs einzuschlagen, einen neuen Weg in die Zukunft zu finden.

Die Krise, in der wir uns befinden, spielt sich nicht im luftleeren Raum ab. Die Weltwirtschaft stagniert. Kriegsgefahr liegt in der Luft. Die Steuereinnahmen sind dramatisch eingebrochen und auch das ist ein wichtiger Punkt bei der Betrachtung unserer Situation - die Europäische Union, deren Mitglied wir sind, steht vor der größten Erweiterung im Verlauf ihrer Geschichte. Zehn Staaten, auch unser Nachbarland, werden in wenigen Monaten dazugehören. Das ist eine zusätzliche und in ihrer Größe vielleicht noch nicht von allen erkannte Herausforderung in der nächsten Zeit, in der aber auch eine riesengroße Chance für unser Land Brandenburg liegt.

Wir haben jetzt die Wahl. Solch eine Situation kann dazu verleiten, den Kopf in den Sand zu stecken - psychologisch verständlich - und zu resignieren bzw. auch zu sagen: Wir ändern nichts. Sie kann aber auch dazu führen, entschlossen zu handeln, mit Mut schmerzhafte, aber dringend notwendige Maßnahmen zu ergreifen, die Chance zu nutzen, die letztendlich in jeder Krise liegt, um unser Land zu gestalten, was es im Moment ja nicht im erforderlichen Maße ist.

Ziel soll dabei sein, dass nicht nur für unsere Kinder - für diese selbstverständlich auch -, sondern auch für uns gilt, künftig nicht nur Schulden abzahlen zu müssen, sondern ein Land zu gestalten, das modern strukturiert ist, das dann wieder dynamisch wächst und in dem Gemeinsinn, in dem Miteinander ein zu Hause zu haben in einem Land, in dem man sich gern ansiedelt, in dem man gern investiert, weil es einerseits motivierte

und gut ausgebildete Fachkräfte gibt und zum anderen innovative Ideen nicht ausgebremst werden. Es soll ein Land sein, in dem sich Verwaltung als Partner präsentiert, als Partner für diejenigen, die etwas unternehmen wollen und alles aus einer Hand bekommen, als Partner, der Hürden nicht errichtet, sondern denjenigen aus dem Weg räumt, die etwas unternehmen wollen, denn das sind die einzigen, die das Wichtigste, was wir brauchen, nämlich Arbeitsplätze, wirklich schaffen können.

Meine Damen und Herren, wir wollen ein Land, das auch den Bürgern Mut macht zur Selbstständigkeit, das Raum und Selbstvertrauen gibt für bürgerschaftliches Miteinander, ein Land, in dem es ein Klima allgemeiner Verantwortung gibt, das wir so dringend brauchen - Verantwortung eines jeden Einzelnen bis hin zur Verantwortung von Unternehmen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns für den Weg entschlossen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern entschlossen zu handeln. Wir haben ein Fundament, auf dem wir aufbauen können, denn die Schulden, die wir gemacht haben, sind ja nicht im luftleeren Raum entstanden. Wenn ich von zwei Seiten dieses Hauses höre, dass das Geld in sinnlose Großprojekte gegangen sei, dann will ich in aller Deutlichkeit daran erinnern, dass heute Zehntausende Menschen, Bürger unseres Landes, im EKO Eisenhüttenstadt, in der BASF Schwarzheide, im PCK Schwedt, in Ludwigsfelde, Dahlewitz und anderswo einen zukunftssicheren Arbeitsplatz haben, weil wir in die Vorhand gegangen sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns entschlossen zu handeln und haben auch bereits damit begonnen. Wir haben eine umfassende Struktur- und Verwaltungsreform eingeleitet. Wir werden in wenigen Jahren in der Landesverwaltung 12 400 Stellen weniger haben als noch im Jahr 2000. Es sind umfangreiche Zusammenlegungen, Erhöhungen der Effektivität und - das wurde schon genannt - Umstrukturierungen eingeleitet worden. Dazu wird Ihnen in wenigen Tagen das Haushaltssicherungsgesetz vorliegen. Wir reden also nicht nur über Zukunft, sondern haben in den vergangenen Monaten bereits intensiv daran gearbeitet.

Sie alle merken, dass auch ein zweiter wichtiger Schritt - die Neuordnung der Gemeindestrukturen - bereits intensiv nicht nur in Arbeit ist, sondern in Bälde vor dem Abschluss steht. Auch das ist ein Weg hin zu einer funktionsfähigeren Struktur als der, die wir bisher hatten.

In der Haushaltspolitik ist dieses Land auf strikten Sparkurs gegangen. Die ersten Vorschläge werden intensiv diskutiert. Ich betone: Es sind die ersten Vorschläge - denn der Weg ist damit mit Sicherheit nicht zu Ende -, es werden weitere folgen. Wir alle wissen, dass viele der angedachten Schritte erst mittel- und langfristig greifen können, weil Gesetze geändert, Verordnungen aufgehoben und Verträge gelöst werden müssen. Trotzdem muss es heute entschieden werden, auch wenn die Wirkungen zum Teil erst 2004 oder 2005 Erfolge zeitigen werden.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Meine Damen und Herren, wir werden Kommunen von pflichtigen Aufgaben entlasten; das wird deutlich werden. Auch dazu

werden wir mehrere Gesetze vorlegen. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir viel Kritik bekommen und heftige Debatten im Land ausgelöst werden. Ich bin mir sicher, dass die Kritik vielfach auch berechtigt ist, weil viele Dinge, an die wir herangehen müssen, Sinn machen.

Trotzdem müssen wir klipp und klar sagen: Um dieses Land zukunftsfähig zu halten, können wir uns diese Dinge künftig nicht mehr leisten. Das ist schwer, weil man durch manche Programme und Vorhaben auch Hoffnungen geweckt hat, dass es weitergehen kann. Wir müssen den Mut haben und bekennen, dass dieses leider an manchen Stellen nicht mehr möglich ist.

Heftige Debatten sind also vorprogrammiert. Wir müssen das Durchhaltevermögen haben, klar zu sagen, dass dieser Grundkurs alternativlos ist, denn Sonderförderungen vonseiten der Europäischen Union und des Bundes sind endlich. Wir kennen die Daten, wann die Förderungen enden. Wenn wir verantwortungsvolle Politik machen wollen, müssen wir uns bereits heute darauf einstellen. Es ist vorhin gesagt worden, dass wir uns in summa nicht mehr leisten können als vergleichbare westdeutsche Flächenländer, weil uns niemand mehr das Geld dafür geben wird, uns mehr zu leisten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat bei diesem Kurs ganz klare Prioritäten gesetzt und sie handelt danach. Wir wissen, dass die Zeit der Großinvestitionen im Wesentlichen vorbei ist, und haben daraus geschlussfolgert, dass wir uns auf unsere eigenen endogenen Potenziale besinnen müssen. Deshalb der Weg über eine gute Bildung. Auch hier reden wir nicht von der Zukunft, denn das Schulressourcenentwicklungskonzept ist trotz der angespannten Haushaltslage beschlossen worden. Es beinhaltet unter anderem, dass sich der Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler nicht gleichermaßen in einem Rückgang der Lehrerstellen widerspiegeln wird. Das heißt, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation verbessern wird, weil wir hier einen ganz klaren Schwerpunkt setzen. Ausbildung wird dazugehören, Wissenschaft und Forschung ebenfalls. Wir sind gemeinsam mit der Wissenschaftsministerin unseres Landes dabei, den Hochschuleinrichtungen mehr Selbstständigkeit, mehr Möglichkeiten zum Agieren zu geben, um ein noch moderneres - wir haben bereits ein sehr gutes Hochschulsystem - zu bekommen.

Wir werden viel Kraft darauf verwenden, das letzte Glied der Kette, bei dem wir bereits gute Erfolge zu verzeichnen haben die ersten Cluster bilden sich in diesem Land -, zu fördern. Schauen Sie sich die Umgebung der BTU Cottbus an! Schauen Sie sich die Umgebung der Universität Potsdam an! Wir werden viel Kraft darauf verwenden, diesen wichtigen letzten Schritt, von der Erfindung, vom Patent, von der Entdeckung zur Wertschöpfung im eigenen Land durch Bürger unseres Landes zu kommen, zu gehen, um diesen Kreis zu schließen.

Wir werden in den nächsten Jahren zwei wichtige Felder beackern, die diesen Hauptweg flankieren. Wir wissen, dass wir keine Großbetriebe haben, keine großen Konzerne, die mit ihren eigenen Großforschungsabteilungen auf diesem Sektor etliches richten. Das haben wir nicht, also sind wir verpflichtet - das wiederum liegt in staatlicher Verantwortung -, alles zu tun, um in unserem Land Netzwerke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu bilden, um Kooperation zu ermöglichen, um den Mo

tor in dieser Richtung anzuwerfen und auch kleinen Betrieben Mut zu machen, sich wissenschaftlicher Erkenntnisse zu bedienen. Nur darin liegt für kleine und mittlere Betriebe die Zukunft.

Wir werden ein zweites Feld intensiv beackern. Ich weiß, dass viel Skepsis vorhanden ist, weil es lange Listen der Versuche gibt, wenn man sich an Regelungswerke heranmacht, an die Senkung der Zahl von Normen und Standards. Die meisten Versuche zeichnen sich durch Misslingen aus. Wir werden uns trotzdem davon nicht irremachen lassen, weil es wichtig ist, in der Phase, in der sich unser Land befindet, auch dadurch Mut zu machen, dass man die Regelungsdichte auflockert, dass man Initiativen nicht bremst, sondern fördert.

Wir werden künftig auch den Mut zur Lücke haben müssen. Wir sollten dann aber auch ehrlich zu uns selbst sein. Dann wird auch nicht mehr bis ins nachbarschaftliche Leben hinein alles gesetzlich geregelt sein, sondern vieles wird dann der Vernunft und dem Sinn zum Miteinander selbst obliegen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wir sollten nicht zulassen, dass sich im Lande eine Stimmung ausbreitet, als ob ab morgen Stillstand der Rechtspflege auf allen Feldern sei, denn wir haben auch in den nächsten Jahren rund 9 Milliarden Euro zur Verfügung, um das Leben im Lande nach unseren Prioritäten zu fördern und am Drehen zu halten. Das ist eine große Menge Geld. Deshalb sage ich noch einmal: Wir werden die Chance, die wir haben, nutzen. Wir haben auch die Mittel dazu, diese Chance erfolgreich zu nutzen. Wir sind dabei, das größte Modernisierungsprogramm in der Geschichte unseres Landes, das sich aus den Bausteinen, die ich genannt habe, zusammensetzt, aufzulegen. Aus diesen Bausteinen werden wir das moderne Brandenburg bauen, in dem die Menschen gern zu Hause sind. Noch können wir das Schicksal in unsere eigenen Hände nehmen. Lassen Sie uns ein Gemeinschaftswerk daraus machen! Ich denke, die Koalition hat den langen Atem, den wir für diesen schwierigen Weg brauchen. Am Ende wird der Erfolg stehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Ministerpräsidenten Platzeck. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Mit der Rede des amerikanischen Präsidenten gestern Nacht verdichtet sich die Gefahr, dass eine militärische Lösung des Irak-Konfliktes das alleinige Ziel der politischen Strategie ist. Der Innenminister des Landes Brandenburg hat klargestellt, dass ein so genannter Präventivschlag für ihn vorstellbar sei.

(Minister Schönbohm: Das ist falsch. Sie müssen Zeitung lesen!)

In dieser Situation erwarte ich von der Landesregierung eine

eindeutige Positionierung bezüglich ihrer Strategie, friedliche Lösungen zu ermöglichen und zivile Konfliktlösungen entsprechend den Außeninteressen der Bundesregierung und Europas zu einem Kernelement deutscher Politik zu machen.

(Beifall bei der PDS)

Diese Diskussion überschattet auch unsere Haushaltsberatungen; denn wenn es zu einer militärischen Lösung im Irak-Konflikt kommt, dann wird sich nicht nur in Deutschland, sondern auch international das Beziehungsgefüge verändern.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bischoff, der Unterhaltungswert des Orchesters der „Titanic“ hielt sich für die Betroffenen in engen Grenzen.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Ich wäre Herrn Lunacek ausgesprochen dankbar dafür, wenn eines klargestellt würde: Haushaltsberatungen und Aktuelle Stunden sind nicht dazu da, Koalitionsarithmetik in die Öffentlichkeit zu transportieren, sondern dazu, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik zu setzen. Das Schauspiel, das Sie heute abgeliefert haben, wird den Vertrauensverlust weiter forcieren und letztendlich

(Kolbe [SPD]: Ihre Schauspieler sind auch nicht besser!)