Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle nur ein kleines Beispiel nennen. Vor wenigen Tagen besuchte ich mit unserem Finanzexperten eine Firmengruppe in dem kleinen Ort Niedergörsdorf bei Treuenbrietzen. Es handelt sich um die Firma Andreas Seehafer und zwei mit ihr verbundene Unternehmen, die mit einer Gesamtinvestitionssumme von 120 Millionen DM fast alle ehemaligen sowjetischen Kasernengebäude in der Ortschaft Flugplatz sanierten und dadurch 120 Arbeitsplätze schufen. Weitere 100 Arbeitsplätze könnten im Übrigen problemlos geschaffen werden. Aufgrund eines Reklamationsprozesses befindet sich diese Firmengruppe im Moment allerdings in einem akuten Liquiditätsengpass. der mit ca. 5 Millionen DM behoben werden könnte. Damit wäre die Rettung der 120 Arbeitsplätze möglich. Doch trotz auf Eis liegender Fördermittel in mehrfacher Millionenhöhe steht diese Firmengruppe kurz vor der Insolvenz, ohne dass das Land mit eigenen Mitteln oder mit Bundes- oder EU-Mitteln eingreift, wie es zum Beispiel Herr Schröder im Fall der von der Insolvenz bedrohten Philipp Holzmann AG getan hat.

Wir machten uns die Mühe und durchforsteten einmal den Stand der Bewilligungen sowie des Barmittelabflusses im Einzelplan 08 des Wirtschaftsministeriums per 30.09.1999. Im Bereich der Förderung der mittelständischen Wirtschaft und des Tourismus wurden nur 15,23 % des EU-Anteils und 14,68 % der Landesmittel an KMU-Zuschüssen ausgeschöpft. sodass summa summarum 12,6 Millionen DM an Fördermitteln für kleine und mittelständische Unternehmen zum 30.09.1999 noch auf Eis lagen. Auf den 31.12.1999 hochgerechnet wären dies immer noch ca. 11,8 Millionen DM.

Von den Darlehen zur Liquiditätssicherun g mit einer Haushaltsplansollstellun g von 3,7 Millionen DM wurde per 30.09.1999 keine müde Mark abgerufen. So verwundert es im Übrigen auch nicht, dass zu diesem Datum noch etwa 280 Mil

honen DM an GA-Mitteln auf Eis lagen. Das Gleiche galt für knapp 435 Millionen DM an Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung. Summa summarum lagen per 30.09.1999 in den Hauptgruppen 6 und 8 des Kapitels 08 050 - Fördermittel der Wirtschaft - knapp 865 Millionen DM unabgerufen auf Eis. Auf die Haushaltsrechnung 1999 dürfen wir also gespannt sein.

Zum 30.09.1999 waren über 563 Millionen DM an EU-Mitteln noch nicht abgerufen worden. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass man eine halbe Milliarde Mark. die sich bereits im Land Brandenburg befand, aufgrund von Kompetenzwirrwarr, Bürokratismus und mangelnder Information oder weil man einfach den Landesfördermittelanteil nicht aufbrin gen konnte, an die Brüsseler Fonds und die Institutionen zurückgibt. Dies ist die wirtschaftliche Bankrotterklärung dieser Landesregierung.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Darlegungen!

Wir sind mitten in diesem Prozess, und jeder, der eine gute Idee hat, ist herzlich eingeladen, sich an diesem Denkprozess zu beteiligen. Selbstverständlich werden wir diesen Prozess im Wirtschaftsausschuss ganz intensiv führen.

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Es geht doch nicht darum zu sagen, wir haben aus fünf Gesellschaften drei oder eine gemacht oder wir haben das eine einbezogen und das andere vergessen, sondern es geht ganz schlicht und ergreifend darum, dass wir Wirtschaftsförderung aus der Sicht des Kunden betrachten müssen und nicht aus der Sicht des Wirtschaftsministeriums oder aus der Sicht der Fördergesellschaften.

(Beifall bei CDU und SPD)

Aus der Sicht des Kunden stellt es sich so dar, dass wir die Informationen besser bündeln müssen, damit der Drehtüreffekt wegfällt, dass jemand so lange durch die Tür geht. dass er am Ende gar nicht mehr weiß, mit wem er geredet hat. Er muss eine Antwort von einem kompetenten Berater bekommen. Wie wir das hinter der Tür organisieren, ist unsere Sache und darf den Kunden nicht interessieren und belasten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD) Dennoch haben wir natürlich nichts dagegen, wenn die Landesregierung in der April-Plenarsitzung über ihre Konzeption zur Neustrukturierung der Wirtschaft berichtet Wir werden es uns in dieser Sitzung auch nicht nehmen lassen, ihr dazu unangenehme Fragen zu stellen. - Ich bedanke mich. (Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Fümiß, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal fällt es einem schon schwer, ruhig zu sitzen, muss ich sagen, und noch schwerer, ruhig zu sein. Nur einen Punkt möchte ich aufgreifen. Wenn Sie schon im Zusammenhang mit einem Bericht zum 30. September, den wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben, über Mittel reden, sollten Sie bitte zwischen den Mitteln unterscheiden, die beantragt und bewilli gt worden sind, und denen, die noch nicht abgeflossen oder abgerufen sind. Das geht immer jahresübergreifend und nicht haushaltsscharf. Aber das lernen Sie sicherlich noch, wenn Sie noch ein paar Jahre hier sind.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Also, meine Damen und Herren, ich möchte gern auf das Thema zu sprechen kommen. Die Koalitionsvereinbarung sagt eindeutig: Wir brauchen eine aktive, investorenorientierte Ansiedlungspolitik, und wir müssen dort unsere Aktivitäten verstärken. Der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung nochmals unterstrichen und die Einrichtung einer Serviceagentur angekündigt. Wir haben am 7. Dezember im Kabinett beschlossen, genau dieses zu tun, und ich habe erste Überlegungen dazu veröffentlicht.

Die zweite Anmerkung: Das geht nur, wenn wir uns selber als Dienstleister betrachten, meine Damen und Herren. Wir dürfen nicht nur von den Investoren verlangen, dass sie schlank, wirtschaftlich und effizient produzieren und arbeiten, wir müssen genauso unsere eigene Effizienz infrage stellen und überprüfen, wo wir was verbessern können.

Dabei gilt es die Kompetenz der Leute. die bisher in den Gesellschaften arbeiten, zu nutzen. Es gilt sie positiv zu motivieren, mitzuarbeiten und an dieser Sache mitzuwirken. Deshalb haben wir alle Gesellschaften. um die es geht, gebeten, Vorschläge zu machen, wie sie sich eine Verbesserung vorstellen können.

Diese Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch, und wir werden gemeinsam darüber diskutieren, wie wir das sinnvoll hinkriegen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir das wirtschaftlich sinnvoll hinkriegen werden. Und wenn dabei etwas Sparsamkeit herauskommt, kann das ja nichts schaden.

Ein letzter Punkt zu dieser Geschichte. Meine Damen und Herren, erst dann, wenn wir die Förderrichtlinien, die Förderstrukturen so überschaubar gemacht haben. dass der Einzelne, der eine Existenz gründen will. der unternehmerisch tätig sein will, nicht mit einer großen Hürde hinkommt, mit dem Gedanken, er begreife das gar nicht, erst wenn er uns als seine Partner begreift. haben wir gewonnen. Und ich bitte Sie ganz herzlich, daran mitzuwirken, dass die Förderstrukturen in Brandenburg, die jetzt schon kundenfreundlich sind, noch kundenfreundlicher werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD sowie des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD in Drucksache 3/502 folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe Tagesordungspunkt 13 auf:

Verpflichtung von Vermietern zu Angebotseinholungen bei Energieanbietern

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/503

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion eröffnet. Frau Abgeordnete Fechner, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Rund 20 % der Haushalte im Land Brandenburg sind überschuldet" - so lautete kürzlich eine Schlagzeile in der „Märkischen Oderzeitung". In immer mehr Haushalten übersteigen die finanziellen Verpflichtungen die Einnahmen bei weitem. Anfang des vergangenen Jahres ist nach Auskunft der Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Brandenburg noch von 7 bis 10 % überschuldeter Haushalte ausgegangen worden. Diese Zahlen sind jedoch längst überholt. Die Schuldnerberatung hat kürzlich frühere Schätzungen nach oben korrigiert.

Da eine positive Trendwende auf dem Arbeitsmarkt im Land Brandenburg nicht zu verzeichnen war und ist und die Förderung von Arbeitsmarktprojekten rückläufig ist, ist von einer Verdoppelung auszugehen. Es fallen immer mehr Menschen durch das soziale Netz. Die Einkommen sinken und gerade auch die privaten Schuldenberge steigen.

Aufgrund der nicht unerheblichen Belastungen durch die Ökosteuer ist es notwendig zu überprüfen, wo Kosten eingespart werden können. Denn wen treffen diese Belastungen am meisten? Den Kleinverdiener, den Arbeitslosen, den Sozialhilfeempfänger, also die breite Masse der Bevölkerung. Und gerade diese Bevölkerungsschichten wohnen bis auf wenige Ausnahmen in Mietwohnungen.

Die DVU-Fraktion ist der Auffassung, dass Vermieter, die mehr als zehn Wohneinheiten in ihrem Besitz haben, auch einen Beitrag leisten sollten, um die Mietnebenkosten in Grenzen zu halten. So ist bundesgesetzlich zu verankern, dass die Vermieter verpflichtet sind, grundsätzlich bei den verschiedenen Energieanbietern Angebote einzuholen, welche zum Beispiel in Mieterversammlungen oder durch öffentliche Mitteilungen bekannt zu machen sind. Dadurch erhalten die Mieter die Möglichkeit, als eine Art Preisagentur zu fungieren, deren Interesse es ist, einen noch kostengünstigeren Energieanbieter zu finden.

Uns ist bewusst, dass es den Vermietern noch nicht immer möglich ist, eine Alternative zum derzeitigen Energielieferanten zu finden. Zum Beispiel dürfte es zurzeit nicht einfach sein, mehrere Fernwärmelieferanten in einer Stadt ausfindig zu machen.

Meistens besitzen die Stadtwerke noch dieses Monopol. und in den sehr dünn besiedelten Gebieten Brandenburgs gestaltet sich die Auswahl der Energieanbieter auch sehr schwierig. Für das in den Haushalten verwendete Erdgas gibt es zurzeit auch nicht allzu viele alternative Anbieter.

All das ist uns bewusst. Uns geht es hauptsächlich um die Wohnungsbesitzer, welche ihre Wohnungen mit Flüssiggas oder Öl heizen. Um das zu verdeutlichen: Die Preise für Heizöl liegen zurzeit je nach Anbieter zwischen 64 und 73 Pfennigen je Liter. Auch die Preise fiir Flüssiggas unterliegen einer Differenz. Hier kostet das Kilogramm zwischen 2,20 und 2,32 DM.

Der Vermieter soll nicht die Auffassung vertreten können: Was interessieren mich die Nebenkosten? Diese bezahlt ja eh der Mieter. - Er soll selbst aktiv werden und den günstigsten Anbieter ermitteln. Uns ist zwar bekannt, dass einige Vermieter nach dieser Maxime verfahren, aber leider noch nicht alle.

Wo Appelle an die Freiwilligkeit ins Leere gehen, ist der Staat gefragt. Eine solche Handlungsweise liegt im Interesse von Millionen Mieterinnen und Mietern in Deutschland. Diejenigen, die überteuerte Energie anbieten, sollten sehr bald merken, dass sie ihre Preise nach unten angleichen müssen. Wir brauchen auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum. Die Mietnebenkosten haben sich längst zu einer zweiten Miete entwickelt. Preistreiber ist hier allerdings der Staat wegen der ständig steigenden Abgaben-, Gebühren- und Steuerlast.

Die Transparenz der Ener giemärkte und die zunehmend freie Auswahl auf dem Stromsektor werden sich auch auf die anderen Bereiche der Energieversorgung auswirken; denn die Richtlinie 96-92/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 19. Dezember 1996, betreffend die gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, wird sich zukünftig nicht nur auf den Elektrizitätsmarkt begrenzen lassen. Somit ist unser Antrag auch sehr zukunftsorientiert.

Unser Antrag hat auch besondere Aktualität. Das Bundesjustizministerium wird in diesen Tagen einen Gesetzentwurf für eine grundlegende Änderung des Wohnungsmietrechts vorlegen. Es soll ein Mietgesetzbuch geschaffen werden, in dem die in vielen Gesetzen verstreuten Vorschriften zum Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch zusammengefasst und vereinfacht werden und - wie es heißt - ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter und der Vermieter und der Wohnungswirtschaft hergestellt wird.

Nach den bisherigen Plänen geht es darum, dass der Mieter künftig unbefristete Mietverträge mit einer 3-Monats-Frist kündigen darf, ohne Rücksicht auf die Mietdauer. Eine weitere Neuerung ist die Senkung der so genannten Kappungsgrenze von 30 auf 20 %. Bei der Modernisierung sollen die Vermieter nur noch 9 statt 11 % auf die Jahresmiete aufschlagen dürfen. Auch Mietsteigerungen aufgrund höherer Hypothekenzinsen sollen den Vermietern künftig nicht erlaubt sein.

Im Rahmen der in Berlin angestrebten Mietrechtsreform ist es geboten, diese dahin gehend zu erweitern, dass dem Vermieter auferlegt wird, die Energiekosten für die Versorgung der Mietwohnung möglichst gering zu halten. Dies kann natürlich nur die Energiekostenanteile betreffen, für die er als Vermieter die

Verantwortung trägt und die nicht direkt vom Mieter mit den einzelnen Energieanbietern ausgehandelt werden können.

Meine Damen und Herren, wie ich bereits ausführte, geht es uns mit unserem Antrag um eine echte Entlastung der Mieter von einem immer schnelleren Anstieg der Mietnebenkosten. Fast jeder klagt über die viel zu hohen Nebenkosten, wobei es im Grunde egal ist, wie die Kosten heißen, die zu bezahlen sind.

Doch auch die öffentliche Hand kann sparen. sollte unser Antrag als Bestandteil eines Gesetzes aufgegriffen werden. Wie zu Beginn meiner Rede dargelegt, wächst die Zahl der finanzschwachen Mieter ständig. Daher möchte ich noch einmal auf die überschuldeten und Sozialhilfe beziehenden Haushalte zurückkommen, beziehen diese Haushalte doch notgedrungen öffentliche Gelder. Mitunter werden die gesamten Wohnkosten, also auch die Nebenkosten, vom Sozialamt getragen. Auch die vielen Haushalte sind mit zu berücksichtigen, die aufgrund ihres Familieneinkommens Wohngeld erhalten. Hier wäre also auch ein Einsparpotenzial für die chronisch finanziell unterversorgten Gemeinden und Kreise vorhanden.

Und noch einen Punkt gebe ich zu bedenken: Wir lesen und hören gerade tagtäglich von immer neuen Skandalen, die mit Geldzahlungen zu tun haben. Die Liberalisierung des Energiemarktes eröffnet nun einmal, wie in anderen Bereichen auch, einen gewissen Handlungsspielraum, auch in Sachen Korruption. Wer als Vertreter eines Großvermieters an der Entscheidungsquelle sitzt und zum Beispiel Verträge mit diesem oder jenem Energieanbieter abschließen kann, der läuft Gefahr, eigene Entscheidungen nach der Höhe des angebotenen Schmiergeldes zu treffen und nicht nach der Höhe des günstigsten Energiepreises. Mit unserem Antrag wird diese bestehende Möglichkeit weitgehend ausgeräumt oder doch zumindest erschwert. Aus diesem Grunde bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem hier vorliegenden Antrag.

Alternativ beantragen wir bereits jetzt die Überweisung unseres Antrages in die Ausschüsse für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr sowie für Wirtschaft.

(Klein [SPD]: Das müssen Sie uns noch einmal erklären, Frau Fechner!)

Ich danke für Ihre mehr oder weniger vorhandene Aufinerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalition. Herr Abgeordneter Dellmann, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen Vorteil hatte der Antrag der DVU. Ich habe einmal die Gelegenheit genutzt und mir meine eigene Bctriebskostenabrechnung der Jahre 1997 und 1998 angeschaut, um für mich persönlich eine Größenordnung zu haben, über welche Beträge wir eigentlich reden.