Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

Ich empfehle die Überweisung des Antrages. Die Diskussion im Ausschuss wird Aufschluss über den Stand der Erarbeitung bringen. Das weitere Schicksal des Antrages wird davon abhängig sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Wiebke. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.

(Claus [DVU]: Herr Präsident! Ich möchte auf meinen Re- debeitrag verzichten, weil mein Vorredner schon die meis- ten Argumente vorgebracht hat. Ich möchte das nicht wie- derholen. - Beifall bei der DVU)

Ich bedanke mich. Herr Abgeordneter Claus. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Helm.

(Helm [CDU]: Herr Präsident! Ich verzichte ebenfalls. Kollege Dr. Wiebke hat alles gesagt. - Beifall bei der CDU)

Ich lobe die Vertreter der jeweiligen Fraktionen. Herzlichen Dank. - Somit hat die Landesregierung das Wort. Herr Minister Birthler, bitte schön!

Dann könnte ich mich eigentlich anschließen, weil sowohl Herr Kollege Wiebke als auch Frau Wehlan schon das meiste gesagt und eine sehr gute Analyse des gegenwärtigen Zustandes dargestellt haben.

Ich möchte aus Sicht der Landesregierung trotzdem noch einiges hinzufügen. Wir wissen, dass die Struktur von beiden Vorrednern genannt worden ist: etwa 110 000 Waldbesitzer mit im Durchschnitt 4,2 Hektar, also viel zu klein, um Gewinn bringend wirtschaften zu können. Auf der anderen Seite haben wir schon Forstbetriebsgemeinschaften, die von ihrer Größe her zeigen, dass ab einer gewissen Größe mit der Beschäftigung von eigenen Geschäftsführern und einer guten Beratung durchaus Gewinn zu erzielen ist.

Alles andere lasse ich, auch den Hinweis auf die Projektgruppe 11.

Ich möchte durch einige Maßnahmen diese Vergrößerung der Zusammenschlüsse forcieren, unabhängig von den Diskussionen. die wir selbstverständlich im Ausschuss führen. Ich möchte, dass Forstbetriebsgemeinschaften bei der Förderung forstlicher Maßnahmen bevorzugt berücksichtigt werden. Ich möchte, dass die Zuwendungen für die Geschäftsführung gewährt werden, und zwar in Staffelung der Beiträge nach der Größe der Forstbetriebsgemeinschaften. Die Beiträge sollen je nach Größe steigen, damit in der Startphase nach der Gründung einer Forstbetriebsgemeinschaft die Geschäftsführun g über einen Zeitraum von zwei Jahren von Mitarbeitern der Landesforstverwaltung übernommen werden kann.

Ich möchte weiterhin. dass die Beförsterung ihrer Flächen, sofern die Forstbetriebsgemeinschaften das möchten, von der Landesforstverwaltung übernommen und gegen spezielle Entgelte für eine Übergangszeit bezahlt werden und dass die Beratung und Anleitung vorrangig oder gar ausschließlich über die Forstbetriebsgemeinschaften geleistet wird. ich denke, hier sind auch die Kleinprivatwaldbesitzer in der Verantwortung, denn nur ab einer bestimmten Größe wird auch das Potenzial nutzbar sein, welches im Privatwald noch nicht genutzt wird, denn das wesentliche Holzpotenzial kommt heute aus dem Landeswald. Wir haben gerade im Privatwald noch große Reserven. Wenn wir an die wachsende Holzindustrie im Land denken, ist es eine wichtige gemeinsame Aufgabe, die Organisation und die Struktur im Privatwald zu stärken. Dieser Aufgabe schließe ich mich gern mit der Aufforderung aller Fraktionen an. Wir werden das gemeinsam im Ausschuss beraten. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und PDS)

Ich danke Herrn Minister Birthler. - Wir sind am Ende der Aussprache, meine Damen und Herren, und kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der PDS hat beantragt, den Antrag in

Drucksache 3/490 an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zu überweisen. Wer diesem Überweisun gsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Umsichtige Vorbereitung der Forstreform im Bereich der Landesforstverwaltung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/491

Zu diesem Tagesordnun gspunkt wurde vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass ich sofort zur Abstimmung kommen kann über den Antrag von zwei Fraktionen, und zwar der Fraktion der PDS und der Fraktion der SPD, die Drucksache 3/491 an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Bleiberecht für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/492

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, Herr Dr. Kallenbach, lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen, dass ich dem Redebeitrag der SPD in der Debatte erwartungsvoll entgegensehe. Ich nehme an, dass Sie mir nachweisen werden, dass wesentliche Inhalte unseres Antrages für eine neue, großzügige Bleiberechtsregelung und Initiativen für ein humaneres Asylrecht bei der SPD abgeschrieben seien. Damit könnte ich gut leben, wenn es uns in der Sache gemeinsam vorwärts bringt.

Richtig ist, dass es seit Ihrem Bundesparteitag im Dezember 1999 und den dort gefassten ausländerpolitischen Beschlüssen der SPD zur „Praxis von Asylanträgen" und für „Mehr Menschlichkeit! - Asylrecht behalten - Altfallregelung realisieren" Übereinstimmung in den Mindestforderungen an eine neue Flüchtlingspolitik zwischen SPD und PDS gibt.

Leider hat sich Bundesinnenminister Schily im Innenausschuss des Bundesta ges so erklärt, dass er die SPD-Parteitagsbeschlüsse ignorieren werde, und damit nur den Beifall der CDU/CSU

erhalten. Allerdings hoffe ich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, nicht aus Koalitionsräson gegen Ihre eigene ausländerpolitische Beschlusslage stimmen müssen. Ich würde dies sehr bedauern, zumal in Brandenburg durch die Kenntnis inhaltlicher CDU-Positionen die Politik der SPD ausrechenbar werden würde.

Nun war die so genannte Altfallre gelung der Innenministerkonferenz vorn 19. November 1999 schon in der 5. Sitzung des Landtages Gegenstand einer Beratung. Ich kann nicht oft genug wiederholen: Diese Regelung hat, großzügig gesprochen, ihre Tücken. Von einer ebensolchen „Großzügigkeit" in der humanitären und aus praktischen Erwägungen der Entlastun g von Ausländerbehörden, Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Petitionsausschuss des Landtages heraus auch sinnvollen Gewährung eines Bleiberechts für möglichst viele lange Zeit in Deutschland lebende Flüchtlinge kann nicht gesprochen werden.

Vorsichtig erklärte Frau Marieluise Beck, Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, in einer Presseerklärung vom 19. November 1999, dass der Beschluss der Innenministerkonferenz wenigstens ein Teilerfolg für die Integration sei ein Teilerfolg, weil Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Gruppen angesichts des deutlichen Widerstandes einiger Bundesländer nicht mehr mit der Verabschiedung der 1998 in der Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Bundesregierung versprochenen Altfallregelung gerechnet haben.

Auch Minister Schönbohm hatte sich - wenn ich daran erinnern darf - wenige Tage vor der Innenministerkonferenz in einem Schreiben gegenüber dem Innenausschuss ablehnend geäußert und keinen Handlungsbedarf gesehen.

Frau Beck stellt nun weiter fest. dass trotz der als positiv anzusehenden Einbeziehung vietnamesischer Staatsangehöriger die Zahl der begünstigten Personen hinter den Erwartungen weit zurückbleiben wird. So schätzt die Bundesregierung unter der Drucksache 14/2433 auf Anfrage der PDS-Fraktion im Bundestag ein, dass bei rund 300 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bundesweit nach der Altfallregelung 23 000 Personen ein Bleiberecht erhalten können - darunter 350 Personen in Brandenburg diese Auskunft hat uns Minister Schönbohm auf eine Mündliche Anfrage im Dezember im Landtag gegeben.

Flüchtlin gsorganisationen aber sprechen von 5 000 tatsächlich Begünstigten bundesweit. Die Gründe für diese Diskrepanz liegen beim Studium der Voraussetzungen für das Bleiberecht nach dieser Regelung auf der Hand.

Die Blockadehaltung der Innenminister einiger Länder wurde durch einen faulen Kompromiss überwunden und teuer erkauft. Tatsächlich ist dieser Kompromiss aus Sicht der PDS-Fraktion das vollständige Scheitern des Versuchs, eine humanitäre Lösung für Menschen ohne Rückkehrperspektive zu finden.

Traurnatisierte Lagerhäftlinge, vergewalti gte Frauen, unbegleitete Flüchtlingskinder, Alte und Kranke werden von der Bleibeteehtsregelung ausgeschlossen bleiben, weil sie nicht in der Lage sind, sich z. B. ohne staatliche Unterstützung zu finanzieren.

Am 19. November 1999 musste der Lebensunterhalt der Fami

lie oder der alleinstehenden Person durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert sein. Der 19.11.1999 ist, wie gesagt, das Datum der Beschlussfassung in der Innenministerkonferenz.

Eine begrenzte Ausnahme kann es geben bei Auszubildenden, Familien mit Kindern, Alleinerziehenden mit Kleinkindern sowie erwerbsunfähigen Personen in besonderen Härtefällen.

Ein Bleiberecht, meine Damen und Herren, wird also von existenzsichernder Arbeit abhängig gemacht. Das ist schon deswegen nicht nachvollziehbar, weil diesen Menschen eine Arbeitsaufnahme faktisch unmöglich gemacht wird. Absurd ist es weiterhin. wenn genügend Wohnraum ultimativ zur Integrationsbedingung erklärt wird.

Man muss sich einmal konkrete Schicksale vor Augen halten. Zwei beispielhafte Schicksale, die in dem Faltblatt „Für eine großzügige Altfallregelung" von PRO ASYL von Anfang 1999 aufgeführt sind, möchte ich zitieren:

„Die Roma-Familie R.. Eheleute mit vier Kindern. geflohen aus dem Kosovo, lebt seit 1991 in München. Die Asylverfahren sind längst rechtskräftig mit der Ablehnung abgeschlossen. Seit mehr als dreieinhalb Jahren wird der Familie lediglich ein Ausreiseschein in die Hand gedrückt, der immer nur um drei Monate verlängert wird. Seit Anfang 1994 versucht die Familie beim jugoslawischen Konsulat Ersatzdokumente zu bekommen, erhält diese jedoch nicht. Die Ehefrau musste sich wegen ihrer traumatischen Erlebnisse vor der Flucht aus dem Kosovo in Therapie begeben. Duldungsanträge waren bislang erfolglos."

Ein weiteres Beispiel:

„Die Familie A., Armenier aus der damaligen Sowjetunion, reiste im August 1990 in die Bundesrepublik ein. Ihr Asylverfahren wurde erst am 30. September 1998 endgültig abgelehnt. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung scheiterte im November. Eine Petition ist anhän gig. Die 12- und 13-jährigen Kinder haben alle wesentlichen Bildungserfahrungen in Deutschland gemacht und besuchen das Gymnasium. Frau A. ist Pädagogin mit Hochschulabschluss. Sie hatte aber aufgrund ihres Status bislang keine Chance auf eine Arbeitserlaubnis."

Selbst bei Vorliegen einer Arbeitsgenehmigung gelingt es also kaum, eine Arbeitgeberin oder einen Arbeitgeber zu finden bzw kommt es selten zu einer Anstellung. Die Lebenssituation von Flüchtlingen ist somit schwierig genug. Nur wenige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind bereit, Menschen zu beschäftigen, bei denen nicht klar ist, ob sie in Kürze ausreisen müssen. Auch für denjenigen selbst ist es schwierig, eine Lebensperspektive zu entwickeln, wenn er nicht weiß, für welches Leben in welchem Land.

Wer keine Arbeit findet, weil stets die Ausweisung droht, und deswegen auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, im Wohnheim wohnt oder sich nur eine kleine Wohnung leisten kann, wird für diese Situation durch die nicht zu erbringenden Integrationsvoraussetzungen haftbar gemacht.

Definitiv ausgeschlossen werden in der Regelung Personen ohne Papiere. Sie werden damit weiter illegalisiert und bleiben kriminalisiert. Zum Nachteil soll weiter gereichen, wenn die juristischen Möglichkeiten des Rechtsstaates in Anspruch genommen werden und mehr als ein Asylfolgeantrag gestellt wurde.

Auch die Stichtage der Altfallregelung für die Einreise - der 1. Juli 1993 für Familien und Alleinerziehende bzw. der 1. Januar 1990 für Alleinstehende und Ehegatten ohne Kinder - widersprechen den Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht, die beispielsweise vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, von der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, dem Deutschen Caritasverband, dem Deutschen Wohlfahrtsverband, dem DGB-Bundesvorstand und vielen anderen Organisationen getragen werden. Nach diesen Mindestanforderungen wird für Flüchtlinge. die länger als fünf Jahre in Deutschland sind, aus humanitären Gründen die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gefordert. was auch im Ausländergesetz normiert werden könnte.

Offen ist schließlich ebenfalls, was nach zwei Jahren mit den wenigen Begünstigten geschehen wird, die für diesen Zeitraum eine Aufenthaltsbefugnis erhalten haben. Eine Verlängerungsoption ist zumindest vorgesehen.

Festzustellen ist, dass es bei dieser Altfallregelung beim neuen deutschen innenpolitischen Grundsatz der 90er Jahre geblieben ist: Kein Schutz für Flüchtlinge, sondern Schutz vor Flüchtlingen - eine Abschreckungspolitik also! Deswegen muss es nach wie vor darum gehen, die Anwendung der Altfallregelung in Brandenburg zugunsten der potenziell Berechtigten zu modifizieren und den Blick nach vorn zu richten.

Eine neue, großzügige Bleiberechtsregelung und Änderungen im Ausländer- und Asylverfahrensrecht bleiben auf der politischen Tagesordnung, um unbillige Härten zu mildern und Diskriminierungen zu beseitigen. Hier setzt unser Antrag an, sich in der Innenministerkonferenz und gegebenenfalls im Bundesrat mindestens für die unter den Buchstaben a) bis c) angeführten Regelungen im Ausländer- und Asylverfahrens-recht einzusetzen.