Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

Zweitens: Es ist ja kein Geheimnis, dass die Neuordnung der Gemeindefinanzierung ein Problem des Landes, aber auch des

Bundes ist. In der letzten Aktuellen Stunde erklärte die CDUFraktion, der Schlüssel, um die Finanzknappheit der Kommunen zu beseitigen, sei die Einführung des Konnexitätsprinzips auf Bundesebene. Der Schlüssel liegt darin, dass der kommunale Finanzausgleich - die Regelung zwischen Bund, Ländern und Kommunen - in der Gemeindefinanzreformkommission neu und dauerhaft gestaltet wird. - So der Vertreter der CDU-Fraktion. Sehr geehrte Damen und Herren, das sieht die PDS genauso. Deshalb der Antrag.

Leider mussten wir feststellen, dass in der Gemeindefinanzreformkommission die Konnexität, wenn überhaupt, nur unterschwellig erwähnt wird, aber kein eigentliches Thema ist. Dazu gibt es keine Arbeitsgruppe, wie von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert wurde. Also sind dazu auch keine Arbeitsergebnisse zu erwarten. Sie werden mir sicher Recht geben, dass wir angesichts der Finanzmisere der Kommunen keine Zeit mehr haben, Debatten über Jahre zu verschieben, die dringend geführt und mit Entscheidungen beendet werden müssen.

Eine Gemeindefinanzreform ausschließlich zu den Kommunalsteuern und zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird eine halbherzige, nicht ausreichende Reform sein. Vielmehr muss auch für die Bundesebene der Grundsatz festgeschrieben werden, dass derjenige, der bestellt, auch bezahlen muss.

Wir haben längere Zeit in Brandenburg über die Aufnahme dieses Grundsatzes in die Verfassung diskutiert. Jetzt gehört das Land Brandenburg zu denjenigen, die in ihrer Landesverfassung ein striktes Konnexitätsprinzip verankert haben. Eine solche Absicherung gibt es auf Bundesebene noch nicht.

Gerade mit dem Grundsicherungsgesetz erleben wir, wie sich eine Aufgabenverlagerung ohne ausreichende finanzielle Kompensation auf die Haushalte der Länder und der Kommunen auswirkt. Ich erinnere noch einmal daran, dass es allein für Brandenburg 44 Millionen Euro Mehrausgaben sind und somit die strukturellen Probleme der Kommunalfinanzierung verschärft werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nun können Sie in gewohnter Weise argumentieren, dass die Landesregierung keinen solchen Parlamentsbeschluss braucht. Ich könnte gut damit leben, wenn Sie den Antrag Sachsen-Anhalts im Bundesrat unterstützten. Ich habe jedoch Zweifel, dass sich das Land Brandenburg in dieser wichtigen Frage energisch für Veränderungen einsetzt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1996. Die Frage lautete:

„Welche Initiativen gehen vom Land Brandenburg aus, um die Kommunalfinanzreform voranzutreiben?“

Darauf antwortete die Landesregierung:

„Das Land Brandenburg ist zwar nicht Mitglied der Kommission, ist aber... in der Arbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe... und in der Arbeitsgruppe Kommunalsteuern... vertreten. Die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen wird genutzt, um im Interesse des Landes auf den Diskussionsprozess in beiden Feldern aktiv einwirken zu können.“

Von weiteren Initiativen der Landesregierung ist keine Rede,

woraus ich schließen muss, dass es diese auch nicht gibt. Auf die Frage:

„Mit welchen Zielstellungen und Erwartungen begleitet die Landesregierung die Kommunalfinanzreform?“

antwortete die Landesregierung, sie werde

„darauf achten, dass es zu Problemlösungen kommt und nicht nur zu Verschiebungen in der Finanzausstattung zwischen den Gebietskörperschaften“.

Dann erläuterte die Landesregierung ihre Ziele bei der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe sowie ihre grundsätzlichen Überlegungen zum Bereich Kommunalsteuern. Von einer notwendigen Konnexitätsregelung ist überhaupt nicht die Rede.

Die PDS-Fraktion ist der Meinung, dass es nicht länger hinzunehmen ist, ständig neue Aufgaben und Mehrbelastungen für die Kommunen zu schaffen, ohne für entsprechenden Kostenausgleich Sorge zu tragen. Es ist völlig inakzeptabel, dass der Bund bisher keine gesetzlichen Konnexitätsregelungen auf Bundesebene zugelassen hat. Wir fordern die Landesregierung auf, in dieser Frage zu handeln, und wir stärken ihr gleichzeitig mit diesem Antrag den Rücken zur Unterstützung des mehrheitsberechtigten Anliegens.

Wenn Sie es tatsächlich ernst meinen mit der Verbesserung der kommunalen Finanzsituation, bitte ich um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Antrag. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Domres und erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Abgeordnete Dettmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Domres, Sie haben den Inhalt Ihres Antrages ausführlich erläutert, sodass ich das nicht wiederholen muss. Somit komme ich gleich zur Sache.

Ich verweise darauf, dass das Konnexitätsprinzip in Verbindung mit der Neuverteilung der Mittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen bereits in der Kommission zur Neuordnung der Kommunalfinanzen behandelt wird. Es gibt Argumente, die für den Antrag sprechen, und Argumente dagegen. Auf den ersten Blick spricht vieles für den Antrag. Wer befürwortet nicht eine finanzielle Stärkung von Ländern und Kommunen? Die Lösung scheint einfach zu sein: Das Konnexitätsprinzip, das in einigen Bundesländern - auch bei uns - gilt, soll auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern übertragen werden.

Auf den zweiten Blick fällt auf, dass diese Übertragung nicht systemkonform wäre, jedenfalls nach meiner Meinung, weil zwischen Ländern und Kommunen einerseits sowie zwischen Bund und Ländern andererseits im Gesetzgebungsverfahren ein anderes Verhältnis besteht. Die Ländergesetzgebung erfolgt unabhängig von einem kommunalen Votum. Deshalb ist das Konnexitätsprinzip in Landesverfassungen sinnvoll. Die Bezie

hung zwischen Bund und Ländern wird im Bundesrat auf gleicher Augenhöhe geregelt. Das System ist auf Interessenausgleich angelegt. Dabei vertreten die Länder die Kommunen gegenüber dem Bund.

Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung haben eine breite Basis. So ist auch das Steuerpaket der Bundesregierung, wie wir alle wissen, im Vermittlungsausschuss verhandelt worden. Zu diesen Verhandlungen sagte noch am 8. April Finanzminister Eichel, dass den Kommunen 2,7 Milliarden Euro in den Haushalten fehlten, wenn sich die Union mit den geplanten Abstrichen im Vermittlungsausschuss durchsetzen sollte.

Ausgerechnet in dieser Situation stellt Sachsen-Anhalt den Antrag zur Grundgesetzänderung. - Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dettmann. - Das Wort erhält die Fraktion der DVU, Herr Abgeordneter Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wer bestellt, muss auch bezahlen. Konnexität heißt: Derjenige Gesetzgeber, der den Städten, Gemeinden und Kreisen kostenträchtige Aufgaben überträgt, muss auch für deren Finanzierung geradestehen.

Die Übertragung kostenträchtiger Aufgaben von Bund und Land auf die Kommunen ohne finanziellen Ausgleich ist eine wichtige Ursache der finanziellen Kalamitäten vieler Städte, Gemeinden und Kreise. Dies hat auch zur Konsequenz, dass die Kommunen deshalb auf freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben verzichten müssen, weil sie diese nicht mehr finanzieren können. Das beeinträchtigt die kommunale Selbstverwaltung. Die Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips ist deshalb eine Chance, die Städte, Gemeinden und Kreise als unterste Ebene unseres Staates in deren Eigenverantwortung gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zu stärken.

Beim Bund scheitert eine Konnexitätsregelung nach dem Veranlasserprinzip derzeit am Grundgesetz. Dieser legt die Aufgabenlast nicht dem gesetzlichen Verursacher auf, sondern der aufgabenausführenden Verwaltung. Das ergibt sich aus Artikel 104 a Abs. 1 Grundgesetz. Vor allem sieht die Finanzverfassung des Grundgesetzes keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen vor, da die Kommunen als Teil der Länder angesehen werden. Überträgt daher der Bund an den Ländern vorbei den Kommunen direkt kostenträchtige Aufgaben - beispielsweise im Sozialhilfebereich oder bei der Einräumung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz -, wäre eine Grundgesetzänderung erforderlich, um die Finanzströme vom Bund unmittelbar an die Kommunen zu leiten. Derzeit gilt deshalb: Bestimmt der Bund durch Gesetz die Kommunen unmittelbar zu Aufgabenträgern, haben diese weder gegenüber ihm noch gegenüber den Ländern einen Anspruch auf eine aufgabenadäquate Finanzierung. Sie sitzen gleichsam „zwischen den Stühlen“. Zudem hat die Schröder-Regierung im Wesentlichen Kommunaleinnahmen einfach wegregiert.

Das Konnexitätsprinzip ist aber kein Allheilmittel für die kommunale Finanzmisere. Das gilt auch auf der Bundesebene. Es bleibt deswegen bei der Notwendigkeit einer umfassenden Gemeindefinanzreform, um die Einnahmen der Kommunen langfristig auf sichere Füße zu stellen. Es bleibt bei der Notwendigkeit, von staatlichem Dirigismus Abstand zu nehmen und neue kommunale Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Nachdem den Gemeinden das Steuerfindungsrecht weitgehend entzogen wurde, wird ihnen nur noch zugetraut, verantwortungsvolle Entscheidungen über die Hundesteuer zu treffen. Das ist nun einmal die Wahrheit, meine Damen und Herren, da machen wir uns auch nichts vor.

Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips müssen die Gemeinden weitgehend Planungssicherheit hinsichtlich ihrer eigenen Haushalte erhalten. Wir als DVU-Fraktion wollen ein funktionierendes föderales System, auch ein innerbrandenburgisch föderales System. Der springende Punkt ist aus unserer Sicht jedoch folgender: Damit die kommunalen Haushalte effizient und planungssicher handeln können, ist das Vorliegen eines entsprechenden Steueraufkommens Voraussetzung. Hätten wir ein gesundes Unternehmertum in Brandenburg, brauchte auch niemand lamentierend zu fragen, woher das Geld für die öffentlichen Kassen kommen soll.

Dazu passt jedenfalls nicht, dass die PDS-Fraktion in diesem Parlament trotz anhaltender Pleitewelle und trotz überbordender Abgabenlasten der Unternehmen ständig zukunftsfähige Infrastruktur- und damit zukunftsfähige Mittelstandspolitik für Brandenburg bekämpft. Dies ist die politische Realität in Bezug auf Brandenburg und deswegen macht Sie dieser Antrag auch nicht glaubwürdiger, meine Damen und Herren von der PDSFraktion. Die PDS hat sich weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart kompetent oder willens gezeigt, etwas für diejenigen zu tun, die den Kommunen die Gewerbesteuer zahlen. Das sind nun einmal die kleinen und mittelständischen Unternehmen, nicht die Sozialämter!

Da der vorliegende Antrag, ohne auch nur ansatzweise auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen, auf notwendige Steuereinsparungen und auf die Reduzierung der Kommunen auf deren originäre Ausgaben einzugehen, letztlich auf bloße Umverteilung abzielt, werden wir ihn ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus. - Das Wort erhält die Fraktion der CDU, Herr Abgeordneter Petke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Domres, ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass wir uns darüber unterhalten könnten, wie es mit der Konnexität ausschaut, wie man sie verankern kann und wie der gegenwärtige Zustand aussieht. Ich glaube aber, dass Ihr Antrag als Schaufensterantrag zu werten ist. Ich freue mich ja sehr darüber - das möchte ich zu Beginn meiner Ausführungen ausdrücklich sagen -, dass die PDS-Fraktion CDU-Vorschlägen zustimmt. Noch mehr

würde ich mich dann freuen, wenn Sie nicht nur CDU-Vorschlägen aus Sachsen-Anhalt, sondern auch solchen Vorschlägen zustimmten, die die CDU in Brandenburg bzw. die Koalition hier im Landtag unterbreitet.

Zur Sache selbst. Im Grundgesetz ist das Konnexitätsprinzip nicht vorgesehen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben darauf verzichtet, dies festzuschreiben. Die Konnexität hat sich in den Verfassungen der Länder über die Praxis des Umgangs von Bund, Ländern und Kommunen miteinander entwickelt. Ich bin der Kollegin Dettmann für die Art und Weise dankbar, in der sie das hier vorgetragen hat. Politisch teile ich das, was sie am Ende gesagt hat, aber nicht.

(Frau Dettmann [SPD]: Das brauchen Sie auch nicht!)

Das möchte ich, Frau Kollegin Dettmann, auch gern begründen. Wenn Sachsen-Anhalt das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankert wissen will, dann folgt die dortige CDU-Regierung lediglich einer Vereinbarung, die die rot-grüne Bundesregierung schon in den Koalitionsvertrag von 1998 aufgenommen hat. Darin findet sich ausdrücklich der Passus, dass die Konnexität auf Bundesebene vorzusehen ist.

Von daher kann man wohl nicht davon reden, dass der vorliegende Antrag mit der Steuergesetzgebung, mit dem Vorhaben von Minister Eichel zusammenhängt.

Damit komme ich zu dem Antrag der Fraktion der PDS. Herr Kollege Domres, der Vorwurf, dass die Landesregierung bezüglich der Kommunalfinanzen, bezüglich des Umgangs mit unseren Kommunen keine Initiative zeige, geht wirklich fehl und ist lächerlich. Ich nenne hier nur das Gemeindereformgesetz, die Gemeindereform, die heutige 1. Lesung des Artikelgesetzes und all die Verordnungen, die novelliert worden sind. Ihre Fraktion dagegen hat sich hier beständig verweigert, und zwar nicht nur, wenn es um die Abstimmung ging, sondern auch dann, wenn es um die Frage ging, wie wir im Lande vorgehen sollten, wie wir bei den Menschen für notwendige Veränderungen gemeinsam werben sollten. Ihr Vorwurf geht also fehl.

Der Antrag mag damit zu tun haben, dass Sie im Deutschen Bundestag nicht mehr in Fraktionsstärke vertreten sind und jetzt eben über den Landtag versuchen, das wettzumachen, was Ihnen die Wählerinnen und Wähler bei den Wahlen zum Bundestag am 22. September des letzten Jahres verweigert haben.

Herr Abgeordneter Petke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Domres.

Herr Kollege, halten Sie die Bundesratsinitiative von SachsenAnhalt denn für falsch?