Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

um mit den Worten von Herrn Böttcher vom Städte- und Gemeindebund zu sprechen, ein kleiner Hüpfer, aber nicht der große Sprung. Denn mit lächerlichen Einsparungen durch die Reduzierung der Anzahl der kommunalen Beigeordneten und Ähnlichem können die katastrophalen Kürzungen bei den Kommunen von über 140 Millionen Euro ebenso wenig ausgeglichen werden wie mit der Ausweitung der Möglichkeit im Kommunalabgabengesetz, Jagderlaubnissteuern zu erheben. - Wirklich kein großer Sprung, Herr Minister Schönbohm.

An der heutigen Innenausschusssitzung nahm auch Herr Petke teil. Wir haben dort beschlossen, dass am 30.04.2003 eine Anhörung stattfinden wird. Auf der heutigen Sitzung ging es schon sehr kontrovers zu. Frau Kaiser-Nicht, Sie können ja dann auch die Bürgermeister aus MOL einladen. Und wenn Herr Minister Schönbohm Zeit hat, wird auch er an der Anhörung teilnehmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heute beschlossenen Einsparung beim kommunalen Finanzausgleich 2003 in Höhe von 140 Millionen Euro kommen auf die Brandenburger Kommunen Belastungen zu. Dass damit in einigen Fällen in den kommunalen Haushalten eine schwierige Situation entsteht, will und wird niemand aus der CDU-Fraktion wegdiskutieren. Umso mehr kommt es darauf an, wie wir heute und in den folgenden Beratungen mit diesen Belastungen umgehen bzw. wie wir die Lösung dieses Problems angehen.

In der 1. Lesung ist Gelegenheit, die finanzielle Situation der Kommunen in Brandenburg insgesamt zu beleuchten. Was auffällt, ist zum Ersten natürlich die Einnahmesituation. Ebenso wie das Land - hier ist schon gesagt worden, dass Land und Kommunen in einem Boot sitzen - haben die Kommunen in den letzten Jahren drastische Einbrüche bei der Gewerbesteuer erlebt. Sie haben auch drastische Einbrüche bei ihrem Anteil an anderen Steuern erlebt, beispielsweise der Einkommen- und der Umsatzsteuer. Das war ein Auf und Ab, das die Kommunalvertreter herausgefordert und insbesondere die Kämmerer vor große Probleme gestellt hat.

In den letzten beiden Jahren bestand für die Kommunen kaum die Möglichkeit der Planbarkeit der Einnahmen aus Steuern. Sieht man sich gleichzeitig die Ausgabenseite an, stellt man fest, dass unsere Kommunen diesbezüglich natürlich vor großen Herausforderungen stehen, zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur.

Hier gilt es aufzuholen. Das ist insbesondere ein Problem der Kommunen in Brandenburg wie im Osten insgesamt. Aber das sind auch Herausforderungen, die mit der Arbeitslosigkeit zu tun haben, nämlich steigende Sozialausgaben. Ganz spezifisch für unsere Kommunen in Brandenburg ist dabei, dass die eigenen Steuereinnahmen der kommunalen Ebene sehr gering sind, dass unsere Kommunen also überproportional auf die Schlüssel

zuweisungen des Landes angewiesen sind. Dies allerdings geht dem Land, geht dem Landeshaushalt ganz genauso: Das Land Brandenburg ist auch überproportional auf Zuweisungen des Bundes, der anderen Länder und der Europäischen Union angewiesen, da hier zwölf Jahre nach der Wende die eigene wirtschaftliche Leistungskraft noch nicht groß genug ist.

Was die Bundesebene betrifft, so gibt es eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Kollege Schippel hatte mir die Zwischenfrage gestellt, in der er sagte, man müsse doch glücklich sein, dass es diese Kommission gebe. Ich habe damals geantwortet, ich wünschte mir, dass es bald Ergebnisse gebe. Diese Antwort kann ich auch heute noch geben. Dabei geht es im Wesentlichen darum, ob die Gewerbesteuer revitalisiert wird oder ob ein neues Modell an die Stelle der Gewerbesteuer gesetzt wird, das sich insbesondere darauf bezieht, einen eigenen Anteil der Kommunen an der Einkommensteuer zu erheben.

Der Bund hat in den letzten Wochen seine Verantwortung wenigstens verbal erkannt. Es wird nach den Worten des Bundeskanzlers ein Investitionsprogramm geben, das bei der kommunalen Ebene durchaus umstritten ist. Die guten Ergebnisse im Vermittlungsausschuss, von denen wir heute erfahren haben, lassen hoffen, dass es bei der Reform der kommunalen Finanzen ebenfalls zu einer Einigung auf Bundesebene kommen wird.

Lassen Sie mich nun zur kommunalen Situation kommen, dazu, was Kommunen aus meiner und aus unserer Sicht selber tun können, um mit der finanziellen Schieflage klarzukommen. Das erste Stichwort hierzu ist die Kooperation, das gemeinsame Betreiben von kulturellen Einrichtungen, die Kooperation bei Schwimmbädern - da, wo sich Kommunen zusammentun können, um Geld zu sparen.

Als Zweites möchte ich die Förderbürokratie nennen, eine Förderbürokratie, die darin besteht, dass allein zur Abwicklung der bestehenden Förderprogramme der Länder und des Bundes eine große Menge Bürokratie notwendig ist. Es mag der PDS entgangen sein, weil sie den letzten Gemeindefinanzierungsgesetzen nicht zugestimmt hat, aber wir in der Koalition haben hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet, indem wir Zweckbindungen aufgelöst haben. Durch das Auflösen von Zweckbindungen und das Überführen dieser Mittel in die allgemeinen Schlüsselzuweisungen ist auch Bürokratie abgebaut worden.

Der dritte Punkt, den ich benennen möchte, betrifft die Normen und Standards. Das sind Verordnungen und Gesetze - aber nicht nur -, die die Verwaltungen bzw. die Gebietskörperschaften in die Welt gesetzt haben, aber das ist auch Richterrecht, das in den letzten Jahren neue Standards geschaffen hat, wobei man sich allzu oft an denen orientiert hat, die einen Anspruch haben. Dieses Thema werden wir mit dem Artikelgesetz zum ersten Mal richtig anpacken.

Als Viertes nenne ich die Aufgabenübertragung, die Aufgabenübertragung nicht nur durch die Bundesebene, nicht nur beim Grundsicherungsgesetz, nicht nur die möglicherweise schleichende Aufgabenübertragung auch beim Ganztagsschulprogramm der Bundesebene, das jetzt eine Anschubfinanzierung bedeutet, wobei aber niemand weiß, ob nicht in drei, vier oder fünf Jahren Kosten auf die Kommunen zukommen, wenn es dann um den Unterhalt der Schulen geht. Es geht auch um Aufgabenübertragung von der Ebene des Landes auf die der Kommune.

Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen, die wir hier im Landtag haben, weil wir in Brandenburg in der Verantwortung stehen. Der Minister hat den ersten Punkt angesprochen, die Gemeindereform. Wir haben dabei trotz einigen Gegenwinds die Verantwortung angenommen und die Gemeindereform zu einem guten Ende gebracht, was mittlerweile selbst da, wo kritische Punkte bestehen, mehr Akzeptanz findet, als wir am Anfang zu hoffen wagten.

Wir sind in einer schwierigen Situation, aber wir werden in der Koalition der Realität ins Auge sehen.

(Zuruf von der PDS)

- Die Realität ist nun einmal die Mittelknappheit. Darüber kann man in Brandenburg lachen; das tun Sie ja generell. Sie beteiligen sich weder hier im Landtag noch an anderer Stelle nicht so an der Diskussion, wie es angemessen wäre. Was heute durch den Redebeitrag des Kollegen Sarrach deutlich geworden ist, das ist und bleibt der zentralistische Ansatz der PDS. Zwölf Jahre nach der Wende sind Sie von dem einstigen zentralistischen Ansatz Ihrer Vorgängerpartei noch immer nicht heruntergekommen. Sie wollen alles und jedes regeln. Sie trauen den Menschen vor Ort nichts, ja gar nichts zu.

(Zurufe von der PDS)

Das ist etwas, was uns ganz konkret an dieser Stelle unterscheidet. Dann versuchen Sie den Leuten zu suggerieren, das Recht auf kommunale Selbstverwaltung bestehe nur darin, vom Land bzw. vom Bund Mittel zu bekommen.

Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung beinhaltet nicht nur die auskömmliche Finanzierung der Kommunen durch die Landesebene, sondern natürlich auch das Recht und die Pflicht, vor Ort eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass dies im größtmöglichen Maße zu geschehen hat.

Deswegen ist das Artikelgesetz, der vorliegende Entwurf, insbesondere ein Beitrag, die in den letzten Jahren erfolgte Aufgabenübertragung, die vor Ort zu Problemen, nicht nur zu finanziellen Problemen, geführt hat, abzubauen. Es sind insgesamt elf Gesetze und Verordnungen betroffen, wo wir Änderungen anstreben. Wir werden die Zahl der Leistungsberechtigten im Kita-Bereich ändern, wir werden Standards und Normen reduzieren und wir werden die Entbürokratisierung mit diesem Gesetz anpacken.

Es gibt bei diesem Gesetz natürlich verfassungsrechtliche Komponenten. Ich bin Kollegen Schippel sehr dankbar, dass er gerade darauf hingewiesen hat. Diese verfassungsrechtliche Bedeutung, die sich zum einen aus dem Grundgesetz, aus der Landesverfassung und zum anderen aus dem fairen Zusammenwirken von Land und Kommune ergibt, erfordert, dass wir uns Gedanken machen, wie dieses Gesetz tatsächlich zu einer Entlastung beitragen kann. Dies ist - das sage ich ganz offen - zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Der Einbruch bei unseren Steuereinnahmen hat dazu geführt, dass wir jetzt das Notwendige tun, und wir werden in der Zukunft überprüfen müssen, in welcher Art und Weise dieses Gesetz zu Einsparungen geführt hat. Ich gehe davon aus, dass wir damit einen deutlichen Einsparbeitrag auf der kommunalen Ebene möglich machen. Die erzielbaren Einsparungen sind derzeit nicht abschließend quanti

fizierbar. Wir müssen das später auswerten und werden die Landesregierung bitten, die Ergebnisse in einem Bericht zusammenzufassen.

Zum Abschluss eine Bitte: Wir streben eine zügige Beratung im Ausschuss an. Wir hatten heute eine Auseinandersetzung im Innenausschuss, die mich enttäuscht hat, und zwar deswegen, weil die Koalitionsfraktionen im Innenausschuss ein Verfahren für die Anhörung anstreben, das gängig ist, das auf der Geschäftsordnung und auf der Landesverfassung beruht, das sich vielfach nicht nur im Innenausschuss dieses Parlaments bewährt hat. Die PDS hat offensichtlich das Ziel - wie bei der Gemeindereform, wie beim Haushalt -, dieses Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen und unsere Kommunen, die auf diese Einsparungen angewiesen sind, länger warten zu lassen.

(Widerspruch bei der PDS)

Wir werden dem nicht entsprechen. Wir werden dieses Gesetz so zügig wie möglich verabschieden. Das hat nichts damit zu tun, dass wir die nötige Diskussion im Innenausschuss und in den anderen beteiligten Ausschüssen irgendwo unterdrücken würden.

(Zurufe von der PDS)

Was hier zur Debatte steht, ist nicht neu. Da können Sie sich noch so aufregen; wir unterdrücken hier nichts. Alle diese Fristen befinden sich im Rahmen der Geschäftsordnung.

Mein persönlicher Eindruck ist - Frau Kaiser-Nicht, Sie haben heute im Innenausschuss sehr lange dazu ausgeführt -, Sie wollen erreichen, dass wir dieses Gesetz nicht im Mai, sondern später verabschieden, damit Sie dann den Weg frei haben, uns verfassungswidriges Verhalten vorzuwerfen. Genau deswegen werden wir den Weg gehen, den wir heute im Ausschuss angekündigt haben. Wir beantragen die Überweisung in den Innenausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Die PDS-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs, Drucksache 3/5695, an den Ausschuss für Inneres, der federführend sein soll, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, die alle mitberatend tätig sein sollen. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dies ist bei zwei Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Dann lasse ich einzeln abstimmen.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Sie misstrauen doch wohl nicht den Ausschüssen!)

Ich lasse zuerst abstimmen über die Überweisung an den Innenausschuss. Wer ist für die Überweisung in den Innenausschuss? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dies an den Innenausschuss überwiesen.

Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit nicht überwiesen an diesen Ausschuss.

Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit auch an diesen Ausschuss nicht überwiesen.

Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit bleibt auch dieser Ausschuss von der Beratung des Entwurfs unberührt.

Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann beschäftigt sich der Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr damit nur im Rahmen seines Selbstbefassungsrechts.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Bericht gemäß § 26 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgi- sches Verfassungsschutzgesetz - BbgVerfSchG) vom 5. April 1993 (GVBl. 1993, S. 78) über die parlamentarische Kontrolle der Landesregierung in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission (Berichtszeitraum: 22. November 2001 bis 19. November 2002)

Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission

Drucksache 3/5681

Da vereinbart worden ist, auf eine Debatte zu verzichten, ist der Bericht damit zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Einsatz nicht verwendeter Mittel des EU-Haushalts 2002 für die Entwicklung der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenzregion

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5625

Frau Stobrawa, Sie haben das Wort für die antragstellende Fraktion.