Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Ich danke dem Abgeordneten Thiel. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe den Tagesordnungspunkt 2.

Ehe ich die Sitzung unterbreche, habe ich noch eine Ansage zu machen: Die Abgeordneten und die Mitglieder der Landesregierung haben eine Einladung für eine Gedenkveranstaltung „17. Juni 1953 - Arbeiteraufstand in der DDR“ am 17. Juni 2003 um 12.30 Uhr im Landtag erhalten. Aus organisatorischen Gründen bitte ich um umgehende Rückmeldung bezüglich der Teilnahme.

Jetzt unterbreche ich die Sitzung des Landtages bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.11 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.02 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne den Nachmittagsteil der 76. Sitzung und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

1. Lesung des Gesetzes zu dem Ersten Staatsvertrag über die Änderung des Staatsvertrages vom 7. August 1997 über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg (Landes- entwicklungsprogramm) und über die Änderung des Landesplanungsvertrages

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/5841

Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Birthler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf betrifft die Änderung der flughafenbezogenen Regelungen im Staatsvertrag über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg, kurz LEPro genannt.

Es handelt sich konkret um § 19 Abs. 11, über den wir hier schon oft gesprochen haben und der in seiner bisherigen Fassung eine Aussage zum Ausbau des Standorts Schönefeld enthält. Diese Vorschrift ist aufgrund einer Vorlage des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg noch immer Gegenstand eines Verfahrens beim Landesverfassungsgericht.

Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, die Vorschrift sei verfassungswidrig. Das Gericht hält § 19 Abs. 11 LEPro in

der bisherigen Fassung für ein zu beachtendes Ziel der Raumordnung, an dessen Aufstellung die Gemeinden, die gebunden werden sollen, nicht ausreichend beteiligt worden seien.

Die raumordnerischen Grundlagen zur Sicherung der Flughafenplanung beruhten bisher auf einem verflochtenen Regelungssystem zwischen dem LEPro, wie gesagt, § 19 Abs. 11, einer nahezu gleich lautenden Regelung im Ziel 6.5.1 des Landesentwicklungsplans für den engeren Verflechtungsraum, dem LEP eV, und dem Landesentwicklungsplan Standortsicherung Flughafen, LEP SF, der wiederum auf die beiden vorgenannten Regelungen Bezug nimmt.

Aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom August 2001, die zur Nichtigkeit des Planansatzes 6.5.1 (LEP eV) führte, und des schon genannten Vorlagebeschlusses an das Landesverfassungsgericht besteht nunmehr Bedarf, die landesplanerischen Grundlagen zur Flughafenentwicklung neu zu fassen. Die vorgeschlagene Änderung soll Klarheit schaffen, dass das LEPro zur künftigen Flughafenplanung keine Standortfestlegung mehr vorwegnimmt. Das LEPro soll sich künftig auf grundsätzliche raumordnerische Aussagen zur Weiterentwicklung des nationalen und internationalen Luftverkehrsanschlusses für Berlin und Brandenburg beschränken.

Die so genannten Grundsätze der Raumordnung werden nach den Vorschriften des Raumordnungsgesetzes bei Abwägungsund Ermessensentscheidungen zur Flughafenplanung zu berücksichtigen sein. Die raumordnerisch bindende Standortfestlegung soll Gegenstand des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung - kurz: LEP FS - sein.

Mit der beschriebenen Aufgabenteilung erfüllt das LEPro die ihm nach dem Landesplanungsstaatsvertrag gemäß Artikel 7 zugewiesene Funktion als übergreifender, die Gesamtentwicklung beider Länder betreffender Plan. Das LEPro bildet die materielle Grundlage sowohl für weitere als auch für konkretisierende Festlegungen in den gemeinsamen Landesentwicklungsplänen.

Mit der Konzentration „möglichst“ auf einen Standort soll der Landesentwicklungsplanung ein Abwägungskriterium vorgegeben werden, das dem unter ökonomischen, verkehrlichen, Ressourcenschutz- und Flugsicherheitaspekten nachteiligen Nebeneinander der bisher auf drei Standorte verteilten Luftverkehrsplätze Rechnung trägt. Die offene Formulierung „möglichst“ ist ganz bewusst zur Abgrenzung der Grundsätze im LEPro gegenüber den Zielfestlegungen im LEP-FS-Entwurf gewählt worden. Damit wird ebenfalls klargestellt, dass § 19 Abs. 11 zur Standortfrage keine abschließende Abwägung und Entscheidung trifft. Entgegen anders lautenden Berichten in der Presse - zum Beispiel in der „Lausitzer Rundschau“; leider ist der Kollege Krauß heute nicht hier; er könnte hier endlich einmal etwas lernen - wird damit keineswegs eine Abkehr von der bisherigen Landesluftverkehrspolitik eingeleitet. Hier sei nur auf die beabsichtigten Festlegungen des LEP-FS-Entwurfs hingewiesen. Erst auf dieser Regelungsebene wird unter Einbeziehung und Abwägung aller Gegenargumente geprüft, ob und wo die Leitlinien aus § 19 Abs. 11 LEPro möglich sind.

Die Rechtssicherheit der gesamten Verfahren zur Neuaufstellung der landesplanerischen Grundlagen für den Flughafen erfordert diese saubere Trennung und Abschichtung der Planungsstufen LEPro und LEP FS.

Vor dem Hintergrund des noch schwebenden Verfahrens vor dem Landesverfassungsgericht ist die Änderung des LEPro sehr dringlich. Wir haben diese Aufgabe mit der gebotenen Gründlichkeit und Eilbedürftigkeit erledigt. Die Änderung des Staatsvertrages über das Landesentwicklungsprogramm ist einvernehmlich mit dem Senat von Berlin in einem bisher unerreicht engen Zeitrahmen bewältigt worden, sodass Ihnen der Entwurf zur Beratung und Zustimmung nunmehr vorliegt. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung ist immer sehr zurückhaltend, was wir sehr bedauern und in gewissem Maße auch für verantwortungslos halten, soweit die Landesregierung nicht bereit ist, das Parlament zu Fragen und zu Entscheidungsgrundlagen für den Flughafen zu unterrichten. Heute ist das anders. Heute werden wir gebraucht, um in dem Gesetzgebungsverfahren für ein Landesentwicklungsprogramm tätig zu werden. In der heutigen 1. Lesung hat Minister Birthler soeben die Fakten dargelegt.

Die Gerichtsurteile - Herr Birthler ist darauf eingegangen - haben deutlich gemacht, dass die Entscheidung für den Standort Schönefeld unangreifbar zu machen ist. Ich erinnere daran, dass das Gericht auch die Planungsgrundlagen für den BBI insgesamt für nichtig erklärt hatte.

Nun müssen Sie nachbessern, das Landesentwicklungsprogramm und auch den LEP FS neu gestalten. Rein formaljuristisch wollen sie nachbessern und das wird Ihnen sicherlich auch gelingen. Aber wir stellen uns die Frage, was nun mit dem laufenden Planfeststellungsverfahren zum BBI ist. Unabhängig von Entscheidungen, die aktuell möglicherweise getroffen werden, ist es sicherlich Mehrheitsmeinung, dass das Planfeststellungsverfahren zu Ende gebracht werden sollte. Die Frage ist nur, welche Situation sich aus der Veränderung der Planungsgrundlagen bezüglich des Standorts Schönefeld ergibt. Das Anhörungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens hat ja noch auf der Grundlage des alten Landesentwicklungsprogramms und des alten Landesentwicklungsplans zu Schönefeld stattgefunden. Ich meine - zumindest möchte ich eine Antwort auf die betreffende Frage -, es bedarf einer Entscheidung dahin gehend, wie das Planfeststellungsverfahren weiterlaufen soll. Unseres Erachtens müsste das Verfahren genau an dieser Stelle jetzt noch einmal eröffnet werden, um das Anhörungs- und Beteiligungsverfahren insgesamt auf der Grundlage des neuen Landesentwicklungsprogramms und des neuen LEP FS durchzuführen, wenn dies denn Gesetz werden sollte. Darauf hätten wir gern eine Antwort.

(Zuruf von Minister Birthler)

- Das Planfeststellungsverfahren ist aber doch auf der Grundlage des alten Gesetzes weitergelaufen.

(Zuruf von Minister Birthler)

Bekanntermaßen gibt es auch Vertreter aus der Schutzgemeinschaft, die sich genau mit dieser Situation befassen. Sicherlich wird es wieder Klageverfahren dazu geben.

Lassen Sie mich jetzt darauf eingehen, dass nach der neuen Formulierung eine Konzentration „möglichst“ auf einen Flughafen erfolgen soll. Für Nichtjuristen haben Sie genau damit in der Presse war das nachzulesen - Tür und Tor für Spekulationen geöffnet dahin gehend, was das nun bedeuten soll. Wir alle wissen, dass Sie genau dazu aufgefordert waren, die Entscheidung über den Standort offen zu lassen, dass es ein Punkt der Kritik an den alten Planungsunterlagen war, dass Sie den Standort Schönefeld präjudiziert hatten. Die Formulierung, die Entscheidung „möglichst“ auf Schönefeld bzw. „möglichst“ auf einen Standort zu konzentrieren, soll jetzt die Öffnung bedeuten.

Viele spekulieren, damit werde der Konsensbeschluss verlassen, damit werde auch das wieder geöffnet, was Herr Diepgen auch vor dem Untersuchungsausschuss ausdrücklich gefordert hat, nämlich die Entscheidung über einen innerstädtischen Flughafen Tegel offen zu lassen. Es gibt weitere solche Forderungen. Hier wird deutlich, dass vor dem Hintergrund, dass es viele Interessen gibt, aber einen Konsens darüber, hier eine Entscheidung zu treffen, genau das Infragestellen von Abwägungen nun ein Ende hat.

Leider sind der Wirtschaftsminister und der Verkehrsminister nicht mehr anwesend. Gleichwohl möchte ich sagen, dass das, was den BBI betrifft, eine total verfahrene Kiste ist. Ich bin der Meinung - das möchte ich deutlich an die Adresse der Landesregierung als Gesellschafterin der Flughafenholding sagen -, dass man bereit sein sollte, auch ohne öffentliches Antragsverfahren Alternativen zu prüfen; denn wir werden uns auf Alternativen einstellen müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Angebot von IVG aus dem Jahre 1992 stammt. Wenn sich damals verantwortungsbewusste Politiker auf genau diese Entscheidung eingelassen hätten, dann hätten wir uns viel Ärger und viele Kosten erspart, hätten jetzt einen funktionstüchtigen Flughafen und hätten keine Verschuldung durch das Baufeld Ost. So geht Geschichte manchmal dahin, aber man muss zumindest noch einmal daran erinnern dürfen.

Herr Minister Birthler, abschließend möchte ich eine Forderung der PDS-Fraktion noch einmal bekräftigen. Wir haben ja schon deutlich gemacht, dass unseres Erachtens das gesamte Planungskonstrukt, Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungspläne, auf den Prüfstand gestellt und überarbeitet werden sollte.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrags!

Die Entwicklung zum Beispiel beim LEP eV ist nämlich anders gewesen als die bereits vorab formulierten Grundsätze und Ziele. Wir fordern also, dass die Planungsgrundlagen überarbeitet werden. Die Zeit ist dahingegangen. Wir brauchen neue Grundsätze und Ziele zur Landesentwicklung.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an den Abgeordneten Dellmann. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über dieses Thema scheint mir emotionslos zu sein.

(Zurufe von der PDS)

Bei dem Vortrag des Ministers konnte man den Eindruck haben, dass etwas ganz Trockenes vorgetragen werde, was kaum jemanden etwas angehe.

(Zurufe von der PDS)

Nach den Ausführungen von Frau Tack kann man feststellen, dass die PDS-Fraktion dem, was die Landesregierung hier vorgelegt hat, im Wesentlichen folgt bzw. es zur Kenntnis nimmt,

(Zurufe von der PDS)

dass Hausaufgaben gemacht bzw. nachgeholt werden müssen.

(Anhaltende Zurufe von der PDS)

- Stellen Sie dann doch bitte eine Frage, Frau Tack!

Eine entscheidende Frage ist, was nun wirklich passiert. In diesen Stunden, vielleicht gerade jetzt, wird es eine Entscheidung zu der Frage geben: Privatisierung, ja oder nein. Vielleicht werden wir das heute Nachmittag noch erfahren. Meine Meinung dazu ist dem Landtag bekannt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir in der Region nach wie vor gemeinsam zum Standort Schönefeld stehen; denn aus meiner Sicht, aus unserer Sicht gibt es dazu keine Alternative.

Wir müssen

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])