Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Herr Abgeordneter Lunacek, Herr Vietze möchte noch eine Frage stellen. Weitere Fragen darf er nicht stellen. Möchten Sie die Frage noch beantworten?

Herr Lunacek, können Sie mir zustimmen, dass Ihre eingangs gemachte Bemerkung, dass es Ihnen Leid tue, wie die Menschen belastet würden, keinesfalls zutreffend ist, weil es in dieser Gesellschaft auch Menschen gibt, die durch die Gesetze, die auch Sie verabschieden, nicht belastet werden, sondern deren Vermögen und Guthaben zunehmen, und dass es möglicherweise auch Aufgabe von Politik ist, zu überlegen, wie man diese Menschen an der Einnahmeseite des Staates beteiligen kann?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Lieber Herr Vietze, wir beraten heute noch über einen Antrag zur Vermögensteuer, dann können Sie diese Argumentation vortragen, aber Sie machen für Brandenburg damit einen Popanz auf. Sie wissen, dass wir gerade bei der Vermögensteuer fünf Jahre benötigen würden, um das gesamte Immobilienver

mögen in Deutschland neu zu bewerten, dass wir 5 000 Mitarbeiter deutschlandweit mehr anstellen müssten.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

- Das ist doch die Situation, genau auf diesen Punkt spielen Sie doch an: Mehreinnahmen. Ich lese doch alle 14 Tage in der Presse, was Sie wollen und was es für Folgen hat. 5 000 Bedienstete mehr in Deutschland sind eine Beamten-ABM. Das ist am Ende nicht zielführend.

Meine Damen und Herren! Um die Probleme zu lösen, bedarf es struktureller Veränderungen, nicht 3 Millionen Euro hier sparen und 5 Millionen Euro dort streichen. Die Strukturen müssen verändert werden, und zwar grundsätzlich. Dem Bürger werden wir mehr Eigenverantwortung abverlangen müssen.

Das Haushaltssicherungsgesetz, das wir heute verabschieden, geht den ersten großen Schritt in diese Richtung. Deshalb ist es auch so wichtig. Das Haushaltssicherungsgesetz weist den Weg zu einer schlanken, straff organisierten Landesverwaltung. Die definierten Leitlinien bestimmen, dass höhere Einnahmen zur Senkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt werden müssen. Das ist aus meiner Sicht bei der Verschuldung, die wir jährlich im Landtag beschlossen haben, ein Muss. Der Stellenabbau wird erweitert. Bis Ende 2007 sollen von den jetzt noch etwa 63 000 Stellen im Landesdienst 12 400 Stellen entfallen. Darüber hinaus werden die Personalausgaben in den Jahren 2003 bis 2006 konkret begrenzt.

Angesichts der Tatsache, dass fast jeder dritte Euro im Landeshaushalt für Personal ausgegeben wird - etwa 30 %; das ist deutlich mehr, als wir für Investitionen ausgeben -,

(Zuruf von der CDU)

ist eine Begrenzung der Personalausgaben zwingend erforderlich.

Das Gesetz verändert darüber hinaus die Verwaltungsstrukturen erheblich. Im Ergebnis der Arbeit des Ausschusses für Verwaltungsoptimierung ist für eine Reihe von Landesämtern und Verwaltungen die Zusammenlegung, die Ausgliederung oder die Privatisierung vorgesehen, zum Beispiel für Landeskliniken, Ämter für Flurneuordnung, für verschiedene Landesämter usw.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte sehr. Geht das von der Redezeit ab?

Nein. Kennen Sie die Geschäftsordnung?

Ich wollte eigentlich meinen Vortrag im Zusammenhang weiterführen. Aber bitte.

Ich komme noch einmal zurück auf den Begriff „Verschlankung“. Kann es sein, dass Sie meinen, der Körper wird gezwungen zu hungern, der Kopf bleibt immer gleich dick?

Wie Sie sicherlich wissen, Herr Hammer, ist ein Körper ab einem bestimmten Volumen schwer beweglich. Von daher ist eine Verschlankung im Sinne von mehr Bürgernähe, Flexibilität und schnellen Entscheidungen durchaus eine sinnvolle Sache.

(Beifall bei der CDU)

Also Aufgaben sollen gebündelt werden oder wegfallen. Dies sind wichtige und notwendige Schritte, um die Verwaltung zu verschlanken, um sich von Aufgaben zu trennen und um Personal zu sparen.

Ferner sollen für eine Reihe von Landesbehörden Verhandlungen mit Berlin mit dem Ziel der gemeinsamen Aufgabenerledigung aufgenommen werden. Das ist kostensparend und angesichts des Ziels einer Länderfusion nur logisch und vernünftig. Ich glaube, dass die Möglichkeiten hierfür noch lange nicht erschöpft sind. Wir stehen erst am Anfang der Zusammenarbeit.

Ich sehe im Übrigen überhaupt nicht ein, warum die Zusammenlegung von Institutionen aus Berlin und Brandenburg ein so quälender, zäher Prozess ist und nur im Schneckentempo vorankommt. Es liegt natürlich auch an Berlin. Es kann einem schon wehtun, wenn man die Diskussion um das Finanzgericht verfolgt, das nach Cottbus soll, was man von Berliner Seite dort aber nicht haben möchte. Solche Dinge muss man überwinden, wenn man ein gemeinsames Land will.

Meine Damen und Herren! Ob wir nun Berlin-Brandenburg bekommen oder nicht, eine Zusammenarbeit in dieser gemeinsamen Region ist richtig, notwendig und kostensparend. Sie bringt eine gemeinsame Identität und uns damit einem gemeinsamen Land näher. Das ist ja wohl gewollt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Das Gesetz schreibt die Aufgabenkritik als laufenden Prozess fest. Ich zitiere aus Artikel 2 § 2:

„Der Aufgabenkritik, die nach den Grundsätzen der Absätze 2 bis 4 durchzuführen ist, unterliegen alle Aufgaben, für deren Wahrnehmung die Landesverwaltung zuständig ist...“

Es heißt weiter:

„Ziel der Aufgabenkritik ist es, die Wahrnehmung von Aufgaben auf die Kernkompetenzen staatlichen Handelns zu beschränken... Über die Ergebnisse der Aufgabenkritik ist der Landtag... zu unterrichten.“

Dies sind weitgehende Regelungen, die mit Leben erfüllt werden müssen. Ich stimme ausdrücklich meinem Kollegen Bischoff zu: Die Arbeit beginnt jetzt erst. Nur durch eine konsequente Aufgabenreduzierung können wir am Ende Personal einsparen, Kosten reduzieren, die Verwaltung schlanker ma

chen und die Aufgaben, die wir erledigen wollen und müssen, weil sie für die Zukunft des Landes notwendig sind, zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllen.

Den Landesbediensteten sei an dieser Stelle gesagt: Es lohnt sich, in diesem Prozess konstruktiv mitzuarbeiten. Dies würde ich mir im Übrigen auch von den Gewerkschaften wünschen.

Das Gesetz leistet einen erheblichen Beitrag zu mehr Transparenz und einen Beitrag zur Reduzierung von Normen und Standards. Die Geltung von Verwaltungsvorschriften soll befristet werden. Die Koalitionsfraktionen haben das Gesetz dahin gehend erweitert, dass in der Regel auch alle Leistungsgesetze auf eine Dauer von höchstens fünf Jahren befristet werden. Das ist eine sinnvolle Maßnahme, um regelmäßig überprüfen zu können, welche Leistungen tatsächlich sinnvoll und notwendig sind und ob die Mittel auch dort ankommen, wo sie hin sollen.

Darüber hinaus sollen die Gesetze und Verwaltungsvorschriften elektronisch erfasst werden und für die Betroffenen im Internet abrufbar sein. Auch das ist richtig und notwendig.

Meine Damen und Herren! Es gab im Vorfeld Kritik an einigen Passagen des Gesetzentwurfes. Es wurden Zweifel an der Verfassungskonformität geäußert. Wir haben dies ernst genommen und deshalb einzelne Regelungen entfernt und diese in einem Entschließungsantrag separiert, über den wir heute mit abstimmen.

Darüber hinaus haben die Koalitionsfraktionen einige Ergänzungen am Gesetzentwurf vorgenommen. Auf zwei möchte ich besonders eingehen.

Wir wollen - auch dies wird gesetzlich festgeschrieben -, dass das Haushaltsvolumen in den nächsten vier Jahren jährlich um mindestens 1,5 % gesenkt wird. Für mich sind das die entscheidenden Schritte, um in absehbarer Zeit ohne Neuverschuldung auszukommen. Die Inflationsrate eingerechnet, ist das am Ende sogar noch etwas mehr. Wenn diese Vorgabe durchgehalten wird, wovon ich ausgehe - ich erwarte von der Landesregierung, dass sie einen entsprechenden Haushaltsplanentwurf vorlegt -, ist das Ziel Neuverschuldung null in wenigen Jahren erreichbar.

Wir haben die Intention des Gesetzentwurfs noch in einem zweiten Punkt wesentlich erweitert. Die Koalitionsfraktionen fordern die Landesregierung auf, betriebsbedingt zu kündigen, wenn die Personalzielzahlen nicht erreicht werden. Ich sage es in aller Ruhe und aller Klarheit: Dem Land steht das Wasser bis zum Hals und deshalb muss sich mehr bewegen. Es gab zwei Gespräche der Gewerkschaften beim Ministerpräsidenten - Ergebnis: fast null. Wir wollen, dass die Bereitschaft zur Umsetzung und Umschulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Aufgabenbereichen, die wegfallen, spürbar steigt. Und wir wollen, dass sich beim Teilverzicht auf bestimmte Zuwendungen, zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, etwas bewegt. Ich möchte hier auch an die Gewerkschaftsseite appellieren, den Ernst der Lage zu sehen.

Fast jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt wird für Personal ausgegeben, denn das ist der größte Bereich. Wenn es nicht möglich sein sollte, Ausgaben in diesem Bereich zu reduzieren, werden wir bei den Investitionen stärker kürzen müssen. Das

bedeutet für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land Entlassungen. Das kann doch niemand wollen. Wir müssen einmal die Verhältnismäßigkeit betrachten: Auf der einen Seite geht es um die Reduzierung der Zulagen, auf der anderen Seite aber um die Existenz. Deshalb muss sich hier etwas bewegen.

Meine Damen und Herren, die PDS hat zwei Anträge zu diesem Tagesordnungspunkt gestellt. Der Entschließungsantrag enthält viel Lyrik. Wenn Sie das in einer Rede sagen, ist das in Ordnung, aber für einen Antrag ist das nicht geeignet.

Beim zweiten Antrag geht es um die Einsetzung eines Ausschusses zur Begleitung der Verwaltungsoptimierung. Wir haben bereits vor zwei Jahren darüber geredet. Wir wollen zum jetzigen Zeitpunkt keinen solchen Ausschuss. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

Herr Abgeordneter Lunacek, das war ein hervorragender Schlusssatz.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen. - Der Hauptausschuss kann sich jederzeit mit diesem Thema beschäftigen, das steht ihm frei. Das vorliegende Gesetz ist gut geeignet, die notwendigen Änderungen herbeizuführen. Allerdings formuliert das Gesetz lediglich Ziele und muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Es darf jetzt nicht in den Ressorts, in den Behörden heißen: Wie können wir am besten die Veränderungen abwehren?, sondern es muss heißen: Wie können wir die Veränderungen am besten vorantreiben? Das erwarten wir von der Landesregierung, meine Damen und Herren. Und deshalb: Die Arbeit beginnt jetzt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Lunacek. - Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Ziegler, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Diskussion war spannend und es wird nicht die letzte sein, die wir zu diesem Thema führen. Nach erfolgreicher Verabschiedung des Nachtragshaushalts und des Haushaltsstrukturgesetzes 2003 will heute der Landtag abschließend über die dritte Säule des von mir Anfang März an dieser Stelle präsentierten Konsolidierungskonzepts entscheiden.

(Frau Osten [PDS]: Es hat tönerne Füße!)

Seitdem hat sich die Haushaltslage aufgrund der Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung weiter zugespitzt. Wir haben darüber gesprochen. Es war nicht zu vermeiden, dass ich nach dem Nachtragshaushalt noch einmal eine weitgehende Haushaltssperre erlassen musste.

(Hammer [PDS]: Sie sparen immer hinterher!)