Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Der Abschlussbericht liegt Ihnen nun seit voriger Woche vor. Er wurde mit rund 300 gebilligten Änderungsanträgen - davon stammten ca. 200 von den Abgeordneten aus der Koalition und ca. 100 von den Mitgliedern aus der PDS-Fraktion - fertig gestellt. Dies zeigt, dass es sich dabei um ein Gemeinschaftswerk und eben nicht um einen Bericht von Minderheiten handelt. Was vor Ihnen liegt, ist das Produkt dieser Zusammenarbeit. Der Untersuchungsausschuss hat angesichts seines umfangreichen Auftrags klare Ergebnisse ermittelt, die ich hier aufführen darf.

Die Interessenlage innerhalb der BBF war nicht zu allen Zeiten klar definiert. Die Verfahrensstruktur war in wesentlichen Schritten nicht zielführend. Der frühere PPS-Geschäftsführer Dr. Herberg war mit seinen Aufgaben überfordert. Die ehemaligen PPS-Aufsichtsratsmitglieder Dr. Linde für Brandenburg, Herr Kähne für Berlin und Herr Henke für die Bundesregierung unter Helmut Kohl unterließen notwendige Schritte. Die Berater, Banker und Rechtsanwälte verursachten wesentliche Verfahrensfehler. Bieter und Berater verstießen eklatant und systematisch gegen die Verfahrensgrundlagen.

(Vietze [PDS]: Sie sollten die Landesgesetze kennen!)

Aber auch - Kollege Vietze, und das ist wichtig, weil es der PDS immer so schnell über die Lippen ging - Korruptionssach

verhalte mit Brandenburger Bezug liegen nicht vor. Wer angesichts dessen von einem Freibrief für Verantwortliche spricht, macht sich lächerlich. Er möge sich lieber in den Bericht oder auch nur in die vollständige Zusammenfassung einlesen.

Ich will einige Punkte herausgreifen und Ihnen erläutern. Die Ausgliederung der Planungs-, Privatisierungs- und Projektsteuerungsaufgaben aus der BBF in eine Projektplanungsgesellschaft und -vergabestelle war sachgerecht. Der Untersuchungsausschuss moniert aber, dass die Projektplanungsgesellschaft - PPS - als 100%ige Tochter der BBF gegründet wurde. Vorzugswürdig wäre zweifelsohne eine Gründung durch die BBFGesellschafter außerhalb des Konzerns gewesen. Damit wäre die notwendige scharfe Abgrenzung der gesellschaftlichen Kompetenzen erreicht worden.

Wir mussten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der Bund 1996 aus haushalterischen Gründen nicht dazu bereit war, einer anderen als der gewählten Lösung zuzustimmen. Die Brandenburger Interessenlage war eine andere. Die Konstruktion „Tochter privatisiert Mutter“ führt aber nicht zu einer effektiven Verfahrensstruktur zur Privatisierung der BBF.

Mit der Bestellung des früheren BBF-Geschäftsführers Dr. Herberg zum PPS-Geschäftsführer wurde ein weiterer Konflikt etabliert. Seine von den früheren PPS-Aufsichtsratsmitgliedern Dr. Linde und Kähne übereinstimmend dargestellte eingeschränkte fachliche Privatisierungsqualifikation führte zu erheblichen Zweifeln dieser Zeugen an seiner Kompetenz. Als Konsequenz daraus übernahmen die Mitglieder des PPS-Aufsichtsrates Dr. Linde, Kähne und Henke wesentliche Teile der eigentlichen Privatisierungstätigkeit.

Der Untersuchungsausschuss rügt ausdrücklich, dass der im Grundsatz der Trennung von Kompetenzen zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat statuierten Nr. 44 der Aufsichtsratshinweise des brandenburgischen Finanzministeriums vom 31.08.1993 mit der direkten Übernahme von operativen Tätigkeiten durch Mitglieder des PPS-Aufsichtsrats nicht entsprochen wurde. Vielmehr wäre der PPS-Aufsichtsrat gehalten gewesen, Dr. Herberg als PPS-Geschäftsführer abzulösen und die Verhandlungen mit den Bietern sowie die Vorbereitung der Privatisierung als originäre Angelegenheit der PPS und ihrer neu zu besetzenden Geschäftsführung zu überlassen.

Im Laufe der Verhandlungen mit den Bietern mussten - dies ist nie ein Geheimnis gewesen - die Vorgaben der Privatisierung modifiziert werden. Dies hatte auch mit der massiven Verschuldung der BBF zu tun, resultierend aus dem Erwerb des Baufeldes Ost unter der Ägide des damaligen BBF-Aufsichtsratschefs und Wirtschaftsministers Hirche von der FDP. Man muss das Ross und den dazugehörigen Reiter auch an dieser Stelle noch einmal deutlich benennen dürfen.

Eine rein privatwirtschaftliche Finanzierung des Flughafenausbaus, wie sie zunächst angestrebt war, konnte daher zu keinem Zeitpunkt durchgesetzt werden.

Wir stellten zudem fest, dass zwischen den BBF-Gesellschaftern in verschiedenen für das Privatisierungsverfahren wesentlichen Punkten, wie Schließung der innerstädtischen Flughäfen und Nachnutzung der innerstädtischen Flughafenflächen, Kosten der Verkehrsanschließung und der Beplanung des Baufeldes Ost, nicht zu jedem Zeitpunkt Einvernehmen herrschte. Das behinderte in der Tat den Fortgang des Verfahrens.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Diepgen, hat dem Ausschuss als Zeuge eindrucksvoll vorgeführt, wie man wesentliche Feststellungen des Konsensbeschlusses mit Wortklaubereien verdrehen kann. Dabei bleibt für das Land Brandenburg das Festhalten am Konsensbeschluss unverzichtbarer Bestandteil der Flughafenpolitik.

In wesentlichen Verfahrenspunkten haben wir mangelhaftes Agieren der Vergabeberater WCP und Investmentbanker CSFB festgestellt. Weder wurde die Anwendung des neuen Vergaberechts berücksichtigt noch das Verfahren ordnungsgemäß dokumentiert. Das war elementares Handwerk, meine Damen und Herren, welches von diesen Firmen nicht beherrscht wurde. Ich darf festhalten: Die Flughafengesellschaft und die öffentliche Hand wurden nicht gut beraten.

Zu dem interessanten Thema „Doppelmandate“ stellte der Untersuchungsausschuss, wie ich ausdrücklich betonen möchte, einstimmig fest, dass die Vertreter der alten Bundesregierung Anfang 1998 nicht gewillt waren, eines ihrer Aufsichtsratsmandate abzugeben, und die fehlerhaften Entscheidungen der Vertreter des Bundes im Zusammenhang mit den Doppelmandaten erst zum Nachprüfungsantrag und zur Aufhebung des Vertragsschlusses vor dem OLG führten.

Schlimm wird es, wenn man nicht auf die Bieter, sondern auf die andere Seite schaut. WIB und insbesondere ihre Geschäftsführer Dr. Märtin und Dr. Söllner sowie die Frankfurter Flughafengesellschaft als Mitglied des Hochtief-Bieterkonsortiums wie auch das Hochtief-Konsortium selbst haben durch diverse, im Bericht detailliert dargestellte Kooperationen vorsätzlich in erheblichem Maße gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Es wurden entgegen allen Absprachen und unter Täuschung der PPS verdeckte Mitarbeiter abgestellt, hoch bezahlte Lobbyisten wurden eingeschaltet und Scheinfirmen benutzt. Die Beteiligten verschleierten diese Verstöße gegenüber der PPS und den Gesellschaftern planvoll.

Meine Damen und Herren, es ist ein echter Wirtschaftskrimi, den wir hier erlebt haben, den man sehr reißerisch hätte ausschlachten können. Verzeihen Sie es dem Ausschuss, dass er dieser Versuchung widerstand und eine detaillierte sachliche Darstellung vorzog. Ich meine, das ist der Würde dieses Hauses angemessener. Ich begrüße, dass sich die Frankfurter Flughafengesellschaft jetzt gerade einen Kodex gegen Korruption gibt. Wir alle hätten uns gewünscht, die Frankfurter hätten dies bereits 1998 getan.

Meine Damen und Herren von der PDS, während die Mitglieder der Koalitionsfraktionen den mühsamen Weg gegangen sind, den umfangreichen Untersuchungsauftrag Punkt für Punkt abzuarbeiten, hatten Sie nach kurzer Zeit das Interesse an dem von Ihnen selbst formulierten Untersuchungsauftrag verloren.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wie bitte?!)

Ich kann feststellen, dass Sie den Untersuchungsausschuss als Teil Ihrer Strategie nutzen wollten und wollen; das ist durchaus legitim. Ich kann verstehen, dass Sie das Interesse verlieren mussten, als sich der Nebel verzog und sich zeigte, dass auf Brandenburger Seite überhaupt keine Anzeichen für Korruptionsskandale zu verzeichnen waren, wie überhaupt aufseiten aller beteiligten BBF-Gesellschafter keine Korruptionssachverhalte vorlagen.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?

Ich habe zwei Nachfragen.

Die erste Frage: Welche Position beziehen Sie zu der Tatsache - Sie haben gerade etwas anderes gesagt -, dass dem Land ein finanzieller Schaden in Höhe von 164 Millionen Euro in dem Zeitraum 1999 einschließlich der Inanspruchnahme finanzieller Leistungen in diesem Jahr entstanden ist?

Eine zweite Frage: Es zeichnete sich bereits Anfang des Jahres 1998 ab, dass die Privatisierung mit dem herkömmlichen Auftrag, den Flughafen privatfinanziert zu realisieren, nicht mehr möglich ist. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass nicht rechtzeitig aus der Privatisierung ausgestiegen worden ist?

Frau Tack, ich glaube, dass der Untersuchungsausschuss sehr genau dargestellt hat, welche finanziellen Verbindlichkeiten bei den einzelnen Beteiligten entstanden sind. Die absolute Transparenz ist dargestellt worden. Der Untersuchungsausschuss hat sehr klar dargestellt, wo fachliche Dinge in dem einen oder anderen Fall hätten anders verankert werden können. Ich habe auf die Schwächen im gesamten Verfahren sehr deutlich hingewiesen. Ich glaube, meine Aussage dazu ist wohl ausreichend.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuss im Wesentlichen über die Standortfrage diskutiert. Frau Tack, das tun Sie heute noch. Wir haben es gerade gestern bei der Diskussion zum Staatsvertrag erlebt. Es wird immer versucht zu kaschieren, dass auch Sie den Standort Schönefeld wollen und

(Frau Tack [PDS]: Niemals! Das steht in unserem Wahl- programm! Das ist Murks, was Sie erzählen!)

dass auch die PDS in Berlin für das Projekt BBI stimmt. Wir nahmen das hin und fanden das legitim, doch seien Sie bitte so ehrlich anzuerkennen, dass die Koalitionsmitglieder im Ausschuss für die effiziente Abarbeitung des Untersuchungsauftrages gesorgt haben, sorgen mussten und insofern voll und ganz dem Auftrag dieses Hauses entsprochen haben.

Der Abschlussbericht trennt zwischen den einzelnen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichen in Ministerien, in Aufsichtsräten und in Geschäftsführungen und zeichnet Verantwortlichkeiten genau auf. Das, meine Damen und Herren von der PDS, haben Sie immer unterlassen und Sie unterlassen es noch heute mit Ihrem Minderheitenvotum. Dem Untersuchungsauftrag wurden und werden Sie, ob nun absichtlich oder fahrlässig, damit schlussendlich nicht gerecht.

Meine Damen und Herren! Das Unternehmen Privatisierung BBI bis 2000 wurde nunmehr von drei Rechnungshöfen, zwei Untersuchungsausschüssen - einem in Brandenburg und einem

in Berlin - dem Brandenburgischen Oberlandesgericht und der Berliner Staatsanwaltschaft untersucht. Ich gehe davon aus, dass Sie kein ähnlich beschleunigtes Wirtschaftsverfahren finden werden. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses ist das Ergebnis einer intensiven und differenzierten Recherche. Begangene Fehler wurden klar dargelegt und individuelle Verantwortungen klar benannt. Das Ergebnis liegt auf dem Tisch und stellt ein spannendes Zeitdokument dar.

Als Fazit komme ich noch einmal auf die von mir eingangs zitierte Erklärung zurück und stelle fest: Einen so genannten Filz zwischen Regierungspolitikern und Investoren hat es nicht gegeben. Der Filz zwischen Bewerbern, Planern und Beratern ist nunmehr aufgeklärt. Das ist das Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses.

(Frau Tack [PDS]: Die Mitverantwortung der Regie- rungsmitglieder war gefragt!)

Zum Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses und der Flughafendiskussion zähle ich auch die Anhörung zum Projekt BBI. Auch die Brandenburger PDS bekennt sich heute zum Singleflughafen am Standort Schönefeld.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])

Auch die PDS in Berlin tritt für das Projekt BBI ein. Das ist sicherlich eine der erfreulichsten Entwicklungen der letzten Jahre. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss hat unter fairer Leitung des Kollegen Muschalla getagt, dem ich herzlich danken möchte. Mein Dank gilt auch Frau Bley von der Landtagsverwaltung.

(Beifall bei der DVU)

Dieser Ausschuss hat drei Jahre lang getagt. Nun wollen uns die Mehrheitsfraktionen von SPD und CDU weismachen, dass alles nicht so schlimm sei, das Geld sei weg und niemand habe es gesehen. Die politisch besetzten Aufsichtsgremien treffe keine Schuld, jedenfalls hier in Brandenburg nicht.

Die Bürgerinnen und Bürger werden sich fragen, ob das alles war. Das tun die Bürgerinnen und Bürger mit Recht. Deswegen hat sich die DVU-Fraktion die Mühe gemacht, die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss 3/1 umfassend und fristgerecht zu würdigen. Wir haben also nur das getan, was das Votum der Fraktionen von SPD und CDU wohlweislich unterlässt.

Zunächst zu unseren Ergebnissen: Die damals in Verantwortung stehenden politischen Vertreter Brandenburgs in den Aufsichtsgremien der Gesellschaften BBF und PPS einschließlich des ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe sind zumindest für folgende Fehlleistungen politisch mitverantwortlich:

Erstens für die Beibehaltung der so genannten Doppelmandate durch die Politiker Fugmann-Heesing aus Berlin sowie Krüger und Henke vom Bund in den Aufsichtsräten von BBF bzw. PPS. Gleichzeitig waren diese Politiker in den Aufsichtsräten der Frankfurter Flughafen AG oder der Berliner Bankgesellschaft tätig. Beide Unternehmen waren am Hochtief-Konsortium, also auf der Bieterseite, beteiligt. Das war den Beteiligten bei der darüber geführten Besprechung des Aufsichtsrates der BBF am 4. Februar 1998 bekannt und die rechtliche Lage zumindest zweifelhaft.

Zweitens für die Fortführung von Geschäftsbeziehungen zu dem Zeugen Dr. Märtin oder seinem Unternehmen WIB über die BBF-Aufsichtsratssitzung vom 16. Dezember 1996 hinaus. Dieses Ergebnis hat sich der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe vor dem Untersuchungsausschuss noch in der am 23. Januar 2002 durchgeführten Zeugenvernehmung zu Eigen gemacht.

Drittens für alle nach dieser Sitzung des BBF-Aufsichtsrates vom 16. Dezember 1996 erfolgten weiteren Vertrags- und Vergaberechtsverletzungen des Zeugen Dr. Märtin oder seines Unternehmens WIB einschließlich der dem Land Brandenburg hierdurch entstandenen Schäden. Dieses wiederum betrifft insbesondere die Vertrags- und Vergaberechtsverletzungen durch den Einsatz von Fremdunternehmen oder unternehmensfremden Personen für den Zeugen Dr. Märtin oder die WIB, soweit die Geschäftsführungen von BBF und PPS umgangen wurden. Das geschah aufgrund von gegen das Vergaberecht verstoßenden Besprechungen des Zeugen Dr. Märtin mit Vorständen der FAG am 16. August 1996 und am 16. Oktober 1997. Die Leiharbeiter wurden bis September 1998 ohne Wissen der BBFund PPS-Geschäftsführung eingesetzt. Im Ergebnis war dieser Einsatz für die Aufhebung der ersten Vergabeentscheidung durch das OLG Brandenburg am 3. August 1999 mit ursächlich.

Viertens: Die PPS und deren Geschäftsführer, den Zeugen Dr. Götz Herberg, trifft die alleinige Verantwortung für die vom OLG Brandenburg gerügte mangelhafte Dokumentation der Prüfung der TMA, der Technischen Mindestanforderungen. Die PPS zog die Bewertung der TMA mit Schreiben vom 27. Mai 1998 entgegen der zunächst gegebenen vertraglichen Zuständigkeit der CSFB-Bank an sich. Dort heißt es: Es wurde Übereinstimmung erzielt, dass die technische Bewertung Aufgabe der PPS ist. Das lässt keinen anderen Schluss zu, als den, dass die PPS damit auch die Dokumentation an sich gezogen hat, zumal das Protokoll der Prüfung offenbar nur mit den Zeichen „++“, „+-“, „- -“ geführt worden ist. Diese Bewertung könnte ein an der Prüfung nicht beteiligter Dritter von vornherein erkennbar nicht nachvollziehen.

So weit zu meinen Ausführungen. Wie in einem geordneten Strafverfahren der Vorwurf der Anklage. Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Verteidiger vor! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)