Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Die Möglichkeit, sich bei Vernehmungen auf ein Aussageverweigerungsrecht zurückzuziehen, und das erstaunlich schlechte Erinnerungsvermögen ehemaliger Regierungsmitglieder haben die Beweisführung zusätzlich erschwert. Es war eben kein Singvogel dabei.

Dennoch ist klar, dass die Landesregierung erhebliche Mitschuld am Scheitern des Verfahrens trägt, dass sie leichtfertig, fahrlässig und selbstherrlich agiert und ihre eigenen Fähigkeiten sträflich überschätzt hat.

Ich will das jetzt an einzelnen Punkten konkret deutlich machen.

Erstens: Die Mitglieder des Aufsichtsrates, die gleichzeitig in Regierungsverantwortung standen, haben sämtliche Entscheidungen, auch die inzwischen nachgewiesenen Fehlentscheidungen, in diesem Gremium mitgetragen.

Zweitens: Deutliche und frühzeitige Hinweise auf Verstöße gegen das Vergaberecht wurden auch von den Vertretern der Landesregierung ignoriert. So bestätigte der ehemalige Chef der Staatskanzlei Dr. Linde, dass Mitarbeiter sowohl für die BBF als auch für deren Konkurrenten Flughafen Frankfurt (Main) AG tätig waren, sodass damit Interessenkollisionen nicht ausgeschlossen werden konnten. Gleiches trifft auf die Kenntnis von Doppelmandaten zu.

Herr Präsident, ich möchte im Moment keine Zwischenfragen zulassen, weil ich zunächst die Punkte abarbeiten möchte. Wenn wir anschließend Zeit haben, lasse ich gern eine Zwischenfrage zu.

Drittens: Zu wichtigen Verträgen wurden dem Aufsichtsrat Blankovorlagen gereicht, zu denen ein mündlicher Vortrag erfolgte. Keiner der Aufsichtsräte forderte die Aussetzung der am gleichen Tag zu erfolgenden Entscheidung. Keiner nahm die Gelegenheit wahr, die Verträge selbst einzusehen. Die Vernehmungen offenbarten, dass die meisten Mitglieder des Aufsichtsrates über die Auswirkungen ihrer Entscheidung nicht informiert waren. Sie vertrauten blind der Geschäftsführung.

Viertens: Wegen der Aussageverweigerung von Herrn Dr. Märtin blieb ungeklärt, inwieweit die Vertreter der Landesregierung Kenntnis hatten von dubiosen Zahlungen ohne erkennbaren Leistungsgrund an eine Tochtergesellschaft der WIB sowie an einen Journalisten, der Berichte über die Verhandlungen an Hochtief weiterleitete. Presseberichten mit entsprechenden Informationen wurde jedenfalls nicht nachgegangen.

Fünftens: Trotz zahlreicher Hinweise über Manipulationen im Vergabeverfahren hat sich die Landesregierung geweigert, eine unabhängige Kontrollinstanz zur Verhinderung von Korruption und Bestechung einzusetzen.

Sechstens: Im Urteil des Oberlandesgerichts vom August 1999 wurde unter anderem kritisiert, dass im Vergabeverfahren die Dokumentationspflicht unzureichend erfüllt worden sei. Der Untersuchungsausschuss deckte unter anderem auf, dass zur Vorbereitung von Entscheidungen des Aufsichtsrates Beratungen politischer Verantwortungsträger in Hotelhinterzimmern stattfanden, die nicht dokumentiert wurden. Gleichermaßen ohne Protokolle blieben die fast wöchentlichen Beratungen der Geschäftsführer in den zuständigen Ministerien. Hinzu kommt, dass auf dubiose Weise ein Teil der nachweislich einmal vorhandenen Vergabeakten nicht mehr aufzufinden war. Verantwortung trägt die Landesregierung auch für die fehlende Transparenz gegenüber dem Parlament.

Zu dem von Ihnen gelobten Vergleich mit der CSFB haben wir auch eine andere Wertung. Man hat sich letztlich mit 4,5 Millionen Euro freigekauft. Die Landesregierung ist der gerichtlichen Entscheidung ausgewichen, die den Nachweis hätte erbringen müssen, inwieweit die Landesregierung Mitschuld trägt oder ob die CSFB die Alleinschuld hat.

Es ist notwendig, tatsächlich Konsequenzen zu ziehen. Mit dieser Meinung gehen wir konform. Das betrifft die Frage der persönlichen Verantwortlichkeit von Regierungsvertretern in den Aufsichtsräten. Das betrifft die Frage der Transparenz der Berichtspflicht gegenüber dem Parlament und die Frage der Pflicht zur Hinzuziehung eines unabhängigen Kontrollgremiums. Über diese Fragen werden wir sicherlich an anderer Stelle weiter reden müssen.

Frau Abgeordnete, die Zeit ist um.

Ich bin auch fertig.

(Frau Dettmann [SPD]: Ich hatte bereits vorhin ge- drückt!)

Die Abgeordnete Dettmann hatte sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Frau Dr. Enkelmann, Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, der Haushaltskontrollausschuss sei anderer Meinung, als im Bericht dargelegt worden ist. Könnten Sie bitte näher erläutern, woraus Sie diese Erkenntnis ziehen?

Ich zitiere aus dem Bericht des Landesrechnungshofs:

„Der Ausschuss für Haushaltskontrolle nimmt den Bericht des Landesrechnungshofs zur Kenntnis. Er stimmt mit dem Landesrechnungshof darin überein, dass dem Ministerium der Finanzen in seiner Gesellschafterfunktion im bisherigen Privatisierungsverfahren Fehler unterlaufen sind.“

(Beifall bei der PDS)

Jetzt erhält die Fraktion der DVU das Wort. - Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zur Begründung der einzelnen Punkte, bei denen das Votum der Fraktion der DVU von dem Votum der Mehrheitsfraktionen von SPD und CDU abweicht. Wir haben vor zwei Tagen von der PDS-Fraktion ein Papier erhalten. Es war allerdings nicht fristgemäß eingereicht und ich würde es nicht als ein Votum bezeichnen.

Erstens zu den Doppelmandaten: Verantwortlichkeiten im Rechtssinne und im politischen Sinne sind nicht notwendig deckungsgleich. Entscheidend ist aus Sicht der DVU-Fraktion folgende Erkenntnis:

Handelt der Staat in Rechtsformen eines privaten Unternehmens, handelt er nach wie vor ebenfalls zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Deshalb können die politisch Verantwortlichen nicht nach Belieben wie ein Privater handeln. Der Private kann jedes Risiko eingehen. Letztlich geht es ja um sein Geld. Die politisch Verantwortlichen verwalten gewissermaßen aber nur als Treuhänder das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Es gehört ihnen nicht. Daraus folgt: Politik muss immer bestrebt sein, einen möglichst sicheren und risikoarmen Weg zu gehen. Das ist bei den Doppelmandaten nicht geschehen.

Gegen die Doppelmandate wurden von der Kanzlei BWHL und mit Schreiben der CSFB-Bank vom 23.12.1997 Bedenken geäußert. Dies war den BBF-Aufsichtsräten in ihrer Besprechung am 4. Februar 1998 bewusst. Die drei Aufsichtsratsmitglieder behielten dennoch ihre Doppelmandate bei. Die Vertreter der Anteilseigner Berlin und Brandenburg waren damit einverstanden.

Die Rechtsprechung dehnt die für Behörden geltenden §§ 20 Abs. 1 Ziffer 5 und 21 Verwaltungsverfahrensgesetz als allgemeinen Rechtsgedanken schon seit einiger Zeit immer mehr in das Verwaltungsprivatrecht aus. Das wird durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Band 69, Seite 263 - nachzulesen in der NVwZ von 1984, Seite 718 -, ist als Begründung hierfür zu finden: Wegen des äußeren Scheins einer sachwidrigen Verquickung privater und öffentlicher Interessen sei dies erforderlich. - Ein Unikum ist der Beschluss des OLG Brandenburg also nicht.

Zweitens - Dr. Märtin und WIB: Hier liegen die Dinge aus

Sicht der DVU-Fraktion einfacher. Wenn sich die politisch Handelnden bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben privater Unternehmensformen bedienen, haben sie die im Unternehmen übliche Sorgfalt zu beachten. Der Maßstab liegt hierbei bei der Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Kaufmanns. In § 93 Abs. 1 Aktiengesetz ist das durch Gesetz bestimmt und über § 52 GmbH-Gesetz sowie § 160 Aktiengesetz ebenfalls auf Aufsichtsräte anzuwenden. Dies gilt bei der Erteilung von Aufträgen wie bei deren Beendigung.

Die BBF-Geschäftsführer Romberg und Hölzel hatten Herrn Dr. Märtin mit ihren Stimmen das Vertrauen entzogen. Vorausgegangen war, dass ohne Wissen der Zeugen Romberg und Hölzel bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten der WIB gegenüber der BBF der Firma Laguna GmbH Subunternehmen eingesetzt und die damalige Scheinfirma Lanag fälschlicherweise als Subunternehmen gegenüber der BBF angegeben wurde. Diesen Vertrauensmissbrauch durften auch die Aufsichtsräte des politisch besetzten BBF-Aufsichtsrates nicht hinnehmen.

Sie hätten die Geschäftsbeziehungen zu Herrn Dr. Märtin und der WIB sofort beenden müssen, wie es nach der Verkehrsauffassung bei derart schweren Vertragsverletzungen mit Betrugstendenz durchweg üblich ist. Da sie dies nicht getan haben, ist ihnen der weitere Vertragsverstoß der WIB durch den Einsatz von FAG-Leihmitarbeitern bei der Prüfung der Angebote und ohne Wissen der PPS-Geschäftsführung zuzurechnen. Die politische Verantwortung dafür trägt der damalige Ministerpräsident Stolpe, der sein Verhalten auch noch im Untersuchungsausschuss verteidigte.

Trotzdem: Sollte der Flughafen BBI in Schönefeld gebaut werden, so haben Sie, Herr Minister Junghanns, dafür die Unterstützung unserer Fraktion. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Wir kommen zur Abstimmung, weil die Rednerliste abgearbeitet ist. Wer der Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses 3/1 - Drucksache 3/5952, einschließlich Anlagen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Für eine zukunftsorientierte Lösung des Altschuldenproblems ostdeutscher Agrarunternehmen

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5994

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU in Drucksache 3/6051 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Wehlan, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt drei Gründe, weshalb die PDS-Fraktion die gemeinsame Position der ostdeutschen Agrarministerien zu den LPG-Altschulden in das Zentrum eines Oppositionsantrages rückt.

Erstens ist die angeführte Stellungnahme der Agrarressorts zum Entwurf des Bundesfinanzministeriums für ein Gesetz zur Änderung der Regelungen über Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen mit ihren Kritiken und Forderungen ihrem Inhalt nach ein Oppositionspapier, also ein Papier des Gegensatzes und Widerstandes gegen die einseitig fiskalische Scheuklappenpolitik des Bundesfinanzministeriums.

Zweitens nimmt die PDS für sich in Anspruch, seit 1990 stets um eine vertretbare Lösung des Altschuldenproblems gekämpft zu haben - einige wenige Male sogar gemeinsam mit der SPD, und zwar immer dann, wenn die SPD über ihren Schatten der ideologischen Vorbehalte gesprungen ist. Eine Vielzahl von PDS-Anträgen im Bundestag, in den ostdeutschen Landtagen und im Brandenburger Landtag ist Beleg für unser diesbezügliches Engagement.

Drittens schließlich hat die Stellungnahme der ostdeutschen Agrarressorts im geographisch nahen, aber in Sachen Ostkompetenz anscheinend unendlich fernen Berlin nichts wirklich Entscheidendes bewirkt. Am 2. Juli will Eichel seinen Gesetzentwurf, nur geringfügig geändert, vom Bundeskabinett absegnen lassen.

Da das Altschuldengesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, der Bundesrat also nur eine Stellungnahme abgeben kann, die weder für die Regierung noch für den Bundestag Verbindlichkeit hat, beantragt meine Fraktion, dass der Landtag seine Stimme mit einer Resolution erhebt und sich eben nicht wieder nur an die Landesregierung, sondern an die Bundesregierung richtet, die am Mittwoch nächster Woche beschließen will. Insofern sage ich an dieser Stelle auch deutlich: Mit Ihrem Entschließungsantrag ist diese Chance vertan. Eine derartige politische Willensbildung ist kein Novum. Der Brandenburger Landtag hat das in der letzten Wahlperiode zum Problemkreis Bodenreform demonstriert - und zwar mit Erfolg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Übereinstimmung haben wir sicherlich darin, dass es eines Gesetzes bedarf, mit dem die Altschuldenfrage endgültig, fair und zukunftsträchtig gelöst wird. Kein Landwirt - und schon gar nicht der Normalbürger versteht, dass seit nunmehr 13 Jahren über die aus DDR-Zeiten stammenden Altkredite der LPG-Nachfolgeeinrichtungen debattiert, theoretisiert und sogar prozessiert wird. Es ist kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat, dass die geltenden Regelungen zu den LPG-Altschulden auf keinem Gesetz, sondern nur und noch immer auf einer unveröffentlichten Arbeitsanweisung des Bundesfinanzministers in der geänderten Fassung vom 15.06.1993 beruhen.

Zunächst einiges zur Erhellung der Altschuldenfrage: Im Jahr 1990 ist ein Teil der LPGs mit staatlichen Krediten, die von der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR ausgereicht wurden, in ihre Umwandlung in bürgerliche Rechtsformen und die Marktwirtschaft gestartet. Mit der Währungsunion wurden diese Kredite im Verhältnis 2 : 1 umgestellt. Seitdem vermehrten sie sich zu bundesdeutschen Zinssätzen trotz einer zwischenzeitlichen Teilentschuldung.

Hier sei angemerkt, dass das Eigenkapital der ehemaligen DDR-Banken als einziges gesellschaftliches Vermögen bei der Währungsunion im Verhältnis 1 : 1 umgestellt wurde. Schon das war ein gewaltiges Geschenk für die westdeutschen Banken; denn im Durchschnitt betrug das Umstellungsverhältnis der Betriebs-, Bevölkerungs- und Bankvermögen 1,81 : 1.

Zusätzlich erwarben die Banken aber noch die Ansprüche auf die Altschuldenforderungen, darunter auch die, um die es uns heute geht. So hatte die DG Bank die DDR-Landwirtschaftsbank für ganze 106 Millionen DM von der Treuhand gekauft, obwohl allein noch Bareinlagen in Höhe von 250 Millionen Mark vorhanden waren, zudem Liegenschaften im gesamten DDR-Gebiet. Außerdem hatte sie noch ohne eigenes Risiko milliardenschwere Schuldforderungen, insbesondere 7,6 Milliarden DM LPG-Kredite, erworben; denn für deren Rückzahlung haftet der gesamtdeutsche Steuerzahler.

Zweifellos gehört das Fortbestehen der DDR-Kredite zu den Fehlleistungen des Einigungsprozesses, zumal die Ziele und Wirkungen des Finanzierungssystems einer sozialistischen Planwirtschaft grundverschieden zu denen in der kapitalistischen Marktwirtschaft sind. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Altschulden beim ökonomisch-politischen Systemwechsel aus wirtschaftlicher Sicht viel zu hoch bewertet wurden. In der Fachliteratur wird von einem tatsächlichen Wertverlust zwischen 1 : 4 und 1 : 10 ausgegangen. Zum Beispiel mussten kreditfinanzierte Stallanlagen wegen der veränderten Absatzlage und der Einführung des EU-Quotensystems aus der Produktion genommen werden.

Eine ökonomisch gerechtfertigte Lösung wäre die objektkonkrete Feststellung der Werthaltigkeit der Altkredite entsprechend den gesellschaftlich veränderten, von den Unternehmen nicht beeinflussbaren Realisierungsbedingungen und eine darauf basierende, von PDS wie SPD wiederholt geforderte Wertberichtigung der Kredite gewesen. Hierfür fanden sich in der Kohl-Ära keine parlamentarischen Mehrheiten.