Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Unsere Befürchtungen beziehen sich vor allem auf die überwiegend krasse ökonomische Ungleichheit der neuen EU-Partner, die das Bevölkerungspotenzial der EU von 376 Millionen auf 451 Millionen Menschen anschwellen lassen. Die Frage nach der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der neuen Gemeinschaft als Ganzes stellt sich mit Nachdruck. Die Sorge um ein handlungsfähiges politisches Europa ist daher angebracht. Die Einschätzung des EU-Währungskommissars Pedro Solbes, dass die beitretenden Staaten Mittel- und Osteuropas etwa 20 Jahre benötigen werden, um das Wohlstandsgefälle innerhalb der EU auszugleichen, spricht für sich.

Erwähnen möchte ich im Übrigen, dass in Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei oder in Slowenien immer noch menschen- und völkerrechtswidrige Vertreibungsdekrete, die mit der europäischen Wertegemeinschaft nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, Bestandteile des geltenden Rechts sind.

(Beifall bei der DVU)

Doch nun zu den direkten Auswirkungen der Osterweiterung auf Brandenburg. Brandenburg und insbesondere seine grenznahen Wirtschaftsräume leiden unter einer schwierigen konjunkturellen Situation. Die offiziell zugegebenen Arbeitslosen

quoten liegen deutlich über 20 %. Das Bruttoinlandsprodukt sinkt in ganz Ostbrandenburg seit zwei Jahren mit besonders starken Einbrüchen im Bergbau und im Baugewerbe; auch das Handwerk leidet sehr darunter. Gerade im Handwerksbereich waren bei der Zahl der Beschäftigten und den Umsätzen in den letzten Jahren Einbrüche zu verzeichnen, die weit über dem Bundestrend lagen und schlechter als in den neuen Bundesländern insgesamt ausfielen.

Vor diesem Hintergrund sehen die meisten Handwerker sowie kleine und mittelständische Betriebe die EU-Osterweiterung nur als zusätzliches Problem. Sie haben erhebliche Ängste, dass ihnen in wenigen Jahren polnische Anbieter in großer Zahl auf dem heimischen Markt Konkurrenz machen. Das Lohngefälle zwischen Deutschland und Polen sowie der Tschechischen Republik beträgt derzeit 7 zu 1. In Ungarn und der Slowakei betragen die Durchschnittslöhne quer über alle Branchen sogar nur ein Achtel der Tarife in Deutschland.

Daher wurde eine Übergangsfrist von bis zu sieben Jahren bis zur vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbart. Da jedoch ab 1. Mai 2004 Niederlassungsfreiheit herrscht, haben Bürger aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ab diesem Datum das Recht, sich überall in der EU selbstständig zu machen. Insbesondere die Baubranche befürchtet, dass Scheinselbstständige die Einschränkung der Dienstleistungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit unterlaufen werden.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass immer mehr Betriebe Deutschland, insbesondere Brandenburg, den Rücken kehren. Durch Produktionsverlagerungen sind nach den Worten des DIHK-Hauptgeschäftsführers Martin Wansleben bis 2005 jährlich bis zu 50 000 Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr.

Von einer Vorbereitung Brandenburgs auf die EU-Osterweiterung kann im Übrigen nicht die Rede sein. So ist die Infrastruktur auf beiden Seiten der Grenze zum Teil völlig inkompatibel und die Verkehrsprobleme an den Grenzen lassen bereits heute eine düstere Prognose darüber aufkommen, was angesichts des unzureichenden grenzüberschreitenden Straßennetzes nach Herstellung der vollen Freizügigkeit auf Brandenburg zukommt.

Es wäre besser gewesen, die EU-Osterweiterung um mindestens zehn Jahre zu verschieben, um den Beitrittskandidaten Gelegenheit zu geben, das Gefälle wirtschaftlicher, sozialer und infrastruktureller Art gegenüber den alten EU-Ländern erst einmal auszugleichen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Nonninger. - Ich gebe das Wort an die Landesregierung, Frau Ministerin Richstein. Ehe sie am Rednerpult ist, begrüße ich junge Menschen, die quasi Kollegen von uns sind: den Vorstand des Kinder- und Jugendparlaments der Stadt Rathenow. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den einleitenden Bemerkungen des Abgeordneten Habermann weitgehend an. Er hat es - wie ich - begrüßt, dass zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde stattfindet.

Frau Stobrawa, Sie haben sich auf Ihre kritische Frage, warum wir heute über die EU-Osterweiterung sprechen sollten, schon selbst die Antwort gegeben. Wenn 60 % der Bevölkerung wegen der EU-Osterweiterung Sorgen haben, dann ist das ein Zeichen dafür, dass wir über das Thema reden sollten; denn die Sorgen beruhen oftmals auf Unwissenheit. Wenn man sich den Slogan in Erinnerung ruft, mit dem in Irland für die Ablehnung des Vertragswerkes von Nizza geworben wurde - „If you don’t know, say no“; „Wenn du es nicht weißt, dann sage Nein“ -, dann ist das auf jeden Fall ein Hinweis darauf, dass wir über das Thema sprechen müssen.

Ein Hinweis am Rande, um Legendenbildungen entgegenzuwirken: CDU und CSU sind zwar Schwesterparteien, aber wir sind uns nicht in allen Fragen einig. Es waren ausschließlich Abgeordnete der CSU, nicht Abgeordnete der CDU, die im Europäischen Parlament gegen den Beitritt Tschechiens gestimmt haben.

Meine Damen und Herren, am 7. und 8. Juni haben unsere polnischen Nachbarn mit großer Mehrheit ihren Beitritt zur Europäischen Union erklärt. Am 13. Juni ist der Verfassungsvertragsentwurf des Konvents vorgestellt worden. Diese Ereignisse bedeuten eine Weichenstellung für die Gestaltung unseres Lebens in der erweiterten Europäischen Union.

Ich möchte hier nicht noch einmal die Highlights hervorheben. Es geht vielmehr darum, die Herausforderungen, vor denen Brandenburg steht, darzustellen. Die Punkte, die für die Länder von Bedeutung sind, wurden bereits erwähnt.

Ich möchte dennoch kurz auf den neuen Verfassungsvertragsentwurf eingehen. Ich sage ganz klar, dass es ein Verfassungsvertrag und keine europäische Verfassung ist. Ich möchte keine United States of Europe, keinen europäischen Bundesstaat, sondern einen Staatenverbund mit starken Nationalstaaten. Wichtig ist - das wurde noch nicht gesagt -, dass wir mit Einführung der Grundrechtscharta einen klaren und auch rechtsverbindlichen Wertekatalog haben, der für alle, für die Mitgliedsstaaten wie für die Beitrittskandidaten, gilt und der zeigt, dass die Europäische Union auch eine Wertegemeinschaft und nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist.

Welche Bedeutung und welche Konsequenzen hat die EUOsterweiterung für Brandenburg? Wenn ich von der Zukunft Brandenburgs spreche, meine ich durchaus die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, denn ich glaube, dass wir im Kontext der erweiterten Union auch über einen solchen regionalen Zusammenhang sprechen müssen. Die Zusammenarbeit mit Berlin wird in vielen Bereichen intensiviert, auch auf dem europäischen Parkett, egal, ob es darum geht, gemeinsame Besuche in Polen abzustatten, oder darum, einfach mit unseren polnischen Partnern enger zusammenzuarbeiten.

Mit dem 1. Mai 2004 wird die Zusammenarbeit, auch die deutsch-polnische Zusammenarbeit, in eine neue Phase treten. Das ist keine Entwicklung, die erst nach dem Referendum in Polen, dessen Ergebnis wir sehr begrüßt haben, eingeleitet

wurde, sondern der Beginn war eigentlich schon der trilaterale Workshop in Frankfurt (Oder)-Slubice im März zusammen mit unseren Partnerwoiwodschaften Lubuskie und Zachodniopomorskie. Es zeigt sich, dass die Vorbereitungsstrategie, die Brandenburg verfolgt hat, erste Früchte trägt.

Auch nach dem 1. Mai 2004 wird eine Aufgabe Brandenburgs in der Unterstützung des Aufbaus der Selbstverwaltungskörperschaften in Polen bestehen. Wir werden weiterhin die Vergangenheit zu bewältigen haben, aber das wird nicht mehr im Vordergrund stehen. Was wir heute mehr brauchen, ist die ganz praktische Zusammenarbeit, die grenzüberschreitende Kooperation mit unserem Partner Polen, mit dem wir durch eine lange EU-Außengrenze verbunden sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Am 1. Mai 2004 werden allerdings keine wesentlichen praktischen Veränderungen eintreten. Die Schlagbäume bleiben unten. Es werden weiterhin Personenkontrollen durchgeführt, Warenkontrollen allerdings nicht mehr. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist bis auf weiteres eingeschränkt. Auch nach dem 1. Mai 2004 werden wir jenseits von Oder und Neiße noch in Zloty bezahlen müssen.

Dennoch ist gerade jetzt der Zeitpunkt, zu dem wir die gesetzten Rahmenbedingungen überprüfen müssen. Dreh- und Angelpunkt ist natürlich eine grenzüberschreitende Infrastruktur. In der gestrigen Aktuellen Stunde ist mehrfach angesprochen worden, dass wir die bestehenden Knotenpunkte entlasten sollten, dass wir leistungsfähigere grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen brauchen. Aber - das ist gestern nicht so deutlich erwähnt worden - es geht bei dieser Vorbereitung auch um den kleinen Grenzverkehr. Wir müssen Fährverbindungen aufbauen und beispielsweise den öffentlichen Personennahverkehr in den Zwillingsstädten Frankfurt (Oder)-Slubice und Guben-Gubinek verbessern. Wenn die Regionalbahn 1 in Frankfurt (Oder) endet und die polnischen Fahrgäste mit ihren Koffern noch über die Brücke gehen müssen, ist klar, dass es hierfür irgendwann andere Lösungen geben muss. Das heißt, dass wir auch in diesen Bereichen grenzüberschreitend denken und planen müssen, und das zusammen mit unserem zunehmend selbstbewussteren Partner.

(Beifall bei CDU und SPD)

Natürlich dürfen wir auch den Flugverkehr nicht vergessen. Wir reden darüber, dass wir die großen Verkehrsströme brauchen, Warschau - Kopenhagen - Paris, aber wir müssen auch sehen, dass Brandenburg mit seinen regionalen Flughäfen Start- und Landeplatz sein kann, um gerade Geschäftsleuten, die nicht einen halben Tag Zeit haben, durch die Gegend zu reisen, eine Möglichkeit zu kurzen Wegen zu bieten.

Die wirtschaftliche Chance, die sich mit der EU-Erweiterung und mit der Vergrößerung des Binnenmarktes um 100 Millionen Konsumenten ergibt, muss auch von Brandenburger Unternehmen genutzt werden. Es ist sehr bedauerlich, dass nur ein Drittel der Brandenburger Unternehmen die EU-Erweiterung überhaupt als Chance sieht. Aber - das müssen wir uns vergegenwärtigen - die Initiativen und die unternehmerischen Entscheidungen müssen in den Unternehmen getroffen werden. Das können wir ihnen nicht abnehmen. Wir können nur die entsprechenden Rahmenbedingungen bieten.

Zugegeben, es gibt in Brandenburg nur wenig Globalplayer, die bisher schon ihre Chance genutzt haben. Aber auch für die mittleren und kleinen Unternehmen bestehen hier Chancen. Auf diesem Gebiet müssen wir den Unternehmen durch verschiedene Institutionen, ob es die Deutsch-Polnische Wirtschaftsfördergesellschaft, ob es die ZukunftsAgentur Brandenburg ist oder ob es die Kammern in der Grenzregion sind, eine Hilfestellung geben, und zwar auch dabei, wie man mit Anträgen an die Europäische Union umgeht. In diesem Zusammenhang begrüße ich es, dass die Europäische Kommission im Juli ein neues Programm gerade für die kleinen Unternehmen und die Kommunen zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit herausbringen wird, das mit insgesamt 17 Millionen Euro aufgelegt worden ist.

Es wäre illusorisch, teure Grenzlandprogramme zu fordern, wohlwissend, dass dies weder das Land, der Bund noch die EU finanzieren kann. Vielmehr liegt die Verantwortung nunmehr bei uns und bei den Unternehmern, die notwendige Wettbewerbsfähigkeit unserer Hauptstadtregion zu erreichen und zu halten. Man könnte trefflich darüber streiten, ob der jetzige Streik uns insoweit nutzt. Es könnte sein, dass uns damit ein Bärendienst erwiesen wird, denn wenn im Westen die Produktionsbänder still stehen, werden sich die Firmen eventuell andere Zulieferer suchen. Warum sollten sie dabei nicht in die mittel- und osteuropäischen Staaten gehen, wo zurzeit die Produktionskosten noch niedriger sind? Wir haben derzeit einen Bonus des Technologievorsprungs und auch der Zuverlässigkeit. Es wäre schade, wenn dieser Bonus verspielt werden würde.

Wir dürfen aber nicht nur sehen, dass wir Chancen in den mittel- und osteuropäischen Staaten haben, sondern wir müssen auch sehen, dass es viele Unternehmen in den mittel- und osteuropäischen Staaten gibt, die in den Westen gehen möchten, die eventuell auch in Brandenburg investieren möchten. Wir sind nicht nur Nahtstelle zwischen dem alten und dem neuen Europa und „Tor zum Osten“, sondern wir sind in gleicher Weise auch „Tor zum Westen“. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, ein investitions- und investorenfreundliches Land zu sein, damit Firmen, die in den Westen expandieren wollen, nicht über Brandenburg hinweg in den Westen gehen, sondern direkt zu uns kommen. Wir müssen dem entgegenwirken, dass Brandenburg nur eine Transitstrecke für die Firmen im Westen und in den mittel- und osteuropäischen Staaten darstellt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht zu betonen, dass die Erschließung von Absatzmärkten in Polen auch dem brandenburgischen Arbeitsmarkt dient, dass es hilft, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern.

Nicht verschweigen möchte ich, dass es auch Risiken gibt. Deshalb war es gut, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die nächsten Jahre eingeschränkt wurde, mit Zustimmung Polens, was uns in dieser Situation sehr geholfen hat. Aber ich meine, dass wir damit sehr differenziert umgehen müssen. Zentral stellt sich nämlich die Frage, ob es nicht möglich sein muss, Fachkräften aus Polen, die eine Schlüsselqualifikation haben, die Möglichkeit zu geben, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sinnvoll wäre es, wenn gerade den polnischen Absolventen der Frankfurter Viadrina-Universität die Möglichkeit gegeben würde, hier in Deutschland zu arbeiten; denn sie haben

die notwendige Schlüsselqualifikation, sie kennen die Gegebenheiten auf beiden Seiten der Oder und sie sprechen die Sprache, was ein sehr wichtiger Faktor ist. Das wäre auch eine Stärkung der brandenburgischen Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sein wollen und vielleicht auch tätig sein müssen.

Brandenburg mit der längsten Grenze zu Polen ist geradezu prädestiniert, dafür Standort für Dienststellen grenzüberschreitender Aktivitäten zu sein. Das betrifft zum einen die deutschpolnische polizeiliche Verbindungsstelle in Frankfurt (Oder), für die im Oktober letzten Jahres ein Vorbereitungsstab aufgebaut wurde, und das zukünftige Osteuropazentrum für Wirtschaft und Wissenschaft, für das sich Brandenburg mit dem Standort Frankfurt (Oder) beworben hat. Die Landesregierung wird zusammen mit der Stadt Frankfurt (Oder) und auch anderen Beteiligten beim Bund nachhaltig dafür eintreten, dass gerade diese beiden Institutionen in Brandenburg angesiedelt werden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, der Workshop im März hat gezeigt, dass manche Dinge nur bilateral angepackt werden können, aber in anderen Bereichen - wir haben den Workshop auch zusammen mit Westpommern gestaltet - die trilaterale Dimension nicht unbeachtet bleiben kann.

Ganz wichtig ist es, dass wir auch den Wirtschaftsraum Brandenburg und Westpolen über die Grenzwoiwodschaften hinausgehend sehen. Posen ist in der letzten Zeit ein entsprechend wichtiger Wirtschaftsstandort geworden. Wir dürfen uns dem nicht verschließen und müssen hier die konkretere Zusammenarbeit suchen. In der weiteren Folge müssen wir sehen, ob die bestehenden Institutionen wie die Deutsch-Polnische Regierungskommission in dem vorhandenen Maße ausreichen oder ob wir sie umgestalten müssen.

Meine Damen und Herren, die Euroregionen sind bereits angesprochen worden. Sie sind ein ganz wichtiger Partner in unserer Arbeit. Aber auch die Kommunen müssen weiterhin ermuntert und angespornt werden. Herr Lenz, Sie haben die Kommunen und die Landkreise außerhalb der Grenzregion angesprochen. Das begrüße ich sehr. Ich glaube, dass Brandenburg mit einer gemeinsamen Stimme laut sprechen muss, um in diesem Kontext gehört zu werden. Gerade gestern haben die ersten Gespräche mit Vertretern der Kreise, der Kommunen und der Spitzenverbände stattgefunden. Dies waren Gespräche mit Vertretern der Grenzregionen. Wenn sich noch Interessenten aus anderen Regionen fänden, dann könnten wir das natürlich erweitern, um zu sehen, wie auf dieser Ebene eine noch stärkere Kooperation möglich ist.

Es ist wichtig zu wissen, dass auch die Zukunft der Strukturförderung durch die EU-Osterweiterung berührt wird. Wenn im Jahre 2007 die neue Strukturförderungsperiode beginnt, dann wird sich das niedrige Niveau des Bruttoinlandsprodukts in den Beitrittsländern bemerkbar machen. Das Land Brandenburg läuft derzeit Gefahr, allein aufgrund dieses statistischen Effekts aus der Höchstförderung herauszufallen. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns wirtschaftlich so entwickelt hätten, dass es nicht mehr nötig wäre, die Höchstförderung zu erhalten. Das ist aber leider nicht der Fall. Wir versuchen gerade, um diesen statistischen Effekt abzuwenden, auf allen möglichen Ebenen Gespräche zu führen, um auf diese Situation hinzuweisen. Wir ste

hen damit nicht allein, denn es betrifft alle neuen Länder. Deshalb arbeiten wir mit den anderen betroffenen Ländern sehr eng zusammen. Neben den neuen deutschen Ländern sind 18 weitere Regionen in der EU von diesem Effekt betroffen.

Auch mein Kollege Junghanns hat in der letzten Woche in Gesprächen mit den für die Regionen und für den Wettbewerb zuständigen Generaldirektoren auf diesen Effekt hingewiesen. Es hat hierzu ein Treffen der Ministerpräsidenten der neuen Länder mit Kommissar Barnier in Leipzig stattgefunden. Wir werden auch am 8. Juli 2003 bei einer Kohäsionskonferenz in Brüssel unsere Stimme laut erheben und betonen, dass wir eine adäquate Förderung für die Regionen brauchen, die allein aufgrund des statistischen Effektes aus der Höchstförderung herauszufallen drohen.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Für alle angesprochenen Themenfelder gilt: Die politischen Rahmenbedingungen und die strukturellen Bedingungen sind gesetzt worden und werden immer wieder überprüft, aber eine Aufgabe liegt sehr dringlich vor uns, und zwar die, mit großer Überzeugungsarbeit die Unternehmen und die Bürger für dieses Thema zu sensibilisieren. Unser Motto lautet: „Aus Nachbarn werden Partner.“ Wir müssen sowohl der breiten Öffentlichkeit als auch den spezifischen Zielgruppen in der Wirtschaft und in der Verwaltung, aber auch in den sozialen Bereichen klarmachen, dass umgehendes Handeln gefordert ist und dass wir unsere Chance nutzen müssen.

Meine Damen und Herren, Sie können die EU-Osterweiterung befürworten, beklagen oder verdammen. Sie können sie gutheißen oder Sie können sie schlechtreden. Aber eines Sie können nicht: Sie können nicht die Augen davor verschließen, dass die EU-Osterweiterung kommen wird. Sie können nicht dasitzen und sagen: „Hups, jetzt haben wir die EU-Osterweiterung, ich will damit gar nichts zu tun haben“, und bitten, dass die Welle über Sie hinwegschwappt. Wir müssen jetzt die Chance nutzen, wir müssen jetzt arbeiten, uns jetzt den Herausforderungen stellen und uns manchmal auch den Risiken mutig entgegenstellen. Ich denke, wir haben in den nächsten Jahren noch viel vor uns. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Richstein. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der CDU, dem Abgeordneten Bartsch.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema lautet: „Brandenburg vor der EU-Erweiterung“. Mein Kollege Habermann hat in seiner Eingangsrede zu der von uns beantragten Aktuellen Stunde schon viel zur historischen Dimension der vor uns liegenden Erweiterung der Europäischen Union gesagt. Ich möchte mich daher in meinen Ausführungen auf einige wirtschaftliche Aspekte der Vorbereitung Brandenburgs auf die EU-Erweiterung beschränken.

Seit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 war ich vor drei Wochen das erste Mal in Gryfino, einer polnischen Stadt in der