Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schippel hat schon von einem gelungenen Gesetzentwurf gesprochen. Dem kann man sich anschließen. Allerdings sollten wir im Parlament durchaus darüber nachdenken - ich habe es bereits vorhin angesprochen - , ob es nicht über die genannten Artikel hinaus Möglichkeiten für die Entlastung der Kommunen gibt. Ich bin dem Innenminister sehr dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, dass es der zweite Gesetzentwurf ist und weitere folgen werden. Das ist eine klare politische Aussage, die den Kommunen Mut macht; denn sie erkennen, dass wir diesen als richtig erkannten Weg weiter verfolgen werden.

Ich erspare mir Ausführungen zu den einzelnen Punkten. Meine Vorredner haben dazu detailliert Stellung genommen. Aber eine Bemerkung in Ihre Richtung, Herr Kollege Claus: In Brandenburg reicht die Grundschule regelmäßig bis zur 6. Klasse; es gibt jetzt Vier-plus-acht-Versuche. In Bezug darauf müssten Sie Ihr Redemanuskript nacharbeiten.

Ich komme zum Akteneinsichtsrecht, einem Punkt, der dem Kollegen Schippel sehr wichtig ist. Es stellt sich die generelle Frage, wie wir mit Entlastungsmaßnahmen umgehen. Es treten ständig Widerstände auf. Die Spitzenverbände, Lobbys und der eine oder andere Kommunalpolitiker sind angesprochen worden. So wollte die PDS in der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt einen Beschluss herbeiführen, der sich gegen das Entlastungsgesetz gerichtet hätte. Glücklicherweise ist das der PDS nicht gelungen.

Ich meine, dass es auch beim Akteneinsichtsrecht kein Tabu geben darf, nach dem Motto: Weil es uns so wichtig ist, fassen wir das Thema „Akteneinsichtsrecht“ gar nicht erst an.

Wir können auf das, was in der Landesverfassung verankert ist, stolz sein. Brandenburg war insoweit Vorreiter. Aber auch hier zeigt sich wie bei jeder Medaille die zweite Seite: Sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene ist Verwaltungsaufwand damit verbunden. Herr Kollege Vietze ist heute schon auf die Befindlichkeit der Brandenburger eingegangen. Wenn man ehrlich ist, stellt man fest, dass nicht allzu viele Bürgerinnen und Bürger vom Akteneinsichtsrecht Gebrauch machen.

Was die Bekämpfung der Korruption betrifft, so müsste man ein Stück weitergehen. Das haben wir nicht in der Hand. Dann dürfte sich das Recht auf Akteneinsicht nicht nur auf landesgesetzlich fundierte Akten beschränken, sondern müsste auch die Akten des Bundes umfassen. Dass dort Bewegung erwartet werden kann, wage ich zu bezweifeln. Aber wir werden das alles in der Anhörung und der weiteren Ausschussarbeit behandeln.

Mit dem Gesetz eröffnen wir den Kommunen einen größeren Handlungsspielraum. Gleichzeitig räumen wir ihnen mehr Eigenverantwortung ein. Die guten Erfahrungen aus dem Umgang der Kommunen mit dem ersten Entlastungsgesetz zeigen, dass die Eigenverantwortung - entgegen mancher Behauptung auch wahrgenommen wird. Das ist im Einzelfall durchaus nicht unproblematisch, weil auf die Bürger höhere Belastungen

zukommen können. In diesem Zusammenhang muss ich insbesondere den Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen und Kreistage, die die gebotenen Möglichkeiten angenommen haben, Dank sagen. Sie haben das erste Entlastungsgesetz so umgesetzt, dass es zu einer Entlastung der kommunalen Haushalte gekommen ist.

Der Umgang mit dem ersten Entlastungsgesetz zeigt weiterhin, dass dies die geeignete Form ist, Kommunen von Aufgaben zu entlasten. Hier wird nicht nur, wie oft in Sonntagsreden, davon gesprochen, sondern wir haben etwas auf den Weg gebracht. Wir haben gehandelt und tatsächlich eine Entlastung vor Ort herbeigeführt.1

(Frau Osten [PDS]: Das sehen die Betroffenen aber ganz anders, Herr Petke!)

- Frau Kollegin Osten, ich glaube nicht, dass Sie hier für alle Betroffenen sprechen können. Wir haben Widerstände überwunden, unter anderem den Widerstand der PDS-Fraktion.

Häufig werden die Spitzenverbände ins Spiel gebracht. Sie haben aus den Stellungnahmen richtig zitiert. Ich möchte allerdings daran erinnern, dass der Städte- und Gemeindebund sowie der Landkreistag jeweils sehr unterschiedliche Gruppierungen vertreten und am Ende zum Kompromiss gezwungen sind.

Von daher wundert es mich nicht, dass die entsprechende Kritik kommt. Allerdings - und da beißt sich die Katze in den Schwanz -: Wenn Sie die Spitzenverbände in die Diskussion einführen

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

und gleichzeitig sagen, dass diese mehr wollen, als von der Landesregierung vorgeschlagen wurde, dann möchte ich wieder Ihre Reaktion sehen.

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

Wenn wir mehr tun, dann sind Sie sofort dabei, kritisieren das als bürgerfeindlich und sagen, wir würden dem Bürger in die Tasche greifen.

Ebenfalls sticht nicht die Argumentation des Redners von der DVU-Fraktion. Hier geht es nicht um Luxus. Wenn Ihre Fraktionsvorsitzende heute Morgen ein Taschentuch wollte, um die Situation zu beweinen und sich die Tränen abzuwischen, dann glaube ich, ist es auch nicht sehr glaubwürdig, wenn hier davon gesprochen wird, dass sich die eine oder andere Kommune sozusagen vergoldete Bürgersteige auf Kosten der Bürger leistet.

Hier geht es um eine ganz klare Entlastung. Hier geht es um einen wichtigen Beitrag, um den Kommunen mehr Freiheiten zu geben. Das setzt natürlich voraus, dass dies auf der kommunalen Ebene durch verantwortungsvolle Gemeindevertreter, durch verantwortungsvolle Parlamentarier angenommen wird. Hierbei wollen wir gern Hilfestellung geben. Ich freue mich auf die Anhörung, auf die Diskussion im Innenausschuss und denke, dass wir dieses Gesetz auch rechtzeitig in diesem Jahr verabschieden werden. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Petke. - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt Ihnen, die Drucksache 3/6324 der Landesregierung an den Ausschuss für Inneres - federführend sowie an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung sowie an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

1. Lesung des Gesetzes zur Änderung landeswahlrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/6371

Zu diesem Tagesordnungspunkt wurde vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass ich sofort zur Abstimmung kommen kann. Das Präsidium empfiehlt Ihnen, die Drucksache 3/6371 an den Hauptausschuss - federführend - und an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

1. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Lehrerbildungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/6373

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Dies ist nur eine kleine Novelle. Ich gebe zu: Mir wäre lieber gewesen, wir hätten jetzt gleich einen großen Reformschritt machen können. Nach PISA, nach IGLU, nach den Erfahrungen, die wir nach dem Lehrerbildungsgesetz gesammelt haben, wäre das angezeigt gewesen. Aber wir haben uns - ich denke, das war auch richtig - dazu entschieden, erst die Vorlage des Berichts der Bildungskommission Berlin-Brandenburg abzuwarten, weil wir die Lehrerbildung für den Gesamtraum planen und organisieren wollen. Meine Kollegin Justizministerin hat in guter Weise schon die Juristenausbildung für die gemeinsame Region konzipiert. Wir wollen und sollten das auch für die Lehrerbildung gemeinsam tun.

Die Vorarbeiten dazu sind geleistet. Mein Haus, das MWFK, die Universität Potsdam und Vertreter aus dem Land Berlin haben erste Gedanken gesammelt. Ich gebe zu: Es war nur der kleinste gemeinsame Nenner, der dabei herausgekommen ist, also noch kein großer Wurf. Aber Wolfgang Loschelder von der Universität Potsdam und ich sind uns einig: Es ist uns in den ersten beiden Legislaturperioden durch die Arbeit der damaligen Minister gelungen, die Universität Potsdam von einer Pädagogischen Hochschule zu einer international wirklich anerkannten Hochschule mit einem breiten Spektrum zu entwickeln.

Aber in dieser Zeit ist die Lehrerbildung ein Stück weit vernachlässigt worden. Auf diesem Gebiet muss jetzt ganz klar ein Akzent gesetzt werden; denn die Lehrer, die 2010 in großer Zahl hier neu eingestellt werden müssen - tausend und mehr pro Jahr -, müssen jetzt ihre Ausbildung anfangen. Deshalb werbe ich gemeinsam mit Klaus Böger für den Lehrerberuf.

Das Ziel, das wir mit dieser Novelle verfolgen, besteht darin, Rahmenbedingungen für eine bedarfsgerechte Lehrerausbildung und Lehrerversorgung zu schaffen, insbesondere für die beiden großen Bereiche der beruflichen Schulen und der Förderschulen; denn es gehört zur negativen Seite unseres föderativen Systems, dass Anerkennungshindernisse zwischen den Ländern ausgebaut werden, wenn sich die Ausbildung von Lehrkräften unterscheidet.

Die Landesregierung geht an dieser Stelle mit dem vorliegenden Gesetzentwurf insofern einen guten Schritt nach vorn, als sie eine Anerkennung aller zweiten Staatsprüfungen, die in Ländern der Bundesrepublik Deutschland erworben werden, vorsieht. Dahinter steht die Überlegung, dass die von den Länderparlamenten getroffenen Regelungen grundsätzlich garantieren, dass voll ausgebildete Lehrkräfte geeignet sind, in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland zu unterrichten. Eine Anerkennung, so sieht es der Entwurf vor, wird allerdings nur im Falle einer bevorstehenden Einstellung in den Schuldienst des Landes Brandenburg ausgesprochen.

Die zweite sinnvolle Regelung ist, dass wir von Lehrkräften in beruflichen Schulen sowohl die Ausbildung in einer beruflichen Fachrichtung als auch in einem allgemein bildenden Fach verlangen. Das soll jetzt dahin gehend geändert werden, dass an die Stelle eines allgemein bildenden Faches auch eine affine berufliche Fachrichtung treten kann.

Ich denke, das ist einerseits fachlich vertretbar und schafft auf der anderen Seite bessere Möglichkeiten, dem gegebenen Bedarf nach beruflicher Ausbildung von Berufsschullehrern zu entsprechen.

Gerade im Bereich der beruflichen Schulen - das ist mein dritter wichtiger Punkt - ist es Ziel dieser Gesetzesnovellierung, Personen zu gewinnen, die zwar keine spezifische Lehrerausbildung mitbringen, jedoch durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung, zum Beispiel an einer Fachhochschule, die notwendige Grundlage für eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst oder für eine Einstellung nachweisen.

Insofern schlägt der Entwurf vor, den § 18 Abs. 3 und 4, in dem es um die so genannten Seiteneinsteiger geht, zu überarbeiten. Lehrkräfte, die ohne Lehrbefähigung in den Schuldienst eingestellt werden, sollen nach mindestens einjähriger Unterrichtspraxis berufsbegleitend am Vorbereitungsdienst teilnehmen mit

dem Ziel, die Zweite Staatsprüfung abzulegen. Ein gesonderter Hochschulausbildungsschritt vor Einstellung als Lehrkraft wird jedoch davon abhängig gemacht, ob dies zur Deckung des Unterrichtsbedarfs dann auch wirklich erforderlich ist.

Ein vierter wichtiger Grund für die Novellierung: Was die Situation in den Förderschulen, im Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen anbelangt, so wollen wir Vorsorge treffen, dass in unserem Land auch in Zukunft genügend ausgebildete Lehrer zur Verfügung stehen. Bislang kennt das Lehrerbildungsgesetz lediglich den Erwerb des Lehramts für Sonderpädagogik über ein Ergänzungsstudium. In Zukunft soll es einen Vorbereitungsdienst für Personen geben, die eine grundständige Ausbildung in anderen Ländern, insbesondere in Berlin, mit denen wir eine Vereinbarung abgeschlossen haben, absolvierten. Eine solche grundständige Ausbildung wird im Land Brandenburg auch in Zukunft nicht in der ersten Phase der Lehrerausbildung angeboten. Personen, die diese Qualifikation in anderen Ländern erworben haben, werden auf diese Weise die Möglichkeit zu einem Vorbereitungsdienst im Land Brandenburg erhalten.

Schließlich wird in dem Gesetzentwurf ein weiterer Schritt in Richtung Verwaltungsreform getan. Wir wollen dem Landesprüfungsamt ausdrücklich Aufgaben übertragen, die bisher im Ministerium wahrgenommen wurden. Dabei handelt es sich insbesondere um die Anerkennung von Lehramtsprüfungen, die außerhalb des Landes Brandenburg abgelegt wurden, um verschiedene Feststellungen, aber auch um Genehmigungen in diesem Zusammenhang. Ferner wird das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst genannt.

Ich halte das für sinnvoll, gerade auch deshalb, weil wir uns auf die eigentlichen Kernaufgaben eines Ministeriums stärker konzentrieren wollen.

Lassen Sie mich abschließend auf die Hinweise zu Beginn meiner Ausführungen zurückkommen. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf ist nur ein erster Schritt. Wir werden weiterarbeiten müssen.

Eine Verständigung mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport über die Modularisierung, über die Erteilung von Leistungspunkten nach dem europäischen System zur Anrechnung von Studienleistungen, dem European Credit Transfer System, was die Vergleichbarkeit von Leistungen bis in die entferntesten Teile Europas hinaus ermöglicht, ist damit gesichert. Es wird nun insbesondere darauf ankommen, mit den beteiligten Universitäten Konzepte zu erarbeiten, die dem Anspruch an eine praxisorientierte, wissenschaftlich fundierte und gestraffte Lehrerausbildung entsprechen und die auch in vollem Umfang auf der Basis des Bologna-Prozesses durchgeführt werden.

Es kann sein, dass die SPD/PDS-Koalition in Berlin in dem Verfahren in ihrem Parlament eine Experimentierklausel verabredet. Wir sind zurzeit mit der Berliner Verwaltung im Gespräch dahin gehend, dass eine solche Klausel schon im Erarbeitungsverfahren auch mit dem Land Brandenburg abgestimmt wird. Wenn dies gelingt, dann sollte dieses Parlament hier überlegen, ob diese Chance nicht auch der Universität Potsdam eröffnet werden soll; denn es wäre schlecht, wenn die drei großen Universitäten in der größten Stadt mitten im Lande

Brandenburg eine solche Experimentierklausel für sich in Anspruch nehmen könnten, die Universität Potsdam im Lande Brandenburg aber nicht.

Aber auch dann, wenn dieser Schritt gemacht ist, werden wir weiterarbeiten müssen. Wir werden das Baumert-Gutachten auswerten. Ich hoffe, dass wir uns auf dieser Basis dann zu Beginn der nächsten Legislaturperiode gemeinsam daranmachen können, auch Visionen von Lehrerausbildung zu entwickeln bis hin zum Bachelor und Master oder eventuell sogar zu der verbindlichen Festschreibung von Stammschulen bzw. Praxisschulen für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, die in Berlin durchaus im Gespräch sind und die ich der Universität Potsdam angeboten habe, was bisher aber an datenschutzrechtlichen Problemen der Universität Potsdam gescheitert ist.

All das steht in der Agenda. Wir tun hier den ersten Schritt und ich bin dankbar dafür, dass wir den Gesetzentwurf heute einbringen und ihn zum Ende des Jahres mit Wirkung zum neuen Kalenderjahr hoffentlich verabschieden können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.