Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie erwarten doch wohl nicht, dass wir diese Debatte wirklich ernst nehmen. Obwohl wir noch nicht den 11.11. schreiben, handelt es sich hierbei doch wohl eher um eine Veranstaltung mit erkennbar karnevalistischen Zügen.

Zur PDS-Fraktion: Diese druckst in Form einer Großen Anfrage mit 48 Fragen um ihr tatsächliches Anliegen herum. Worum geht es der PDS-Fraktion wirklich? Das lässt sich mit drei Aussagen feststellen, meine Damen und Herren.

Erstens: Die PDS-Fraktion ist gegen den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Großflughafen BBI. Die Landesregierung auch?

Zweitens: Die PDS-Fraktion ist dagegen, dass durch den Ausbau des Flughafens BBI die Wirtschaft gestärkt wird und Arbeitsplätze entstehen. Die Landesregierung auch?

Drittens: Die PDS-Fraktion ist dafür, dass Großflughafen, eine zukunftsweisende Verkehrsinfrastruktur, Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze in Slubice, Republik Polen, entstehen, aber ja nicht hier bei uns in Brandenburg. Die Landesregierung auch?

Das und nur das ist das Kernanliegen der PDS-Fraktion. Sie traut sich nur nicht, das offen zu sagen. Das ist aber nicht das einzige Problem. Was macht die PDS-Fraktion? Sie druckst herum. Ich fasse zusammen: Sie fragt nach einheitlicher Verkehrspolitik in Bund, Bundesländern und Brandenburg-Berlin, nach Belastung von Mensch und Umwelt, Überarbeitung des Luftfahrtkonzepts und nach der Zusammenarbeit mit Polen, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen internationalen Flughafen in Slubice. Diese Fragerei der PDS-Fraktion, meine Damen und Herren, läuft doch ganz offensichtlich nur auf eines hinaus: dass der internationale Großflughafen BBI am Standort Schönefeld kaputtgeredet wird, dass Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung wie neue Arbeitsplätze an Brandenburg vorbeigehen. Es ist zugleich auch die einzige Perspektive der PDS-Fraktion, durch Fortschreiben der Krise irgendwann, irgendwie, irgendwo ihre tackschen Graswurzelsozialismusideologien auszutoben.

(Beifall bei der DVU)

Was macht die Landesregierung? Sie übt sich dem ganzen Mummenschanz zum Trotz in Political Correctness, wie das heute so heißt. Sie beantwortet mal mehr und mal weniger detailliert schön brav die 48 Fragen der PDS-Fraktion, ohne den Kern des PDS-Anliegens direkt anzusprechen.

Aus SPD-Sicht mag das sehr wohl verständlich sein; denn mit seinem - politisch ausgedrückt - potenziellen reststalinistischen Koalitions-Kuckucksei verdirbt man es sich ja nicht so gerne.

(Beifall bei der DVU)

Gott sei Dank enthalten die Antworten der Landesregierung wenigstens ein klares - was die Einzelheiten angeht, allerdings abstrakt gehaltenes - Bekenntnis zum Standort Schönefeld für den Großflughafen und erteilen den Alternativstandortfantasien der PDS eine Absage. Alles andere wäre auch ein fatales Signal an unsere heimische Wirtschaft.

Ich vermisse indes eine entsprechend klare Aussage, dass im Mittelpunkt aller Überlegungen natürlich der Großflughafen stehen muss, dass eine möglichst große Bündelung des Luftverkehrs stattfinden muss und dass alle anderen Standorte hierbei von vornherein nur eine ergänzende Funktion haben können.

(Beifall bei der DVU)

Bemerkenswert ist die Antwort auf die Frage 21 bezüglich des Fluglärms: Schuld ist nicht der Düsenjet, sondern der Propeller. Ich zitiere:

„Der Gesamtlärmeindruck wird bei dieser Flugzeugkategorie häufig vom Propellerlärm geprägt, der durch die Umfangsgeschwindigkeit der Blattspitzen bestimmt ist.“

Da hätte man heute aus der PDS-Ecke unter dem Stichwort „Frau Tack und der Propeller“ eigentlich Lösungen erwarten können, wie ohne einen örtlich und strukturell günstig gelegenen Großflughafen in der Region zum Schutze der Bürger Fluglärm vermieden wird, zum Beispiel dadurch, dass die Geschäftsreisenden statt mit dem Jet wie in der Kindergeschichte „Karlson auf dem Dach“ einzeln mit einem Propeller in Brandenburg-Berlin einschweben.

Meine Damen und Herren, angesichts der PDS-Ansinnen frage ich mich immer wieder: Warum sind wir nur ein so eng besiedeltes mitteleuropäisches Land und keines wie etwa Australien? Dann könnten wir eine Politspinnerecke einrichten, in der die PDS ihren tackschen Graswurzelsozialismus austoben könnte.

(Beifall bei der DVU)

Wir hätten dann erst einmal Ruhe, jedenfalls so lange, bis aus dieser Ecke der Ruf ertönt: „Wir haben Hunger!“ Dieses Szenario gehört aber nicht mehr in die Verkehrspolitik, sondern in den Bereich Kultur, Rubrik Satire. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht jetzt an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Senftleben.

(Frau Tack [PDS]: Wir hoffen, dass er mehr bietet als ei- nen Propeller!)

Ich versuche mir Mühe zu geben, Frau Tack.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer heute Morgen die brandenburgischen Zeitungen aufgeschlagen hat, musste sich die Frage stellen, ob Sie, Frau Tack, zur verkehrspolitischen Sprecherin des Berliner Abgeordnetenhauses ernannt wurden. So kritisieren Sie zum Beispiel die Verkehrspolitik des Landes Brandenburg, weil der rot-rote Senat diese mit Sorge betrachtet, und bezeichnen ihn sogar als „Wildwuchs“.

Wir, meine Damen und Herren von der PDS, insbesondere Frau Tack, betrachten auch einiges, was in Berlin geschieht, mit Sorge, zum Beispiel das Agieren beim VBB, die von Berlin verursachte Verzögerung beim Ausbau der Bundesstraße 101, die Positionierung Berlins zur Regionalbahn 10 zwischen Nauen und Berlin-Charlottenburg usw. usf. Wo bleibt bei diesen verkehrspolitischen Problemen zwischen Berlin und Brandenburg Ihre mahnende Stimme an Ihre Berliner Genossen?

Frau Tack hat heute öffentlich den vermeintlichen Wildwuchs von Flughäfen im Land Brandenburg kritisiert. Die Frage 26 Ihrer Großen Anfrage haben Sie wie folgt formuliert:

„Wie haben sich Anzahl und Struktur der Verkehrsflughäfen und Landeplätze der Region Berlin-Brandenburg von 1991 bis 2003 entwickelt?“

Von jemandem, der eine solche Frage formuliert, sollte man erwarten dürfen, dass er auch die Antwort der Landesregierung zur Kenntnis nimmt. In der Antwort heißt es:

„Die Phase der Anpassung der Standorte an das geltende Luftrecht endete etwa im ersten Halbjahr 1997. Bis dahin hatte sich im Wesentlichen auch die Struktur der heute bestehenden Landeplätze herausgebildet.“

Ich betone: im ersten Halbjahr 1997. Das heißt, die Struktur, die Sie heute in Ihrer Rede bzw. gestern gegenüber der Presse als

„Wildwuchs“ bezeichnet und kritisiert haben, besteht im Land seit 1997. Sie haben also sechseinhalb Jahre gebraucht, um diese Lage zu kritisieren. Das zeugt nicht von einer sehr reaktionsfreudigen Oppositionsarbeit im Brandenburger Landtag.

Meine Damen und Herren, die PDS war in den letzten Jahren einzig und allein in der Verkehrspolitik, was den Flugverkehr angeht, damit beschäftigt, gegen den BBI Front zu machen. Das größte Infrastruktur- und Beschäftigungsprojekt in der Region Berlin-Brandenburg wird konsequent abgelehnt. Deshalb wundert es mich schon, dass Sie jetzt die Berliner Position einnehmen und gegen die verschiedenen Verkehrsflugplätze im Land Brandenburg opponieren. Denn die Berliner fordern ja vom Land Brandenburg, dass zum Beispiel auf erteilte Genehmigungen für Neuhardenberg verzichtet werden soll, mit der Begründung, dass ansonsten die Wirtschaftlichkeit des BBI infrage gestellt würde. Sie sind folglich mit Ihrer Analyse nicht nur langsam, sondern befinden sich auch mit Ihren Argumenten, warum Sie die Verkehrsflughäfen im Land Brandenburg ablehnen, auf sehr merkwürdigen Wegen. Die BBI-Holding als Begründung für Ihre ablehnende Haltung bezüglich der Verkehrsflughäfen heranzuziehen finde ich angesichts Ihrer zigmal vorgetragenen Ablehnung des Flughafens BBI mehr als kühn.

Wenn Sie, Frau Tack, die Verkehrsflughäfen kritisieren - das ist Ihr Recht -, sollten Sie auch mit Ihrer Kritik genauer werden. „Genauer“ heißt: In welchen Regionen will die PDS die Flugplätze schließen, in Märkisch-Oderland, sprich: in Strausberg, oder in Oberhavel oder in Eberswalde-Finowfurt? In welcher Region wollen Sie als PDS dann Ihre Projekte umsetzen? „Wir haben zu viele Verkehrsflughäfen“, ist für mich keine Aussage. Wo gibt es denn zu viele Verkehrsflughäfen im Land Brandenburg, Frau Tack, und konkret in welcher Region wollen Sie, dass die Flugplätze in Brandenburg geschlossen werden? Dann sagen Sie es hier im Brandenburger Landtag und versuchen Sie nicht, dies durch irgendwelche anderen Aussagen zu verschleiern. Auf all die Fragen, die ich eben formuliert habe, geben Sie keine Antworten. Das kann man vielleicht als Oppositionspolitik verstehen, aber Brandenburg gestalten kann man damit mit Sicherheit nicht.

(Frau Tack [PDS]: Das haben Sie ja schon unter Beweis gestellt mit den Berliner Flughäfen!)

Meine Damen und Herren, die PDS kritisiert heute auch unser Luftverkehrskonzept aus dem Jahr 2000 als veraltet. Es ist aber bekannt und das sollte auch Ihnen bekannt sein - Sie haben ja Vertreter im Wirtschaftsausschuss -, dass die Landesregierung dort erklärt hat, dass in Zukunft allein schon aufgrund der Veränderungen im Luftverkehrsangebot, Stichwort Billigflieger, eine Veränderung vorgenommen werden soll. Das ist im Übrigen auch sinngemäß in der Antwort auf die Große Anfrage nachzulesen. Aber es lässt sich eben leichter kritisieren, wenn man sich weigert, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Meine Damen und Herren, der Luftverkehr ist einer der wichtigsten Verkehrsträger im Land Brandenburg. Mit dem integrierten Verkehrskonzept haben wir eine Grundlage für die bedarfsgerechte Weiterentwicklung aller Verkehrsträger und auch die Grundlage eines abgestimmten Angebotes für die Brandenburger Einwohner. Der alleinige Ausbau eines Verkehrsträgers, nämlich der Schiene, wie von der PDS favorisiert, wird den Anforderungen unserer Bürger nicht gerecht und raubt dem Land die Zukunftschancen. An dieser Stelle möchte ich Herrn Dellmann ein wenig die Illusion nehmen. Eine Verlagerung

von Verkehr lässt sich zwar durch politische Entscheidungen stimulieren, aber irgendwo hat die politische Einflussnahme in diesem Bereich eine Grenze, nämlich an der Stelle, wo wir Brandenburger Fakten zur Kenntnis nehmen müssen, zum Beispiel auch den Fakt, dass Brandenburg ein Flächenland ist.

Wir haben im Bereich der Verkehrsinfrastruktur - das ist bekannt - erheblichen Nachholbedarf gegenüber den alten Bundesländern und wir haben auch Ausbaubedarf. Diese Tatsachen kann sich aufgrund von Verkehrsprognosen jeder im Landtag zu Gemüte führen. Im Bereich des Luftverkehrs brauchen wir den Großflughafen. Wer nach zehn Jahren Diskussion um dieses Infrastrukturprojekt die Standortfrage immer noch für ungeklärt hält und weiter diskutieren möchte, hat aus meiner Sicht die Chance auf dieses Projekt noch nicht verinnerlicht und deshalb auch nicht die Chance der Schaffung von Arbeitsplätzen erkannt.

Frau Tack, wenn ich sagte, dass ich das Gefühl habe, dass Sie Berliner verkehrspolitische Sprecherin werden wollen, frage ich, ob Sie nicht auch in Sachsen aktiv werden wollen, da Sie den Brandenburger Ausbauplänen hinsichtlich des Schönefelder Flughafens jetzt den Leipziger Flughafen entgegenstellen. Das finde ich sehr bedauerlich. Ich bin gespannt, wie Sie Ihre Position zu diesen wichtigen politischen Entwicklungsfragen den Bürgern des Landes Brandenburg erklären wollen.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich für die CDU-Fraktion feststellen, dass wir dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in der Landespolitik Priorität einräumen. Wir sehen den Luftverkehr als wichtigen Bestandteil eines stimmigen Verkehrskonzepts. Wir lehnen Versuche, wie sie aus der Frage der PDS herauszulesen sind, zusätzliche Standards, die oberhalb von Bundesstandards liegen sollen, in Brandenburg weiterhin ab; denn das würde den Infrastrukturausbau verlangsamen und verteuern, denn genau das Gegenteil brauchen wir. - Deshalb herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Senftleben. Das Wort erhält die Landesregierung, Herr Minister Szymanski.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Großen Anfrage stand bereits insgesamt und auch in Teilfragen mehrfach auf der Tagesordnung des Landtags. Ich kann davon ausgehen, dass viele der aufgeworfenen Fragen hier schon bei anderer Gelegenheit dargestellt worden sind.

Wir bleiben bei unserer Einschätzung: Die Landesregierung betreibt seit Anfang der 90er Jahre eine kontinuierliche und verlässliche Luftverkehrspolitik und versucht mit ihrem Engagement, den Luftverkehr und die Luftfahrtindustrie in der Region zu verankern und die hieraus erwachsenden wirtschaftlichen Impulse für die Region zu entwickeln.

Sehr geehrte Frau Tack, die Landesregierung bleibt bei dieser kontinuierlichen und verlässlichen Politik. Das zeigt sich auch in der Beantwortung der konkreten Fragen und an den Statements dazu. Sie entspricht in einigen Punkten sicherlich nicht

Ihren Vorstellungen. Dass unsere Beantwortung, wie Sie in den Medien behauptet haben, unzureichend bzw. eine Nichtbeantwortung sei, trifft allerdings nicht zu.

Die Luftfahrt hat komplizierte Jahre hinter sich. Die Anschläge auf das World Trade Center in New York, der Irakkrieg und das Weiterbestehen der Krisensituation in dieser Region sowie die Krankheit SARS haben die Tourismusbranche und den Luftverkehr wirtschaftlich schwer getroffen. Spürbare Rückgänge bei der Passagierbeförderung, Personalreduzierungen und Flugzeugstilllegungen waren einige der Folgen. Darüber hinaus entwickelten sich bei den Luftverkehrsgesellschaften neue Geschäftsmodelle, zum Beispiel so genannte Low-Cost-Carrier. Die wirtschaftliche Situation der Airlines ist immer noch sehr angespannt. Aero Lloyd sei hier als Beispiel genannt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Region BerlinBrandenburg ist in den letzten Monaten eine deutliche Erholung des Luftverkehrs festzustellen. 2003 werden wir annähernd wieder die Passagierzahlen des Jahres 2000 erreichen. Wir rechnen in diesem Jahr mit rund 13 Millionen Flugpassagieren.

Der Wachstumstrend wird sich nach übereinstimmender Einschätzung der Flughafengesellschaft und der Airlines 2004 fortsetzen. Langfristig können wir damit die prognostizierten Größen erreichen.

Im Jahre 2003 war eine verstärkte Konzentration des Luftverkehrs auf Berlin-Tegel zu verzeichnen. Nach Aussagen der Flughafengesellschaft wird eine solch positive Entwicklung mit dem Winterflugplan 2003/2004 verstärkt für den Flughafen Berlin-Schönefeld spürbar werden. Wir rechnen damit, dass 85 % des künftigen Passagierzahlenwachstums am Flughafen Schönefeld realisiert wird.

Den Medien war gestern ebenfalls zu entnehmen, dass wir mit Easyjet in Schönefeld einen großen Sprung nach vorn tun konnten. Ich glaube, die Pressekonferenz hierzu läuft fast zeitgleich mit der Sitzung des Landtages. Damit werden die wirtschaftlichen Bedingungen an diesem Standort verbessert und die Notwendigkeit der Schaffung eines weltweit konkurrenzfähigen Flughafens in der Region unterstrichen.