Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um den Einzelplan 10 für den Bereich Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung findet unter sehr schwierigen äußeren und inneren Bedingungen statt. Die Inhalte der einzelnen Redebeiträge zeigen auch, wie vielfältig die betreffenden Aufgaben sind und wo die einzelnen Abgeordneten ihre Schwerpunkte setzen. Vor diesem Hintergrund möchte ich doch einige Bemerkungen voranstellen, ohne ins Detail zu gehen - das wäre zu weitführend -, und mich im Übrigen ganz besonders der originären Landwirtschaft widmen.

Die Beschlüsse der EU zur weiteren Ausgestaltung der Agrarreform und die letzten Ergebnisse der Agrarministerkonferenz zur nationalen Umsetzung sind für viele Landwirte nicht nur in Brandenburg Anlass, erneut zu rechnen. Sie zwingen zu neuen Überlegungen und zu anderem unternehmerischen Handeln. Das heißt - da ich Landwirt bin, weiß ich, wie viele denken -, dass das nicht in Richtung einer weiteren Intensivierung der Produktion gehen wird. Das ist gleichbedeutend mit einem weiteren Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte im ländlichen

Raum - mit allen negativen Auswirkungen auf die Lebensfähigkeit der ländlichen Räume.

Der Ministerpräsident hat sich in seiner heutigen Rede recht optimistisch hinsichtlich der Lebensfähigkeit und der wirtschaftlichen Potenzen, die in der Landwirtschaft ruhen, geäußert. Diese sind sicherlich vorhanden, ich muss aber klar und deutlich sagen: Für die Nutzung dieser Potenzen liegen noch sehr große Steine im Weg. Ich befürchte, dass bei vielen Vorstellungen der Wunsch Vater des Gedankens bleibt.

Hier wurde angeführt, dass ganz besonders im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe noch große Potenzen liegen. Das ist richtig. Es handelt sich aber lediglich um einen Ansatz, um mehr nicht. Entscheidend wird sein, ob und wie diese Möglichkeiten in der Praxis tatsächlich angenommen werden, wie Landwirte sich darauf einstellen und ob sie damit letztlich ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften können.

Es sind auch noch bundespolitische Hürden zu nehmen, zum Beispiel bei dem Produkt Bioethanol. Wenn der Außenschutz dabei nicht aufrechterhalten wird, können wir diese Alternative vergessen und damit auch die Alternative der Verwendung des Winterroggens. Entscheidend bei dieser Frage bleibt die entsprechende Anschubfinanzierung, die Förderhöhe, da alle diese Wirtschaftsbereiche - außer der Biodieselproduktion -, die wir erschließen können, sich noch nicht selbst tragen. Die großen Reserven, die wir im gesamten Bereich der grünen Biotechnologien haben, sind unbestritten, aber kommen im Moment wirtschaftlich noch nicht zum Tragen.

Zu den äußeren Bedingungen, die nicht dem Einfluss der Brandenburger Landwirte unterliegen, sind auch die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung zu zählen. Die weiteren Kürzungen der Agrardieselstützung, der GA-Mittel und im agrarsozialen Bereich bedeuten neue zusätzliche Belastungen für die Landwirtschaft; aber ganz speziell betreffen sie unsere ostdeutschen Agrarstrukturen und sind hier noch schwer verdaubar, ebenso, wenn auch nur für den Bereich der Tierproduktion, wie die Verweigerung der Unterschrift der Bundesministerin unter die Nutztierhaltungsverordnung, obwohl diese den Bundesrat passiert hat. Es ist im Übrigen ein einmaliger Vorgang auf dieser Ebene, dass der Sachverstand der Ideologie geopfert wird.

Ich kann die Landesregierung nur dringlich auffordern, Alleingänge der Bundesregierung innerhalb der EU nicht mitzutragen. Ein Musterknabe Deutschland als Vorreiter für zweifelhafte Politikansätze im Agrarbereich schwächt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaftsbetriebe und kostet im Endeffekt Arbeitsplätze.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bei all diesen Diskussionen und dieser Einschätzung darf nicht vergessen werden, dass die Brandenburger Landwirtschaftsbetriebe wirtschaftlich nicht so stabil sind, dass sie diese neuerlichen Einnahmeausfälle ohne weiteres verkraften können. Hierauf wurde schon hingewiesen. Gegenwärtig sind Entlassungen und Kurzarbeit in Größenordnungen an der Tagesordnung. Der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft hat sich auf 40 % vergrößert und das Durchschnittseinkommen eines selbstständigen Landwirtes in Deutschland beträgt zurzeit nur noch 1 360 Euro brutto.

Die Auswirkungen der lang anhaltenden Trockenheit des Frühjahrs und Sommers sind längst nicht überwunden. Es bleibt fraglich, ob alle Betriebe diese Schwierigkeiten überleben werden. Das angekündigte Hilfsprogramm - der Minister hat darauf hingewiesen - von 30 Millionen Euro für die Einnahmeausfälle als Folge dieser Trockenheit, getragen je zur Hälfte vom Bund und der Landesregierung, ist das Maximum, was das Land leisten kann. Es bleibt aber nur eine Hilfe zur Selbsthilfe, gemessen am Gesamtschaden von ca. 300 Millionen Euro. Ich kann nur hoffen, dass die restlichen 5 Millionen Euro Kofinanzierung durch den Bund noch geleistet werden.

Die finanziellen Rahmenbedingungen, unter denen der Landeshaushalt 2004 steht, sind erdrückend. Einen Spielraum zur Gestaltung eigener Landwirtschaftspolitik gibt es nicht mehr, nicht nur aufgrund der Rahmenbedingungen der EU, sondern weil dafür einfach kein Geld mehr vorhanden ist. Deshalb gilt es, sehr kritisch und sehr exakt zu prüfen, welche Ausgaben noch möglich sind und was wofür ausgegeben werden soll und kann. Alle Bereiche, jeder Haushaltstitel gehören auf den Prüfstand. Wir können nicht so tun, als wäre genügend Geld vorhanden, wenn es zum Beispiel um die Förderung von Vereinen und Verbänden geht, Frau Dr. Enkelmann.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Beim Lausitzring sind wir großzügiger!)

Der Landtag hat im zurückliegenden Jahr weit reichende Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung gefasst. Darauf wurde schon hingewiesen. Deshalb kann ich mir weitere Ausführungen dazu sparen.

Umso wichtiger ist es, dass die Landesregierung den klaren Auftrag zum Abbau von Normen und Standards, zur Verwaltungsvereinfachung und zum konsequenten Abbau von Doppelzuständigkeiten zügig und konsequent umsetzt. Da gibt es auch in unserem Verantwortungsbereich noch allerhand zu tun.

Gerade unter den gegenwärtig schwierigen finanziellen Bedingungen, mit denen das Land zu kämpfen hat, ist es ganz besonders wichtig, dass das Land Brandenburg die von der EU und der Bundesregierung bereitgestellten Mittel auch in vollem Umfang, soweit es geht, kofinanziert; denn das ist die Grundlage für die Erhaltung und Förderung der ländlichen Räume in Brandenburg. Anders ist das nicht finanzierbar.

Zum Naturschutz brauche ich hier nichts mehr zu sagen. Wir sind insgesamt gut beraten, wenn seine Ziele klar definiert werden und in Kooperation mit den Landwirten versucht wird, diese umzusetzen. Nur dann wird er erfolgreich sein, nur dann werden vernünftige Lösungen im Interesse aller, der Landwirte wie Naturfreunde und Nutzer der Natur, möglich sein.

Der Haushaltsansatz im Einzelplan 10 ist das gegenwärtig Leistbare entsprechend der finanziellen Situation. Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Haushaltsplanentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Helm. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zuerst zur Abstimmung den Änderungsantrag der PDSFraktion, Drucksache 3/6786 - Neudruck -, auf. Er betrifft die Erhöhung des Ansatzes im Kapitel 10 020 Titel 686 11. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 3/6787 - Neudruck -, auf. Auch er beinhaltet eine Erhöhung des Ansatzes im Kapitel 10 020 Titel 686 20. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 3/6788, auf. Er betrifft das Kapitel 10 040, Hauptgruppen 6 und 8. Es geht um Minderungen bzw. um die Ausbringung von Verstärkungsvermerken. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 3/6789 - Neudruck -, auf. Auch er beinhaltet das Ausbringen eines Verstärkungsvermerkes, und zwar im Kapitel 10 105 Titel 521 10. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 3/6790, auf. Er beinhaltet auch das Ausbringen eines Verstärkungsvermerkes im Kapitel 10 105 Titel 681 62. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist auch dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zum Einzelplan 10, die Ihnen in der Drucksache 3/6710 vorliegt. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Einzelplan 11 - Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 3/6711

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau Abgeordnete Tack, wenn Sie das Wort wünschen, würde ich es Ihnen gern geben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, zu einem späteren Zeitpunkt zu reden. Aber wenn Sie mich so nett einladen, tue ich das jetzt.

Der Einzelplan 11 ist aus unserer Sicht unsolide. Als ich bei der Haushaltsberatung im Ausschuss die Feststellung traf, dass der Haushaltsentwurf das Papier nicht wert sei, auf dem er stehe, kam von Ihnen, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, überhaupt kein Widerspruch. Das lässt mich annehmen, dass auch Sie der Überzeugung sind, dass der Haushaltsentwurf für den Einzelplan 11 nicht allzu lange hält. Dazu kommt noch das Hickhack um die ÖPNV-Finanzierung, das sein Übriges tat, dass der Eindruck verstärkt wurde, dass die Regierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Es liegt eben kein ÖPNV-Gesetzentwurf vor. Aber mit dem Haushaltsentwurf wollte die Regierung schon mal so tun, als ob. Das war eine echte Fehlplanung.

Mit der Einbringung des Haushaltsentwurfs ist die Regierung das wissen wir alle, so geht das parlamentarische Verfahren raus aus dem Verfahren, Herr Minister, und da kann man dann wirklich nicht einfach mal ein paar Seiten austauschen wollen, weil inzwischen wieder alles ganz anders ist. Ich meine, da müssen wir uns an die parlamentarischen Gepflogenheiten halten und das demokratische Verfahren wahren.

Mobilität - das haben die zwei Tage Haushaltsdebatte und auch die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten unterstrichen - ist ein sehr aktuelles Thema. Sie berührt alle Menschen im Land, die Menschen auf dem Lande noch mehr als die in den Städten und im Berliner Umland; denn Erstere haben oftmals überhaupt keine Alternative mehr, als zu Hause zu bleiben oder, wer es denn kann, das Auto zu benutzen, um den Alltag zu bestreiten.

Der Ministerpräsident sagte heute Morgen: „Viele werden längere Wege zu den Arbeitsstätten zurücklegen müssen.“ Ja, das ist bedauerlicherweise so. Aber wie denn? Ausschließlich mit dem Auto! Ich frage Sie, meine Damen und Herren, wie Sie es halten mit der Verfassungsmäßigkeit dessen, was Sie beschließen wollen, nämlich Mobilität als soziale Daseinsvorsorge zu sichern. Ich verweise auf das gültige ÖPNV-Gesetz, in dem genau dies so geregelt ist, und ich möchte Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern.

Mit Ihrer Haushaltspolitik destabilisieren Sie das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr weiter. Ich will noch einmal deutlich unterstreichen: Die Streichung der Zuschüsse für den Schülerverkehr wird mehrere negative Auswirkungen haben. Die Eltern werden, um die hohen Kosten zu umgehen, die Kinder wieder mit dem Auto zur Schule bringen. Also sind wieder mehr Autos auf den Schulwegen unterwegs. Oder die Eltern sind gezwungen, die Kinder mit dem Fahrrad loszuschicken und das bei vielerorts leider noch sehr schlechten Radwegen. Das wird das Unfallrisiko für die Kinder bei der Bewältigung des Schulweges um ein Vielfaches erhöhen.

Das, meine Damen und Herren, lehnen wir ab und fordern, dass die Schülerbeförderung, einschließlich Finanzierung, wieder in Landesverantwortung übernommen wird. Das lässt sich sicherlich - davon bin ich fest überzeugt - mit dem neuen ÖPNV-Gesetz entsprechend regeln.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Aber bitte sehr.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Dellmann.

Erste Frage: Frau Tack, ist Ihnen bewusst, dass in der Vergangenheit und auch in der Zukunft die Schülerbeförderung Aufgabe der Landkreise war bzw. ist?

Meine zweite Frage: Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Aussage falsch ist, dass das Land keine Mittel mehr für die Schülerbeförderung zur Verfügung stellt, da nur die Zweckbindung im Gemeindefinanzierungsgesetz aufgehoben worden ist?

(Zuruf von der PDS: Beides ist richtig!)

Herr Dellmann, mir ist bewusst, dass das Land einen Bildungsauftrag zu erfüllen hat. Zu dieser Aufgabe gehört, dass die Kinder zur Schule befördert werden. Gerade im Zusammenhang damit, dass immer mehr Schulen vor allem in den ländlichen Regionen geschlossen werden, wird es zu einem wachsenden Problem, überhaupt abzusichern, dass die Kinder zu ihren Schulen kommen.

(Beifall bei der PDS)

Das ist mir bewusst und das ist die Antwort auf Ihre Frage.

(Dellmann [SPD]: Es geht um die Aufhebung der Zweck- bindung! Diesbezüglich ist Ihre Aussage falsch!)

- Die Finanzierung ist aus dem GFG gestrichen.

(Dellmann [SPD]: Nein!)