Ich komme zur zweiten Seite, zur Finanzierung des Gesundheitssystems. Hauptsäule der Finanzierung ist die gesetzliche Krankenversicherung, in der etwa 90 % der Bürgerinnen und Bürger Mitglied sind. Ihr tragendes Prinzip ist das Solidarprinzip: Junge für Alte, Gesunde für Kranke, Gutverdienende für Einkommensschwache.
Für die PDS sind der Erhalt und die Stärkung des Solidarprinzips Dreh- und Angelpunkt aller Reformen im Gesundheitswesen. Seine Grundlage muss verbreitert werden. Unter den 10 % der Bevölkerung, die nicht gesetzlich versichert sind, sind doch gerade auch diejenigen Jungen und Gutverdienenden, deren Solidarbeitrag das Gesundheitssystem braucht. Diese potenziellen Beitragszahler finden sich heute in der privaten Krankenversicherung. Wir halten die private Krankenversicherung für überflüssig. Jeder und jede gehört unter das solidarische Dach der gesetzlichen Krankenversicherung. Die PDS will das seit Jahren.
Es wäre ein weiterer Reformschritt, wenn man für die Beiträge der Arbeitgeber neue Wege einschlagen würde. Der Arbeitgeberbeitrag wird heute genauso bemessen wie der Arbeitnehmerbeitrag, also anhand der Lohnsumme.
Was aber für den Arbeitnehmer vernünftig und sozial gerecht ist, ist in der heutigen Wirtschaftsstruktur nicht mehr angemessen. Lohnintensive Unternehmen werden unabhängig von der Höhe des Ertrages hoch und renditestarke Unternehmen mit weniger Beschäftigten unterdurchschnittlich mit Sozialbeiträgen belastet. Als Alternative schlägt die PDS vor, den Unternehmerbeitrag nicht mehr nach der Lohnsumme, sondern nach der Wertschöpfung zu berechnen.
Was erwarten die Menschen für ihre künftige gesundheitliche Versorgung und was haben sie von der Politik zu erwarten? Die Menschen erwarten, dass ihnen die erforderlichen medizinischen Leistungen jederzeit und dort, wo sie sie benötigen, uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Für den Zugang zu diesen Leistungen darf es keine sozialen Schranken geben.
Was haben sie zu erwarten? - Wer die politischen Diskussionen aufmerksam verfolgt, wird unschwer erkennen, dass die nächste Gesundheitsreformdebatte schon im Gange ist. Die Beitragssätze werden nicht oder nicht nennenswert sinken. Spitzenfunktionäre der Arbeitgeber wie Herr Hundt fordern jetzt bereits neue Einschnitte.
Zwei grundsätzliche Alternativen stehen zur Diskussion: Entweder wird das System nach den Vorschlägen der Verfechter von so genannten Kopfpauschalen bzw. pauschalen Gesundheitsprämien umgebaut - dann zahlt jeder den gleichen Beitrag, unabhängig davon, wie hoch sein Einkommen ist; das wäre dann das Ende des Solidarprinzips - oder wir entwickeln die bisherige gesetzliche Krankenversicherung unter Beibehaltung und Stärkung ihrer tragenden Prinzipien zur Bürgerversicherung oder - wie ich es lieber sage - zu einer „Versicherung für alle“. Ich denke, es ist klar, dass die PDS den zweiten Weg für den richtigen hält. - Ich danke Ihnen.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Bednarsky. - Ich gebe jetzt das Wort an die Fraktion der SPD. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kallenbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin natürlich anderer Meinung als meine Vorrednerin. Es ist ja ein altes Faktum in der Gesetzgebung, dass Reformen vor allem die Bedenkenträger auf den Plan rufen.
Erinnern wir uns an die letzten Jahre, so war ein Thema in den Medien stets aktuell: die Fehlbeträge der Krankenkassen. Nur durch Kreditaufnahme waren viele Kassen in der Lage, die Finanzierung unseres solidarischen Gesundheitssystems zu gewährleisten. Die grundlegende Reform des Gesundheitswesens war also eine Conditio sine qua non für die Zukunftsfähigkeit des Systems. Für die Realpolitiker - egal, wie der Wahlsieger 2002 heißen würde - hatte diese Reform absolute Priorität.
Die rot-grüne Koalition hat nun das Reformpaket auf den Weg gebracht. Das Ergebnis stieß keineswegs auf ungeteilte Zustimmung; letztlich kam es auch wegen der föderalen Struktur der Bundesrepublik nur nach zähen Verhandlungen mit der Opposition und unter schmerzhaften Kompromissen zustande.
Dass viele Politikfelder in unserer Republik von Lobbyisten verminte Territorien sind, ist allgemein bekannt.
Dennoch verwundert es, dass diese zwingend notwendige Reform gegen so unendlich viel Widerstand durchgesetzt werden musste.
Ich betone noch einmal: Was zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat, ist ein mühsam ausgehandelter Kompromiss
Unter diesem Aspekt frage ich Sie, meine Damen und Herren von der PDS: Wo ist denn die Brandenburger Spezifik zu sehen und was könnte das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde sein?
Meinen Sie mit Ihrer unpräzisen Formulierung möglicherweise, dass die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung auf grundsätzliche Korrekturen, eine baldige Novellierung des Bundesgesetzes hinwirken sollte?
In Brandenburg gibt es in einigen vorwiegend ländlichen Regionen und bei bestimmten Arztgruppen ein Versorgungsproblem. Das ist bekannt und unser Gesundheitsministerium tut im Rahmen seiner Zuständigkeit sein Möglichstes, um diesen Mangel zu beheben.
Ich erinnere nur an die unter Moderation des Gesundheitsministeriums zustande gekommene Einigung der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung durch die Verbesserung der Wegepauschalen für Ärzte, die Gewährung von Umsatzgarantien in unterversorgten Gebieten und die Errichtung von Eigeneinrichtungen der KV.
Die Gesundheitsreform hat - auch wenn die PDS das anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen möchte - Maßnahmen auf den Weg gebracht, die auch zur Lösung unserer spezifischen Probleme beitragen und damit auch den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zugute kommen.
Ich betone an dieser Stelle gern noch einmal, dass wir es Regine Hildebrandt zu verdanken haben, die sich so sehr für den Erhalt der ehemaligen DDR-Polikliniken und Ambulatorien eingesetzt hat, dass sie nun in anderer Rechtsform zu akzeptierten Leistungserbringern geworden sind.
Ihr Vorteil liegt auf der Hand: Junge Ärztinnen und Ärzte finden über das Anstellungsverhältnis einen Berufseinstieg, der ihnen zeitliche und räumliche Flexibilität gewährt und sie nicht in finanzielle Risiken stürzt. Für die Patienten bedeutet das eine fachübergreifende ärztliche Versorgung an einem Standort, hohe Qualität und kurze Wege.
Der zweite Punkt ist die Öffnung von Krankenhäusern für ambulante Vorsorge. Bei Unterversorgung einer Region, zur Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme und zur Erbringung hochspezialisierter Behandlungen können Krankenhäuser ab sofort ärztliche Leistungen auch ambulant erbringen. Dadurch wurde ein weiteres Strukturdefizit unseres Gesundheitswesens beseitigt.
Darüber hinaus leistet die Gesundheitsreform einen Beitrag zur Angleichung der ärztlichen Vergütung Ost an die ärztliche Vergütung West. Die Gesamtvergütung in den neuen Bundesländern steigt in diesem Jahr und in den kommenden zwei Jahren um insgesamt 3,8 % stärker als im übrigen Bundesgebiet. Was sich augenscheinlich eher bescheiden ausnimmt, halte ich für einen Erfolg, weil man nicht vergessen darf, dass man diese Erhöhung anderswo wegnehmen muss.
Diese Beispiele zeigen, dass die Gesundheitsreform sehr wohl einen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Brandenburg leistet. Ich bin froh, an dieser Stelle die Gelegenheit zu haben, das auch deutlich zu sagen. Ich bedauere, dass diese und die vielen anderen Maßnahmen wie die Verbesserung der Arzneimittelversorgung, die Neuordnung der Organisationsstrukturen in der Selbstverwaltung sowie die Stärkung der Patientensouveränität in der allgemeinen Aufregung der vergangenen Wochen untergegangen sind.
Alle diese Maßnahmen verfolgen aus meiner Sicht drei Ziele, die in der gegenwärtigen Reformdebatte immer wieder zu kurz kommen und die ich hier deshalb noch einmal nennen möchte.
Erstens sorgen sie für eine bessere Steuerung von Behandlungsprozessen im Gesundheitswesen, zweitens erhöhen sie die Qualitätskontrolle und drittens soll durch sie der seit Jahren andauernde Anstieg der Gesundheitskosten gebremst werden.
In welchem Zusammenhang hohe Lohnnebenkosten und die hohe Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik stehen, brauche ich sicherlich nicht zu erläutern. Jede Partei, die an einer umlagefinanzierten, einkommensabhängigen Sozialversicherung festhalten will, muss daran interessiert sein, dass die daraus gespeisten Systeme möglichst effizient arbeiten.
Leider scheinen diese Ziele bei den Menschen nicht angekommen zu sein. Vielmehr haben sich Unverständnis und Angst manifestiert. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen dafür nicht kritisiert werden. Was ich an dieser Stelle aber deutlich anprangern möchte, ist die Art und Weise, auf die diese Situation entstanden ist. Spätestens Anfang November, als der Gesetzentwurf verabschiedet worden war, wusste die Selbstverwaltung, welche Aufgaben sie zu bewältigen hat. Sie hat es in ca. acht Wochen jedoch nicht geschafft, sich über die Einziehung der Praxisgebühr zu einigen, eine zufrieden stellende Definition des Begriffs „überwiegend chronische Krankheiten“ vorzulegen und die Krankentransportrichtlinie den veränderten gesetzlichen Vorgaben anzupassen.
Die Kritik, die jetzt ausschließlich an die Adresse der Bundesgesundheitsministerin gerichtet wird, halte ich deshalb auch für hochgradig ungerecht. Der Gesetzgeber hat den Rahmen gesetzt und ich begrüße, dass sich die Bundespolitiker der Union bisher nicht an den Negativschlagzeilen beteiligt haben.
Ein Reformchaos, wie in den letzten Wochen oft zu hören war, sehe ich nicht. Angesichts der Komplexität des Themas halten sich die Probleme der Einführungsphase durchaus in Grenzen, zumal in den vergangenen Tagen und nicht zuletzt auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums viele drängende Fragen geklärt wurden. Ich erinnere nur an die Chroniker und die Fahrtkostenregelung.
Eine andere, nicht minder stark diskutierte Frage der vergangenen Wochen ist die nach der sozialen Gerechtigkeit der Gesundheitsreform. Praxisgebühr und Zuzahlungsregelungen wurden und werden heftig kritisiert. Sie sind jedoch notwendig, da unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen kein Weg an einer stärkeren Eigenbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger vorbeiführt. Dabei sei noch einmal betont: Es geschah maßvoll - Zuzahlungsbefreiung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, Deckelung der Eigenbeteiligung der Bürger bei 2 % der Jahresbruttoeinkünfte bzw. schwerwiegend chronisch Kranker bei 1 % der Einkünfte, Verringerung des anrechenbaren Einkommens von Familienhaushalten durch Freibeträge, Kostenerstattung bzw. Zuzahlungsreduzierung durch Teilnahme an Bonusprogrammen und Hausarztmodellen.
Diese Gesundheitsreform ist ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu mehr Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen. Für uns Sozialdemokraten ist sie jedoch keinesfalls das Ende aller Überlegungen, sondern das notwendige Ergebnis eines Kompromisses mit der Union.
Die grundlegende Frage aber bleibt: Wie behalten wir die Gesundheitskosten im Griff? Das heißt, wie können wir die mit der demographischen Entwicklung einhergehenden künftig steigenden Ausgaben leisten, ohne durch höhere Krankenversicherungsbeiträge den Faktor Arbeit zu belasten? Der Zusammenhang dieser beiden Fragen liegt für uns Sozialdemokraten zwingend auf der Hand; denn wir werden uns von einem solidarisch finanzierten Gesundheitswesen nicht verabschieden. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen sind zwar noch Wirtschaftlichkeitsreserven erschließbar; die Einnahmenschwäche der gesetzlichen Krankenversicherung wird dadurch jedoch nicht vollständig zu kompensieren sein.