Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport in der Drucksache 3/6955. Wer dieser Beschlussempfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz in 2. Lesung angenommen und verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

1. Lesung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Schröder

in Verbindung damit:

Überprüfung der Leistungen an Mitglieder des Landtages nach Artikel 60 der Landesverfassung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6959

Das Wort geht an die Einreicherin. Frau Dr. Schröder, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland bewegt sich. Offensichtlich bewegen sich in der Umsetzung der Sozialreformen und der damit verbundenen Übernahme von Eigenverantwortung aber nicht alle mit der gleichen Geschwindigkeit. Wenn es um Einschnitte in persönliche Besitzstände geht, hinken auch wir als Brandenburger Landtagsabgeordnete hinterher, insbesondere bezüglich ungerechtfertigter Privilegien bei der eigenen Altersversorgung. An dieser Stelle geht es um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit von Politik. Hier Schneckentempo vorzulegen können wir uns gerade in Brandenburg im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr leisten.

Die Balance zwischen beitragsfinanzierten allgemeinen Rentenbezügen auf der einen und den aus Steuergeldern finanzierten Altersbezügen von Abgeordneten auf der anderen Seite ist seit längerem massiv gestört. Die geltenden Regelungen zur Altersversorgung im Brandenburger Abgeordnetengesetz haben mit den Lebensumständen der Brandenburgerinnen und Brandenburger nichts mehr zu tun, schlimmer noch: Sie verletzen das Ansehen des Landtages und die Würde seiner Mitglieder.

Wenn wir gerade in diesen Tagen vielen Menschen erklären müssen, warum veränderte Rahmenbedingungen zu veränderten Rentenansprüchen in der Zukunft führen werden, dann passt es einfach nicht in die Zeit, dass Brandenburger Landtagsabgeordnete heute schon nach achtjähriger Parlamentszu

gehörigkeit einen Anspruch auf Altersversorgung in Höhe von 33 % der Entschädigung erwerben. Ein gesetzlich Versicherter kann für eine solch kurze Zeit trotz eigener Beiträge noch nicht einmal mit 15 % seines beitragspflichtigen Einkommens als Rentenanspruch rechnen.

Vor dem Hintergrund, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter demnächst sogar von 65 auf 67 Jahre angehoben werden soll, ist es des Weiteren geradezu paradox und unverständlich, dass sich ein Brandenburger Abgeordneter schon nach 18-jähriger Mitgliedschaft im Landtag ab Vollendung des 55. Lebensjahres mit 68 % der Entschädigung zur Ruhe setzen kann und nach 20 Jahren Landtagsmitgliedschaft mit 75 %.

Dies ist durchaus keine typische Regelung im Vergleich der 16 Bundesländer. Allen mit viel Geschick noch so plausibel begründeten Einwänden gegen eine Reform der Altersversorgung halte ich entgegen, dass es bei der von mir angeregten Debatte eben nicht um billigen Populismus oder um Sozialneid geht; nein, es geht um die allgemeine Anerkennung des Landtages in der Bevölkerung als ein gerechtes Gesetzgebungsorgan. Die Menschen haben ein Recht darauf, von ihren Volksvertretern vor und nicht erst nach der Landtagswahl zu erfahren, wo sie in dieser Frage stehen.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, das Thema auf morgen oder übermorgen zu vertagen. Es geht nicht darum, die unbestritten herausgehobene und verantwortungsvolle Stellung von Parlamentariern und deren materielle Entsprechung infrage zu stellen, nein, es geht darum, Regelungen, die fernab jeder Realität gelten, wieder ins Lot zu rücken und dadurch Reformfähigkeit der Politik grundsätzlich herzustellen.

Hierbei dürfen wir das wichtige Wort „angemessen“ nicht aus den Augen verlieren. Auch sollten wir die Debatte um den vorliegenden Gesetzentwurf nicht mit der bereits geführten Debatte um die Höhe der Diäten vermischen.

Reformen anpacken bedeutet, einen in der Sache konkreten Gesetzentwurf vorzulegen, der den Wählerinnen und Wählern zeigt, dass man es mit Veränderungen wirklich ernst meint und nicht nur belang- und folgenlos darüber reden will.

Der vorliegende PDS-Antrag wird diesem Anspruch nicht gerecht. Schnell mal einen oberflächlichen Antrag zur Wählerberuhigung aus der Schublade zu ziehen, der Landtag möge eine Novellierung des Abgeordnetengesetzes erörtern, ist keine Kunst, sondern Opium fürs Volk.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Der vorliegende PDS-Antrag in der Drucksache 3/6959 ist einschließlich Schreibfehler bis auf kleine Sprachänderungen mit dem Entschließungsantrag in der Drucksache 3/2477, der hier bereits am 1. März 2001 behandelt wurde, identisch. In Ermangelung neuer Ideen alte Anträge aufzuwärmen ist nicht gerade seriös, täuscht die Wähler über fehlende Initiativen und geht am Thema vorbei. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn sich die PDS-Fraktion heute hier im Einzelnen konkret zur Sache und nicht zu alten Hüten äußerte.

Ich schlage vor, meinen Gesetzentwurf in den Hauptausschuss zu überweisen und dort mit dem ernst gemeinten Ziel zu prüfen, ihn am Ende allein oder zusammen mit weiteren vernünfti

gen Vorschlägen noch vor der Landtagswahl im September zu einem positiven Ergebnis zu führen.

Für die SPD-Fraktion kann ich sagen, dass sie bereit ist, sich diesem Thema zu stellen, und bereits im aktiven Austausch mit anderen Bundesländern um neue Lösungen bemüht ist. Ich gebe abschließend die Frage zu bedenken, ob auch wir den Mut und die Kraft aufbringen, einen angemessenen eigenen Beitrag zu den anstehenden Reformen des Sozialstaates zu leisten.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Redebeitrages!

Die Frage ist keine Frage von Koalition oder Opposition, sondern eine Frage, die jeder von uns nach bestem Wissen und Gewissen für sich selbst und für seine Wählerinnen und Wähler beantworten muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Vietze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Frau Esther Schröder sehr dankbar dafür, dass sie mit ihrer Gesetzesinitiative einen Beitrag dazu geleistet hat, dass sich dieses hohe Haus noch einmal mit diesem Thema beschäftigt - solange es in seiner 3. Legislaturperiode noch existiert.

Ich finde, es ist ein alter Hut, wenn CDU- und SPD-Abgeordnete, die Deutschland im Europäischen Parlament vertreten, sehr enttäuscht sind, weil ihr Wunsch nach Erhöhung der Diäten der Abgeordneten des Europäischen Parlaments von 7 000 auf 9 000 Euro vom Kanzler nicht erfüllt wurde.

Es ist ein alter Hut, wenn CDU- und SPD-Abgeordnete für die Parlamentarier im Bundestag mehr Geld ab 1. April dieses Jahres beschließen. - Bei den Sachleistungen sind es ja „bloß“ 1 200 Euro, die man mehr beansprucht.

Es ist ein alter Hut, wenn CDU- und SPD-Bundestagsabgeordnete die Gesundheitsreform beschließen und sie überall - heute auch in besonderer Weise durch Herrn Kallenbach geschehen vertreten, wohl wissend, dass aufgrund der beihilferechtlichen Regelungen die höheren Beamten und die Bundestagsabgeordneten davon nur zum Teil betroffen sind.

(Zuruf von der SPD: Das ist ebenfalls Gesetzeslage!)

- Sie sind davon betroffen, aber es gibt ja eine ganze Reihe von Leuten - wir haben ja heute hier auch einen gehört -, für die das nicht zutrifft. Insofern bin ich der festen Überzeugung, dass es eine ganze Reihe von Personen gibt, die von den Regelungen, wie sie nun einmal sind und „alte Hüte“ genannt werden, profitieren.

Unter dem Gesichtspunkt gebe ich Frau Esther Schröder Recht: Es ist völlig logisch, wenn das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in Politik schwindet und man in hohem Maße unzufrieden ist.

Nun will ich freudvoll sagen, dass das, was wir vorgeschlagen haben - Frau Schröder, daran dürften Sie sich noch erinnern, weil Sie da noch Mitglied unserer Fraktion waren -, deshalb nicht in diesem Parlament diskutiert wurde, weil auch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion, der Sie jetzt angehören, daran kein Interesse hatten.

(Zurufe von der PDS: Hört, hört!)

Zu Ihrer Erinnerung will ich einfach noch einmal ansprechen, was machbar ist: Der wirtschaftliche Wert der Altersversorgung für einen Abgeordneten - ein Vorschlag zur Neuregelung durch den Bund der Steuerzahler -, in der 2. Legislaturperiode eingebracht, wurde zu diskutieren nicht für notwendig erachtet, dann eingebracht durch unseren Entschließungsantrag in der 3. Legislaturperiode und ebenfalls nicht für notwendig erachtet, ihn zu diskutieren. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass wir sogar den Überlegungen des Bundes der Steuerzahler entsprochen hätten.

Vorgeschlagen wird deshalb, die Abgeordneten ab der nächsten Legislaturperiode ebenso zu behandeln wie normale Arbeitnehmer, die für ihre Altersversorgung selbst sorgen. Dazu soll die Grundentschädigung um den Höchstbeitrag zur Rentenversicherung angehoben werden. Ob sich der Abgeordnete dann privat versichert, liegt in seiner Verantwortung.

Dazu haben wir gesagt: Ob wir das so machen, können wir noch nicht sagen, aber wir sollten darüber reden. Das hat noch nicht stattgefunden.

Dann gibt es einen Gesetzentwurf einer unabhängigen Sachverständigenkommission, sozusagen einer Kommission mit externem Sachverstand, die im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages getagt und auch Empfehlungen erarbeitet hat: für eine Diätenregelung, für die Abschaffung der Kostenpauschalen, für eine Neuregelung der Altersversorgung. Darüber wollten wir reden; das hatten wir mit unserem Antrag angeregt. Wir haben diese Anregung sogar zweimal wiederholt. Ich erinnere mich an die Äußerungen von Frau Blechinger: „Es ist nicht notwendig, dem Antrag der PDS die Zustimmung zu geben, weil wir das sowieso machen werden.“ Bloß, bisher haben wir es noch nicht geschafft.

Bei dem Landtag des Landes, von dem wir in der erfolgreichen Entwicklungsgeschichte unseres Landes doch immer so viel übernommen haben, beim Landtag Nordrhein-Westfalen, gibt es eine Kommission zu Fragen der Abgeordnetenentschädigung. Dort liegt das gleichfalls vor. Die sagen auch, man muss die Bezüge der Abgeordneten transparenter gestalten, man muss die Abgeordneten mit den übrigen Steuerbürgerinnen und Steuerbürgern gleich behandeln - das sagen die in NordrheinWestfalen! -, und sie schlagen deshalb vor, dass man die steuerfreien Pauschalen abschafft, die entsprechenden Anpassungsregelungen durchführt, die Altersversorgung abschafft und dafür die Diäten erhöht. Auch darüber wollten wir reden, zumindest haben wir das mehrmals beantragt. Daran hatten Sie kein Interesse. Der Präsident des Landtages hat dann an alle Fraktionsvorsitzenden geschrieben und wir hatten die Hoffnung, es passiert etwas. - Aber auch wieder nichts!

Als wir dann über das Fünfte Gesetz und zuletzt über das Sechste Gesetz - vielleicht erinnern Sie sich; es ist ein Vierteljahr her - zur Änderung des Abgeordnetengesetzes gesprochen haben, haben wir gesagt: Wir möchten gern, dass alles das, was vorliegt und was kein „alter Hut“ ist, Frau Dr. Esther Schröder, sondern was das gebündelte Expertenwissen und das gebündelte Wissen des Herrn von Arnim von der Verwaltungshochschule in Speyer ist und was alles Eingang in die Diskussion gefunden hat, beraten wird.

(Zurufe von der SPD)

Nun schlagen Sie vor - wir sind dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf überweisen -, dass wir darüber reden, dass der Abgeordnete, der jetzt nach fünf Jahren Anspruch auf Altersversorgung hat, bereits nach dem ersten Jahr einen Anspruch erhält.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, einen kleinen Moment noch; ich möchte erst meinen Gedanken zu Ende führen, Herr Präsident.

Es ist vorgesehen, dass das Lebensalter geändert wird, ab dem diese Leistung in Anspruch genommen werden kann.

Darüber sind wir sehr erfreut und darüber können wir sehr wohl reden. Wir möchten allerdings darauf aufmerksam machen, dass wir hiermit im Gegensatz zu den Empfehlungen der Experten die Sonderbehandlung der Abgeordneten - nur mit einem geringeren Sockel - fortführen würden. Die Empfehlung des Experten ist nämlich eine andere Form der Altersversorgung, eine andere Form der Diätenzahlung und eine andere Regelung in Bezug auf die Kostenpauschalen.

Deswegen haben wir unseren Antrag noch einmal eingebracht, ohne dass wir erwarten, dass er überall Freude auslösen wird. Wir haben ihn ja schon einmal begründet. Aber Fakt ist natürlich: Derjenige, der sich der Debatte bisher verweigert hat und der jetzt so viel Aufgeschlossenheit beim Antrag der Kollegin Esther Schröder und der SPD entwickelt, sollte mit unserer Unterstützung rechnen, wenn es darum geht, diese Diskussion im Parlament zu führen.

(Beifall bei der PDS)