Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

(Zuruf von der PDS: Sie müssen zuhören, was Sie gefragt werden! - Glocke des Präsidenten)

Also noch einmal: Es ist in bestimmten Zeitabständen immer wieder zu prüfen, ob die Asylvoraussetzungen überhaupt noch vorliegen. Die Zustände in den Heimatländern könnten sich mittlerweile geändert haben. Diktaturen kommen und vergehen. Wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. ist von den Bestimmungen des Asylrechts Gebrauch zu machen.

In den 80er Jahren haben sich noch alle Parteien des Deutschen Bundestages - mit Ausnahme der Grünen - für eine restriktive Ausländerpolitik ausgesprochen.

Frau Abgeordnete, lassen Sie noch eine Fra ge zu?

Bitte!

Frau Abgeordnete, können Sie vielleicht nachvollziehen, dass Ihr schnippischer Ton von Menschen, die ihr Land in einer schwierigen Situation verlassen haben und zum Teil in andere Erdteile gegangen sind, als eine Art Verhöhnung verstanden werden kann?

Ich möchte dazu sagen, es ist Ihre subjektive Auffassung, dass dieser Ton schnippisch ist.

Nach den ersten Wahlerfolgen der Deutschen Volksunion Anfang der 90er Jahre wurde sogar Artikel 16 a des Grundgesetzes verschärft und damit eine Forderung der DVU erfüllt.

(Widerspruch bei der CDU)

Wer aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreist, hat ohnehin keinen Anspruch auf Asyl.

Nun spricht die PDS in ihrer Begründung von traumatisierten, vergewaltigten und misshandelten Flüchtlingen. Wenn es Derartiges gegeben hat, so ist dies zutiefst menschenverachtend. Es muss aber festgehalten werden, dass in Deutschland wie überall auf der Welt Menschen täglich Opfer von Straftaten werden, die mitunter auch tiefgreifende seelische Folgen haben. Dennoch kann dies kein Grund dafür sein, einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu gewähren.

Wenn die PDS die minderjähri gen unbegleiteten Flüchtlinge anspricht, so muss man schon die Frage aufwerfen: Wie kommen Ausländer. die noch Kinder und Jugendliche sind, überhaupt nach Deutschland?

Auch die DVU-Fraktion ist der Auffassung, dass man das Asylproblem nicht allein mit dem Polizeirecht lösen kann. Eine politische Lösung ist vordringlich. Warum gibt die Bundesrepublik in der Europäischen Union aus politischer Schwäche immer wieder mit dem Ergebnis nach, dass sie von allen EUStaaten die meisten Ausländer aufnimmt?

Die DVU-Fraktion ist der Auffassung, dass der Beschluss der Konferenz der Innenminister und der -senatoren der Länder rückgängig gemacht werden sollte. Damit erübrigt sich auch der vorliegende PDS-Antrag. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Petke. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt nach den vorangegangenen Worten natürlich nicht leicht, zu dem Thema zu reden. Ich werde trotzdem versuchen, mich dem Thema sachlich zu nähern. Um es vorwe g zu sagen: Die CDU-Fraktion lehnt den Antrag der PDS ab. Die von der PDS gefordene Erweiterung der Härtefallregelung verstößt gegen den von Bund und Ländern gemeinsam ausgehandelten Beschluss der Innenministerkonferenz.

Für mich ist dieser Kompromiss als bindende Regelung für die Bundesländer zu verstehen. So wichtig der Föderalismus ist, so wichtig ist es auch, bestimmte Gesetze einheitlich auszuführen und vergleichbare Regelungen in sämtlichen Bundesländern zu gewährleisten. Die Änderung eines solchen Beschlusses auch nur durch ein einziges Bundesland führt den nach langjährigen Verhandlungen errungenen Kompromiss ad absurdum.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Am Ende, jetzt nicht. - Dass einzelne Bundesländer die eine oder andere Maßnahme und damit die Beschlüsse der IMK unterlaufen haben, kann für uns, kann für Brandenburg keine Begründung sein, Gleiches zu tun. Da zudem in absehbarer Zeit das Flüchtlings- und Zuwanderungsrecht auf europäischer Ebene neu geregelt werden wird, macht eine Änderung des IMK-Beschlusses zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn.

Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsatz der bestehenden Vereinbarung ist, dass Asylantragsteller, die aus wirtschaftlichen Gründen und nicht wegen drohender politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen haben und nach Deutschland kommen, keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erlan gen dürfen. Ein längerer Aufenthalt soll zudem nur dann möglich sein, wenn eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration bereits erfolgt ist.

Hiervon gibt es Ausnahmen in so genannten Härtefällen. Wann ein solcher Härtefall vorliegt, wird in dem IMK-Beschluss auch

abschließend aufgeführt. So wird beispielsweise von dem Erfordernis der Erwerbstätigkeit etwa dann eine Ausnahme gemacht, wenn einer allein erziehenden Mutter mit kleinen Kindern eine Arbeitsaufnahme nicht zuzumuten ist. Eine weitere außergewöhnliche Härte liegt dann vor, wenn eine in Deutschland geborene und aufgewachsene Person allein ins Land ihrer Staatsangehörigkeit abgeschoben werden soll. Eine besondere Härte liegt weiterhin vor, wenn jemand abgeschoben werden soll, der seine Ausbildung begonnen hat und kurz vor dem Abschluss dieser Ausbildung steht.

Meine Damen und Herren von der PDS! All dies können Sie in dem Bericht des Brandenburger Flüchtlingsrates nachlesen. Inwieweit dies jedoch mit dem Fall vergleichbar sein soll, in dem jemand vom Arbeitsamt aufgrund bestehender Regelungen keine Arbeitserlaubnis erhalten hat, also auch noch gar nicht in vergleichbarem Maß wirtschaftlich oder gesellschaftlich integriert sein kann, ist mir rätselhaft. Meine Damen und Herren, die bereits erfol gte Integration soll durch die Härtefallregelung honoriert werden, die bloße Möglichkeit der Integration hingegen nicht. Lediglich die Chance auf einen Job oder eine Wohnung sind noch keine zu schützenden Positionen. Bei den im zweiten Teil der Begründung des Antrages der PDS genannten Fällen handelt es sich also keineswegs um Härtefälle.

Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen: In dem Antrag der PDS geht es nicht um den Schutz von politisch Verfolgten oder anderweitig in ihrer Existenz bedrohten Menschen, sondern es sollen die so genannten Wirtschaftsflüchtlinge begünstigt werden, also gerade die Personengruppen, die nach dem Beschluss der IMK im Sinne der Härtefallregelung nicht schützenswert sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind damit bei der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, liberale Politik zu vertreten. Es hat mich überrascht, dass Sie sich jetzt zum Sachwalter des Liberalen machen. Ich komme darauf später in der politischen Diskussion noch einmal zurück. Wenn die PDS sagt, dass sie Sachwalter des Liberalen sei, dann haben wir eine neue, interessante Diskussion. die wir später hier gern führen können.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Ich habe eine Broschüre dazu geschrieben!)

Nach den Vorträgen von Herrn Dr. Kallenbach und Herrn Petke kann ich mich sehr kurz fassen. Ich möchte mich bei Herrn Dr. Kallenbach besonders dafür bedanken, dass er einmal die Rechtslage dargestellt hat, weil die Rechtslage manchmal sehr hilfreich ist, wenn man Sachverhalte diskutiert. Darum will ich einleitend sehr deutlich sagen, dass die Erweiterung der so genannten Altfallregelung nicht mit dem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 19.11.1999 vereinbar ist. Dieser Be

schluss sieht die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vor, wenn der Lebensunterhalt der Familie oder der allein stehenden Person am 19.11.1999 durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert ist.

Zu den Problem gruppen von traumatisierten, vergewaltigten oder misshandelten Flüchtlingen existieren andere Beschlüsse als die hier dargestellten. So werden zum Beispiel keine traumatisierten Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurückgeschickt. Es findet in jedem Fall eine Einzelfallprüfung statt. Dabei wird der medizinische Status berücksichtigt, dabei wird die Lebenssituation berücksichti gt. Ich möchte auch einmal sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde, die diese Arbeit leisten, sind doch keine Unmenschen. sondern verantwortungsvolle Mitbürger, die das menschliche Elend. die Not sehen und dann im Einzelfall entscheiden, wie vorzugehen ist. Ich möchte mich einmal bei denen bedanken, die diese Arbeit leisten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Darum lautet meine Bitte an Sie, jetzt nicht zu versuchen, einen Popanz aufzubauen. Die Mitarbeiter versuchen, nach bestem Wissen und Gewissen auf der Basis rechtlicher Regelun gen zu agieren. Es ist jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

Ich habe bereits beim letzten Mal darauf hingewiesen. dass es sich bei der so genannten Altfallregelung um einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Auffassungen und Interessen der einzelnen Bundesländer handelt. Der entscheidende Punkt aber, über den sich im Übrigen auch alle Bundesländer einig waren, besteht darin, dass damit kein allumfassendes Bleiberecht für den Großteil der Ausländer. die sich in Deutschland aufhalten und in Zeiten der Not hergekommen sind, gewährleistet werden soll. Wir haben diesem Kompromiss zugestimmt und wollen diese Regelung auch umsetzen.

Ich möchte noch einmal kurz in Erinnerung rufen, welche Personengruppen davon betroffen sind. In erster Linie sollen Asylbewerber begünstigt werden, die sich noch im laufenden Verfahren befinden - und dies seit langer Zeit. Zum Zweiten wird Asylbewerbern für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung gemäß den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes ausgestellt. Diese Erlaubnis wird, wie eben von Dr. Kallenbach dargestellt, regelmäßig mit der Auflage „Arbeitsaufnahme nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet" versehen. Für die gülti ge Arbeitserlaubnis ist das Arbeitsamt verantwortlich. Die Entscheidung muss unter Berücksichtigung der regionalen Bedingungen vom Arbeitsamt getroffen werden. Diesem Personenkreis wird also sehr wohl die Möglichkeit eingeräumt. auf ausländerrechtlicher Grundlage einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ob und wie das von den Arbeitsämtern umgesetzt wird_ hängt, wie gesagt, von der regionalen Situation ab.

Die Erteilung einer befristigen Aufenthaltsbefugnis, wie sie von Ihnen gefordert wird, um für den betroffenen Personenkreis die Möglichkeit zu schaffen, sich eine Arbeit zu suchen, ist nach den ausländerrechtlichen Vorschriften nicht möglich. Aber Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass es Bundesländer gibt, die hierfür eine Möglichkeit geschaffen haben.

Ich fasse zusammen. Wir sind der Auffassung, dass die Dul

dungen im All gemeinen die Möglichkeit beinhalten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, wenn das Arbeitsamt dies so entschieden hat. Damit wird dem Ausländer bereits die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet, wenn dies von den örtlichen Bedingungen her mö glich ist. Auf die Entscheidungspraxis der Arbeitsämter haben wir keinen Einfluss. Von daher gibt es keine Möglichkeit und auch keine Notwendigkeit, von dem Beschluss der Innenministerkonferenz abzuweichen und dem Vorschlag der PDS zu entsprechen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke auch. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die PDS-Fraktion beantragt die Überweisung dieses Antrages mit der Drucksachennummer 3/635 an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsantrag fol gt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 14:

Bericht der Landesregierung zur Zusammenarbeit von Brandenburg und Berlin zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Berlin/Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/640

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag des Vertreters der CDU-Fraktion. Herr Dr. Ehler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer vergleichenden Studie der OECD vom August letzten Jahres wurden die unterschiedlichen strukturpolitischen Pläne der so genannten Ziel- I -Re gionen von Wales in Großbritannien. Estoril in Portugal und der Region Berlin-Brandenburg in Deutschland ausgewertet.

Im gleichen Monat veröffentlichte eine renommierte asiatische Wirtschaftszeitung einen Bericht über potenzielle Wachstumsregionen in Europa. Ausführlich wurde insoweit über den Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg und die Entwicklungsachse Berlin - Warschau berichtet. Was haben diese beiden zufällig gleichzeitig erschienenen Artikel gemeinsam? Die Antwort lautet: Die internationalen Leser in Europa und in Asien nehmen die beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg im Kontext einer globalisierten Wirtschaft als eine Wirtschafts

region wahr. Auch die hier ansässi gen Unternehmen, zum Beispiel der weltweit größte Schienenfahrzeughersteller ADtranz. unterteilen längst nicht mehr nach den Grenzen zweier Bundesländer. Die Konzernzentrale des Unternehmens sitzt in Berlin, der weltweit größte Produktionsstandort befindet sich in Brandenburg.