Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

(Lachen bei der PDS - Zurufe von der PDS)

Herr Minister Reiche, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist und dass Sie die übrigen Minuten nicht unbedingt dafür nutzen müssen, den Zustand der PDS zu analysieren.

(Beifall bei der PDS - Prof. Dr. Bisky [PDS]: Das ist doch prima!)

Ich wünsche mir von Ihnen Verantwortlichkeit. Realitätsnähe und Augenmaß. Die Kitas in Brandenburg haben eine Zukunft vor sich, die PDS in Brandenburg hat, wenn sie nicht aufpasst, ihre Zukunft hinter sich.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Minister Reiche. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der PDS, an Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht.

Das Thema der Aktuellen Stunde war nicht der Zustand der PDS, sondern das Kindeswohl.

(Beifall bei der PDS)

Ich zitiere deshalb aus dem Beschluss der Landesregierung Brandenburg vom 7. Dezember 1999, laufende Nr. 40 der Kür

zungsvorhaben zum Kita-Gesetz. „Absenkung der Betreuungsstandards- lautet einer der Vorschläge der Landesregierung. So weit zu den Falschmeldungen der PDS-Fraktion.

Die Beruhigungspille, Herr Reiche, haben ja offensichtlich jetzt alle schlucken sollen. Ich möchte nur auf die Pressemitteilung der GEW verweisen, die zu dem Gesetzesvorschlag, von dem Sie meinten, er sei ein Kompromiss und alle schlimmen Sachen seien zurückgenommen, eindeutig sagt, dass sie diese Kürzungsvariante zurückweise. Die GEW hat diesen Kürzungsvorschlag als Mogelpackung bezeichnet.

(Beifall bei der PDS)

Ich frage mich daher: Von welchem Kompromiss reden Sie?

Der Kernpunkt ist: Die Gemeinden haben keine Alternative. Entweder halten sie das heutige Betreuungsan gebot mit den heutigen Zuschüssen oder sie müssen eigene Mittel draufpacken. Wenn es hier um Anreize für Kommunen zum Sparen geht, empfinde ich das als merkwürdiges Argument. Angesichts der Tatsache, dass der Großteil der brandenburgischen Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt nur durch völligen Verzicht auf freiwillige Leistungen zustande bekommen hat, muss man keine Prophetin sein, um die Entwicklun g abzusehen, wenn Sie die Kita-Zuschüsse kürzen.

Meine Damen und Herren, die Verantwortun g liegt nicht bei den Kommunen. wie Sie uns einreden wollen. Die Weichen werden hier mit einem Gesetzentwurf der Landesregierung und der SPD gestellt. Daran können wir uns nicht vorbeimogeln.

Wir sind nach wie vor der Meinun g - und die PDS-Fraktion wird Ihnen in der Haushaltsdebatte Vorschläge unterbreiten, wie die geplanten Einsparungen...

(Zurufe von der SPD)

- Wir haben doch noch keinen Haushalt! Nun legen Sie doch einmal einen vor!

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Politik in Zeiten knapper Kassen zuerst Maßnahmen der sozialen Stabilisierung ergreifen und danach den Haushalt sanieren muss. Das Beispiel Frankreich - wir haben ja heute über Ländergrenzen hinaus gesehen - belegt, dass wir in dieser Frage Recht haben. Dort ist so verfahren worden und dort steigen die Steuereinnahmen.

Meine Damen und Herren der SPD- und der CDU-Fraktion, gestatten Sie mir die Frage: Wenn Sie in Ihren Familien sparen, fangen Sie dann tatsächlich bei Ihren Kindern an oder nicht doch bei sich selbst?

(Widerspruch bei SPD und CDU)

In diesem Sinne kann ich die Position der PDS noch einmal hinzufügen und ich sehe das auch deutlich als Verantwortung der Oppositionsfraktion in diesem Landtag: Wir werden diesen Kürzungsvorschlägen gegen Brandenburger Kitas nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort geht jetzt an die Fraktion der SPD, an Frau Abgeordnete Redepenning.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Aufgeregtheit der PDS sehr gut verstehen. Mein ganzes Leben waren Kinder - mein Beruf ist Erzieherin und ich bedaure, dass sich der Landeshaushalt nicht in der finanziellen Lage befindet, viel mehr für Kinder und Familien zu tun.

Auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern immer noch erhebliche Unterschiede. Einer davon ist der bei uns höhere Bedarf an Kinderbetreuung. Das beruht darauf, dass bei uns die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Berufstätigkeit beider Elternteile all gemein selbstverständlich ist, während im Westen der Anteil derjenigen Frauen höher ist, die den ebenso ehrenwerten wie anstrengenden Beruf der Hausfrau wählen.

Zu den Unterschieden trä gt natürlich auch die immer noch sehr unterschiedliche Einkommenssituation der Familien in Ost und West bei. Jede Debatte um Kita-Betreuung muss diese Tatsache berücksichtigen.

Wie wichtig das Thema bei uns im Land ist, lässt sich an der hohen Zahl der Bürger bemessen, die ihre Besorgnis durch Proteste ausgedrückt haben. Dieser auch durch Fehlinformationen verstärkten öffentlichen Wahrnehmung setze ich aber entgegen: Die SPD-Fraktion wird keine Änderung zulassen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einschränkt.

(Beifall bei der SPD)

Die Notwendigkeit, unseren Haushalt zu konsolidieren, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben, ist sicher unumstritten. Wir sind gezwungen, Sparpläne aufzustellen und notwendige Einschränkungen in allen Ressorts vorzunehmen. Wenn sich dadurch Einsparmöglichkeiten ergeben, müssen auch neue Finanzierungsmodelle entwickelt werden. Allerdings muss hierbei die Qualität der staatlichen Fürsorgepflicht gewährleistet bleiben. Bei der Kinderbetreuung bedeutet das: Das Kindeswohl muss an erster Stelle stehen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das ist auch die Grundlage für die Forderung. welche die SPDFraktion mit ihrem gestrigen Beschluss an die Landesregierung richtet. Sie stellt verbindliche und detaillierte Ansprüche zu den Punkten Leistun gsverpflichtung gegenüber dem Bürger, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kindeswohl sowie die Bereiche Kommunen und Finanzierung.

Die für unsere Forderung notwendige Meinungsbildung gründet sich auf eine fraktionsinterne Anhörung mit vielen betroffenen Interessenvertretern. Ich habe die Sorge und Bedenken der Vortragenden in der Anhörung und in vielen Veranstaltungen im Land sehr wohl aufgenommen. Das sind nicht nur die Sorgen von Kommunalvertretern, sondern auch die Sorgen von Eltern.

von Frauen, von Familienverbänden sowie von Trägern der Kindereinrichtungen.

Die Eltern - bis auf wenige Ausnahmen - sind sich ihrer Aufgabe bei der Kinderbetreuung in unserem Land sehr bewusst und wählen die Einrichtun gen, in denen sich ihre Kinder wohl fühlen. Das wird auch weiterhin so bleiben.

Es darf nicht sein, dass Eltern und besonders Alleinerziehende, ein schlechtes Gewissen haben und glauben, in ihrem Beruf und als Eltern nur halb so gut zu sein. Auch Kinder von nicht berufstätigen Eltern werden weiterhin das Recht haben, in der Kita und im Hort mit Kindern zu spielen und zu lernen.

Frau Abgeordnete, würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Bei der Kita-Debatte, die erst am Anfang steht, sollten besonders Frauen darauf achten, dass hierbei nicht ein Stück Gleichberechtigung verloren geht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Schönen Dank, Frau Abgeordnete Redepenning. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der CDU. Frau Abgeordnete Marquardt, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs direkt zu Frau Kaiser-Nicht sprechen. Ihr Zitat aus „Der Kleine Prinz" - mit dem Herzen sehen und nicht mit dem Geldbeutel! - ist genau der Punkt, um den wir uns mühen. Wir reden von einer emotionalen und beziehungsvollen Erziehung. Genau dazu bedarf es aber einer besonderen, auch sinnlichen Wahrnehmungsentwicklung unserer Kinder. Das geschieht durch eine Bezugsperson in den ersten 18 Lebensmonaten.

(Bravo! bei der CDU - Beifall bei CDU und SPD)

Ihre euphorische und scheinbar wenig von der Sorge um das Kindeswohl und den Elternwillen getragene Aussage. die CDUFraktion würde ideologisch oder ideologiebetont mit dem Begriff des Kindeswohls umgehen, war doch wohl das Kernstück Ihrer Vorgängerpartei.

(Homeyer [CDU]: Richtig! - Beifall bei der CDU)

Der Weg kann doch nur

(Zurufe von der PDS)

wie vom Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Fritsch, gefordert - ein ideologiefreier. sachlicher und fachbetonter Umgang mit dieser Debatte sein.

(Widerspruch bei der PDS)

Wir verlassen uns auf die Aussagen und Wünsche verantwortungsbewusster Eltern und auf die Wissenschaft.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

Gerade diese stehen zur folgenden Aussage: So viel Kita wie nötig und nicht so viel wie möglich.