Meine Damen und Herren von der PDS! Sie vermischen in Ihrer Begründung verschiedene Problemkreise. Das kann man so nicht machen. Ich zitiere:
„Die soziale Polarisierung besonders in strukturschwachen Regionen... gefährdet die gesellschaftliche Stabilität. Sie zu erhalten ist Ziel des eingeforderten Programms."
Das ist falsch. Es geht nicht unmittelbar darum, etwas für die gesellschaftliche Stabilität zu tun, sondern für die Wohnun gsunternehmen. Die gesellschaftliche Stabilität wird durch leer
stehende Wohnungen nur dann gefährdet, wenn viele zusammenhängende Wohnungen leer stehen. Ein Wohnungsmangel. der bis weit in die 90er Jahre hinein bestand, wäre zumindest genauso gefährlich für die soziale Stabilität.
Sie ignorieren völlig die großen Fortschritte, die alle neuen Länder seit I990 gemacht haben. Wir haben keinen Wohnungsmangel mehr, ganz zu schweigen vom Standard_ den die meisten Wohnungen in den neuen Ländern jetzt bieten. Richtig ist: Wir haben strukturschwache Gebiete mit großen wirtschaftlichen Problemen, und das führt dann mittelbar zum Leerstand von Wohnungen und bringt manche Wohnungsgesellschaften in Schwierigkeiten.
Ihre Begründung enthält auch planwirtschaftliche Ansätze. Wenn Sie schreiben, es sei notwendig, den auf Dauer notwendigen Wohnungsbestand zu bestimmen, dann muss ich fragen: Wer bestimmt ihn denn - die Politik, die Wohnungsbau gesellschaften? Bestimmt wird der Wohnungsbestand doch durch die Nachfrage vor Ort, nicht dadurch, dass sich Fachleute zusammensetzen und Zahlen bestimmen. Natürlich brauchen wir Konzepte für Stadtentwicklung und Wohnungsbau, aber nicht im Sinne einer planwirtschaftlichen Bestimmune.
Meine Damen und Herren! Sie fordern ein Sonderprogramm für Wohnungsbaugesellschaften. Ich gebe zu: Hier gibt es Probleme, die wir angehen müssen. Aber Ihr vorliegender Antrag hat ein bisschen etwas von einem Füllhorn, das wir öffnen, ohne zu wissen, wie wir es Rillen sollen. Sie haben eine Wunschliste aufgestellt, ohne sich Gedanken über die Finanzierung zu machen. Ich greife eine Forderung heraus: die Gewährung zeitlich befristeter Zuschüsse für anfallende Betriebskosten bei leer stehenden Wohnungen. Ich glaube, es wäre kaum zu vermitteln, wenn wir Unternehmen Geld für Betriebskosten für leer stehende Wohnungen zahlen würden.
Auch der finanzielle Ausgleich von Verlusten der Wohnungsunternehmen geht sehr weit. Hier müsste man näher definieren_ was genau gemeint ist. Ein Verlustausgleich bringt ganz schnell die Gefahr mit sich, dass man nicht mehr die Notwendigkeit sieht, die Verluste zu reduzieren.
Abschließend möchte ich an den gemeinsamen Entschließungsantrag von SPD und CDU erinnern, den wir später behandeln werden. Wir unterstützen damit die Initiative der neuen Länder, die Altschuldenproblematik der Wohnungsbaugenossenschaften zu lösen, und zwar insbesondere in strukturschwachen Regionen. Wenn das umgesetzt wird, bedeutet es eine erhebliche finanzielle Entlastung für viele Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften. Damit wird der richtige Weg beschritten. Ihren Antrag lehnen wir deshalb ab. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Schrey. - Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Meyer, bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wamick! Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Broschüre „Wohnen zur Miete". herausgegeben vom MSWV - das ist mein Ministerium -, wo wir uns seit Jahren genau über diese Probleme fachlich auseinander setzen, und - das wird Sie überraschen - mit richtigen Zahlen. Das ist nämlich ganz wichtig.
Wir reden hier über einen Antrag der PDS-Fraktion, der sich und das habe selbst ich erkannt - auf den ersten Blick ganz vernünftig anhört. Aber wer in diesem Raum möchte denn sagen, dass er sich nicht Sorgen macht um einen strukturellen Leerstand? Und es ist ein struktureller Leerstand. Den besonders betroffenen Gemeinden und Wohnungsunternehmen wollen wir alle helfen. In diesem Ziel sind wir uns einig. Aber über das Wie - Sie haben es angedeutet - müssen wir uns wohl streiten.
Herr Dellmann, ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass Herr Wamick hier alles so schlecht gemacht hat. Ich glaube, es war im Prinzip ein verstecktes Lob, das er der Wohnungspolitik, die in Brandenburg in den letzten Jahren verfolgt wurde, zukommen lassen wollte. Er ist nur missverstanden worden.
Einig sind wir uns doch, dass wir als Land die Kosten allein nicht tragen können. Einig sind wir uns. dass die Kommunen, Gemeinden, Gesellschaften und Genossenschaften dazu allein auch nicht in der Lage sind. Herr Prof. Bisky, Sie hatten eine Zwischenbemerkung gemacht, auf die ich eingehen möchte. Der Wohnungsleerstand ist in der Tat - ich sage das ohne Vorwurf - eine Spätfolge der Standort- und Industriepolitik der fetzten 20, 30 Jahre. Denn bei Industrieansiedlun gen in der ehemaligen DDR ist die Wohnung dem Arbeitsplatz mit dem Faktor 0,6 hinterhergezogen. 10 000 Arbeitsplätze in Schwedt hatten zur Folge, dass im sozialen Wohnungsbau 6 000 Wohnungen gebaut worden sind. Das war auch in Ordnung. keine Schimpfe. Aber das heißt auch, dass mit dem Wegfall dieser Arbeitsplätze
jetzt automatisch diese Wohnsiedlungen zu einem Problem werden. Und das will ich nicht populistisch auswerten, sondern das will ich fachlich bekämpfen.
Wenn wir das in dieser Form sehen. sind wir uns darin einig, dass die wirtschaftsstrukturellen Probleme die Ursache dieser wohnungswirtschaftlichen Probleme sind. Hier ist in erster Linie der Bund als Rechtsnachfolger gefragt. Es ist so. dass sich die Bauminister der neuen Bundesländer darüber relativ einig sind. Es ist sogar so, dass der Bund seine Verantwortung nicht abstreitet. Deshalb ist es auch folgerichtig, dass die Leerstandskommission eingerichtet worden ist. Das begrüßen nicht nur Sie, das begrüßen auch wir, die wir es als Land Brandenburg - ich sage es ganz vorsichti g - mindestens gleichzeitig mit Ihnen gefordert haben. Wir haben diese Initiative bei den neuen Bundesländern tatsächlich auf den Weg gebracht.
Wohnungen gebaut worden. Das ist auf der einen Seite ein Erfolg. Auf der anderen Seite muss man sich über das Wie, Wo und Wie teuer unterhalten. Da ist es eben ein Unterschied, ob es Wohnungsbau freifinanziert mit Steuerabschreibung war oder ob es Wohnungsbau nach Förderrichtlinien des Landes Brandenburg war, wo wir klar finanzielle Limite gesetzt und klar gesagt haben, wo das Objekt entstehen soll. und wo wir in Abstimmung mit der Prioritätenliste der Kreise gehandelt haben.
Was Sie vorschlagen, sind Einzelmaßnahmen, die diskutiert werden müssen, bei denen aber die Gefahr besteht, dass sie wie Tropfen auf den heißen Stein wirkungslos verpuffen. Ich will Ihnen sagen - Sie wissen es aber auch -: Leerstand ist nicht gleich Leerstand! Deswegen brauchen wir Untersuchungen. Auf der einen Seite haben wir Schwedt, Guben und Eisenhüttenstadt. Hier will ich auch Rückbau- und Abrissmaßnahmen mit der städtebauplanerischen Unterstützung, aber auch mit konkreter finanzieller Unterstützung fördern. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Wittenberge. Ich sage Ihnen deutlich: Wittenberge ist ein ganz anderes Problem. In dieser Stadt gibt es das Phänomen, dass bei der Gesellschaft, die die Altbaubestände hat, 35 % Leerstand und bei der Genossenschaft, die die Neubaubestände hat, nur 4 % Leerstand herrschen. Das heißt, ich muss in das Wohngebiet der Gründerzeit hineingehen und dort den Bestand sanieren. Das braucht mehr Zeit. mehr Geld und städtebauliche Überlegungen.
Deswegen schlage ich das nicht über einen Leisten, sondern warte durchaus auch auf die Er gebnisse der Leerstandskommission. Deshalb werden wir aber unabhän gig davon dort, wo dringender Handlungsbedarf besteht, jetzt und sofort zukunftsorientiert handeln. Wir wollen zu städtebaulich und wohnungspolitisch akzeptablen Lösungen kommen.
Ich wollte damit nur deutlich machen, dass es keine Patentrezepte gibt und dass Schnellschüsse, wie sie der Antrag der PDS-Fraktion enthält, zu wenig bringen. Warten wir auf den Bericht der Leerstandskommission; arbeiten wir in der Zwischenzeit an dem, was wir unstrittig erkannt haben; warten wir darauf, was der Bund uns noch bietet - wir werden hier handeln und fordern - und lassen Sie uns zu einem Gesamtkonzept kommen! Ich bin auf die Diskussionen gespannt, die es dazu gibt. Ob der Antrag angenommen oder nicht angenommen wird - ich sage es ganz deutlich -, wird mein Handeln nicht beeinflussen, Ich werde weiter die Wohnungspolitik machen, die sich bisher in Brandenburg als erfolgreich erwiesen hat. - Schönen Dank.
Ich danke Herrn Minister Meyer. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Ta gesordnungspunkt angekommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/631. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Punkt und erteile der Fraktion der PDS, der Frau Abgeordneten Tack, das Wort.
Ehe Frau Tack am Rednerpult ist, möchte ich Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Damen des Frauenzentrums Potsdam. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Wochen im Chefsessel, und schon hatte Hartmut Mehdorn, der neue Vorstandsvorsitzende der Bahn AG. eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht: Herr Mehdorn konnte rechnen und stoppte den Transrapid weil er betriebswirtschaftlich für die Bahn nicht tragbar wäre. Das wissen wir alle. Das war die gute Nachricht und der kluge Schritt.
Die schlechte Nachricht ließ nicht lange auf sich warten. Weitere 70 000 Stellen sollen bis 2004 bundesweit bei der Bahn abgebaut werden. Um das zu untersetzen: Das bedeutet z. B.. dass die Bahn jeden vierten Lokführer für überflüssig hält und dass im Nahverkehrsbereich 13 500 weitere Stellen abgebaut werden sollen.
Angesichts des bereits erfolgten sehr drastischen Arbeitsplatzabbaus in den neunziger Jahren erscheinen uns Mehdorns Pläne, die Personalkosten abermals um jährlich 3,6 Milliarden DM zu senken, eher als ein Dolchstoß denn ein Rettungsanker für das „Zukunftsunternehmen" Bahn.
Die Zusammenführung der Bahn in Ost und West brachte betriebliche Umstrukturierungen sowie die Integration der östlichen Betriebsteile in die westlichen Organisationsformen. Personen-, Eil-, Schnell- oder D-Züge erhielten klingende Produktnamen wie Regional Bahn, Regional Express, lnterRegio,
InterCity und ICE. Inte grierte Taktfahrpläne sorgten mit abgestimmten Fahrzeiten der Züge für bessere Anschlüsse - weil wir ja auch immer für eine aus gewogene Information sind und die positiven wie negativen Faktoren bedienen wollen.
Dennoch: Diese Hochrüstung der Bahn führte zu massiver Abrüstung bei der Belegschaft. Von knapp einer halben Million Beschäftigten bei der Eisenbahn in Ost und West blieben nur rund 240 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner übrig. Nach der neuen Information heißt es: Ein Drittel aller bei der Bahn vorhandenen Stellen soll bis 2004 abgebaut werden.
Bisher ist es nicht gelungen, die Bahn am Verkehrsmarkt nennenswert besser zu stellen, ganz zu schweigen von der Einhaltung bzw. Verbesserung der Verkehrssicherheit, wie uns die nicht abreißen wollende Kette von Unfällen bei der Bahn zeigt.