Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

Bisher ist es nicht gelungen, die Bahn am Verkehrsmarkt nennenswert besser zu stellen, ganz zu schweigen von der Einhaltung bzw. Verbesserung der Verkehrssicherheit, wie uns die nicht abreißen wollende Kette von Unfällen bei der Bahn zeigt.

An dieser Stelle will ich sagen: Es ist vorgesehen, auch im Bereich Netz - beim Streckennetz und in Stellwerken - 27 000 Arbeitsplätze abzubauen.

Ob Bundeszuschüsse jährlich rund 20 Milliarden DM Bahnreform oder Gründung von zahlreichen Bahntochterunternehmen - das „Unternehmen Zukunft" zeigt Schwäche, was insbesondere daran deutlich wird dass in den vergangenen zehn Jahren die Transportleistungen im Güterverkehr halbiert worden sind, dass Streckenstilllegungen und Leistungsabbau im Flächennetz - insbesondere, was besonders schmerzlich ist, in den ländlichen Regionen - zu verzeichnen sind, all das verbunden mit massivem Fahrgastrückgang und der Konsequenz, dass letztlich immer mehr Menschen gezwungen sind aufs eigene Auto umzusteigen.

Nun - das will ich an dieser Stelle konstatieren - gibt es nicht einmal mehr einen Umweltminister in diesem Kabinett, der mindestens einmal pro Jahr im Parlament zu einer konzertierten Aktion gegen den zunehmenden Autoverkehr aufrief - wie es Matthias Platzeck noch sehr glaubhaft tat.

Mit dem vorliegenden Antra g fordert die PDS-Fraktion die Landesregierung auf, dem drohenden Stellenabbau bei der Deutschen Bahn AG und den angekündigten erneuten Reduzierungen im Regionalnetz der Bahn entgegenzutreten und ihr strategisches Konzept ,Zielneu 2000" zum Ausbau der Eisenbahn in Brandenburg durchzusetzen.

Die von der Bahn AG verfolgten Kürzungspläne würden neben dem Verlust des Bahnangebots auf Strecken des Regionalverkehrs auch zum Abbau von weiteren Arbeitsplätzen in der Region Berlin-Brandenburg führen. Die Landesregierung - das ist unsere Auffassung - soll deshalb mit Unterstützung des Landtages die bahnpolitische Interessenlage des Landes neu bestimmen und gegenüber dem Bund und insbesondere der Bahn AG deutlich als Besteller auftreten, die Position deutlich machen und durchsetzen.

Die PDS-Fraktion erneuert ihre Auffassung: Eine moderne, ökologische und insbesondere auch wirtschaftliche Bahnpolitik muss darauf gerichtet sein, Fahrgäste bei der Bahn zu halten und verloren gegangene Fahrgäste zurückzuholen. Deshalb müssen attraktive und vernetzte Angebote in allen Regionen des Landes gesichert und auch ausgebaut werden.

Wir meinen, dass die öffentliche Diskussion des Entwurfs der Novelle zum Nahverkehrsplan für den Schienenpersonennahverkehr im Land Brandenburg dazu dienen kann, die Konzeption des Landes nachdrücklich zu verdeutlichen, Herr Verkehrsminister. Das wäre ein Anliegen der Novelle des Nahverkehrsplans für den Schienenpersonennahverkehr. Wir sind auch der Auffassung - weil Sie das als Begründung möglicherweise gleich wieder anführen werden -. dass hier die Novelle des Regionalisierungsgesetzes des Bundes nicht zwingend erforderlich ist, sondern die Zielsetzung auch ohne diese Novelle des Bundes zum Regionalisierungsgesetz deutlich gemacht werden kann.

Deutsche Bahn AG und Bund sollen durch das Bekenntnis des Landes Brandenburg, zu dem wir Sie heute insbesondere mit diesen Anträgen noch einmal auffordern, endlich verbindliche Zusagen zu den in ihrer Baulast stehenden Investitionen im Schienennetz geben und sich auch zu den dazugehörigen Bahnhöfen positionieren, um ein eindeutiges Bekenntnis abzulegen und in erster Linie damit auch eine Arbeitsplatzsicherung zu verbinden.

..Brandenburg bleibt Bahnland" war von Ministerpräsident Stolpe jüngst zu vernehmen.

(Vogelsänger (SPD) : Richtig!)

Da treffen sich unsere Auffassungen. dass das eine richtige Aussage ist. Herr Vogelsänger. und wir fordern Sie auf: Sorgen Sie dann bitte dafür, dass die bahnpolitische Interessenlage des Landes Brandenburg bestimmt und auch gegenüber dem Bund und der Bahn AG durchgesetzt wird! Unsere Unterstützung dafür haben Sie. Das will ich noch einmal deutlich sagen. Wir möchten Sie ausdrücklich ermuntern: Tun Sie alles, damit die Aussage des Ministerpräsidenten „Brandenburg bleibt Bahnland" auch Bestand hat.

Kurz eine Begründung zu unserem zweiten Antrag. der in Verbindung mit dem ersten steht. Ich denke. hier ist eine Bringeschuld der Regierung gegenüber all den Kreisen einzufordern, die das Übernahmebegehren haben, die Trägerschaft im Schienenpersonennahverkehr dem Kreis zu übertragen. Da sind natürlich die Konditionen zu bestimmen. Ich denke, es ist ein Makel, dass das bisher noch nicht geschehen ist. Hier ist Klarheit zu schaffen für all diejenigen, die ein solches Übernahmebegehren haben. Ich sage ganz eindeutig: Wir sind keine Befürworter dieser Maßnahmen ausdrücklich, aber wenn es denn nicht anders geht - und nur in diesem Zusammenhang - sind die Konditionen für den Fall klarzustellen, dass Landkreise Trägeranwartschaften anmelden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an den Abgeordneten Vogelsänger, der für die SPD-Fraktion spracht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir ist heute die Möglichkeit gegeben, auf eines hinzuweisen: Es gibt kaum

ein vergleichbar erfolgreiches Projekt in der Region Brandenburg-Berlin wie die Bahnregionalisierung. - Das ganz deutlich zu Anfang.

Die Regionalexpresslinien sind zu einem Markenzeichen der Mark geworden und sind ein Standortfaktor. Städte wie Brandenburg (Havel), Rathenow oder Frankfurt (Oder) haben Fahrzeiten in die Berliner City, die mit denen von Gemeinden. die einen S-Bahnanschluss besitzen, vergleichbar sind.

Die Entwicklun g der Fahrgastzahlen gibt uns Recht - Frau Tack, da haben wir sicher andere Zahlen zur Verfügung -: Seit Jahren ein deutliches Plus - Brandenburg setzt auf die Schiene.

Die Erfolgsstory „Zielnetz 2000" wird weiter geschrieben. Dazu ist die Deutsche Bahn der wichtigste Partner. Nach derzeitigem Stand erhält die DB Regio im Jahre 2000 über 570 Millionen DM für die Erbringung von Verkehrsleistun gen. Hinzu kommen über 53 Millionen DM an die S-Bahn GmbH. Das sind alles Mittel der Steuerzahler, die wir für die Bahnnutzer so effektiv wie möglich einzusetzen haben. Das ist unsere verkehrspolitische Aufgabe.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Zur Erinnerung für die PDS zitiere ich § 1 Abs. 1 des Regionalisierungsgesetzes:

„Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerun g mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist Aufgabe der Daseinsvorsorge."

In Ihrem Antrag kommt der Nutzer sehr kurz. Das wundert schon. Unser Ziel muss es sein, noch mehr Nutzer auf die Bahn zu bringen. Das macht auch die Arbeitsplätze bei der Bahn sicher.

Es sei mir auch ein Ausblick auf den Fahrplan 2000/2001 gestattet. Hier gibt es noch weitere Verbesserungen. Die Städte Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) bekommen einen halbstündlichen Takt in Richtung Berlin. Am Wochenende gibt es gegen 2 Uhr auch einen Nachtzug beim RE 1. Berlin soll auch für Brandenburg 24 Stunden geöffnet sein. Außerdem werden Wriezen, die Hauptstadt des Oderbruchs, und Bad Freienwalde endlich besser an Berlin angebunden. Sie sehen, unser Regionalbahnsystem wird noch besser. Die Bahn ist dem Individualverkehr dann überlegen. wenn schnelle und direkte Verbindungen angeboten werden können. Dazu bedarf es erheblicher Investitionen.

Auch im Bereich der Schieneninfrastruktur haben wir ein schweres Erbe angetreten. Bei der Eisenbahnlinie nach Neuruppin reichte es noch nicht einmal zum Schotterbett; die Schienen lagen im Kiesbett. Trotz aller planungstechnischen Schwierigkeiten sind wir dabei, hier Verbesserungen zu schaffen.

Weiterhin wird der SPNV-Plan, der die Investitionen festlegt, planmäßig fortgeschrieben. Insofern ist der PDS-Antrag in diesem Punkt völlig überflüssig.

Dasselbe trifft auf Ihren Antrag „Konditionen für die Übertragung der Trägerschaft für den Schienenpersonennah

verkehr" zu, den wir gemeinsam zu behandeln haben. Zum einen ist mir kein Antrag von einem kommunalen Aufgabenträger bekannt, zum anderen haben wir die Möglichkeit, wenn dieser vorliegen sollte, dies auch im Fachausschuss zu begleiten. Die Konditionen müssen dann ohnehin am re gionalen Beispiel ausgehandelt werden. Dabei würde für uns wiederum der Nutzer des ÖPNV im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen. Dies bleibt auch zentraler Punkt unserer Politik.

Herr Ab geordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte sehr, Herr.Ab geordneter Domres!

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass es in der Prignitz zwei Strecken gibt. die eventuell in kreisliche Trägerschaft übernommen werden sollen, und das Ministerium auf meine Anfrage bisher nicht sagen konnte, zu welchen Konditionen der Landkreis die Strecken übernehmen könne?

Das Begehren aus der Prignitz ist durchaus schon einmal angesprochen worden; es liegt aber noch kein Antrag beim Ministerium vor, zumindest ist mir ein solcher nicht bekannt.

Wenn dieser Antrag vorliegt, so haben wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Verkehrsbedienung in der Prignitz aufrechterhalten werden kann. Wiederum muss der Nutzer dabei im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die Konditionen müssen so ausgehandelt werden, dass sie sich am konkreten Fall orientieren. Das habe ich bereits in meiner Rede verdeutlicht.

Schönen Dank, Herr Abgeordneter Vogelsänger. - Herr Domres, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie eine Frage zur Antwort auf eine von Ihnen bereits formulierte Frage nicht stellen dürfen. sondern bestenfalls zum Redebeitrag.

Sie erkennen auch an diesem Punkt, dass der Nutzer des ÖPNV bei unserer Politik im Mittelpunkt steht. Die Anträge der PDSFraktion sind dazu kontraproduktiv und werden von der Koalition abgelehnt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Vogelsänger. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Firneburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Personalabbau bei der Deutschen Bahn schreitet zü gig voran. 70 000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Ich möchte von dieser Stelle aus für die Deutsche Volksunion Fol gendes feststellen: Wir brauchen auch

zukünftig die Eisenbahn zur Entlastung des Straßenverkehrs, aber auch aus ökologischen Gründen. Deshalb wehren wir uns auch ganz entschieden gegen weitere Streckenstilllegungen.

Die politischen Weichen für groß angelegte Streckenstilllegungen wurden Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre in der alten Bundesrepublik gestellt. Die damaligen Bundesregierungen unter Kiesinger und Brandt standen unter dem Einfluss einer Lobby der Spediteure. Im Bundestag gab es eine breite Lobby. die dafür eintrat, die Transporte auf die Straßen zu verlegen.

(Schulze [SPD]: Eine Verschwörung!)

- So ist es.

(Lachen und Beifall bei SPD und PDS)

Angeblich sollte dann alles viel billiger und schneller vonstatten gehen. Die Modernisierung der Bahn wurde auf das Sträflichste vernachlässigt. Für die Bahn gab es keine private Lobby, denn sie war Staatsbetrieb. Auch wenn es die Altparteien nicht gern hören, so bleibt doch festzuhalten, dass die Lobbyisten im Deutschen Bundestag oft mehr zu sagen haben als breite Volksschichten. Die Verquickung von politischen Mandaten, Beraterverträgen für die Industrie sowie Aufsichtsratsmandaten leistet dem noch Vorschub.

Das Anliegen der PDS in Sachen Schienenpersonennahverkehr ist im Grunde richtig und auch schon längst von der DVU politisch aufgegriffen worden.

(Lachen bei SPD und PDS)

Aber ich sage Ihnen, dass unter dieser Landesregierung, aber vor allem unter dieser Bundesregierung, weitere Streckenstilllegungen erfolgen werden.

Warum hat sich die DVU-Fraktion für den Transrapid ausgesprochen? Weil wir damit auch ein technologisches Zeichen setzen wollten. Wenn der Schienenpersonennahverkehr für die Bürger attraktiv sein soll, dann muss er dem Auto und der Straße überlegen sein. Sehen Sie sich doch die Bahn an: Auf weiten Strecken sind die Züge veraltet. Das betreuende Personal wird abgebaut und überall sehen wir diese Graffiti-Schmierereien.

(Lachen bei SPD und PDS)

Ich möchte einige Worte zur Geschichte der Bahn sagen, um ihre Bedeutung hervorzuheben. Als die erste Eisenbahn in Deutschland- es war die Ludwigsbahn - am 7. Dezember 1835 von Nürnberg nach Fürth

(Schulze [SPD]: Ja, die wollen wir wiederhaben!)