Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

Beide Demonstrationen waren nach dem Grundgesetz zu schützen. Von daher ging es um die Frage, wie dies unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes polizeilicher Mittel gewährleistet werden kann. Die polizeiliche Einsatzkonzeption war gerade gegenüber der angemeldeten Gegendemonstration grundsätzlich auf Deeskalation und eine hohe Einschreitschwelle ausgerichtet. Ebenso war ein konsequentes Einschreiten bei Störungen vorgesehen.

Im Rahmen des polizeilichen Gesamteinsatzes kam es nach unseren Erkenntnissen und Befragungen der Polizei nicht - wie Sie gesagt haben - zu Übergriffen der Polizei auf friedlich protestierende Gegendemonstranten. Ich komme zum Schluss noch einmal dazu, Frau Konzack.

Gegen gewaltfrei demonstrierende Personen, die sich nur mit kommunikativen Mitteln in Form von Sprechchören äußerten, wurden in Umsetzung der polizeilichen Einsatzkonzeption keine Zwangsmaßnahmen ergriffen. Ursächlich für den erforderlichen und angemessenen Einsatz waren die massiven und rechtswidrigen Aktionen der Störer, die den eindeutigen und

rechtmäßigen Verfügungen der Polizei nicht Folge leisteten und damit die Teilnehmer der angemeldeten Versammlungen bei der Ausübung ihres Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz behinderten.

Die Polizei hat die ihr per Gesetz übertragene Aufgabe erfüllt, die angemeldeten und nicht verbotenen Versammlungen und damit sowohl die Demonstration des Rechtsextremisten und Neonazis Worch als auch die Gegendemonstration des Aktionsbündnisses „Cottbusser Aufbruch“ vor Störungen zu schützen. Der vom Grundgesetz garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit endet jedoch dort, wo es nicht um die wenn auch kritisch zu sehende - Teilnahme, sondern allein um die Verhinderung einer zugelassenen Versammlung geht. Ziel der Personen, gegen die rechtmäßig polizeiliche Maßnahmen getroffen wurden, war gerade die Verhinderung des - genehmigten - Aufzuges von Herrn Worch. Das war für die Polizei die schwierige Lage. Dies ließ sich im Vorfeld sowohl Internetveröffentlichungen als auch dem Verhalten und Äußerungen während des Einsatzes zweifelsfrei entnehmen. Zur Störung der genehmigten Versammlung - und damit zum Verlauf des Einsatzes - gehörte unter anderem, dass die Wegstrecke der von Herrn Worch angemeldeten Versammlung blockiert wurde. Polizeilichen Aufforderungen, die Wegstrecke freizumachen, wurde nicht Folge geleistet.

Während der Zwischenkundgebung am Breitscheidplatz kam es aus einer Menschenmenge heraus zu Flaschen- und Steinwürfen in Richtung Polizeikräfte. In diesem Zusammenhang musste von der Polizei mehrfach der Einsatz des Wasserwerfers angedroht werden. Einmal wurde zur Unterstützung dieser Androhung - jedoch nicht unmittelbar gegen die Versammlung gerichtet - Wassernebel versprüht.

Von der Polizei wurde in der Folge eine Reihe von Strafanzeigen gegen die Störer gefertigt, unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzungsdelikten zum Nachteil von Polizeibeamten oder Mitführung von gefährlichen Gegenständen. Es wurden Ketten, Dornengürtel und vorbereitete Molotowcocktails sichergestellt. Zwölf Personen wurden in polizeilichen Gewahrsam genommen.

Im Ergebnis stelle ich fest, dass die eingesetzten Polizeikräfte durch ihr professionelles Handeln dafür Sorge getragen haben, dass es nicht zu Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern des Aufzuges von Herrn Worch und der angemeldeten Gegenkundgebung oder anderen Personengruppen gekommen ist.

Die Polizei hat in Umsetzung der Einsatzkonzeption auf rechtswidrige Aktionen angemessen und verhältnismäßig reagiert. Bisher liegen im Zusammenhang mit dem Einsatz auch keine Strafanzeigen gegen Polizeibeamte vor.

Ich möchte ergänzend darauf hinweisen, dass, sofern Grundrechte Dritter nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, allein der Versammlungsleiter entscheidet, wann er eine angemeldete Versammlung eröffnet. Die Polizei hatte in dem konkreten Fall, den Sie angesprochen haben, Frau Konzack, keine rechtliche Möglichkeit, durch Auflagen auf den rechtzeitigen Beginn der Demonstration von Herrn Worch einzuwirken. Nach Bewertung des Polizeiführers drohte durch die zeitliche Verschiebung keine Kollision mit Grundrechten Dritter oder eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Ich biete Ihnen ausdrücklich an, Frau Konzack, dass wir ein Gespräch über diese Frage führen, weil mir daran liegt, dass dieses Problem bzw. die offenen Fragen völlig widerspruchsfrei geklärt werden. An diesem Gespräch sollten Sie, die Polizeipräsidentin Schreiber sowie der Schutzbereichsleiter oder der Polizeiführer des Einsatzes teilnehmen. Nach allem, was ich bisher ermitteln und feststellen konnte bzw. was mir berichtet wurde, kann ich den von Ihnen erhobenen Vorwurf, dass sich der Polizeidienst Übergriffe auf friedlich protestierende Gegendemonstrationen zuschulden kommen lassen hat, nicht akzeptieren. Ich möchte Sie darum bitten, noch einmal mit uns darüber zu sprechen, um diesen Vorwurf auszuräumen oder entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Frau Konzack hat eine Frage. Bitte.

Herr Minister, können Sie sich vorstellen, dass wir nicht zu den Steinewerfern gehört haben und trotzdem in einer Situation, in der nichts darauf hinwies, dass wir es zu einer Eskalation kommen lassen wollen, unangemessen hart attackiert wurden?

Frau Konzack, zunächst: Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Sie mit Steinen werfen, höchstens früher vielleicht als Mädchen am Teich, wenn die Steine über das Wasser titschten. Ansonsten kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen; das ist auch nicht unterstellt worden.

Ich habe deswegen das Gespräch angeboten, weil ich glaube, dass es wichtig ist, festzustellen, wie die Wahrnehmungen sind. Wenn die Polizei mit Flaschen usw. beworfen wird, ist die Frage, wie man selektieren und feststellen kann, woher das kommt. Ich weiß es nicht, denn ich war nicht dabei. Deshalb muss ich mich auf das verlassen, was meine Mitarbeiter festgestellt haben. Ich biete Ihnen ausdrücklich an, dieses Thema noch einmal nachzubearbeiten, um Ihnen die Unsicherheit bzw. die Vermutung zu nehmen, wir hätten unverhältnismäßige Mittel eingesetzt.

Dem muss ich aber hinzufügen: Eine solche Situation von Demonstration und Gegendemonstration - die eine Demonstration ist genehmigt worden - finden wir auch nicht gut, dies ist jedoch von der Versammlungsfreiheit laut Grundgesetz gedeckt. Deshalb müssen wir solche Demonstrationen schützen. Für die Polizei wird es schwierig, wenn sie dann dazwischen gerät und eine rechtsextremistische Demonstration schützen muss. Solche Situationen wollen wir vermeiden, aber es gelingt nicht immer.

Herr Abgeordneter Hammer, bitte.

Herr Minister, auch ich war Zeuge dieser Demonstration und habe zum Beispiel die hilflose Situation der Räumung einer Kreuzung erlebt. Kann es sein, dass die Situation durch polizeiliche Fehler zusätzlich eskalierte?

Ich habe eben dargestellt, wie wir das überprüft haben. Nun weiß ich nicht, was Sie unter einer „hilflosen Situation“ verstehen. Offensichtlich hat es keine hilflose Situation gegeben, denn das, was Sie beschrieben haben, ist ja nicht eingetreten. Ich weiß nicht, Herr Hammer, ob sich dem laienhaften Blick erschließt, was die Polizei in solchen Situationen tut. Ich biete Ihnen an, einmal festzustellen, ob wir unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Sachverhalts haben. Ich habe keinen Zweifel an der Darstellung, die mir die Polizei gegeben hat, um es ganz klar zu sagen.

Herr Freese, bitte.

Herr Minister, ich hoffe, Sie haben auch keinen Zweifel an der Wahrnehmung von demokratisch gewählten Abgeordneten.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD)

Nun zu meinen Fragen: Können Sie mir erstens erklären, wie Strafanzeigen gegen Polizisten erfolgen können, wenn diese sich auf Befragen weigern, ihre Identität preiszugeben?

Eine zweite Frage: Kann ich damit rechnen, da ich mich als Zeuge zur Verfügung gestellt habe, noch einmal zur Verhaftung von zwei jungen Leuten, die mit brachialer Gewalt von der Polizei aus der Menge herausgerissen worden sind, befragt zu werden?

Herr Abgeordneter Freese, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie als frei gewählter Abgeordneter dieses und jenes sagen können. Aber wenn Sie sagen, die Polizei habe brachiale Gewalt angewendet, dann höre ich Knochen brechen.

(Frau Konzack [SPD]: Das war so!)

Ich möchte einfach darum bitten, sich zu überlegen, wie wir über unsere Polizei reden.

(Beifall bei der CDU)

Sollte es Einzelfälle und Übergriffe gegeben haben, gehen wir dem nach.

Zu Ihrer ersten Frage; die zweite hängt damit zusammen: Wenn Sie sagen, Sie wollen gegen diesen oder jenen Anzeige erstatten, dann können Sie beim Polizeiführer des Einsatzes Anzeige erstatten. Dieser Anzeige wird nachgegangen und Sie erhalten eine Antwort.

(Freese [SPD]: Ich hätte gern den Namen des Polizeibe- amten gewusst. Ich habe ihn mehrfach gefragt. Er hat sich geweigert, den Namen zu nennen.)

- Sie können doch Ort und Uhrzeit nennen und dann muss dem nachgegangen werden. Damit das ganz klar ist: Bei einigen Demonstrationen lege ich allergrößten Wert darauf, dass die

Namen nicht bekannt gegeben werden. Es ist bei Demonstrationen, die wir in anderem Zusammenhang erlebt haben, eine Menge vorgefallen.

Darum ist diese Abwägung schwer. Herr Abgeordneter Freese, wenn Ihnen wirklich daran gelegen ist, die Sache aufzuklären, dann stellen Sie bitte die Punkte, die Sie vorzubringen haben, dar, und ich werde sicherstellen, dass dem nachgegangen wird. Sie werden eine Antwort bekommen. Wenn Sie es für notwendig halten, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, tun Sie dies bitte.

Ihnen, Frau Konzack, biete ich ausdrücklich ein Gespräch an. Sie müssten vorab genau sagen, worum es Ihnen geht. Ich werde den Einsatzleiter und den Leiter des Schutzbereichs hinzubitten. Dann können wir darüber sprechen. Ich möchte den Sachverhalt auch aufgeklärt haben, muss mich aber gegen den Vorwurf der Anwendung brachialer Gewalt wehren, weil das nicht akzeptabel ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Neumann, der nun Gelegenheit erhält, seine Frage 1944 (Folgen der Einnahmeausfälle bei der LKW-Maut) zu formulieren.

Am 6. November vergangenen Jahres informierte der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr im Landtag über eine Stellungnahme der Bundesregierung zur LKW-Maut. Damals hat der Bund erklärt, dass die Verzögerungen bei der Erhebung der LKW-Maut zu keinen Kürzungen bezüglich der Infrastrukturmaßnahmen führen dürfen. Nach den Entwicklungen der letzten Zeit müssen wir jedoch davon ausgehen, dass mit Einnahmen aus der LKW-Maut frühestens im III. Quartal 2004 bzw. Anfang nächsten Jahres, also mindestens ein Jahr später, zu rechnen ist.

In der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom vergangenen Jahr hat der Leiter des Brandenburgischen Straßenbauamtes in Kyritz deshalb die Befürchtung geäußert, dass sich Straßenbauprojekte aufgrund der Ausfälle teilweise um Jahre verzögern könnten.

Ich frage die Landesregierung: Welche aktuellen Erkenntnisse hat sie über die Auswirkungen der Einnahmeausfälle bei der LKW-Maut auf die Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen in Brandenburg?

Herr Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und von Verkehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Neumann, der Landesregierung liegen derzeit keine aktuellen Erkenntnisse darüber vor, welche Auswirkungen die Einnahmeausfälle bei der LKW-Maut auf die Realisie

rung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in Brandenburg haben werden.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen erteilt über den Umfang möglicher Kürzungen im Bundeshaushalt derzeit keine Auskünfte. Es verweist auf die noch laufenden abschließenden Beratungen vor Verabschiedung des Bundeshaushalts. Mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts wird Mitte Februar 2004 gerechnet.

Aufgrund von Presseinformationen - Sie nahmen ja darauf Bezug - kann vermutet werden, dass der Kürzungsbetrag im Bereich der Schieneninfrastruktur bundesweit mehrere Hundert Millionen Euro beträgt. Ähnlich dürfte sich die Größenordnung im Bereich der Fernstraßeninfrastruktur darstellen. Ich habe seit meinem Amtsantritt in mehreren Initiativen, Erklärungen sowie Briefen an Brandenburger Bundestagsabgeordnete darauf hingewiesen, dass wir nach wie vor davon ausgehen, dass eventuelle Kürzungen keine Auswirkungen auf Baumaßnahmen in Brandenburg haben werden. Ich muss aber nach den derzeitigen Entwicklungen davon ausgehen, dass wir auch damit rechnen müssen, dass Bauprojekte verschoben werden müssen.

Ich setze jedoch voraus, dass wir alle - das sollten auch die Initiativen und Briefe bewirken - diese Kürzungen so gering wie möglich halten, und gehe konkret davon aus, dass die Ortsumgehungen Belzig, Passow und Rathenow gebaut werden. Ich werde Sie informieren, wenn uns aktuelle Erkenntnisse vorliegen.

Es gibt noch Klärungsbedarf.

Herr Minister, ich habe eine Nachfrage. Wie bewerten Sie die Pressemeldung vom gestrigen Tag, in der steht, dass alle Straßenbaumaßnahmen durchgeführt werden sollen, also keine Kürzungen vorgesehen seien, jedoch vor allem bei der Bahn speziell bezüglich der Flughafenerschließung - Streichungen stattfinden sollen?

Wir haben die Presseerklärung, dass es nicht zu Verschiebungen oder zur Streichung von Baumaßnahmen im Straßenbau kommt, natürlich positiv aufgenommen.

Die zweite Frage ist, inwieweit Maßnahmen im investiven Bereich auf der Schiene auch entsprechend dem Beschluss im Vermittlungsausschuss - dort wurden auch Kürzungen beschlossen, wie wir ja wissen - noch zu eventuellen Auswirkungen aus den Nichteinnahmen der Maut addiert werden müssen.

Wir werden in dieser Woche ein Gespräch mit der DB AG führen und dabei auch die Frage stellen, welche konkreten Auswirkungen dies auf Brandenburg haben wird. Unsere prioritären Maßnahmen sind bekannt: die Strecken Berlin - Rostock, Berlin - Frankfurt und andere. Ich gehe davon aus, dass es hier nur Verschiebungen im investiven Bereich geben wird.