Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

(Gelächter)

Ich bitte nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen. Wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt, die Drucksache 3/6952 an den Hauptausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 3/6952. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe die Beratung des Tagesordnungspunktes 12.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBI. I S. 3427), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern vom 19.12.2000 (BGBl. I S. 1756)

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/6953

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

(Frau Siebke [SPD]: Schon wieder!)

- Ja, mich werden Sie so schnell nicht los!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegen die heutige Jugendkriminalität hilft nur noch eine Politik der eisernen Hand. Unumstritten ist, dass eine schnelle strafrechtliche Sanktion rechtswidrigen Verhaltens sowohl individual- als auch generalpräventiv wünschenswert ist. Die schnelle Verurteilung eines Täters wird von diesem intensiver verinnerlicht und von der Öffentlichkeit begrüßt. Im Jugendstrafrecht gilt dieser Grundsatz umso mehr.

Wenn strafpolitisch das beschleunigte Verfahren für Jugendliche gefordert wird, ist es Aufgabe der Legislative, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und die Justiz entsprechend leistungsfähig zu machen. Mit der in unserem Antrag geforderten Änderung des § 39 JGG ist ohne Zweifel auch eine Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens zu erreichen - ohne dass wichtige Verfahrensbeteiligte aus dem Verfahren gedrängt werden. Damit liegt jedenfalls kein Eingriff in das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes vor, da sich durch unseren Antrag der Verfahrensgang im Jugendgerichtsprozess nach geltendem Recht auch nicht erschwert.

Im Zuge der derzeitigen Diskussion zur beabsichtigten Änderung des Jugendgerichtsgesetzes wird indes auch von vielen Praktikern - das heißt Jugendrichtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern - die von uns beantragte Änderung verlangt. Eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit des Jugendrichters im Sinne einer Ausweitung seiner Zuständigkeit wird im besonderen Interesse einer schnellen Verfahrensdurchführung in breiter Mehrheit für erforderlich gehalten.

Nach derzeitiger Rechtslage wird Anklage vom Jugendrichter nur erhoben, wenn lediglich Erziehungsmaßregelung, Zuchtmittel, unzulässige Nebenstrafen oder lediglich die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Heranwachsenden zu erwarten sind. Deswegen ist eine Anklageerhebung vor dem Jugendrichter verwehrt, wenn Jugendstrafe mit oder ohne Bewährungsaussetzung, die Verhängung der Jugendstrafe gemäß § 27 JGG oder eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen. Das hat zur Folge, dass letztlich die Prognoseentscheidung in das Ermessen des Jugendstaatsanwaltes gelegt wird, der natürlich - das ist regelmäßig so - bei ernsthaften Zweifeln über die Rechtsfolgeerwartung die Anklage an das Jugendschöffengericht weiterleiten wird. Dies ist insbesondere dann zur Regel geworden, wenn bereits in früheren Strafsachen auf Jugendstrafe erkannt wurde.

Da gemäß § 31 Abs. 2 JGG bei noch nicht vollständig verbüßten oder sonst erledigten Sanktionen oder Jugendstrafen unter Einbeziehung des Urteils regelmäßig nur einheitlich auf Jugendstrafe erkannt werden soll, hat dies in der Konsequenz eine erhebliche Belastung der Jugendschöffengerichte zur Folge. Insoweit, meine Damen und Herren, wirkt sich auch § 31 Abs. 3 JGG, nämlich das Absehen von der Einbeziehung, auf die Auswahl des angerufenen Gerichts nicht aus, da die Erweiterung der Rechtsfolgenkompetenz des Jugendrichters nach Eröffnung des Hauptverfahrens insoweit - dies übrigens überwiegend aus prozessökonomischen Gründen - erst in einem weiteren Verfahrensstadium gesetzlich zulässig ist.

Die Kompetenzeinschränkung des Jugendrichters nach geltendem Recht bewirkt in der Praxis, dass niederschwellige Kriminalität, wie Diebstahlshandlungen oder Erschleichen von Leistungen, insbesondere bei Bewährungsversagen immer nur zur Anklageerhebung vor dem Jugendschöffengericht führt.

Dies läuft aber gerade dem im Jugendstrafrecht besonders zu beachtenden Beschleunigungsgebot entgegen; denn unbestritten ist, dass das Verfahren vor dem Jugendrichter schneller durchgeführt wird und die jugendlichen Delinquenten zügiger der Bestrafung zugeführt werden können - mit den entsprechenden generalpräventiven Effekten.

Wir als DVU-Fraktion, meine Damen und Herren, setzen uns für eine Stärkung der Gerichte, für eine Effektuierung der Verfahren ein und stellen uns mithin auf die Seite unserer Richterinnen und Richter, deren Pensen immer höher werden, was letztlich zulasten der Rechtssicherheit der Bürger geht. Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Erst einmal vielen Dank.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe für die Koalitionsfraktion dem Abgeordneten Homeyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erneut versucht die DVU, mit ihrem Antrag eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, mit der sich Brandenburg der Lächerlichkeit preisgäbe. Es zeigt deutlich, dass der Antragsteller weder Sinn und Zweck des Jugendgerichtsgesetzes verstanden hat noch einschlägige Statistiken bei der Erarbeitung des Antrages heranzog.

Bereits die Behauptung, dass das Jugendschöffengericht durch eine immense Zunahme von Verfahren überlastet sei, ist falsch. Die Zahl der Verfahren blieb im vergangenen Jahrzehnt annähernd gleich. Auch ist kein Ungleichgewicht bei der Verteilung der Belastung zwischen Jugendrichtern und Jugendschöffengerichten festzustellen.

Die antragstellende Fraktion verkennt auch die Aufgaben des Jugendrichters, dem sie zusätzliche Verfahren übertragen will. Jugendrichter sprechen nämlich nicht nur die meisten Verurteilungen zu Jugendstrafen aus, sondern sind auch Vollstreckungsleiter, nehmen die Aufgaben der Strafvollstreckungskammer wahr und sind nicht zuletzt auch Vollzugsleiter bei Jugendarrest.

Die Argumentation der antragstellenden Fraktion ist auch in sich selbst widersprüchlich; denn bemängelt wird in erster Linie die sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters. Ändern will sie mit dem Antrag jedoch die Rechtsfolgenkompetenz. Mit anderen Worten: Um das Ziel zu erreichen, das Sie sowohl in der Gesetzesbegründung als auch soeben in Ihrem Debattenbeitrag benannten, müssten Sie noch viele weitere Paragraphen ändern. Deshalb meine persönliche Bitte, Herr Schuldt - ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach ausgesprochen-, verschonen Sie uns doch mit Ihren wenig durchdachten Anträgen! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und gebe der Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Sarrach, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der DVU, Sie zeichnen hier ein Bild vom Jugendstrafrecht, das mir als praktizierendem Juristen wirklich einen Schauer über den Rücken jagt. Haben Sie bemerkt, dass im Jugendstrafrecht der Gedanke der Erziehung und nicht der des Strafens im Vordergrund steht und Gegenstand des Jugendstrafrechts ist?

Aus drei Gründen lehnt die Fraktion der PDS diesen Antrag ab.

Erstens: Es ist eine Zumutung - da stimme ich mit Herrn Homeyer überein -, vom Landtag zu verlangen, wegen einer einzelnen zu ändernden Vorschrift im Jugendgerichtsgesetz eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, obwohl Sie - hoffentlich selbst wissen, dass Eingriffe in die Sanktionskompetenz der Jugendgerichte komplexe Auswirkungen auf das Gesamtgefüge des Jugendstrafrechtes haben. Das muss Flickwerk eines schädlichen Aktionismus bleiben.

Zweitens führen Sie in der Begründung Behauptungen an, die

statistisch nicht determiniert sind und außerdem von der Unkenntnis des rechtspolitischen Anliegens des Jugendgerichtsgesetzes künden, vielleicht auch deswegen, weil es Ihrem Staats- und Menschenbild zuwiderläuft.

Wenn ich davon ausgehen darf, dass Ausgangspunkt dieser Initiative Probleme in der Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes in der Strafrechtspraxis brandenburgischer Gerichte sind, dann kann nicht - auch da stimme ich mit Herrn Homeyer überein von einer immensen Zunahme der Verfahren gesprochen werden. Die Abgeurteiltenstatistik im Statistischen Jahrbuch spricht hier seit Jahren eine andere Sprache.

Ausgeblendet wird überdies, dass - das haben Sie vielleicht gar nicht bemerkt - nicht die Rede von einer Überlastung der Schöffengerichte sein kann in dem Sinne, wie Sie sie darstellen, wenn 80 % der Verfahren vor dem Jugendrichter und ca. 15 % vor Jugendschöffengerichten durchgeführt werden.

Falsch ist auch die angebliche Tendenz, die Sie hier ausmachen, dass, wie Sie schreiben, der eigentliche gesetzliche Ausnahmefall der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende zur Regel der Verfahrenspraxis gemacht wird. Interessieren Sie sich eigentlich für die Fakten und die Zahlen? Wissen Sie, dass seit Jahren von zehn Abgeurteilten drei Heranwachsende nach dem Jugendstrafrecht, aber sieben von zehn Heranwachsenden nach dem allgemeinen Strafrecht abgeurteilt werden? Ich glaube, Sie sind an diesen Fakten und an dieser Statistik nicht interessiert.

Drittens: Sie haben keine Gründe vorgetragen, die diese Änderung belegen können. Im Gegenteil, die jetzige Regelung im § 39 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz macht Sinn und ist folgerichtig. Ursprünglich war für Jugendstrafsachen grundsätzlich das Schöffengericht zuständig; denn ursprünglich gab es den Einzelrichter in dem Jugendgerichtsgesetz gar nicht.

Schöffengerichte - Kollegialgerichte überhaupt - sind der Überlegung geschuldet, dass eine größere personelle Besetzung mehr Sanktionskompetenz vermittelt. Ja, auch im Jugendstrafrecht gilt der Grundsatz des allgemeinen Strafrechts, dass in schwerwiegenden Strafsachen Kollegialgerichte unter Mitwirkung von Laienrichtern entscheiden sollen. Es ist gewollt und richtig, dass im Vergleich zum Erwachsenenrecht die Zuständigkeit des Jugendschöffengerichtes erweitert und die Zuständigkeit des Einzelrichters auf Fälle von geringerer Bedeutung beschränkt ist.

Belassen wir es dabei und machen wir uns nicht lächerlich!

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Sarrach. - Die Landesregierung wünscht nicht zu sprechen. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich genauer kommentieren müsste, was meine Vorredner

zur Stärkung der Justiz und zur Beschleunigung der Jugendstrafverfahren gesagt haben, könnte ich mich kurz fassen und unter Hinweis auf unsere Antragsbegründung nochmals um Zustimmung bitten.

Diese Redner, meine Damen und Herren, haben nämlich praktisch nichts Konkretes gesagt.

(Zuruf von der PDS)

Wahrscheinlich haben Sie, Herr Homeyer, den Antrag auch nicht verstanden. Aber ohne juristischen Beistand kann man das wohl auch nicht erwarten.

Bei Ihnen jedoch, Kollege Sarrach, habe ich das Gefühl, dass in Ihrer Brust zwei Einstellungen streiten, einmal die ideologische Einstellung und einmal das juristische Verständnis als Anwalt.

Wir als Fraktion der DVU haben die Realität der Jugendstrafjustiz aufgegriffen und mit dem vorliegenden Antrag ganz konkret auf die nicht einsehbaren Ungleichartigkeiten bei der Rechtsfolgenkompetenz des Jugendrichters im Verhältnis zu der des Strafrichters reagiert. Herr Sarrach, ich hoffe, dass Sie das jetzt verstanden haben.

(Lachen bei der PDS)

Die bisherige Einschränkung der bisherigen Rechtsfolgenkompetenz des Jugendrichters stößt in der Praxis einhellig auf Unverständnis - neben dem im ersten Teil meiner Rede Gesagten auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Jugendrichter, im Gegensatz zum Strafrichter, auch bei angeklagten Verbrechensvorwürfen sachlich zuständig wäre, wenn keine Jugendstrafe zu erwarten ist.