Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Beim Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden, akuten Erkrankungen oder Unfällen seitens der Abschiebungshäftlinge ist das Behördenpersonal verpflichtet, das örtliche System des hausärztlichen Dienstes, der Notfallversorgung oder der Rettungsstelle in Anspruch zu nehmen. Dabei soll und kann es nicht Aufgabe der Bediensteten sein, die Angaben der Abschiebungshäftlinge zu ihrem gesundheitlichen Zustand zu prüfen oder zu bewerten. Um der Erfüllung der Dienstpflichten zu genügen, wird also in jedem Fall ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Andererseits hat das Behördenpersonal keine Veranlassung, ärztliche Entscheidungen zu bewerten oder infrage zu stellen. Beides gehört zusammen.

Des Weiteren: Der Verkehr mit der Außenwelt ist dem Rechtsschutzbedürfnis von Abschiebungshäftlingen Rechnung tragend umfassend geregelt. Es ist jedem Abschiebungshäftling jederzeit möglich, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Bei der Vermittlung eines Rechtsanwalts wird er unterstützt. Für die ausdrückliche Erwähnung von Vertretern von Flüchtlingsorganisationen ist aus dem Gesetz kein Grund ersichtlich.

Die Regelungen zu Hörfunk- und Fernsehgeräten haben sich bewährt. Im Übrigen ist in jeder Abteilung der Haftanstalt ein Gemeinschaftsraum mit entsprechenden Geräten ausgestattet.

Im Abschiebungshaftvollzugsgesetz ist keine Pflicht zur Arbeit normiert. Da es sich nicht um Strafhaft handelt, ist ein Arbeitsentgelt entsprechend § 43 des Strafvollzugsgesetzes nicht zu regeln.

Der Bildung eines Beirats für den Abschiebungshaftvollzug bedarf es nicht. Abschiebungshäftlinge erhalten individuelle Beratung sowie - bei Bedarf - sozialarbeiterische Betreuung und können jederzeit Kontakt mit Personen und Organisationen jeglicher Art aufnehmen und sich beraten lassen. Es handelt sich, wie wir ja alle wissen, um vollziehbar ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige, die aufgrund eines richterlichen Haftbeschlusses bis zur Ausreise in der Abschiebungshafteinrichtung verbleiben. Ein rechtsstaatliches Verfahren ist also umfassend und jederzeit geregelt.

Im Übrigen ist die Exekutive an Recht und Gesetz gebunden und hat bei Eingriffen in verfassungsmäßig geschützte Rechte des Einzelnen grundsätzlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Ausdrücklicher Regelungen im Abschiebungshaftvollzugsgesetz bedarf es daher nicht.

Ich möchte abschließend feststellen: Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz hat sich bewährt. Eine Änderung ist nicht erforderlich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Die PDS-Fraktion beantragt die Überweisung ihres Entwurfs, Drucksache 3/7219 - Neudruck -, an den Ausschuss für Inneres, der federführend sein soll, sowie an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf in der Sache folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Gesetzentwurf in der Sache nicht gefolgt. Er ist abgelehnt und damit erledigt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10, um Tagesordnungspunkt 11 aufzurufen:

1. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, Sie haben das Wort.

Für alle möglichen ideologischen Kinkerlitzchen in der Schulpolitik ist Geld da,

(Klein [SPD]: Das haben wir doch gestern schon gehört!)

aber für die Schülerbeförderung nicht, Herr Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bezüglich der Schülerbeförderung besteht akuter Handlungsbedarf. Der Landesgesetzgeber hat nach Meinung unserer DVU-Fraktion dafür Sorge zu tragen, dass die Schüler angemessen und unter zumutbaren Bedingungen zur Schule gelangen.

(Klein [SPD]: Was heißt hier „angemessen“?)

Denn völlig klar sollte doch Folgendes sein, Herr Klein: Die Schülerbeförderung selbst ist elementarer Bestandteil der Schulpolitik. In Zeiten niedriger Geburtenraten und Schülerzahlen sowie hierdurch bedingter Schulschließungen gerade im ländlichen Raum gilt das in besonderem Maße. Bei einer offiziellen Arbeitslosenquote von ca. 20 % sollte man auf die Belastungen von Familien mit Kindern und der Kinder selbst in besonderem Maße Rücksicht nehmen.

Wie reagiert die Landesregierung? Jetzt werden die Eltern schulpflichtiger Kinder zusätzlich zur Kasse gebeten, indem sie die Kosten für die Schülerbeförderung mittragen müssen.

(Schippel [SPD]: Es gab vorher schon solch eine Sat- zung!)

Das Ergebnis: Die Lebenshaltungskosten steigen für etliche Familien. Die Lebenshaltungskosten der Familien und ein gut funktionierendes Schulwesen haben eine Schlüsselfunktion für deren Bereitschaft, in Brandenburg zu bleiben und nicht fortzuziehen. Die fatale Abwärtsspirale zunehmend schlechter werdender Bedingungen für Familien bei gleichzeitiger Überalterung der Gesellschaft ist zu stoppen. Wir dürfen in Brandenburg nicht nach dem Motto „Der Letzte knipst das Licht aus“ Politik betreiben. Dem soll unser Antrag entgegenwirken.

Er ist nach meinen Vorbemerkungen leicht nachvollziehbar. Für die DVU-Fraktion haben die Bereiche „Familie“ und „Bildung“ eine Schlüsselfunktion für die Zukunft unseres Landes. Hierfür muss die Landespolitik die Rahmenbedingungen setzen. Maßnahmen in diesen beiden Bereichen haben investiven Charakter.

Ich komme zum Inhalt unseres Antrages. Wenn Sie sich die von uns beantragte Neufassung ansehen, wird Ihnen einiges bekannt vorkommen. Das ist zutreffend. Wir führen Regelungen wieder ein, die diese Landesregierung mit ihren Entlastungsgesetzen abgeschafft hat.

Neu sind folgende zwei Punkte:

Erstens: Die Schülerbeförderung wird mit dem Antrag der DVU-Fraktion für Familien und Auszubildende kostenfrei gestellt. Gründe dafür: Familien dürfen durch Kosten für die Schülerbeförderung nicht zusätzlich belastet werden. Durch das rot-grüne Reformchaos auf Bundesebene werden Familien schon mehr als genug belastet. Das Land Brandenburg muss dem Ganzen nicht noch die Krone aufsetzen. Die Schülerbeförderung gehört für die DVU-Fraktion untrennbar zur Schulpolitik. Diese ist - wie die Erziehung von Kindern - für uns eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die ständig wachsenden Belastungen für Familien mit Kindern sind heute zum „Armutsrisiko Kind“ geworden. Das darf nicht sein. Damit muss endlich Schluss gemacht werden.

Zur zweiten Änderung: In Absatz 3 unseres Änderungsantrags wird konkretisiert, wo für Schüler die Grenze der Belastbarkeit

liegt. Auf das Kriterium der Belastbarkeit stellte auch die ursprüngliche Gesetzesfassung ab. Es handelt sich hierbei allerdings um einen unbestimmten Begriff. Deshalb haben wir ihn konkretisiert. Die Grenze der Belastbarkeit durch Länge und Dauer des Schulwegs ist überschritten, wenn die Leistungsfähigkeit, differenziert nach dem Alter der Schüler, beeinträchtigt wird. Gründe: Anlass dafür bieten die inzwischen auf der aktuellen Fassung des § 112 Abs. 1 beruhenden Satzungen der Landkreise. Dort werden etwa Schülern der ersten vier Klassenstufen Schulwege von einer Stunde Gesamtdauer zugemutet. Es bedarf keiner Erörterung, dass für diese Kinder die ersten zwei Schulstunden zu Schlafstunden werden. Nach allen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass die nötige Konzentrationsfähigkeit von Kindern dieser Jahrgangsstufen bei Schulwegen dieser Länge ohne Schülerbeförderung nicht gegeben ist. Auch das darf nicht sein. So verbessern wir weder die PISA-Ergebnisse noch sorgen wir für Chancengleichheit.

Ich möchte noch kurz etwas zum Antrag der PDS-Fraktion sagen, über den in der letzten Plenarsitzung debattiert wurde. Er hatte dieselbe Grundintention, nämlich die, die Eltern von den Kosten der Schülerbeförderung freizustellen. Nur, für die Grenzen der Belastbarkeit der Schüler, vor allem derjenigen in den unteren Jahrgangsstufen, hatten die PDS-Genossen offenbar kein Gespür oder sie haben die in den Landkreisen in Kraft getretenen Satzungen nicht gelesen. Wir haben das Anliegen - es war nicht völlig verkehrt - um diesen notwendigen Gesichtspunkt ergänzt. Ich hoffe, dass unser Antrag auch deshalb Ihre Zustimmung finden wird. - Zunächst bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich bedanke mich auch, Frau Abgeordnete Fechner, und gebe das Wort für die Koalitionsfraktionen an den Abgeordneten Dierk Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Beitrag wird kurz und knapp sein, da eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf der DVU weit über das Hauptanliegen - Streichung der Eigenanteile für die Schülerbeförderung - hinausgehen würde. Was uns hier auf siebeneinhalb Seiten vorgelegt wurde, ist eine Zumutung im Sinne einer maßlosen Übertreibung; denn für den Fall, dass die beantragten Änderungen des Schulgesetzes nicht zustande kommen, wird nahezu die gesamte Bildungs- und Familienpolitik infrage gestellt.

Meine Damen und Herren von der DVU, Sie sprechen von einer Gefährdung der Zukunftsfähigkeit Brandenburgs. Sie bezeichnen das „Kinderkriegen“ - das ist übrigens Ihr eigener Ausdruck - als eines der größten Armutsrisiken unseres Landes. Sie bemühen, quasi als Alibi, die PISA-Studie. Und Sie befürchten, dass die armen, gebeutelten Schülerinnen und Schüler angesichts der Einschnitte keine optimalen Leistungen mehr erbringen können.

Sie erwähnen mit keinem Wort die kommunale Selbstverwaltung. Sie erwähnen mit keinem Wort, dass es den Kreistagen freigestellt ist, die Angemessenheit festzustellen bzw. in ihren Satzungen festzulegen.

Meine Damen und Herren von der DVU, wir haben in der letzten Plenarsitzung über einen entsprechenden Antrag der PDS debattiert und ihn abgelehnt. Nun kommen Sie mit einem zugegebenermaßen sehr umfangreichen Gesetzentwurf und versuchen dasselbe noch einmal.

Angesichts dieser Sachlage, die sich vom Grunde her nicht verändert hat, bleibt uns nichts anders übrig, als den DVU-Antrag abzulehnen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. - Sie verzichtet. Die Landesregierung? - Sie verzichtet auch. Damit sind wir bei der DVU. Frau Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Homeyer, wissen Sie, was ein Phrasenschwein ist? So etwas Ähnliches wie ein Sparschwein! Ich schlage vor: Sie legen sich ein solches Schwein zu und werfen nach jeder sinnlosen Rede 5 Euro ein. Ich verspreche Ihnen: Innerhalb kürzester Frist ist Ihr Schwein voll. Sie können gleich heute damit anfangen.

(Beifall bei der DVU)

Wenn Sie den Inhalt dieses Schweins dann noch einem guten Zweck zukommen ließen, hätte Ihre soeben gehaltene Rede auch einen Sinn gehabt.

(Beifall bei der DVU)

Das Schweigen der PDS werte ich als Zustimmung zu unserem Antrag. Das ist auch verständlich. Danke schön.

(Unruhe bei der PDS)

Dass die Landesregierung auf unsere sinnvollen, fachgerechten Anträge nichts zu erwidern weiß, liegt in der Natur dieser Landesregierung.

(Beifall bei der DVU - Klein [SPD]: Aber nun einmal ein Wort zu mir! Mich erwähnen Sie ja gar nicht!)

Für die Koalitionsfraktionen - die Zustimmung der PDS haben wir ja schon - möchte ich noch einmal ganz kurz erläutern, warum es so wichtig ist, dass dieser Antrag durchgeht.

Meinen Sie im Ernst, dass - erstens - die Familien mit Kindern beliebig weiter belastet werden können, ohne dass das Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Familiengründung hat; dass zweitens - den Schulkindern, vor allem denjenigen im Grundschulalter, Schulwege von einer Stunde und länger zugemutet werden können, ohne dass das Auswirkungen auf deren Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit hat; und dass - drittens - mit dieser geradezu zukunftsblinden Politik der Überalterung der Bevölkerung in Brandenburg oder dem PISA-Desaster entgegengewirkt werden kann?

Ich bitte Sie also um Zustimmung zu unserem Antrag. Da wir heute noch keine namentliche Abstimmung hatten, haben wir eine beantragt. - Danke.

(Beifall bei der DVU - Schippel [SPD]: Nicht das Thema war wichtig, sondern der Fakt!)