Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

(Beifall bei der DVU - Schippel [SPD]: Nicht das Thema war wichtig, sondern der Fakt!)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Die DVU hat form- und fristgerecht namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte Sie um ein klares Votum, wenn Sie aufgerufen sind, und um entsprechende Ruhe, wenn Sie nicht aufgerufen sind. Die Schriftführer bitte ich um den Namensaufruf.

(Klein [SPD]: Geschäftsführer machen so etwas nicht, Herr Präsident!)

Es geht um die Abstimmung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 3/7225 - Neudruck. Ich eröffne die Abstimmung und bitte um das Verlesen der Namen.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es jemanden der hier anwesenden Abgeordneten, der noch keine Gelegenheit hatte, sein Votum abzugeben?

(Der Abgeordnete von Arnim [CDU] gibt sein Votum ab.)

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um etwas Geduld, wenn jetzt die Stimmen ausgezählt werden.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten 5 Abgeordnete, dagegen 44. Da sich keiner der Stimme enthielt, bedeutet dies: mehrheitlich abgelehnt. Damit ist das Gesetz in 1. Lesung erledigt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 6574)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Von der Vorbereitungsstrategie zur Integrationsstrategie - Dritter Bericht zur Vorbereitung des Landes auf die Erweiterung der Europäischen Union

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/7289

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Richstein, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie jetzt, vier Wochen vor dem Beitritt, ein bisschen mehr Interesse an der EU-Erweiterung, an Europa haben, wenn wir hier den Dritten Bericht zur Vorbereitung des Landes auf die Erweiterung der Europäischen Union vorstellen.

Ich merke und ich weiß, dass im Land langsam realisiert wird, dass wir einen Beitritt vor uns haben. Ich hatte gehofft, dass sich dieser Enthusiasmus auch ein bisschen in das Parlament hineinziehen würde. In der Vergangenheit haben wir viele Redebeiträge mit dem Satz beginnen hören: Warum reden wir eigentlich schon wieder über Europa? Gibt es da irgendetwas Aktuelles?

(Bochow [SPD]: Wir sind doch hier!)

- Sie sind hier, aber ich hoffe, Sie nehmen die Mahnung an Ihre Kollegen mit.

Ich würde mich freuen, wenn man bis zum Beitritt doch noch ein bisschen proeuropäische Haltung in Brandenburg verspüren könnte und wir nicht wieder wie bei den letzten Europawahlen im Jahre 1999 Schlusslicht bei der Wahlbeteiligung werden. Damals lag Brandenburg bei nur 30 % Wahlbeteiligung bei einem Bundesdurchschnitt von 41 %.

(Zuruf von der SPD: Wenn Herr Ehler jetzt antritt, wird das besser! - Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es gäbe viel zu sagen zum Beitritt, zu den Auswirkungen und zu den Gefühlen der Menschen, die davon betroffen sind. Aber hier und heute möchte ich mich auf den Dritten Bericht beschränken, der den Titel trägt „Von der Vorbereitungsstrategie zur Integrationsstrategie“. Das soll Ausdruck dafür sein, dass es sich eben nicht um ein Abschlussszenario handelt, sondern dass es auch ein Ausblick auf das Kommende ist.

Gern hätte ich Ihnen diesen Bericht zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt. Aber wir wollten die Handlungsempfehlungen aus dem trilateralen Workshop im vergangenen Jahr übernehmen. Es hat leider doch einiger Abstimmungen mit den polnischen Partnerwoiwodschaften bedurft, die sich bis in den November 2003 hineinzogen.

Der Bericht ist ein weiterer Mosaikstein in einem langjährigen Prozess. Bereits Anfang der 90er Jahre, als sich Polen dazu entschlossen hatte, der Europäischen Union beitreten zu wollen, nahm Brandenburg die Vorbereitungsarbeiten auf. Damit ist Brandenburg wirklich das einzige Land, das sich selbst eine Vorbereitungsstrategie gegeben hat. Wir haben uns Handlungsschwerpunkte gesetzt und vor allen Dingen haben wir sie auch umgesetzt.

Während der Erste Bericht vom 31. Juli 2001 noch die Chancen und Erweiterungen für Brandenburg definiert hat, ging der Zweite Bericht vom 10. Juni 2002 bereits projektscharf auf konkrete Maßnahmen zur besseren Nutzung dieser Chancen ein.

Entsprechend der Ankündigung im Zweiten Bericht, öffentliche Veranstaltungen an den Schwerpunkten der Vorbereitungskonzeption auszurichten, haben die einzelnen Ressorts, beginnend mit der Jahreshälfte 2002, eine Reihe von wichtigen und konkreten Themen der EU-Erweiterung aufgenommen und in Workshops dargestellt. Damit sollte ein Diskussionsprozess im Lande gefördert werden, und zwar wollten wir gerade die Fachöffentlichkeit als Multiplikatoren gewinnen, um zu verdeutlichen, dass die Auswirkungen des Erweiterungsprozesses und insbesondere auch der Beitritt unseres Nachbarn, der Republik Polen, in Brandenburg und durch Brandenburg aktiv mitgestaltet werden kann und auch mitgestaltet werden soll.

So wurde beispielsweise in einem Workshop des Wirtschaftsministeriums über die verbesserten Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen informiert, zum Beispiel über die zusätzlich zur Verfügung gestellten INTERREG-III-AMittel aus dem Grenzlandprogramm der Europäischen Kommission. Solche finanziellen Begleitmittel können natürlich nur die Rahmenbedingungen verbessern. Sie können den Schritt auf das unternehmerische Neuland erleichtern, aber nicht die unternehmerische Entscheidung ersetzen.

Die gegenwärtige Entwicklung bestätigt uns in unserer Erwartung, dass die hiesigen Unternehmen die Chancen verstärkt wahrnehmen. Brandenburg kann gerade in Bezug auf den Handel mit Polen Steigerungsraten verzeichnen. Bereits jetzt wird jeder zehnte Euro, der im Ausland verdient wird, in Polen verdient. Das ist immerhin viermal so viel wie im Bundesdurchschnitt. Polen ist bereits jetzt der wichtigste europäische Handelspartner für Brandenburg. Das gilt sowohl für den Import als auch für den Export. Gerade der Vorteil der Grenznähe muss und soll weiterhin und besser genutzt werden. In der weiteren Folge werden wir dieses natürlich noch im Zusammenhang mit Berlin als Hauptstadtregion, als eine Wirtschaftsregion wahrnehmen.

Eine gute Ergänzung dazu bildete auch der Workshop des Bildungsministeriums, auf dem Ausbildungsstrategien zur Bewältigung der Erweiterung und die Bedeutung von Sprache für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsaustausch erörtert wurden. Gerade vor ein paar Tagen konnte ich das Modellprojekt „Deutsch-polnische Berufsausbildung des Berufsbildungswerkes Eberswalde e. V.“ in Bad Freienwalde kennenlernen, wo deutsche und polnische Jugendliche gemeinsam in einer zweisprachigen Ausbildung zwei Berufsabschlüsse absolvieren können, nämlich zum Hotelfachmann und zum Hoteltechniker. Das ist ein wirklich gutes Beispiel, wie Berufsausbildung auf die neue Situation gerade an der Grenze vorbereiten kann.

Für Brandenburg als Flächenland war natürlich auch der Workshop des Landwirtschaftsministeriums zum Thema Landwirtschaft und ländlicher Raum von besonderer Bedeutung, ebenso wie der Workshop im Arbeitsministerium, wo anhand einer brandenburgisch-polnischen Studie über die Arbeitsmarktlage gerade in der Grenzregion gesprochen wurde, die bestehenden Regelungen erörtert und auch neue Vorhaben ins Auge gefasst wurden.

Meine Damen und Herren, jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir die Vorbereitungen, die wir in den letzten Jahren hier im Lande erfolgreich absolviert haben, als Grundlage dafür nutzen, eine neue Qualität in der Zusammenarbeit mit unserem polnischen Partner zu entwickeln. Bisher haben wir eher die beitrittsvorbereitende Ausrichtung der Politik erlebt, jetzt gehen wir in eine kooperative Konzeption im Rahmen der Europäischen Union. Ausgangspunkt war und ist ganz zentral der trilaterale Workshop im März 2003 in Frankfurt (Oder) und in Slubice, an dem Regierungsvertreter und Experten aus Brandenburg, aus Lubuskie und aus Zachodniopomorskie teilnahmen. In sechs Arbeitsgruppen wurden Strategien für die Entwicklung der Grenzregion erarbeitet. Diese Arbeitsschwerpunkte entsprachen auch schon den Handlungsschwerpunkten, die wir uns bereits in der Vorbereitungsstrategie gesetzt hatten. Diese Handlungsempfehlungen liegen dem Bericht als Anlage III bei und sind auch auf der Homepage des Justiz- und Europaministeriums für die Öffentlichkeit einsehbar. Die Handlungsempfehlungen werden innerhalb der nächsten Jahre Grundlage für die grenznahe Zusammenarbeit sein.

Um die Nachhaltigkeit der Ergebnisse dieses Workshops zu gewährleisten, haben wir ein Monitoring begonnen, bei dem bereits im November letzten Jahres ein erstes Treffen stattfinden und man die ersten Ergebnisse in der Umsetzung der Handlungsempfehlungen zeigen konnte. Der Bericht dieses Treffens ist beigefügt. Ich hoffe, dass wir bereits im Juni dieses Jahres in Stettin eine weitere Abfolge erfahren können.

Zur Wahrung der Kontinuität hat die Landesregierung auch beschlossen, die bereits eingerichtete Interministerielle Arbeitsgruppe beizubehalten und den Übergang von der Vorbereitungs- zur Integrationsstrategie weiter zu unterstützen. In dieser Arbeitsgruppe soll auch die Runde der Polenreferenten und der EU-Referenten aufgehen, was bedeutet, dass wir letztlich auch hier eine Aufwertung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit erfahren.

Meine Damen und Herren, der Dritte Bericht gibt Ihnen einen umfassenden Ausblick auf die künftige Qualität der Zusammenarbeit zwischen Brandenburg und seinen polnischen Nachbarwoiwodschaften Lebuser Land und Westpommern. Wir werden die Entwicklung der Zusammenarbeit von der Nachbarschaft zur Partnerschaft aktiv gestalten. Darüber hinaus wollen wir aber auch weitere regionale Akteure in die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einbeziehen. Das heißt, wir wollen andere Woiwodschaften, vielleicht auch die Euroregionen und kommunale Organisationen stärker einbeziehen.

Wir müssen aber auch betrachten, dass es natürlich aufgrund der Struktur des Staatsgebildes Polens nicht so einfach ist, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu praktizieren. Es geht vieles nur über die Zentralregierung in Warschau. Beispielsweise warten wir bezüglich des Grenzübergangs Küstrin schon seit Monaten auf die Note aus Warschau. Die direkte rechtliche Zusammenarbeit zwischen den Kommunen kann nicht beginnen, weil wir noch kein Abkommen wie das „Karlsruher Abkommen“ haben. Aber ich hoffe, dass sich das in der weiteren Zusammenarbeit ergeben wird und wir das realisieren können.

Es hat einen Wechsel in der Europäischen Kommission gegeben; das sollte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben. Der für die Regionalpolitik zuständige Kommissar, Herr Barnier, wird - für ihn zum Glück - in die Regierung Frankreichs wechseln. Ich hoffe, dass sein Nachfolger genau das gleiche Augenmerk auf die neuen Länder legen wird, wie wir es von Herrn Barnier gewohnt waren.

Zurück zum Bericht: Der Dritte Bericht weist den Weg von der Vorbereitungs- zur Integrationsstrategie. Integration erfordert, wie das Wort schon sagt, unser aller Mitwirken. Wir alle müssen bereit sein, die Chancen der Erweiterung beim Schopfe zu packen. Wir müssen auch die Bürgerinnen und Bürger mit auf den Weg nehmen, die noch zögerlich sind. Lassen Sie uns diese Aufgabe gemeinsam schultern und zu einem erfolgreichen Ende bringen! - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Wolff-Molorciuc.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Donnerstag entsandte die Landesregierung extra Botschafter, um uns davon zu überzeugen, dass der Landtag angesichts der unmittelbar bevorstehenden Erweiterung der EU unbedingt noch den Dritten Erweiterungsbericht auf die Tagesordnung dieser Sitzung setzen sollte. Wirklich kurz vor dem Beitritt

wollte die Landesregierung sich schnell noch einen Höhepunkt verschaffen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Mit Blick darauf, dass der Dritte Erweiterungsbericht seit mindestens neun Monaten überfällig ist - ich nehme hier den Maßstab, der durch den ehemaligen CDU-Europaminister bestimmt worden war -, war das Drängen der Landesregierung durchaus begründet. Allerdings hätte das federführende Ressort die Kolleginnen Ministerinnen und Kollegen Minister schon viel früher drängen sollen. Dann hätte darauf verzichtet werden können, den Landtag zu bedrängen.

Aus dem Text des Berichts geht hervor, dass die Arbeit an dem Berichtsentwurf irgendwann im Herbst 2003 eingestellt wurde. Anschließend lief über mehrere Monate die Ressortabstimmung. Erst eine Woche vor der regulären Landtagssitzung wurde das Kabinett damit befasst. Dass man am späten Donnerstagnachmittag einfach einmal so 170 Seiten mit vielen Tabellen, die ja auch in Relation zu dem Text und den Tabellen des Ersten und Zweiten Erweiterungsberichts zu bringen waren, was noch einmal 100 Seiten waren, hier auf den Tisch geworfen bekommt, spricht Bände darüber, wie die Landesregierung mit dem Parlament umgeht.

Ob der Bericht in den vielen Monaten an Substanz gewonnen hat, kann ich nicht beurteilen. Aber ich möchte den Kolleginnen und Kollegen zustimmen, die mir gegenüber in den letzten Tagen bekundet haben, dass man diesen Bericht eigentlich gar nicht diskutieren sollte.

Frau Ministerin, gestatten Sie mir eine letzte Anmerkung zum Stil. Dass nun auch noch meine Fraktion schuld daran sein soll, dass der Dritte Erweiterungsbericht nicht rechtzeitig vorgelegt wurde, schlägt dem Fass den Boden aus. Nichts anderes aber lese ich auf Seite 1 Ihrer Anlage 1. Dort wird die späte Vorlage damit begründet, dass sich die PDS erdreistet habe, eine Große Anfrage zur EU-Osterweiterung an die Landesregierung zu richten. Vielleicht ergänzen Sie die Liste der abzuschaffenden Berichte der Landesregierung durch einen Antrag, nach dem die Opposition künftig keine Großen Anfragen mehr stellen darf.

Ich habe mich durch den Bericht gequält, der wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist. Damit bin ich bei der Hauptkritik meiner Fraktion an dem Dritten Erweiterungsbericht.

Diesem Bericht fehlen die klaren Bewertungen des Standes der Vorbereitung unseres Landes und der deutsch-polnischen Grenzregionen auf die Erweiterung. Ich will nur ein Beispiel nennen, nämlich den Stand der Errichtung neuer Brücken an der Oder. Was da steht, kann ich nicht nachvollziehen. In Bezug auf die Brücke bei Schwedt entspricht das zumindest nicht den Informationen, die wir bisher im Europaausschuss erhalten haben. Im Übrigen hätte sicherlich nicht nur mich interessiert, wie der Stand bei den anderen beiden Brückenprojekten tatsächlich ist. Was im Bundesverkehrswegeplan steht, wissen wir, aber die Frage ist doch, was sich nach dem Juli 2003 getan hat.

Der Bericht ist eine Aneinanderreihung vieler Einzeleinschätzungen der verschiedenen Ministerien. Eine Schwerpunktsetzung wird nicht deutlich. Jedes Ressort setzt seine eigenen Schwerpunkte, die dann ohne Begründung auch wieder schnell

verändert werden. In diesem Sinne habe ich zum Beispiel bestimmte Schwerpunkte die im Jahre 2002 noch zu finden waren, in der Anlage II nun nicht mehr gefunden. Darüber, warum dies so ist, schweigt sich die Landesregierung aus.

Der Bericht ist an nicht wenigen Stellen oberflächlich, nach unserer Wahrnehmung zum Beispiel in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Berlin. Da ist man auf der Ebene der Verwaltung durchaus schon weiter, als es der Bericht vermittelt. Zudem wäre es ja auch schlimm, Frau Ministerin, wenn es außer Ihrem gemeinsamen Besuch mit Frau Helbig in Poznan an sichtbaren Ergebnissen im politischen Bereich nichts gäbe. Aber auch hierzu schweigt man sich aus. Klar, mit Rot-Rot kann man ja nicht zusammenarbeiten.