Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Noch einige Worte zu den Beitrittsländern. Auch die Beitrittsstaaten werden von der EU zu drastischen sozialen Einschnitten gezwungen. Das Mittel dafür sind die so genannten Beitrittskriterien. Diese Kriterien legen unter anderem fest, wie viel Geld ein Land für Sozialleistungen ausgeben darf. Betroffen sind dieselben Bereiche, die Herr Schröder in Deutschland mit der Agenda 2010 angreift: Rente, Arbeitslosenversicherung und Gesundheitswesen.

Der von der EU verordnete Sozialabbau in Osteuropa soll auch den Sozialabbau in den jetzigen EU-Staaten vorantreiben. Ein Papier der EU-Kommission nennt den weitgehenden Abbau von Sozialleistungen in Polen und der Tschechei „zukunftsweisend für die ganze EU“. Die Osterweiterung - so viel ist jetzt bereits abzusehen - wird keine harmonische Einheit des Kontinents herbeiführen. Vielmehr wird sie die politischen Krisen und die scharfen sozialen Gegensätze in ganz Europa und insbesondere in den Grenzregionen zu den Beitrittsländern verschärfen.

Die Landesregierung hätte sich diesen Dritten Bericht sparen können, denn er ist nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben wurde.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Nonninger. - Das Wort geht jetzt an die Fraktion der CDU, an Herrn Abgeordneten Dr. Ehler. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dritte Bericht zur Vorbereitung des Landes auf die Erweiterung der Europäischen Union ist eine ordentliche Auflistung der Maßnahmen der Landesregierung, der man eigentlich in keinem Punkt widersprechen kann. Dennoch glaube ich, dass es hohe Not ist, in diesem Land eine breitere und deutlich selbstkritischere Debatte zu diesem Thema zu führen.

Es war der Chef des Ifo-Instituts, der kürzlich mit der Veröffentlichung einer Studie die Situation der neuen Bundesländer mit aller Schärfe auf den Punkt gebracht hat. Wir laufen nämlich Gefahr, dass Ostdeutschland und der hiesige Arbeitsmarkt zwischen dem infrastrukturell besser ausgebauten Westen und den Niedriglohnländern Osteuropas aufgerieben werden. Auch die Hoffnung, dies komme nicht so, ist im Grunde genommen keine Antwort; vielmehr müssen wir uns dringend Strategien überlegen, wie wir diese Verwerfungen in den nächsten Jahren ausgleichen können und welche Chancen wir aus der Osterweiterung ziehen. Im Grunde genommen sind wir in Deutschland

und in der EU bereits mitten in einer grundlegenden Diskussion über die Zukunft der Regionalförderung des Bundes und der EU. Bei dieser Diskussion steht nichts anderes als unsere Zukunft auf dem Spiel. Das Thema umfasst sehr viel mehr als nur die Frage nach der Fortführung der Förderung der neuen Länder.

Gleichzeitig erreichen unsere Argumente die Menschen in unserem Land offensichtlich nicht in dem Maße, wie wir es wünschen. Das sieht man deutlich an den neuen Untersuchungen zur Einstellung der Deutschen - speziell der Ostdeutschen bzw. der Brandenburger - zur Erweiterung. Man muss konstatieren, dass Pessimismus oder gar Ablehnung des Erweiterungsprozesses in unserer Bevölkerung überwiegen. Nur 22 % der Befragten finden die Erweiterung eher gut; 59 % hingegen haben Vorbehalte gegen die bevorstehende Erweiterung. Auch die Mitgliedschaft unseres Landes in der EU wird nicht mehr so positiv wie noch vor einigen Jahren gesehen. Während 1999 noch 46 % eher die Vorteile einer Mitgliedschaft im Vordergrund sahen, sind es heute nur noch 27 %. Die Bevölkerung sieht also die Chancen, aber eben auch die Probleme, die für das Land Brandenburg aus der erweiterten Union resultieren können.

Während wir in der Politik in den vergangenen Jahren damit beschäftigt waren, die Chancen darzustellen, wurden weit weniger Antworten gegeben, wie wir eigentlich in Zukunft unsere Interessen - ich spreche das Wort Interessen einmal ganz deutlich aus - in einer erweiterten Union wahrnehmen wollen. Hier vielleicht einige Anregungen zu einem etwas offensiveren Umgang mit unseren Interessen: Wir reden vom erweiterten Markt und von den Chancen für Arbeitsteilung und zusätzlichen Absatz. Sie sind unbestreitbar vorhanden; es fragt sich nur, welche Strategien wir haben, um diese Chancen für uns Wirklichkeit werden zu lassen.

Unsere Chancen sind zum Beispiel die spezifischen Fähigkeiten der Unternehmen in den neuen Ländern, beim Um- und Aufbau einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur in den Beitrittsländern zu helfen, aber eben auch Geschäfte zu machen. Wir müssen nicht zum zweiten Mal in Europa mit öffentlichen Mitteln überdimensionierte Strukturen aufbauen, die die Finanzen der öffentlichen Gebietskörperschaften in den neuen Ländern bereits jetzt ruinieren; solche Probleme kommen absehbar auch auf die Beitrittsländer zu. Hier ist ein Markt; die Frage ist eben nur, warum wir als Brandenburger, aber auch als Ostdeutsche uns in den Twinning-Programmen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds hauptsächlich auf die Beratung beschränken, während andere Länder, andere Regionen dies hauptsächlich im Bereich der europäischen Strukturfondsmittel tun und damit auch ihr Interesse an diesen Märkten formulieren. Wir haben die Experten in diesem Bereich. Warum definieren wir unsere Interessen nicht klar, auch gegenüber unseren Partnern? Andere Regionen wie Frankreich und Österreich gehen uns hier voran. Man ist aktiv beim Aufbau von Wirtschaftsförderung und formuliert auch aktiv seine Interessen.

Der Ministerpräsident hat vor kurzem erklärt, dass sich das Land Brandenburg bisher und auch zukünftig um eine engere Zusammenarbeit mit Rumänien bemüht hat bzw. bemühen möchte. Auch hier steht die Frage: Wo liegen unsere Schwerpunkte? Wir zählen die Beitrittsländer auf, haben aber beschränkte Ressourcen. Wo liegen sie denn? Man sieht in Rumänien also Marktchancen. Ich frage mich aber, welche harten

Fakten dies eigentlich untermauern. In welche gemeinsame Strategie mit den Wirtschaftsverbänden und unseren Unternehmen ist das Thema Rumänien eingebunden? Wäre es nicht sinnvoller, sich auf leistbarere, zugänglichere Märkte zu konzentrieren?

Es gilt also, unsere Bemühungen zu fokussieren, um nachweisbare Erfolge für brandenburgische Markterschließungsmaßnahmen im Rahmen der EU-Erweiterung zu zeigen. Dabei stellt sich auch die Frage nach der Professionalität unserer Bemühungen, denn wenn dem Vernehmen nach mit einer Ausnahme alle nationalen, von der brandenburgischen Staatskanzlei für die Beratung oder für Gemeinschaftsprojekte in Rumänien vorgeschlagenen Experten von den Rumänen und der EU abgelehnt worden sind, weil die gewünschten Voraussetzungen hinsichtlich der Qualifikation nicht vorliegen, dann sind das natürlich bittere Erfahrungen für ein Land und lassen fragen, wie groß unsere Zukunft in Rumänien ist.

Gleichzeitig erscheint in einer Publikation unseres Landes ein Artikel eines Mitarbeiters der Staatskanzlei, der sich mit der beklagenswerten Situation in Rumänien beschäftigt und die Aufbauarbeit wegen mangelnder Rechtssicherheit, der Korruptionsproblematik und völlig unübersichtlichen staatlichen Strukturen mehr als infrage stellt. Die Frage ist, was wir in Rumänien tun. Ebenso müssen wir uns überlegen, ob manche strategischen Grundprämissen bei den Gesprächen mit unseren Partnern beispielsweise in Polen richtig sind. Ist die Prämisse, beim Verkehr und beim Aufbau der Infrastruktur handele es sich grundsätzlich um eine Ost-West-Problematik, wirklich richtig? Oder müssen wir nicht bald zur Kenntnis nehmen, dass unsere Nachbarn in Polen, aber auch in Tschechien und Ungarn ihre mit den Fördermitteln der Europäischen Union auszubauenden Entwicklungsachsen im Moment ganz anders definieren? Dort sieht man ausweislich einiger Regierungserklärungen zum Beispiel die Chancen einer Nord-Süd-Ausrichtung, einer Entwicklung entlang der Achse Danzig - Warschau - Budapest - Wien als sehr viel stärker an als den Ausbau der Ost-West-Beziehungen und damit die Fragen, die uns in Brandenburg beschäftigen. Wie nachhaltig sind also unsere strategischen Überlegungen hinsichtlich unserer Interessen in Brüssel?

In Bezug auf die Regionalförderung scheint mir, dass auch in Zukunft die Mehrzahl der ostdeutschen Regionen sicherlich weiter in den Genuss der Ziel-I-Förderung kommen wird. Aber ich frage mich doch, warum gerade wir in Brandenburg uns als Einzige in einem gewissen vorauseilenden Gehorsam in zwei Regionen aufgespalten haben, um für die vermeintlich ärmere Hälfte die EU-Gelder für 2006 zu sichern. Ich habe gemeinsam mit anderen Kollegen mehrfach deutlich gemacht, für wie problematisch wir diese Entscheidung halten. Ich halte die inhaltliche Argumentation dazu, gelinde gesagt, für volkswirtschaftlich exotisch. Man kann sich zwar über das Thema trefflich streiten, aber wer die letzten Äußerungen des Regionalkommissars Barnier im Wirtschaftsmagazin „Markt und Wirtschaft“ liest, kann sich durchaus seine eigene Meinung bilden.

Bezeichnender noch als diese Fehlentscheidungen sind aber die Umstände, unter denen sie getroffen wurden. Das Fehlen einer öffentlichen Diskussion und die Verabschiedung in einer Staatssekretärsrunde sprechen eben nicht von einem nachhaltigen Umgang mit dem Thema. Man kann sich über das Thema inhaltlich streiten, aber ich meine, wir brauchen eine breitere Diskussion und müssen auch in der Öffentlichkeit zeigen, dass

solche Entscheidungen durchaus von einer Ministerrunde und den Ministerpräsidenten gemeinsam getroffen werden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen einfach mehr Nachhaltigkeit bei der Formulierung und Durchsetzung unserer industriepolitischen Interessen. Wir haben die Weltkompetenzregion Bahntechnik ausgerufen und müssen uns gleichzeitig darüber im Klaren sein, dass die Ansiedlung der Europäischen Eisenbahn-Agentur - ein Thema, das durchaus in Brüssel diskutiert wird - gescheitert ist und wir damit eine riesige Chance, nämlich einen Schlüssel für den Zugang zu den Schienenfahrzeugmärkten in Osteuropa zu gewinnen, im Grunde genommen jetzt schon vertan haben. Es hat nichts mit Parteipolitik zu tun, dass wir uns ganz genau überlegen müssen, ob ein aus Nordrhein-Westfalen stammender Wirtschaftsminister - er könnte auch von der CDU sein - der richtige Garant dafür ist, ostdeutsche industriepolitische Interessen in Brüssel durchzusetzen. Das Ergebnis ist jedenfalls, dass sich die Europäische Eisenbahn-Agentur in Lille und die Flugsicherungsagentur in Köln befinden.

Meine Damen und Herren, zum Schluss Folgendes: Das Wort Interesse ist nicht anrüchig. Ich werde aus einer Diskussion im französischen Parlament zum Thema EU-Osterweiterung zitieren. Dort wurde viel von Interessen und auch von Völkerfreundschaft gesprochen. Ein namhafter französischer Politiker zitierte den am Abschluss der Europadebatte zum Thema Völkerverständigung schönen Satz: Völker haben Interessen. Die Interessen bleiben gleich. Die Freunde ändern sich.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir unsere Interessen zu formulieren beginnen. Insofern ist der Bericht der Landesregierung zwar ein erster Schritt, aber er wird nicht genügen, um den zukünftigen Herausforderungen standzuhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Ehler. - Das Wort geht noch einmal an die Landesregierung. Frau Ministerin Richstein, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ehler, ich nehme an, das war die Aufforderung zu einem vierten Bericht. Dieser wird jedoch wahrscheinlich erst in der nächsten Legislaturperiode vorgelegt werden.

Frau Wolff-Molorciuc, ich gestehe ein, dass nur wenig Zeit blieb, den gesamten Bericht zu lesen. Aber ich hoffe, dass die Denkblockade, dass am 30. April alles vorbei ist, irgendwann durchbrochen wird. Es geht doch nach dem 30. April weiter. Deswegen ist es auch eine Integrationsstrategie. Ich denke, dass die Abgeordneten während der Osterferien die Möglichkeit haben werden, sich den Bericht ganz genau zu Gemüte zu ziehen.

Ich sehe ein, dass man in der Kürze der Zeit vielleicht das eine oder andere überlesen hat, möchte aber klarstellen: Ich habe Sie in der Anlage I nicht zum Sündenbock gemacht, da Sie eine Anfrage gestellt haben. Ich muss Sie enttäuschen: Ich habe die PDS gar nicht erwähnt. Der Fragesteller ist nicht erwähnt worden, sondern nur die Tatsache, dass aufgrund einer Großen Anfrage die

Zeit fehlte, an dem Bericht zu arbeiten. Angesichts der kleinen Abteilung muss man, glaube ich, auch etwas Nachsicht üben.

(Zuruf von der PDS)

Dass der Bericht jetzt nicht mehr ganz den aktuellen Sachstand wiedergibt, spricht dafür, dass wir in einer dynamischen Welt mit einer dynamischen Politik leben, dass es keinen Stillstand gibt, sondern die Vorbereitung jeden Tag weiterläuft. Es ist nicht nur so, dass ich im vergangenen Jahr mit Frau Helbig in Stettin war, sondern - Sie haben es kurz erwähnt - dass natürlich auch mit Berlin ein trilaterales Abkommen in Großpolen geschlossen wird. Viele Dinge kann man mit Polen nur nach einer Kompromisslösung unterschreiben, weil diese natürlich von der Zentralregierung in Warschau genehmigt werden müssen. Deswegen ist es zum Teil nicht ganz so konkret gefasst, wie wir es uns wünschten. Daher haben wir den Weg gefunden, dies mit gemeinsamen Arbeitsprogrammen zu untermauern.

Es ist mitnichten so, dass Brandenburg nicht vorbereitet wäre. Wenn ich heute in der „Märkischen Oderzeitung“ lese, dass gerade in der Euroregion Pomerania wichtige Förderbescheide aus Mecklenburg-Vorpommern nicht bestätigt werden, dann zeigt das auch - Mecklenburg-Vorpommern hat eine viel kürzere Grenze als Brandenburg und nicht so viele Anträge vorliegen -, welche Länder sich in welchem Verhältnis auf die Europäische Union vorbereiten.

Grundsätzlich würde ich Sie, Herr Nonninger, bitten, hier nicht immer nur mit Stimmungsmache zu agieren. Der EU-Beitritt liegt vor uns. Es gibt Chancen, viele Chancen, zum Teil auch Herausforderungen und Risiken. Aber es hilft auf keinen Fall, jetzt Stimmung gegen die Erweiterung zu machen, sondern es wäre gut, Lösungsansätze aufzuzeigen, wie man die Situation hier im Land verbessern kann, damit wir auf die Situation, auf die wir uns einzustellen haben, noch besser vorbereitet sind.

Ich glaube, dass wir gut vorbereitet sind. Am 30. April wird keine große Zäsur erfolgen. Es wird am 1. Mai unter besseren Bedingungen weitergehen, weil wir dann Gemeinschaftsrecht auf beiden Seiten der Oder haben. Wir haben die gleichen Förderprogramme. Wir haben leider noch nicht das gleiche Geld. Das betrifft nicht nur die Währung, sondern auch die Quantität der Mittel, die wir einsetzen können. Es ist auf jeden Fall ein großer Schritt, den wir dann gehen können. Ich glaube, dass wir in der Zukunft auch sehr erfolgreich sein werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Richstein. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und ich kann feststellen, dass Sie den Bericht der Landesregierung, Drucksache 3/7289, zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Langfristige Sicherung des Lehrerbedarfs im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/7204

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Abgeordnete Große, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die sinkenden Schülerzahlen sind von Herrn Minister Reiche gelegentlich als die größte Herausforderung seit dem Dreißigjährigen Krieg bezeichnet worden. Wenn dem so wäre, könnte man erwarten, dass der herausragenden Aufgabe entsprechend langfristige, gut durchdachte, differenzierte Lösungen gesucht werden. Die sehen wir zurzeit nicht. Pragmatismus, Kurzsichtigkeit und die Haushaltskonsolidierung kennzeichnen das Herangehen der Landesregierung an dieses Problem. Ein Beweis dafür sind die gestern debattierten Schulschließungen im Lande, aber auch der Umgang der Landesregierung mit Lehrerinnen und Lehrern.

Einerseits wird das schlechte Image der Lehrerinnen und Lehrer in der Öffentlichkeit beklagt, andererseits unternimmt die Landesregierung keine ernsthaften Bemühungen, wirklich etwas dagegen zu tun. Lehrerinnen und Lehrern werden immer mehr Aufgaben und Belastungen zugemutet. Viele von ihnen werden jetzt zusätzlich von Umsetzungen bedroht, müssen zum Teil an mehreren Schulen unterrichten, sind fachfremd eingesetzt - alles Faktoren, die der Motivation von Lehrern nicht gerade förderlich sind.

(Schippel [SPD]: So ist das Leben!)

Die neuerliche Stasi-Überprüfungsdebatte für Schulleiterinnen und Schulleiter ist es übrigens auch nicht. Lehrerschelte, wie sie Herr Minister Reiche im Zusammenhang mit der Diskussion um das Zentralabitur getätigt hat, ist auch nicht hilfreich. Die Wiedereinführung des Tages des Lehrers wird es nicht richten. Plakatklebeaktionen und Werbekampagnen werden nicht kompensieren, dass wir vor einem großen Problem stehen.

Es ist Aufgabe der Politik, gute, verlässliche Rahmenbedingungen für die dringend nötige Erhöhung der Qualität von Unterricht zu schaffen. Die dafür notwendigen Lehrerstellen müssen zur Verfügung gestellt werden. Diese Konzepte sollten so ähnlich, wie es beim MoSeS-Projekt heute früh angesprochen wurde, mit den Lehrern gemeinsam und nicht über ihre Köpfe hinweg entwickelt werden.

Die PDS hat bereits vor knapp drei Jahren an dieser Stelle von der Landesregierung ein mittel- und ein langfristiges Personalstellenentwicklungskonzept gefordert. Es fehlt bis heute. Was mittlerweile vorhanden ist, ist ein Schulressourcenkonzept, auf dessen Grundlage tarifliche Vereinbarungen mit der Gewerkschaft getroffen wurden. Beschäftigungspolitisch war das ein Erfolg, zumindest für die nun von Kündigungen verschonten Lehrerinnen und Lehrer, vor allem natürlich auch für die zwangsteilzeitbeschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Bildungspolitisch bringt uns das Schulressourcenkonzept möglicherweise nicht weiter.

Wir wiederholen an dieser Stelle unsere Kritik an diesem Konzept. Es sieht mittelfristig einen drastischen Stellenabbau für die nächsten Jahre vor, lässt aber die längerfristigen Entwicklungen völlig außer Acht. So sollen bis 2010 mindestens 6 714 Stellen abgebaut werden und die Landesregierung ver

weist in ihrem Schulressourcenkonzept voller Stolz darauf, dass sie darüber hinaus zwischen 2006 und 2010 den Landeshaushalt um 50 Millionen Euro entlastet.

Doch was wird danach? Ab 2010 wird es in Brandenburg einen solchen Lehrermangel geben, dass jährlich 1 100 neue Lehrer eingestellt werden müssen, um den Unterricht in der bisherigen Qualität abzusichern. Wir wollen aber eine höhere Qualität. Woher sollen sie kommen? Jeder, der sich etwas näher mit dieser Problematik beschäftigt, weiß, dass dieser Bedarf nicht zu decken sein wird, auch nicht von der Universität Potsdam. Dort beginnen zwar etwa 500 bis 600 Studenten mit dem Lehrerstudium, jedoch verlassen nur 40 % von ihnen die Universität Potsdam als Absolventen. Es werden also nur 200 bis 300 Lehrerabsolventen in den Schuldienst kommen - und auch nur dann, wenn sie bei uns beginnen.

Auch die Universitäten in anderen Ländern bilden Lehrer aus. Aber auch in anderen Bundesländern wird es einen Lehrermangel geben und jedes Land wird froh sein, seinen eigenen Bedarf decken zu können.

Wenn unter solchen Umständen zusätzlich Lehrer nach Brandenburg gelockt werden sollen, geht das nicht ohne materielle Anreize. Das wird teuer.

Alternativen zu dieser verfehlten Politik könnten darin bestehen, eben nicht so viele Stellen abzubauen und stattdessen das vorhandene Personal zu stärken, den Lehrern mehr Zeit zu geben für eine intensive, systematische Fortbildung, die Pflichtstundenzahl zu senken, Ganztagsschulen nicht als Sparvariante zu fahren, sondern großzügiger mit Lehrerstellen auszustatten, Klassen zu verkleinern.