Ich möchte mit folgendem Satz schließen: Innere Sicherheit ist für die Existenz Deutschlands, für die Existenz Brandenburgs von ganz hoher Bedeutung. Wir werden uns nicht beirren lassen, darauf hinzuweisen. Wir werden uns auch nicht beirren lassen, immer das Notwendige zu unternehmen, um unsere Menschen zu schützen. - Vielen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Petke. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 3 - Aktuelle Stunde - angekommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und unterbreche die Sitzung des Landtags bis um 13 Uhr.
Es ist 13 Uhr. Wir beginnen mit der Nachmittagssitzung. Ich begrüße Sie herzlich und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
1. Lesung des Gesetzes zur Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf kommt der Gesetzgeber der Verpflichtung durch das Verfassungsgericht nach, in einzelnen Neugliederungsfällen eine Neuregelung zu treffen. Wesentlicher Grund für diese Neuregelung ist, dass die Bevölkerung in zehn Verwaltungseinheiten nicht so angehört wurde, wie es von der Verfassung vorgeschrieben ist. Die Anhörung wurde von Anfang März bis Mitte April dieses Jahres nachgeholt.
Es handelt sich um ein Bestätigungsgesetz. Damit will ich Folgendes ausdrücken: Wir treffen einzelne Neugliederungsentscheidungen und knüpfen damit zugleich an Entscheidungen des Gesetzgebers zur Gemeindegebietsreform von März vergangenen Jahres an.
Das Gesetz ist notwendig. Es trägt zur Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger bei und in den betroffenen Gemeinden und Ortsteilen besteht dann Klarheit für die weitere Entwicklung.
Ich möchte Sie bitten, der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss zuzustimmen, damit wir das Gesetz in der nächsten Sitzung des Landtags verabschieden können und damit die Kommunalreform zu einer abschließenden Regelung führen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 18-mal hat der Landtag zugestandenermaßen fehlerhaft am 5. März des letzten Jahres im Rahmen der Gesetze zur Gemeindegebietsreform Gemeinden zwangsaufgelöst. Zweimal hat dies das Landesverfassungsgericht für die Gemeinden Selbelang und Wachow am 18. März 2003 auch ausgeurteilt. In allen anderen Fällen von Gemeinden, die nun Gegenstand einer gesetzlichen Bestätigung bereits beschlossener Neugliederungen werden sollen, gibt es diesen Urteilsspruch jedoch noch nicht.
Doch wie der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen ist, sind die vom Verfassungsgericht für die Gemeinden Selbelang und Wachow gerügten Anhörungsfehler ebenfalls erkennbar gegeben und sollen nach Meinung der Landesregierung durch dieses Gesetz hier in vorauseilendem Gehorsam, so meine ich, möglichst vor weiteren Verfassungsgerichtsentscheidungen geheilt werden. Bravo! Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht das denn überhaupt?
Sie stellen fest, was die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der zwangsaufgelösten Gemeinden Ihnen, den Koalitionsabgeordneten, im Innenausschuss und im Ministerium des Innern schon im Gesetzgebungsverfahren des letzten Jahres im Rahmen der Innenausschussanhörung gesagt haben. Die fehlerhafte Anhörung der Bevölkerung war Gegenstand der Beratungen im Landtag, zum Beispiel im Falle des Amtes Unteres Dahmeland, bei dem zunächst die Bildung einer amtsfreien Gemeinde vorgesehen war und bei dem dann die Eingliederung dieser Gemeinden des Amtes Unteres Dahmeland in die Stadt Königs Wusterhausen beraten und beschlossen wurde.
Das alles haben wir jedenfalls gewusst. Doch diese und andere berechtigte Kritik haben Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Jetzt hat das Ministerium des Innern gemeinsam mit den zuständigen Landräten noch einmal zu einer Anhörung der Bevölkerung aufgerufen. Wieder ein Hoch auf die Regierung!
Weshalb tun Sie das? Weil die Anhörung der Bevölkerung an sich für Sie einen hohen Stellenwert hat? Weil Sie die Sorgen und Hinweise der Bevölkerung ernst nehmen wollen und Schlussfolgerungen daraus ziehen werden? - Nein, nicht aus diesen Gründen.
Das Verfassungsgericht hat zu Recht eine ordnungsgemäße Anhörung der Bevölkerung verlangt und die Einwohnerinnen und Einwohner in den betroffenen Gemeinden dürfen zu Recht fordern, dass ihre Sorgen und Hinweise vom Gesetzgeber ernst genommen werden. Die erneuten Anhörungen sind kein Angebot an die Menschen in den von der Gebietsreform betroffenen Gemeinden, sondern eine Pflichtübung vor dem Verfassungsgericht, die man formal durchführen und abhaken möchte. Dies mache ich Ihnen, Herr Minister des Innern, zum Vorwurf.
Es stellt sich aber noch eine weitere Frage: Besteht für noch nicht vom Verfassungsgericht beurteilte Neugliederungen schon jetzt ein gesetzlicher Regelungsbedarf?
Nur bei den Gemeinden Selbelang und Wachow, bei denen die gesamte Neugliederungsentscheidung - die gesamte Neugliederungsentscheidung! - und nicht nur ein herausgegriffenes Problem der formellen Verfassungsmäßigkeit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung war, muss der Landtag handeln. Richtig. Nur für diese beiden Gemeinden hat das Verfassungsgericht geurteilt, dass der Landtag bei Vermeidung der Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen spätestens mit Wirkung ab 1. Januar 2006 eine Neuregelung treffen muss.
Die Bestätigung der anderen Neugliederungen durch den vorliegenden Gesetzentwurf stellt hingegen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar, das sich für schwebende verfassungsgerichtliche Verfahren verbietet. Beurteilungsgegenstand für das Verfassungsgericht ist die Prognose und die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers am 5. März 2003 beim Gesetzesbeschluss. Dieses Bestätigungsgesetz hier greift in laufende kommunale Verfassungsbeschwerden von Gemeinden ein und bringt eine Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten für diese Gemeinden mit sich, die aufgelöst sind und die ausdrücklich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht einmal für eine juristische Sekunde als wieder selbstständige Gemeinde bzw. fortbestehende selbstständige Gemeinde, sondern weiterhin als aufgelöst gelten sollen.
Mit dem Gesetzentwurf verbunden ist aber eine neue Anhörung der Bevölkerung, der damaligen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und der jetzigen Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister. Der Gesetzentwurf stellt eine neue, wenn auch bestätigte Prognose und Abwägung des Landtags dar, indem Gründe des öffentlichen Wohls bemüht werden, die Zwangseingemeindungen im letzten Jahr gegen den Willen von Gemeinden rechtfertigen sollen. Hierbei, liebe Kolleginnen und Kollegen, können aber auch wieder neue Fehler im Gesetzgebungsverfahren gemacht werden.
Doch wer soll diese dann neu gemachten Fehler und das neue Gesetzgebungsverfahren hinterher rügen, wenn die Gemeinden nicht als selbstständig und als fortbestehend gelten dürfen. Diese Gemeinden - ich sage es noch einmal - gelten aus Ihrer Sicht weiterhin als aufgelöst. Sie sind als Ortsteile keine selbstständigen Rechtssubjekte. Doch gegen Gesetze, die die kom
munale Selbstverwaltung verletzten, steht Gemeinden - und nur diesen - der Rechtsweg offen, nämlich die kommunale Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht.
Wie Sie aus diesem Dilemma herauskommen wollen, ergibt möglicherweise die Anhörung im Innenausschuss. Dem werden wir uns auch nicht verschließen. Nur brauchen wir auf diese rechtliche Frage bis zur 2. Lesung eine Antwort. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gemeindegebietsreform gehörte zweifelsohne zu den am meisten diskutierten Vorhaben der vergangenen Jahre und hat damit naturgemäß auch den Landtag ausgiebig beschäftigt. Es liegt in erster Linie am Thema selbst, dass die Popularität dieser Reform etwas eingeschränkt ist.
Daran hat auch die Tatsache nichts geändert, dass die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden in vielen Fällen korrekt einbezogen worden ist. Eine Bürgerbeteiligung trägt allerdings nicht unter allen Umständen dazu bei, dass das Ergebnis des Verfahrens dann auch akzeptiert wird. Wie so oft im Leben geht es auch hier nicht allein um das Ob, sondern auch und vor allem um das Wie.
Es lässt sich also feststellen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit immer mit Widerständen zu rechnen ist, wenn die im Grundsatz mögliche bzw. rechtlich erforderliche Bürgerbeteiligung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise bzw. angemessenen Art und Weise erfolgt; denn wenn es um Gebietsänderungen von Gemeinden geht, dann lässt die Landesverfasssung jedenfalls an der Rolle der Bürgerbeteiligung keinen Zweifel aufkommen. Sie fordert die Anhörung der betroffenen Bevölkerung sowie im Falle der Auflösung von Gemeinden gegen deren Willen den Weg des Gesetzes.
Das Landesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang mehrmals ausgeführt, dass eine Anhörung nach dem entsprechenden Artikel 98 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung mindestens voraussetzt, dass die Bürger des unmittelbar betroffenen Gebietes förmlich Gelegenheit erhalten, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu einer konkret ins Auge gefassten Gebietsänderung oder auch zu mehreren alternativ in Betracht kommenden Gebietsänderungen zu äußern.
Dies ist zum großen Bedauern meiner Fraktion nicht in allen Fällen so erfolgt, dass alle durchgeführten Anhörungen in jedem Fall diejenige Neugliederung zum Gegenstand hatten, die dann vom Landtag beschlossen wurde. Das ist aber angesichts der Vielzahl der Anhörungen ein Fehler, der durchaus geschehen kann, der jedoch bedauerlich ist. Er ist leider bei der Vielzahl dieser Termine, auch der Ortstermine, durchgegangen. Das ist ohne Zweifel kritikwürdig. Doch, wie dem auch sei, mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf soll nunmehr eine Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform erfolgen. Die Grundlage hierfür bietet eine Bürgeranhörung, die in den
Monaten März und April dieses Jahres stattgefunden hat. Mit anderen Worten sollen jetzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die vormals begangenen Fehler bzw. Unzulänglichkeiten korrigiert werden. Unsere Fraktion wird einer Überweisung an den Innenausschuss zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetz zur Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform wird unsere Fraktion heute nicht zustimmen. Aus unserer Sicht bedarf es zuvor einer nochmaligen Anhörung im Ausschuss für Inneres. Erst danach werden wir als DVU-Fraktion uns darüber eine abschließende Meinung bilden. Die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Inneres halten wir natürlich schon aufgrund dieser Tatsache für notwendig.
Worum geht es? Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat festgestellt, dass die Gemeindebürger zu einzelnen Neuregelungssachverhalten der Gemeindegebietsreform nicht hinreichend angehört worden sind. In diesen Fällen sind die gesetzlichen Neugliederungen nicht erfolgt. Konkret heißt das: Insoweit sind das 4. und 5. Gesetz der Landesregierung zur Gemeindegebietsreform nichtig.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf, der sich mit der Überschrift „Alles bleibt so“ zutreffend beschreiben lässt, will die Landesregierung die Ergebnisse des vom Landesverfassungsgericht als nichtig erkannten Gesetzes nun offenbar einfach durchwinken. Dem können wir als DVU-Fraktion natürlich nicht folgen.
Allerdings sind wir bei der Behandlung dieses Gesetzes - in Grenzen - durchaus „ergebnisoffen“. Diese Grenzen - das sei an dieser Stelle allerdings gesagt - werden sich nicht an dem orientieren, was die Landesregierung beabsichtigt oder mit dem hier in Rede stehenden 4. und 5. Gesetzes zur Gemeindegebietsreform zu Papier gebracht hat. Die Grenzen werden sehr viel mehr nach den Grundsätzen festgelegt, die wir als DVUFraktion zur Umsetzung der Gemeindegebietsreform entwickelt haben. Ich gehe zunächst davon aus, dass diese dem Plenum des Landtages zumindest in den Grundzügen noch geläufig sind. Wir haben ja lange darüber debattiert.
Im Kern besagen unsere Grundsätze Folgendes: Ausgehend von den Leitlinien sollen in Brandenburg leistungsfähige Gemeinden erhalten bleiben, entwickelt und gefördert werden, die allerdings zugleich den Anforderungen der Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit gerecht werden. Schon hieraus ergibt sich, dass wir dem Bürgerwillen vor Ort, also in den einzelnen Gemeinden, maßgebliche Bedeutung beimessen. Der Grund dafür: Die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden sind es, die mit dem Ergebnis dieser Reform leben müssen.
Das wiederum führt unsere Fraktion zu folgenden Erkenntnissen: Dort, wo den Gemeinden im Einzelfall leitlinienkon
forme Alternativen zur Verfügung stehen, die dem Willen der betroffenen Gemeindebürger entsprechen oder näher kommen als Neugliederungsvorstellungen der Landesregierung, sind diese vorrangig. Dieser Vorrang ergibt sich aus Sicht unserer Fraktion schon aus den für unsere Grundüberzeugungen leitenden Prinzipien der Demokratie und der Subsidiarität. Dort, wo begründete Ausnahmen zu den ja nicht als Dogma unverrückbar feststehenden Leitlinien vorliegen, sind sie im Sinne von Bürgerwillen, Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit auch in die Praxis umzusetzen. Bekanntlich war dies gerade bei den hier in Rede stehenden Gesetzen, dem 4. und 5. Gesetz zur Gemeindegebietsreform, auf die sich der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung bezieht, nicht durchweg der Fall.
Deswegen haben wir als DVU-Fraktion bekanntlich in den Einzelabstimmungen über die Regelungsvorschläge im Ausschuss für Inneres unseren Grundsätzen entsprechend differenziert abgestimmt und die hier im Plenum im Paket zur Abstimmung gestellten Gesetzentwürfe 4 und 5 insgesamt abgelehnt. Schon dieser Umstand verbietet es, dass wir als DVU-Fraktion das heute vorgelegte Bestätigungsgesetz der Landesregierung einfach so passieren lassen, also durchwinken. Wie gesagt: Einer Überweisung an den Ausschuss zwecks Anhörung stimmen wir zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.