Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

Drucksache 4/925

1. Lesung

Die Debatte eröffnet die Landesregierung mit einem Redebeitrag von zehn Minuten. Herr Minister Dr. Woidke, bitte.

Sehr verehrter Herr Präsident! Ob ich Ihrer Anforderung hinsichtlich der zehn Minuten gerecht werde, werden wir sehen. Ich weiß nicht, ob dies allgemein gewünscht ist, aber ich werde mir Mühe geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung wird § 9 des Brandenburgischen Abfallgesetzes geändert. Im § 9 ist festgelegt, welche Kosten bei der kommunalen Abfallgebühr zum Ansatz gebracht werden. Hierzu gehört auch die Bildung von Rücklagen für die spätere Stilllegung von Abfalldeponien.

Das Brandenburgische Abfallgesetz hat 1997 in diesem Zusammenhang eine wesentliche Einschränkung eingeführt: Bei Altdeponien darf nur derjenige Kostenanteil an den Stilllegungskosten bei der Abfallgebühr veranschlagt werden, der den nach In-Kraft-Treten des Landesabfallvorschaltgesetzes 1992 erfolgten Abfallablagerungen zuzurechnen ist.

Diese so genannte Stichtagsregelung gehörte schon bei der Verabschiedung des Abfallgesetzes zu den umstrittensten Regelungen. Die Kollegen, die dem Landtag länger angehören, werden sich gut daran erinnern. Mit ihr sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass vor 1990 eine Rücklagenbildung für Deponien nicht möglich war. Die Stichtagsregelung führte dazu, dass dieser Anteil an den Stilllegungskosten die kommunalen Haushalte belastet, ohne durch Gebühren refinanziert werden zu können.

Wesentlicher Inhalt des eingebrachten Änderungsentwurfs ist die Streichung dieser Stichtagsregelung. Stattdessen soll es den kommunalen Entsorgungsträgern ermöglicht werden, Folgekosten der Deponien, die aufgrund der bundesrechtlichen Anforderungen bis 2009 stillgelegt werden, verteilt über den Zeitraum bis Ende 2019 bei der Abfallgebühr anzusetzen.

Meine Damen und Herren, warum hat sich die Landesregierung zu diesem Änderungsvorschlag entschlossen? - Zunächst fordert die europäische Deponierichtlinie generell die Umlage aller Kosten auf die Gebühren. Des Weiteren haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen seit 1997 geändert. Ich brauche nicht weiter auszuführen, dass sich die Lage der kommunalen Haushalte in diesem Zeitraum immer weiter verschlechtert hat. Außerdem ist man im Jahre 1997 noch davon ausgegan

gen, das Land könne durch öffentliche Zuwendungen die Entsorgungsträger bei der Stilllegung von Deponien unterstützen und auf diese Weise die Belastung der kommunalen Haushalte mildern.

Tatsächlich hat die Landesregierung in der Vergangenheit diese Maßnahmen nach Kräften gefördert. Dafür wurden auch europäische Gelder mobilisiert. Aufgrund der notwendigen Konsolidierung des Landeshaushalts werden wir aber künftig in diesem Bereich kaum noch Unterstützung leisten können. Außerdem befürchtete man 1997 Gebührensteigerungen in der Abfallwirtschaft, denen man mit dieser Stichtagsregelung begegnen wollte.

Gebührensteigerungen sind aber in der Folgezeit nicht eingetreten. Die Abfallgebühren in unserem Land sind vielmehr von 1998 bis 2003 durchschnittlich um ca. 16 % gesunken. Wir werden in den nächsten Jahren voraussichtlich wieder auf dem Stand von 1998 landen. Ich frage Sie: Welche Dienstleistungen gibt es, deren Preise sich heute noch auf dem Niveau von 1998 bewegen?

Auch die Streichung der Stichtagsregelung wird im Ergebnis nicht zu Gebührenerhöhungen führen. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Abfallgebühr schon bisher eine Rückstellung für künftige Kosten der Deponiestilllegung enthielt. Die Gesetzesbegründung umfasst eine detaillierte Kalkulation der Kostenfolgen, damit Sie, verehrte Abgeordnete, sich selbst ein Urteil zu dieser wichtigen Frage bilden können.

Meine verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Vorfeld der heutigen Landtagssitzung wurde die Befürchtung geäußert, der Gesetzentwurf bezwecke eine nachträgliche Gebührenfinanzierung der Sanierung so genannter Bürgermeisterdeponien, die bereits vor 1992 stillgelegt worden sind. Ich kann Sie in diesem Punkt beruhigen; denn unter die Abfallgebühr nach § 9 Brandenburgisches Abfallgesetz fallen nur solche Abfalldeponien, die nach 1992 durch die Entsorgungsträger weiter betrieben wurden. Dies kann im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch eine Liste der betreffenden Deponien klargestellt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine ordnungsgemäße Stilllegung und Nachsorge der Abfalldeponien erfordert eine tragfähige Finanzierung. Dies ist mit der geltenden Stichtagsregelung nicht sichergestellt. Daher ist ihre Ersetzung durch eine vernünftige Vorschrift zur Gebührenfinanzierung umweltpolitisch erforderlich.

Ich darf Sie um Unterstützung der Gesetzesvorlage der Landesregierung bitten und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Danke, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir setzen mit dem Beitrag von Frau Adolph fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen, betrifft uns alle: Es geht um unseren Müll.

Für die meisten von uns endet das Thema Abfall an der Mülltonne. Lediglich die Eigenheimbesitzer merken in ihrem Geldbeutel konkret, wie viel ihnen der Müll wert ist. Mieter machen sich selten die Mühe, die in den Betriebskosten enthaltenen Müllgebühren nachzuvollziehen.

Genau um eine Erhöhung der Müllgebühren geht es in dem von der Landesregierung vorgelegten Entwurf zur Änderung des Abfallgesetzes. In den zurückliegenden Jahren sind die Gebühren kontinuierlich zurückgegangen - der Minister hat es schon unterstrichen -, von 49 Euro im Jahre 1998 auf inzwischen 41 Euro pro Kopf der Bevölkerung und Jahr. Dahinter verbergen sich Entsorgungskosten für durchschnittlich 143 Kilogramm Hausmüll pro Einwohner.

Die Kosten nach der Mülltonne teilen sich unter anderem wie folgt auf: Der größte Anteil entfällt mit 44 % auf das Einsammeln und Transportieren. Die Deponierung verursachte bisher 31 % der Entsorgungskosten. Eine weitere Reduzierung der zu deponierenden Abfälle wird Mitte Juni 2005 als Folge der dann geltenden neuen rechtlichen Anforderungen an die Restmüllbehandlung und die Abfallablagerung eintreten. Man spricht gar vom Beginn eines neuen Zeitalters in der Entsorgungswirtschaft. Die Ablagerung der unbehandelten Abfälle ist dann endgültig verboten - unserer Umwelt, unserem Grundwasser und unserer Atmosphäre zuliebe.

Durch die erforderliche Abfallbehandlung wird sich die auf Deponien abzulagernde Menge des Abfalls auf rund 50 % reduzieren. Bezogen auf Brandenburg sind das ungefähr 700 000 Tonnen.

Der überwiegende Teil der Deponien wird geschlossen. Der Abfall wird künftig zu einem großen Teil verbrannt oder mechanisch-biologisch behandelt.

Die Gelder zur Deckung der bei der Deponieschließung anfallenden Stilllegungs- und Nachsorgekosten sollten - neben den Landes- und den EFRE-Mitteln, die hier genannt wurden - eigentlich vor allem aus in den Landkreisen und kreisfreien Städten gebildeten Rücklagen bereitgestellt werden. Aber genau an dieser Stelle gibt es eine Deckungslücke, die mit dem neuen Gesetz geschlossen werden soll.

Glaubt man der Gesetzesbegründung, entspricht diese Lücke exakt den Kosten, die dem Deponiebetrieb im Zeitraum vor 1992 zuzurechnen sind. Es geht dabei um 175 Millionen Euro bzw. 35 % der Gesamtkosten. Die Landesregierung schlägt dem Gesetzgeber vor, die fehlenden Rücklagen auf dem Weg der Gebührenerhöhung zu kompensieren.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle zwei grundsätzliche Bemerkungen:

Erstens: Ich halte die Finanzierung der Abfallentsorgung grundsätzlich für gebührenfähig. Dazu gehört aber ein System der Gebührengerechtigkeit, das letztlich einen Anreiz zur Müllvermeidung bietet.

Zweitens:. In den Gebührenansatz dürfen aber nur die Kosten einfließen, welche tatsächlich den Bürgerinnen und Bürgern kommunal zuzuordnen sind. Jeder soll letztlich nur den Müll bezahlen, den er produziert.

Spätestens hier geraten wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in eine Grauzone: Wie kann man verlässlich einem Zeitraum vor 1992 Kosten zuordnen, zu dem es die öffentlichrechtlichen Versorgungsträger in der heutigen Form noch nicht gab? Woher stammt der Abfall, der vor 1992 auf den Deponien landete? Mit diesen Fragen wird sich der zuständige Ausschuss sicherlich noch beschäftigen.

Der Verdacht liegt nahe, dass man die in einigen Kreisen gebildeten so genannten roten Rücklagen überbrücken möchte, Rücklagen, die im Kreishaushalt anderweitig verwendet wurden.

Hierzu muss die Landesregierung mehr Fakten auf den Tisch legen und die ganze Wahrheit sagen. Immerhin waren die roten Rücklagen durch die Kommunalaufsicht zu genehmigen.

In den nächsten Monaten kommen durch die Restmüllbehandlung ohnehin Gebührenerhöhungen um bis zu 20 % auf die Bürger zu. Weitere 10 % Erhöhung, wie durch diesen Gesetzentwurf vorgesehen, möchten wohl überlegt sein. Wir werden im zuständigen Fachausschuss eine öffentliche Anhörung beantragen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Adolph. - Während Frau Abgeordnete Gregor an das Rednerpult tritt, begrüße ich eine Gruppe der Landsenioren aus dem schönen Pritzwalk im Landtag. - Ich wünsche Ihnen eine interessante Debatte.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Sie sehen mich heute einigermaßen unglücklich vor Ihnen stehen. Das liegt nicht an Ihnen, das liegt nicht am Wetter, sondern an dem Thema. Uns liegt der erste ins Parlament eingebrachte Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Brandenburgischen Abfallgesetzes vor. So weit, so gut; das ist eigentlich völlig unspektakulär. Allerdings erkennt man bereits in dem Teil der Drucksache, in dem das Problem beschrieben wird, welche Tragweite die einzig beabsichtigte Aufhebung der Stichtagsregelung hat. Ich zitiere aus dem Gesetzentwurf:

„Die Stichtagsregelung führt dazu, dass derjenige Kostenanteil an den Sicherungs- und Nachsorgemaßnahmen, der den Abfallablagerungen vor 1992 zuzurechnen ist, die kommunalen Haushalte belastet, ohne durch Gebühren refinanziert werden zu können. Dies ist unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr tragbar, da sich die Haushaltslage der Kommunen in den letzten Jahren weiter verschlechtert hat und aufgrund der Haushaltslage des Landes auch ein Ausgleich durch Zuwendungen des Landes für Stilllegungs-und Nachsorgemaßnahmen nicht mehr möglich ist.“

Aus dieser Problembeschreibung heraus erklärt sich meine Gefühlslage, denn die Änderung des Brandenburgischen Abfallgesetzes ist nicht einer umweltrelevanten Fragestellung geschuldet und liegt nicht in akutem Handlungsbedarf begründet. Es gibt

auch keine neuen, höheren Anforderungen an die Deponiesicherheit. Nein, dieser Änderungsbedarf ergibt sich eigentlich nur aus einem: aus der Kassenlage sowohl der Kommunen als auch der des Landes. So gesehen liefert der vorgelegte Entwurf auch die Voraussetzungen und die Rechtsgrundlage für die zukünftige Gebührengestaltung in den öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Daher wäre es wohl redlicher gewesen, ein Kommunalentlastungsgesetz mit einem Artikel zu versehen, der genau diese Regelung trifft.

Nun müssten sich sowohl die PDS als auch die CDU darüber noch im Nachhinein freuen, denn das, was wir 1997 bei der Einbringung des Abfallgesetzes diskutiert haben, betrifft genau diese Regelung. Damals wurde von den beiden Fraktionen jeweils angemahnt, dass alles auf den Gebührenzahler umzulegen sei, so wie es jetzt im Gesetzentwurf steht. Die PDS befürchtete schon immer, dass die Kommunen völlig überfordert sind und in den Ruin getrieben werden. Daher kann ich die geäußerte Kritik bezüglich mangelnder Gebührenklarheit und -zuordnungsfähigkeit nicht nachvollziehen, denn damals gab es einen Änderungsantrag der PDS, der auf ein Solidarprinzip und eine Umlage hinauslief, die diese Zuordnungsfähigkeit de facto auch nicht gebracht hätte.

Nun stehen wir als SPD-Fraktion vor dem Dilemma, dass wir diese Kompromissvariante damals gesucht und gefunden und sie in dem Gesetz formuliert hatten, aber jetzt vor dem Hintergrund des Bewusstseins, dass die Kassen sowohl in den Kommunen als auch in den Landkreisen und bei den Trägern leer sind, zu dieser Regelung genötigt sind, da auch wir als Fördermittelgeber nicht mehr imstande sind, diese Maßnahmen auszufinanzieren; damit müssen wir unseren Kompromiss verlassen.

Ich möchte nicht, dass wir im Diskusionsprozess um diese Änderungen wieder in solch tumultartige Szenen verfallen, wie sie sich damals in der 2. und 3. Lesung des Abfallgesetzes abgespielt haben - das damalige Sitzungsprotokoll zeigt recht eindrucksvoll auf, welches Drama sich hier im Raum abgespielt hat -, denn ich halte dafür das Thema für zu ernst. Wir sollten es seriös diskutieren.

Konsens müsste eigentlich darüber bestehen, dass Umweltpolitik eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt ist, denn der Schutz von Boden, Wasser und Luft kann nicht zur Disposition stehen. Standards, Stand der Technik und Gefährdungsanalysen sind die Grundlage für die Deponiesicherung. Die Regelungen zur Finanzierung dieser Deponiesicherung sind so zu gestalten, dass sie zum einen langfristig kalkulierbar und zum anderen nicht gebührentreibend, aber auskömmlich sind.

Als Facharbeitskreis werden wir uns bemühen, diesen Gesetzentwurf einerseits mit Verbindlichkeit und andererseits mit Augenmaß für den Gebührenzahler zu überprüfen. Wir sind uns in der Koalition bereits dahin gehend einig, dass wir verbindlich festgeschrieben haben wollen, welche Deponien einzubeziehen sind und von dieser Kalkulation Gebrauch machen können. Wir wissen um die Lage der Landkreise, wir wissen auch um die Situation der Gebührenzahler in unserem Land; deshalb beabsichtigen wir die angesprochene Überprüfung.

Für die Arbeit im Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz und im mitberatenden Innenausschuss verspreche ich Ihnen, dass wir uns bemühen werden, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Ich bitte Sie um Über

weisung des Gesetzentwurfs, damit wir ihn zu gegebener Zeit wieder zurück ins Plenum bringen können, um sowohl für die Kommunen als auch für die Gebührenzahler und das Land Sicherheit hinsichtlich der Deponiesicherung herzustellen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Gregor. - Der Abgeordnete Norbert Schulze spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Novellierung des § 9 des Brandenburgischen Abfallgesetzes vor. Mit diesem Entwurf werden also zum Teil Gebührensatzungen und Entgelte geändert. Nun fragen wir von der DVU-Fraktion selbstverständlich sofort, inwieweit der Bürger tiefer in die Tasche greifen muss, welche Gebührenerhöhungen es also geben wird.