Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Änderung der Errichtungsgesetze für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit verfolgt die Landesregierung drei Ziele. Zum einen soll die Konzentration der Knappschaftssachen
beim Sozialgericht Cottbus aufgehoben werden, weil sie nicht mehr sinnvoll ist; denn die Anzahl der Knappschaftssachen ist so stark zurückgegangen, dass ein Bedarf für eine besondere Kammer im Land Brandenburg nicht mehr besteht. Zum anderen soll die Aufteilung der Gemeinden Dallgow-Döberitz und Groß Kreutz/Emster auf jeweils zwei Amtsgerichtsbezirke beseitigt werden, weil es bürgerunfreundlich ist, wenn das Gericht einer Gemeinde auf zwei Arbeitsgerichtsbezirke verteilt ist. Das wollen wir bereinigen. Vor allem aber soll die geplante Umressortierung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zum Ministerium der Justiz gesetzlich abgesichert sein.
Die Umressortierung wollen wir vornehmen, weil es sinnvoll ist, alle Gerichtsbarkeiten des Landes künftig unter einem Dach zu vereinen. Durch gerichtszweigübergreifende Maßnahmen lassen sich hinsichtlich des Personals, der Organisation, der baulichen Unterbringung, des Beschaffungswesens und der Informationstechnik Synergieeffekte erzielen. Das geht umso einfacher, wenn dabei keine Ressortgrenzen zu überwinden sind. Deshalb wird die Zuordnung aller Gerichtsbarkeiten zum Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz voraussichtlich einen Effizienzgewinn ermöglichen, auch wenn dieser zurzeit noch nicht bezifferbar ist.
Insbesondere entfallen durch die Schaffung eines für alle Gerichtsbarkeiten zuständigen Rechtspflegeministeriums Doppelzuständigkeiten hinsichtlich der richterrechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus wird die bei den gemeinsamen Fachobergerichten notwendige Abstimmung mit dem Land Berlin erleichtert, wenn sie auf brandenburgischer Seite nur durch ein Ministerium wahrgenommen wird.
Die Umressortierung soll zum 1. Juli 2005 wirksam werden. Deshalb bitte ich darum, den Zeitplan für die Behandlung des Gesetzentwurfs so zu gestalten, dass das Gesetz spätestens im Juni verkündet werden kann. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da legt die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung der Gesetze über die Errichtung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit im Land Brandenburg vor und bemüht für die Problem- und Nutzenbeschreibung sowie den Lösungsvorschlag viele Gründe. Aber die Benennung des eigentlichen Grundes versuchen Sie zu verbergen, weil das nämlich Ihr Parlamentsverständnis offenbaren würde.
Es ist nicht so, dass der Landtag die Zusammenführung aller Gerichtsbarkeiten im Ministerium der Justiz als allzuständiges Rechtspflegeministerium bereits gesetzlich legitimiert hat. Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt das als unstreitigen Konsens heraus, der so nicht gegeben ist. Richtig ist nur, dass die SPD/CDU-Koalitionsvereinbarung zur 4. Wahlperiode vorsieht, die Zuständigkeiten für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vom MASGF zum MdJ zu verlagern.
Obwohl dies nur eine Absichtserklärung ist, beinhaltet der Einzelplan 04 für das Ministerium der Justiz für 2005/2006 für diese beiden Gerichtszweige bereits entsprechende Kapitel. Es ist keine Beruhigung, dass die Bewirtschaftung dieser Kapitel bis zum Zeitpunkt einer gesetzlichen bzw. organisatorischen Zuständigkeitsneuregelung dem MASGF obliegt. Der Vorgriff bleibt und wir wissen jetzt auch, dass die Landesregierung sogar geprüft hat, die Zuständigkeiten am Landtag vorbei neu zu regeln, indem lediglich die Geschäftsverteilung der Landesregierung durch das Kabinett geändert wird. Nun, nachdem die Haushaltsberatung schon im Gange ist, erkennen Sie den Bedarf der Änderung der entsprechenden Errichtungsgesetze und damit die zwingende Befassung durch den Landtag.
Erschreckenderweise offenbart die Landesregierung noch ein weiteres Unverständnis der Gerichtsbarkeitsmaterie. Die Änderung der Geschäftsverteilung sei deshalb rechtlich problematisch, weil in den Errichtungsgesetzen die Zuständigkeit für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich dem Ministerium für Arbeit und Soziales und nicht dem „für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zuständigen Ministerium“ zugewiesen sei. Das war doch bisher folgerichtig und auch sinnvoll.
Zur Erinnerung: Schon 1927 traten an die Stelle der Gewerbeund Kaufmannsgerichte Arbeitsgerichte als selbstständige staatliche Gerichte, deren Besetzung den heutigen Arbeitsgerichten entsprach. Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 21 von 1946 wurden der Wiederaufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit eingeleitet und die Eigenständigkeit der Arbeitsgerichte durch Trennung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Unterstellung bei den obersten Arbeitsbehörden der Länder betont. Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1953 setzte diese organisatorische Trennung von Justiz und Arbeitsgerichtsbarkeit fort und Brandenburg nahm sich dieses Grundsatzes beim Errichtungsgesetz an.
Ähnliches gilt für die Sozialgerichtsbarkeit als junge Gerichtsbarkeit. Während früher Rechtsstreitigkeiten von Versicherungsbehörden entschieden wurden, sind die Sozialgerichte seit 1954 von den Verwaltungsbehörden getrennte, unabhängige Gerichte.
Besonderheiten bestehen auch bei dem Personenkreis, aus dem heraus die ehrenamtlichen Richter berufen werden. Bei den Sozialgerichten kommen sie aus dem Kreis der Versicherten, der Versorgungsberechtigten und Arbeitgeber, bei den Arbeitsgerichten werden sie auf Vorschlag der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen berufen.
Wegen dieser und anderer Besonderheiten ist es zu glatt, die Zuständigkeitsverlagerung allein mit Synergieeffekten wegen Überwindung von Ressortgrenzen und entfallenden Doppelzuständigkeiten zu verbinden. Nicht zuletzt das Schreiben des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Bezirk Berlin-Brandenburg, vom 21. März 2005 an alle Landtagsabgeordneten zeigt, dass es bei einer Ansiedlung beider Gerichtszweige im Justizministerium noch offene Fragen zum Beispiel zur Fortführung der intensiven Kontakte des MASGF zu den Sozialpartnern in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger durch das MdJ gibt. Daher stimmt die PDS-Fraktion heute zunächst nur der Überweisung des Gesetzentwurfs zu, kündigt aber an, im Rahmen einer Anhörung den DGB und andere hierzu noch einmal zu Wort kommen zu lassen. - Danke sehr.
Herzlichen Dank, Herr Sarrach. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Holzschuher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die PDS versucht auch an dieser Stelle wieder einmal, einen scheinbaren Skandal herbeizudiskutieren, den ich wirklich nicht erkennen kann. Die Kritik am Verfahren seitens des Justizministeriums und auch seitens des Sozialministeriums kann ich nicht teilen. Wir haben ja einen Gesetzentwurf, also kann man auch niemandem vorwerfen, man wolle den Landtag bei der Befassung mit dieser Materie umgehen. Wir werden darüber diskutieren können, ob dieser Vorschlag sinnvoll ist oder nicht. Es ist das gute Recht der Abgeordneten, dazu Stellung zu nehmen. Wir von der SPD halten den Vorschlag allemal für sinnvoll. Die viel zitierten Synergieeffekte sehen wir sehr wohl und die Einwände, die von Ihrer Seite, auch von Außenstehenden, vom DGB etwa, erhoben worden sind, sind für uns in keiner Weise so durchgreifend, dass man sich gegen die Zusammenführung der Gerichtszweige beim Justizministerium wenden müsste.
Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein eigenständiger Rechtszweig, ohne dass es hiermit Probleme geben würde. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Richter, die bisher ihre Kontaktstellen beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie hatten, nunmehr im Justizministerium, was nun einmal die klassische Ansprechstelle für die Justiz ist, nicht mehr aufgehoben fühlen. Von daher haben wir mit diesem Vorschlag grundsätzlich keine Probleme.
Ich will die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir in den nächsten Monaten oder Jahren weitergehende Probleme im Zusammenhang mit der Gerichtsstruktur diskutieren werden - Stichwort: große Justizreform. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, die Gerichtszweige in großem Maße zusammenzulegen, so auch die Arbeitsgerichtsbarkeit mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Ich betone, dass auch ich mich nicht festgelegt habe, ob das ein sinnvoller Weg ist. Aber es ist ein diskutabler Weg; denn die historischen Gründe für die Entstehung der einzelnen Gerichtszweige sind heutzutage nicht mehr unbedingt ausschlaggebend. Wir sollten darauf achten, eine möglichst einfache Gerichtsstruktur zu haben.
Es ist des Weiteren zu fragen, ob wir noch getrennte Amts- und Landgerichte brauchen. Auch darüber wird diskutiert. Ich weiß sehr wohl, dass einige sagen: Vor zwölf Jahren hatten wir das noch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR; dort gab es eine ähnliche Gerichtsstruktur. - Diese Tatsache ist für mich nicht unbedingt ein Gegenargument bzw. Anlass, darüber nachzudenken, ob wir nicht eine einfachere, überschaubarere Gerichtsstruktur brauchen. Das ist sicherlich kein Schritt in diese Richtung und auch nicht Absicht des Justiziministeriums. Für mich ist es jedenfalls ein Grund, die Diskussion darüber anzuregen. Wir werden das Thema in den nächsten Monaten im Rechtsausschuss aufzugreifen versuchen.
der Gesetzentwurf änderungsbedürftig - ich verbinde das mit einem Gruß nach Potsdam-Mittelmark -: Die Gemeinde Groß Kreutz/Emster heißt nunmehr Groß Kreutz (Havel). Das sollten wir im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es kurz zu machen: Wir von der DVU-Fraktion begrüßen das Vorhaben dieses Gesetzentwurfs und stimmen somit auch einer Überweisung in den Rechtsausschuss zu.
Wir sind für eine starke Justiz in Brandenburg. Das schließt alle Gerichtsbarkeiten ein, also nicht nur die hier betroffene Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, sondern gleichermaßen die Zivil-, Verwaltungs- sowie Finanzgerichtsbarkeit. Alle gemeinsam bilden einen wesentlichen Standortfaktor für unser Land. Organisatorisch und technisch gut ausgestattete Gerichte aller Gerichtsbarkeiten sowie zügige Fallbearbeitung tragen in erheblichem Maße zu Rechtssicherheit und damit zur Attraktivität Brandenburgs für Bürger und Wirtschaft bei.
Möglichst zügige Fallbearbeitungszeiten tragen aber auch zur Rechtssicherheit bei und sollten möglichst gering gehalten werden, meine Damen und Herren. Das trifft, wie gesagt, auf alle Gerichtsbarkeiten gleichermaßen zu.
Diese grundsätzlichen Überlegungen zeigen uns, wie wichtig es ist, die verschiedenen Gerichtsbarkeiten auf Regierungsebene in eine Hand zu legen. Dass diese eine Hand vernünftigerweise nur das Justizministerium sein kann, brauche ich nicht besonders zu betonen. Nur dort ist die für alle Gerichtsbarkeiten und für die Rechtsgestaltung unbedingt notwendige umfassende Fachkompetenz angesiedelt. Davon sollten wir doch zumindest ausgehen dürfen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank.
Erstens: Dass die DVU-Fraktion in weiten Teilen gegen die Gemeindegebietsreform war und ist, wissen Sie, meine Damen und Herren. Es ist aber aus unserer Sicht erst recht nicht hinnehmbar, dass sich aus der Änderung von Gebietsgrenzen für den Bürger nicht durchschaubare Gerichtszuständigkeiten ergeben. Der Bürger muss klar und eindeutig das für ihn zuständige Gericht, letztlich seine gesetzlichen Richter, erkennen können, und das auch, Frau Ministerin, in meiner Heimatgemeinde Groß Kreutz (Havel).
Unter diesem Gesichtspunkt tragen wir die Anpassung der Zuständigkeit an die neuen Gebietsgrenzen mit.
Zweitens: Die Aufhebung der Sonderzuständigkeit einer Kammer des Sozialgerichts Cottbus für Knappschaftssachen folgt
aus unserer Sicht ebenfalls der Macht des Faktischen. Die Begründung dafür ist allerdings nicht nur in dem tatsächlich zu verzeichnenden Rückgang an Verfahren in Knappschaftssachen zu suchen. Aus Sicht der DVU-Fraktion wird durchaus sozusagen im Vorgriff ein Stück weit der strukturellen Reformbedürftigkeit im Bereich der gesetzlichen Altersvorsorge Rechnung getragen. Wir werden nicht umhinkönnen, diese organisatorisch erheblich zu straffen. Dies zeigt die aktuelle Entwicklung der Rentenkassen, meine Damen und Herren.
Dieser Gesetzentwurf der Landesregierung ist mithin insgesamt begrüßenswert. Wir als DVU-Fraktion fragen uns nur, warum man bei den politisch Verantwortlichen Brandenburgs erst im Jahre 2005 - rund 15 Jahre nach der Wiedervereinigung - zu diesem Schluss gekommen ist.
Aber was ergibt sich aus der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn? Es ist nie zu spät. - Packen wir es an! - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der besorgnisschwangeren Worte von Herrn Sarrach denke ich, dass es drei Gründe gibt, den Entwurf des Gesetzes in Drucksache 4/900 anzupacken.
Erstens: Es macht Sinn, Gerichtsbarkeiten unter ein Dach zu bringen, denn der Nutzen der Zusammenarbeit - es heißt heute wohl Synergie - ist meines Erachtens durchaus wahrzunehmen.
Zweitens: Es ist in der Tat so, dass durch die Gebietsreform in einigen Kreisen gemeindliche Um- oder Neugruppierungen stattgefunden haben, die dazu führen sollten, diese Gebiete hinsichtlich der Arbeitsgerichtsbarkeit neu zusammenzufassen.
Drittens: Die Anzahl der Knappschaftsverfahren ist derartig zurückgegangen, dass man in Brandenburg dafür nicht unbedingt eine Kammer aufrechterhalten muss. Aus diesem Grunde sind wir froh, glaube ich, dass Herr Sarrach bereit ist, die weitere Zuarbeit im Ausschuss zu leisten. Ich bitte um Überweisung und weitere Diskussion. - Danke.
Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Drucksache 4/900 - Gesetz zur Änderung der Gesetze über die Errichtung der Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit im Land Brandenburg - an den Rechtsausschuss. Wer diesem Ansinnen Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diese Empfehlung einstimmig angenommen worden.