Meine Damen und Herren, es passt ja wie die Faust aufs Auge: Wir, die Koalition, bringen hier und heute einen Antrag mit dem Anliegen, Brandenburg familienfreundlich zu gestalten, ein und gestern hat unser Bundeskanzler versucht, den Wirtschaftsunternehmen nahe zu bringen, familienfreundliche Unternehmensvisionen einziehen zu lassen. Er sagte - Frau Schulz hat es hervorgehoben -, Familie sei ein Wirtschaftsfaktor und sprach in Bezug auf Familienpolitik von einer ökonomischen Dimension. Das ist nur eine Facette von Familienpolitik, aber doch eine wichtige. Ich bin sehr froh, dass wir so offensiv über Familienpolitik sprechen und dass es dazu in der Vergangenheit bereits viele Initiativen vonseiten des Bundes gab. Insofern ist unser Antrag, gerichtet an die Landesregierung, nur folgerichtig.
Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass Brandenburg eine besonders kinder- und familienfreundliche Region in Europa wird. Das haben wir Sozialdemokraten letztlich auch in unserem Wahlprogramm formuliert und die Koalitionspartner haben sich in der Koalitionsvereinbarung ebenfalls darauf verständigt.
Unser Antrag richtet sich an die Landesregierung in Gänze, an alle Fachministerien. Die aufgezeigten Themenkomplexe sind nicht abschließend; wir wollen damit nur sagen: Diese Schwerpunkte müssen auf alle Fälle Bestandteil des familienpolitischen Maßnahmenkatalogs sein. Ich bitte die Ministerien - die Protokollanten werden es den Ministern, die jetzt nicht mehr anwesend sind, hoffentlich übermitteln - sehr herzlich darum, diesen Maßnahmenkatalog sehr offensiv anzugehen. Ich appelliere an alle Ministerinnen und Minister, insofern Mut zum Risiko zu zeigen, als sie uns bitte auch Schnittstellen bzw. Regelungsbedarf aufzeigen, der sich außerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche auftut. Denn, meine Damen und Herren, ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Bundesgesetzgeber mit seinen Gesetzen schon in vollem Umfang das Leitbild der Familie so berücksichtigt hat, wie wir Familie heute sehen, wie wir Familie heute definieren.
Ich möchte als Stichwort nur ein Gesetz nennen - damit ist schon einmal ein Minister angesprochen -, das Unterhaltsvorschussgesetz. Darin steht unter anderem, dass allein erziehende Elternteile für ihre Kinder Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Das war vor 30 oder 40 Jahren bestimmt richtig. Mit dieser Formulierung wird suggeriert, dass Großeltern dieser Anspruch nicht zusteht. Damals waren die Großeltern mit Sicherheit schon im Rentenalter, heute haben wir jüngere Großmütter, die noch im Arbeitsprozess stehen und auf Verdienst angewiesen sind. Wir sollten einmal darüber nachdenken, wie wir diesen Sachverhalt mit berücksichtigen können.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf den Maßnahmenkatalog, der uns im Oktober vorliegen wird, und ich freue mich auf die inhaltliche Diskussion über ein familienfreundliches Brandenburg. - Danke schön.
Ich begrüße eine 10. Klasse des Echtermeyer-Gymnasiums aus Bad Liebenwerda zu unserer Debatte über das Thema „Brandenburg familienfreundlich gestalten“. - Dieses Thema geht euch und uns gemeinsam an. Viel Spaß dabei!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Der vorliegende Antrag besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil soll der Landtag etwas feststellen und im zweiten Teil soll der Landtag die Landesregierung zu etwas auffordern.
Ich komme zunächst zum ersten Teil. Hier handelt es sich wahrscheinlich um ein Missverständnis. Vermutlich hat Frau Ministerin Ziegler dem Koalitionsausschuss von SPD und CDU das neueste Produkt ihrer Propagandaabteilung zur Kenntnis gegeben.
„Die Landesregierung hat in den letzten Jahren auf mehreren Gebieten wichtige Zielstellungen für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen formuliert und erreicht.“
Das hat irgendein Werbemensch so schön formuliert, dass man glatt vergisst, besorgt zu fragen, was es denn nun für Zielstellungen sein sollen und warum diese undankbaren Jugendlichen und jungen Erwachsenen das nicht merken und trotzdem weiter abwandern.
Da soll also die Volksvertretung des Landes Brandenburg feststellen, wenn es nach dem Willen der Einreicher geht, dass dem auch außerhalb Brandenburgs Anerkennung und Respekt gezollt wird.
„In Fortführung dieser Arbeit haben sich die Koalitionspartner für die laufende Legislaturperiode selbst zum Ziel gesetzt...“
Meine Damen und Herren, was gehen den Landtag die Zielsetzungen der Koalitionspartner an? Wollen Sie wirklich, dass der Landtag Ihre Propagandaparolen zu Tatsachen erklärt, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen? Demnächst werden Sie den Landtag feststellen lassen, dank Herrn Platzeck sei das Wetter in Brandenburg besser geworden, was man auch auf dem Mond bemerkt haben dürfte.
Meine Kritik entzündet sich ausschließlich an zwei Absätzen im ersten Teil des Antrages. Lässt man nämlich den Propagandamüll weg, dann bleibt im ersten Teil eine brauchbare Zustandsbeschreibung mit gut herausgearbeiteten Aussichten für die Zukunft übrig.
Der zweite Teil des Antrages, in dem der Landtag die Landesregierung zu etwas auffordert, könnte glatt von meiner DVUFraktion stammen, denn getreu dem Programm der DVU soll eine familien- und kinderfreundliche Politik betrieben werden. So soll zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Kinder
erziehung gefördert werden. Das findet natürlich unsere Zustimmung. Es ist nur schade, dass die Landesregierung erst im Jahr 2005 auf den Gedanken kommt, unser Brandenburg familienfreundlicher zu gestalten.
Doch was stirbt zuletzt? - Die Hoffnung. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich Deutschland - und damit auch Brandenburg - wieder zu einem wirklich familienfreundlichen Land entwickelt. Doch dazu ist ein Umsteuern in der Politik notwendig. Statt Lobhudeleien auf die Landesregierung auszubringen, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, sollten Sie lieber die Landesregierung in ihrem Handeln kritisch begleiten, damit wir eines Tages nicht nur sagen, sondern auch wirklich feststellen können, dass Brandenburg ein familienfreundliches Land ist.
Aufgrund der von mir kritisierten zwei Absätze im ersten Teil des Antrages - Sie erinnern sich, dort ging es um die Propagandaparolen des Ministeriums - werden wir den Antrag der Koalitionsfraktionen ablehnen und dem eingereichten Änderungsantrag der PDS-Fraktion zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Familienpolitik hat sicherlich nichts mit Propaganda zu tun, sondern ist zweifelsohne die beste Investition in die Zukunft eines Landes,
denn die Zukunft einer Gesellschaft hängt von den Kompetenzen ihrer kommenden Generationen ab. Natürlich gehören dazu auch die Kernaufgaben politischen Handelns, nämlich für kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen zu sorgen, diese den aktuellen Entwicklungen anzupassen und ständig zu verbessern. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass sich die Koalitionäre für diesen Antrag entschieden haben.
Die Fakten: Seit 1995 sinkt in Brandenburg die Zahl der Familien mit Kindern insgesamt, während die Zahl der Haushalte von Alleinerziehenden steigt. Im Jahr 2003 lebten in Brandenburg 431 000 Familien mit Kindern. 289 400 davon hatten minderjährige Kinder, 114 500 waren Alleinerziehende. Der Anteil allein erziehender Männer hat sich im Zeitraum von 1991 bis 2000 mehr als verdoppelt und lag im Jahr 2003 bei 20 700.
Bei der Anzahl der Kinder ist ein Trend zu immer kleineren Familien, häufig Einkindfamilien, festzustellen. Im Jahr 2003 hatten 61 % der Familien nur ein Kind, 33 % hatten zwei Kinder und nur ca. 6 % drei oder mehr Kinder.
Waren 1991 noch 20 % der Brandenburger Gesamtbevölkerung unter 15 Jahre alt, betrug deren Anteil Ende 2002 nur noch 12 %, in absoluten Zahlen: nur noch 313 000.
Familienpolitik ist nicht nur ein Teilbereich der Sozialpolitik, ihr zeitgemäßes Verständnis basiert auf der Anerkennung der Tatsache, dass die von Familien erbrachten Leistungen für Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar sind. Insofern, Frau Kaiser-Nicht, müssen wir auch diese Felder in die Betrachtung einbeziehen.
All diese Politikfelder, die die familiären Lebensbedingungen beeinflussen, sind daher die Adressaten der aktuellen familienpolitischen Herausforderungen. Familienpolitik braucht hierzulande vor allem eine stärkere Verzahnung mit den Politikbereichen Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Bildungspolitik, aber auch mit der Innen- und der Finanzpolitik. Sie ist Querschnittsaufgabe aller gesellschaftlichen Akteure und nicht allein Aufgabe des Staates.
Eine zukunftsorientierte Familienpolitik verlangt den offenen Dialog der politisch Verantwortlichen mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene - auch unter Einbeziehung aller Sozialpartner, der Verbände, der Wissenschaft, der Kirchen und natürlich der Familien selbst, der Kinder und der Jugendlichen. Die Einberufung des Landesbeirats für Familienpolitik war daher ein erster sehr wichtiger Schritt.
Der nahezu europaweit festzustellende Rückgang des Kinderwunsches bei jungen Menschen zeigt, dass ein gesellschaftlicher Wertewandel zugunsten eines Lebens mit Kindern erforderlich ist. Dies setzt eine nachhaltige gesellschaftsweite Debatte über den „Wert“ von Kindern und die damit untrennbar verbundene Frage der Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft voraus. Kinder sind eine Bereicherung und sind Zukunftsanker, sie sind Garanten einer innovativen Gesellschaft und damit sind sie tatsächlich auch Kapital.
Nachhaltige Familienpolitik bedeutet nicht, dass Menschen Kinderwünsche eingeredet werden sollen. Sie dient vielmehr dazu, dass Menschen ihre Kinderwünsche mithilfe besserer Infrastrukturen, begleitet von einer neu zentrierten finanziellen Förderung und einer familienfreundlichen Unternehmenskultur, verwirklichen können. Denn ein Drittel der Frauen bekommt weniger Kinder als ursprünglich geplant. Die meisten von ihnen sagen das. Über 40 % der Akademikerinnen hätten eigentlich gern Kinder, planen sie später jedoch sozusagen aus ihrer Lebensplanung wieder heraus.
Wir wollen verlässliche, stabile Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern. Deshalb müssen wir vor allem dort wirken, wo Familien leben und arbeiten, nämlich in den Kommunen, in den Schulen und in den Arbeitsstätten. Im Rahmen der Bundesinitiative entstanden lokale Bündnisse für Familien - bei uns in Ludwigsfelde und Wiesenburg. Diese bieten einen guten Ansatzpunkt, um gemeinsam vor Ort konkrete Lösungen für die Bedürfnisse von Familien zu finden.
Trotz knapper Kassen sind die Lebensbedingungen für Familien langfristig und nachhaltig zu verbessern. Deshalb auch mein Konsens mit diesem Antrag.
Ich will es noch erweitern: Zu dem Familienbegriff „Mutter, Vater, Kind“ gehören auch unsere Seniorinnen und Senioren. Wir werden in Zukunft auf die Potenziale, die bei unseren älteren Menschen liegen, nicht verzichten können. Sie sollen mit in den Schulen wirken, sie sollen bei der Betreuung unserer
Kinder und Jugendlichen mitwirken. Dieses Potenzial ist nicht zu verschenken. Auch die ehrenamtliche Mithilfe in den Schulen, die angeboten wird, sollte mehr in Anspruch genommen werden.
Wir denken, dass wir im Herbst einen ordentlichen Katalog der Maßnahmen vorlegen können. Wir werden diesen dann mit Ihnen diskutieren, möglicherweise auch verändern. Ich freue mich auf diese Diskussion, weil wir uns dieses Mal wirklich Zeit nehmen, um etwas auf den Weg zu bringen, was letztlich unserem Land, unseren Kindern und unseren Familien hilft. - Vielen Dank.