Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

Wir wollen einen nachhaltigen Bürokratieabbau und eine echte Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen für unseren Mittelstand. Wir als DVU-Fraktion wollen nichts anderes, als das wirtschaftliche Überleben gerade unserer Brandenburger Handwerker und Gewerbetreibenden zu schützen. Dem dient unser heutiger gesetzgeberischer Vorstoß, für den ich Sie um Zustimmung bitte.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht darauf, dass viele oder zumindest einige Kollegen hier verständlicherweise an die Hoftränke möchten und Kurt Tucholsky bekanntlich gesagt hat, man sollte nicht länger als eine halbe Stunde reden, fasse ich mich kurz.

Meine Damen und Herren der DVU-Fraktion:

Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnungen zur Erprobung vereinfachter Maßnahmen, insbesondere zur Erleichterung von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren Ausnahmen von Berufsausübungsregelungen nach diesem Gesetz und den darauf beruhenden Rechtsverordnungen zuzulassen, soweit diese Berufsausübungsregelungen nicht auf bindenden Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts beruhen und sich die Auswirkungen der Ausnahmen auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränken.

Werte Kollegen der DVU, was ich soeben vorgelesen habe, ist nicht der Text Ihres Antrags, sondern ist der Wortlaut von Artikel 9 § 13, Erprobungsklausel des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zum Bürokratieabbau und Deregulierung aus

den Regionen, Drucksache 357/05. Dem betreffenden Gesetzentwurf hat der Vermittlungsausschuss am 11. Mai 2005 zugestimmt und der Bundestag ist am 12. Mai 2005 der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses gefolgt. In der von mir vorgetragenen Fassung hat der Bundesrat das Gesetz in seiner Sitzung am 27. Mai 2005 beschlossen.

Das heißt im Klartext, sehr geehrte Abgeordnete der DVU: Wir brauchen keine Bundesratsinitiative zur Änderung der Gewerbeordnung, weil es eine solche Gesetzesinitiative bereits gibt.

Im Übrigen überschreibt die DVU-Fraktion ihren Antrag mit „Beseitigung der Inländerdiskriminierung“ und will damit die Handwerksordnung ändern. Das ist blanker Populismus und Augenwischerei.

Die DVU-Fraktion will etwas ganz anderes. Als Präsident der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) liegt mir natürlich das Handwerk ganz besonders am Herzen und ich will die besten Bedingungen für unsere Handwerker in Brandenburg. Aber die DVU-Fraktion will mit ihren Vorschlägen zurück zu Verhältnissen, die für unser Handwerk auch nicht gut waren. Was wir zurzeit haben, ist zwar auch nicht das Beste, aber die CDU-Fraktion wird für vernünftige Reformen der Meisterprüfung und für die besten Bedingungen einer neuen Gründungsphase eintreten.

Den Antrag der DVU-Fraktion lehnen wir aus den genannten Gründen natürlich ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der PDS spricht jetzt der Abgeordnete Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit hätte ich die DVU gern gebeten, ihren Antrag wie beim letzten Mal zurückzuziehen. Da dieser Antrag nicht zurückgezogen worden ist, muss man dazu etwas sagen.

Erstens: Kollege Karney hat bereits auf die Veränderung der Gewerbeordnung vom 27. Mai 2005 aufmerksam gemacht.

Zweitens, meine Damen und Herren von der DVU, geht Ihr Antrag am Kern des Problems vorbei. Sie werden mit einer Bundesratsinitiative keine Rechtssicherheit schaffen, solange es die Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie gibt. Wenn Sie jetzt eine Bundesratsinitiative vor dem Hintergrund starteten, dass die Dienstleistungsrichtlinie wieder aufgemacht worden ist, dass es politische Bemühungen darum gibt, keine horizontale Richtlinie, sondern eine sektorale zu schaffen usw., würden Sie im Prinzip von dem, was Sie eigentlich vorgeben meinen zu wollen - Rechtssicherheit und ein Stück weit Bürokratieabbau zu produzieren - genau das Gegenteil erreichen, weil die Regelungen gegenwärtig im Fluss sind. Aus diesem Grund ist es das untaugliche Mittel zur untauglichen Zeit. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt hätte die Landesregierung die Möglichkeit zu sprechen. Sie verzichtet. Dann gebe ich das Wort noch einmal Frau Hesselbarth von der DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendwie scheinen Sie nicht ganz verstanden zu haben, worum es bei diesem Antrag wirklich geht. Dass die EU-Normengebung den deutschen Gesetzgeber zum Handeln zwingt, um die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit des EU-Vertrages herzustellen, ist eine Sache.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Dies kann aber nicht bedeuten, dass aufgrund der innerdeutschen Umsetzungspraxis vor allem unsere Brandenburger Unternehmen Wettbewerbsverzerrungen ausgesetzt sind, die genau das konterkarieren, was das EU-Recht eigentlich herstellen will, nämlich die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt.

Dass der Bund hier noch Spielraum hat, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der EuGH-Entscheidung, die letztlich zur Handwerksordnungsnovelle zugunsten ausländischer Dienstleister geführt hat. Dort steht nur, dass die EU-rechtliche Dienstleistungsfreiheit Regelungen entgegensteht, die die Leistungserbringung im Aufnahmemitgliedsstaat verzögern, erschweren oder verteuern.

(Schulze [SPD]: Wenn Sie das nicht abgelesen hätten, hätten Sie es nicht sagen können!)

- Wissen Sie, Herr Schulze, Sie sollten einmal den Arzt wechseln, ehrlich!

(Heiterkeit - Beifall bei der DVU)

Allerdings gilt dies nur dann, wenn der ausländische Handwerker eine gleichwertige Qualifikation hat und gleiche Voraussetzungen wie ein Handwerker erfüllt. Wenn also § 7 b Handwerksordnung zugunsten deutscher Handwerker hierbei die Kompensation darstellen soll, muss man auch die gleichen Voraussetzungen von ausländischen Konkurrenten erwarten können.

Ein Beispiel: Damit ein Brandenburger Handwerksgeselle in den Genuss einer Ausübungsberechtigung für zulassungspflichtige Handwerker kommt, muss er einen inländischen Gesellenbrief vorlegen. Umso fragwürdiger ist aber, dass in der Verwaltungspraxis bei Anwendung des § 7 b inländische Antragsteller in der Regel einen Versagungsbescheid erhalten, wenn sie eine im EU-Ausland abgelegte Prüfung vorlegen, während ausländische mit gleicher Zertifizierung ohne Weiteres eine uneingeschränkte Ausnahmebewilligung erhalten. Wo, meine Damen und Herren, ist denn da die Gleichbehandlung?

Die Auswirkungen sind jetzt schon spürbar. Nach Angaben der IG Bauen-Agrar-Umwelt sank aufgrund von Lücken im EUBeitragsgesetz zum Beispiel die Zahl der Berliner Arbeitnehmer in der Baubranche von 9 078 im Jahr 2003 auf 7 467 im Jahr 2004.

Zur gleichen Zeit stieg die Zahl der Gewerbeanmeldungen polnischer Staatsangehöriger bei den dortigen Gewerbeämtern um fast das Zehnfache, konkret von 289 im Jahr 2003 auf 2 732 im Jahr 2004.

Wie es ab 2011 aussieht, lässt sich leicht erahnen. Zudem hat man zur Durchführung der Gewerbeordnung vermieden, bei eintragungspflichtigen Sachverhalten Gewerbetreibende mit Sitz im Ausland im Gewerbezentralregister einer besonderen Prüfung auf Vorstöße gegen erlaubnisrechtliche Straf- und Bußgeldverfahren zu unterziehen, was dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Gleichbehandlung? - Weit gefehlt.

Angesichts der bestehenden Wettbewerbsnachteile für unsere Unternehmen erscheint es geradezu lächerlich, wenn die Bundesregierung aufgrund des Projektes „Innovationsregionen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch Bürokratieabbau“ eine befristete Experimentierklausel für landesrechtliche Ausnahmen zulassen will, die nach einem Zeitraum von höchstens vier Jahren wieder außer Vollzug gesetzt werden soll.

Ich frage mich, welcher Brandenburger Gewerbetreibende damit nachhaltig etwas anfangen soll. Wie soll eine längerfristige Unternehmenspolitik aufgrund dieses legislativen Experiments planbar sein?

Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich Rahmenbedingungen, die unseren Investoren und Unternehmen wirklich nutzen. Dieser Antrag ist für uns nur der Anfang, aber ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Deswegen bitte ich nochmals um Ihre Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/1292 - Inländerdiskriminierung - an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/1292. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Überprüfung von Normen und Standards Einsetzung eines Sonderausschusses

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/1322

Das Wort geht an die Abgeordnete Fischer von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Bürokratie eine Vorbemerkung: Vor 200 Jahren prügelte Freiherr vom Stein seine Beamten durch die Berliner Wandelhallen. Er prügelte dabei natürlich nur jene, die er für korrupt hielt. Um ihnen das Handwerk zu legen, wurde letztlich die Bürokratie geschaffen, über die wir heute reden.

Wie kommt es denn, dass sich dieser Begriff, der vor 200 Jahren so positiv besetzt war, heute so negativ gewandelt hat? Früher, unter vom Stein, war Bürokratie Chefsache. Ich habe den Eindruck, dass es seit langem anders ist. Das merkt man dem Thema auch an.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Thema „Überprüfung von Normen und Standards“ betrifft ein weites Feld. Es sind Aspekte wie Qualität, Umfang, Vollzug, Verständlichkeit und Lesbarkeit zu beachten. 80 % der Vorschriften sind durch EU-Recht vorgegeben. Dabei kann man sich relativ schnell in Details verlieren und über Details streiten.

Ich denke, eine für uns ganz wichtige Frage muss vorher beantwortet werden. Es geht um die Frage, was wir hier in Brandenburg brauchen. Brauchen wir noch mehr Sicherheit, noch mehr Regulierung? Oder brauchen wir mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich sage: Wir brauchen Eigeninitiative und Selbstvertrauen. Wir fordern auch von unseren Bürgern zuzupacken, sodass wir gemeinsam dieses Land aus eigener Kraft erneuern.

(Beifall bei der SPD)