Wenn wir - damit meine ich uns Politiker - in diesem Zusammenhang über notwendige und verlässliche Rahmenbedingungen reden, sollten wir eines nicht vergessen: Die Bürgerinnen und Bürger wollen den Staat an ihrer Seite, aber sie wollen ihn nicht vor ihre Nase gesetzt bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bürokratie ist der Kolbenfresser im Motor Brandenburgs. Es wird Zeit, dass wir endlich die Motorhaube öffnen. Wir müssen aber bei der Fehleranalyse ehrlich sein; denn Bürokratieabbau ist auch schwierig.
Ich denke, das ist die Stelle, um auch einmal mit Ihrem Vorurteil aufzuräumen. Es ist an der Zeit, dass wir die viel gescholtene Bürokratie - um diese geht es bei dem Thema - endlich wieder mit Prestige und Selbstbewusstsein versehen. Denn Sicherheit, Kontrolle und Standards sind in Deutschland und in Brandenburg ein Wettbewerbsvorteil, gerade im Hinblick auf die neuen EU-Partner. Fachleute in Ämtern und Behörden sind für unsere Bürger ein ganz wichtiger Ansprechpartner.
Aber das ist wie so oft im Leben eine Frage des richtigen Mittelmaßes. Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen vor einigen Wochen die Berichterstattung gesehen, als partei- und fraktionsübergreifend Abgeordnete zu den essenziellen Punkten der EU-Verfassung befragt worden sind. Wo liegt in Zukunft die Gesetzgebung? Alleine in der EU? Wie viel Sterne
Wir müssen uns fragen: Woran liegt das? Die Abgeordneten sind doch nicht zu faul oder zu dumm, sondern der Punkt ist: Es gibt zu viele Gesetze. Deswegen: Bürokratieabbau ist schwierig. Über Ewigkeiten - das gehört zur Ehrlichkeit dazu haben Interessenvertreter in den Amtsstuben hartnäckig dafür gekämpft, dass gewisse Vorschriften, Halbsätze und Paragraphen eingeführt wurden.
Wir leben nicht, wie so oft behauptet wird, in einer Parteiendemokratie. Wir leben auch nicht - ich sage das mit Blick auf die Medienvertreter - in einer reinen Mediendemokratie. Ich denke, dass diese Gesellschaft momentan maßgeblich von Interessenverbänden, oftmals mit dicken Portemonees ausgestattet, gestaltet wird. Wir müssen also bei dem Thema ehrlich sein.
Bürokratie ist kein Knoten, den wir einfach durchschlagen werden, sondern wir werden ihn in diesem Sonderausschuss sorgfältig entwirren, und zwar gemeinsam mit den Beamten, den Bürgern und der Wirtschaft.
Ich habe eingangs gesagt, dass wir von unseren Bürgerinnen und Bürgern Mut erwarten. Deswegen fordern wir auch, dieses Land zu erneuern. Aber was wir von unseren Bürgern erwarten, muss man auch von uns erwarten können.
Wir können nicht zweierlei Maß anlegen. Wenn wir heute, Herr Sarrach, eine SOKO Bürokratieabbau beschließen, ist das für mich eine zentrale Frage unseres parlamentarischen Selbstverständnisses. Wir müssen uns fragen, inwieweit wir in der Öffentlichkeit den Eindruck hinterlassen, Ergebnisse weitgehend kritiklos und überprüfungsfrei zu übernehmen. Wir als Abgeordnete müssen uns auch fragen, inwieweit wir mit unserer legitimierenden Kraft des parlamentarischen Gesetzesbeschlusses Normen und Gesetze in die Welt setzen, die größtenteils auf außerparlamentarischen Absprachen beruhen.
Natürlich müssen wir - das gilt auch für die PDS - Kompromisse schließen, die mehrheitsfähig sind. Aber hier geht es um etwas Grundsätzliches. Die Frage, die sich heute stellt, ist doch: Wollen wir unsere Kontrollfunktion ausüben oder verstehen wir uns als Erfüllungsgehilfen?
Wenn wir heute diesem Antrag zustimmen, haben wir uns für eine Sache entschieden, dann gehen wir gemeinsam mit unseren Bürgerinnen und Bürgern den Weg des Selbstvertrauens und der Eigeninitiative. Herr Lunacek, wenn Sie in diesem Zusammenhang von einem - das war so in der Presse zitiert, ich gehe davon aus, dass es richtig ist - parlamentarischen Durch
bruch sprechen, weiß ich nicht, ob Sie sich nicht selbst ein Armutszeugnis ausstellen. Es gibt Gesetze, es gibt das Thema Bürokratieabbau schon lange. Gestatten Sie mir die Bemerkung, auch wenn es Sie schmerzt: Gesetze, Bürokratie, Verordnungen gibt es länger als die CDU.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen hier gemeinsam den Knoten Bürokratieabbau entwirren. Ich freue mich auch, dass wir fraktionsübergreifend dazu den Willen haben; denn wenn wir an diesem Punkt Parteienpolitik betreiben, erreichen wir gar nichts.
Wie soll dieser Ausschuss eigentlich funktionieren? Wie wollen wir diesen Knoten entwirren? Wir haben zwei Stellschrauben. Die eine betrifft die Masse, die Quantität. Herr Vietze,
das gilt auch für Sie; denn der Erfolg unserer Arbeit - ich hoffe, dass Sie uns auch unterstützen - lässt sich auf eine ganz einfache Formel bringen. Die will ich auch Ihnen nicht vorenthalten:
Die einzelnen Ministerien haben bei der Sichtung der Normen, als es darum ging, sie ins Internet einzustellen, sehr gute Vorarbeit geleistet. An diese Arbeit wird der Ausschuss anknüpfen. Allerdings habe ich in einigen Punkten meine Zweifel, zum Beispiel was das Thema Quantität betrifft. Ich frage mich, ob wir in Brandenburg tatsächlich zwei Verordnungen zum Thema Fischereiabgabe und Fischereiwirtschaft, nämlich eine über Fischereiaufseher, Fischereibeiräte, das Fischereibuch, Genossenschaften, Schalenfischerei, Gewässerqualitätsverordnung neben einem Fischereigesetz brauchen. Ich glaube, hieran können wir noch ein wenig arbeiten. Ich denke jedenfalls, mit Petri heil! hat das gar nichts zu tun.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es gemeinsam mit den Ministerien und der Stabsstelle für Bürokratieabbau schaffen, Verordnungen abzubauen, um so den einen oder anderen Genehmigungsvorbehalt, die eine oder andere Berichtspflicht zu streichen und für die Bürger und die Wirtschaft, und zwar in dieser Reihenfolge, zu vereinfachten und zu beschleunigten Genehmigungsverfahren zu kommen.
Die zweite Stellschraube ist die Qualität. Herr Sarrach, ich bin mir sicher, dass Sie als Jurist mir zustimmen werden.
Unsere Gesetze müssen evaluiert werden. Wir brauchen eine regelmäßige Bewertungskurve, ob die Vorschriften, die wir erlassen, in der Praxis auch Bestand haben. Die Erfahrungen aus den Ministerien, die einen Rücklauf haben, aus den Gerichten, aus dem Petitionsausschuss, der eine zentrale Rolle und An
laufstelle für die Bürger ist, spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle. Die Vorschriften müssen so gefasst werden, dass auch Nichtjuristen sie verstehen können. Wir werden in diesem Ausschuss Hinweise von den Bürgern, Kommunen und Verbänden berücksichtigen. Wir werden nicht mit der Verordnung über die Anerkennung von Bienenbelegstellen beginnen, sondern mit Regelungsbereichen, die gesellschaftspolitische Relevanz haben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es in diesem Bereich miteinander und nicht gegeneinander geht. Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen; denn der rote Adler braucht Freiheit und keine Flugaufsicht. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass nette Umgangsformen in diesem Haus nicht die Norm sind, habe ich zwar zur Kenntnis genommen, lehne jedoch Unfreundlichkeit als Standardverhalten für Abgeordnete ab und möchte mich zunächst bei der Koalition bedanken.
Nachdem sich die CDU gefreut hat, dass die SPD nun endlich ein Einsehen hat und den Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses zum Bürokratieabbau mitträgt, möchte ich die Freude der PDS-Fraktion zum Ausdruck bringen, dass Sie damit der Idee der PDS-Fraktion folgen, auf diesem Gebiet tätig zu werden, was sie mit einem Standardöffnungsgesetz bereits im vergangenen Jahr gefordert hat.
Es ist übrigens aus meiner Sicht eine völlig überflüssige Norm, Anträge anderer demokratischer Fraktionen abzulehnen, um dann irgendwann selbst aktiv zu werden, oder durch einen Entschließungsantrag eigene „Duftnoten“ zu setzen. Ein solches Verfahren vergeudet Arbeitszeit, bindet Arbeitskräfte, die zielorientiert an der Umsetzung guter Beschlüsse wirken könnten.
Damit bin ich mitten in der Aufgabenstellung: Der einzusetzende Ausschuss soll die Aufgabenkritik der Landesregierung begleiten und kritisch bewerten. Sie schränken allerdings ein, wenn Sie sagen, dass sich der Ausschuss nur mit den Papieren beschäftigen soll, welche uns die Landesregierung zur kritischen Begleitung übergibt.
Ich denke, wir sollten selbst schauen, wo wir Änderungsbedarf für die gemeinsamen Ziele wie Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und Optimierung von Aufgabenstellungen sowie Reduzierung von Normen und Standards und natürlich Bürgernähe von Verwaltungshandeln sehen. Das gilt auch für die Fischereigesetze, liebe Kollegen.
Wenn wir gleichzeitig Ziele wie Haushaltskonsolidierung und Erhöhung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Brandenburg verfolgen, ist es erforderlich, die für diesen Ausschuss einzusetzenden Gelder von mindestens 300 000 Euro im Jahr auch dadurch zu rechtfertigen, dass das Ergebnis langfristig mehr als das Zehnfache für den Landeshaushalt, aber bitte auch für die Kommunalhaushalte einsparen kann.
Es ist erforderlich, dass wir in diesem Prozess der Minimierung von Normen und Standards über das Verhältnis von wirtschaftlichen und sozialen Normen und Standards und deren Wirkungen für den Wirtschaftsstandort Brandenburg nachdenken und entsprechende Schritte einleiten. Nicht zuletzt werden wir - auch wenn Sie, liebe Koalitionäre, sich bis jetzt erfolgreich dagegen wehren - zu dem Schluss kommen müssen, dass der Abbau von Normen und Standards zwangsläufig auch Veränderungen in der Aufgabenhierarchie erforderlich macht und wir zeitgleich - vorausgesetzt, wir wollen tatsächlich Veränderungen bewirken und nicht nur ein Feigenblatt vorhalten - eine Funktionalreform angehen müssen.
Normen und Standards einzuführen ist immer mit der Verantwortung für deren Umsetzung oder auch Reduzierung verbunden. Das gilt es zu gewährleisten, sonst ist das Ergebnis Schall und Rauch. Allein die Tatsache, dass wir Modernisierung der Landesverwaltung zu einer Daueraufgabe deklariert haben, zwingt uns ja nicht, uns dauerhaft ohne Ergebnis damit zu beschäftigen.
Wir halten es für erforderlich, dass - erstens - die Arbeit dieses Ausschusses, aber auch die der in den jeweiligen Ministerien damit beauftragten Frauen und Männer sichert, dass in Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetze und darüber hinaus auch Verordnungen sofort kritisch auf ihre zwingende Notwendigkeit geprüft werden und somit von vornherein unnötige Normen und Standards vermieden werden. Ansonsten wäre es ein Aus-dem-Landtag-raus-und-in-den-Sonderausschuss-reinVorgang, den keiner von uns brauchen kann. Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, läuft es nach folgendem Muster: Haben wir etwas nicht in einem Gesetz geregelt, machen wir schnell drei Verordnungen und mindestens vier Runderlässe.
Zweitens sind wir dafür, die zweifelsfreie Zuordnung der Hinweise, Anregungen und Kritiken von Bürgerinnen und Bürgern, aber insbesondere von den Verwaltungen der Ämter, Städte und Landkreise durch ein eigenständiges Postfach „Sonderausschuss“ zu sichern, damit ein nicht gewollter Zeitverzug bei einer sonst möglichen Bearbeitung im Petitionsausschuss verhindert werden kann.
Drittens gilt es dringend eine Prioritätenliste zu erarbeiten, welche Gesetzeswerke wir uns tatsächlich vornehmen wollen. Zweifelsfrei gehören die Bauordnung sowie Umwelt- und Denkmalschutzgesetze in diese Überprüfung; auch das Kitaund das Bildungsgesetz gehören auf den Tisch. Wenn wir unsere heutige Debatte ernst nehmen, gehört auch jedes Gesetz, das die Kinder- und Familienfreundlichkeit betrifft, dazu.