Was nicht mit uns zu machen sein wird - das darf ich an dieser Stelle noch sagen -, ist zum einen, permanent soziale Standards infrage zu stellen und zum anderen die Methode, die sich die Kollegen der CDU auf die Fahne geschrieben haben: die konsequente Orientierung am jeweils niedrigsten Niveau. Tut man dies, so landet man unweigerlich am Ende der Fahnenstange.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen! Ich finde es spannend, wie hier über die Deutungshoheit für Entbürokratisierung gestritten wird. Mir ist daran nur wichtig, dass sie endlich angepackt wird. Ich habe den Eindruck, dass man mit einem Mal dieses Problem mit vereinten Kräften angehen möchte.
Deshalb bin ich auch sicher, dass der Ausschuss Erfolge bringen und nicht nur Geld kosten wird. Wir durften in der FAZ lesen: Der Kassensturz wird fürchterlich; die Steuereinnahmen reichen nicht einmal mehr für Soziales, Arbeit und Zinsen - so die Schlagzeile am 05.06. zur Lage des Bundes. Wir wissen, wie die Lage in Brandenburg ist. Jeden fünften eingenommenen Euro geben wir für Zinszahlungen an die Banken ab: In fünfzehn Jahren haben wir ungefähr 3 Milliarden Euro weniger Einnahmen, weil die Zahlungen von EU und Bund dann nicht mehr fließen.
Unsere Situation ist dramatisch. Große Spielräume bleiben uns nicht. Von Zeit zu Zeit holte man die Zauberformel „Entbürokratisierung“ und „Deregulierung“ hervor. Dies tut natürlich Not bei 3 000 Rechtsverordnungen und Vorschriften. Liebe Kollegin Fischer, ich stelle mir eher die Frage, warum es bisher nicht funktioniert hat. Wahrscheinlich ist Bürokratie immer als etwas Negatives angesehen worden. Viele denken, Entbürokratisierung bedeutet die Zerstörung von Bürokratie; das trifft nicht zu. Bürokratie ist keine negative Erscheinung, sondern hat durchaus positive Seiten in einem modernen Verwaltungssystem: Sie ist ein Garant für Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit. Man muss den so genannten Bürokraten deutlich machen, dass es nicht darum geht, ihnen die Arbeitsgrundlage zu entziehen, sondern sie mit ihnen gemeinsam umzugestalten.
Wie die Gesellschaft oder der Arbeitsmarkt muss sich auch das Verwaltungshandeln einem Wandel unterziehen. Das tut bitter Not. Deswegen muss sich der Ausschuss auch mit Fragen beschäftigen wie: Ist die Notwendigkeit bestimmter rechtlicher Regelungen gegeben? - Diesbezüglich sind wir uns, Frau Mächtig, völlig einig. - Sind rechtliche Regelungen transparent, stringent und vor allem effizient? Gerade bei der beschriebenen Haushaltslage müssen Fragen nach der Verbesserung der Kosten-Nutzen-Relation erlaubt sein.
Ganz wichtig ist die Normenqualität. Die rechtlichen Normen sind für die Bürger immer unverständlicher geworden. Da muss man deutlich sagen: Lassen Sie uns an dieser Stelle mit gesundem Menschenverstand arbeiten und solche Dinge angehen. Nicht zuletzt müssen wir - gerade unter dem Eindruck der extrem hohen Staatsquote von 50 % - darüber reden, wie wir Staatsaufgaben abbauen, also Aufgaben ganz klassisch redu
zieren können. Warum müssen wir aufgrund von auftretenden Einzelfällen immer wieder sagen: Da gibt es ein bestimmtes Problem, lasst es uns regulieren! - Das Leben besteht aus so vielfältigen Dingen. Wir dürfen uns nicht an einzelnen Dingen aufhalten und damit alle anderen knebeln.
Der springende Punkt ist: Wir brauchen Mut zur Lücke und müssen Selbstverzicht üben. Wir verzichten auf Macht und auf die politische Beeinflussung bestimmter Lebensbereiche. Bei allen technischen Voraussetzungen zur Entbürokratisierung müssen wir ehrlich sein und den hohen Anspruch und die Erwartung an den Ausschuss ein wenig dämpfen und sagen, dass ein ganz wesentlicher Punkt von Bürokratie das reine Verwaltungshandeln ist. In einer Verwaltung handeln und arbeiten Menschen; sie haben es in der Hand, wie Bürger Verwaltung und Bürokratie erleben.
Natürlich brauchen die Mitarbeiter klare Regeln. Die Verwaltung braucht Mitarbeiter mit einem sehr hohen Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz. Manchmal würde es ausreichen, wenn die Verwalter einfach einmal den Platz mit dem Bürger tauschen würden, um zu erfahren, wie die Verwaltung aus Sicht des Bürgers wahrgenommen wird. Dann versteht der Bürokrat vielleicht, warum jemand einen Anspruch geltend macht. Das ist sicherlich kein einfacher Prozess. Wir als Politiker können ihn positiv begleiten, zum Beispiel durch Qualifikation - das wurde heute schon angesprochen - und auch durch eine kontinuierliche Verjüngung der Verwaltung.
Der Ausschuss muss den anderen Part übernehmen - auch diesen Prozess werden wir begleiten - und Normen und Standards abbauen oder einfacher gestalten. Eines haben wir mit der monatelangen Diskussion zumindest erreicht: Das Thema Entbürokratisierung steht ganz oben auf der Agenda. Ich freue mich über die ersten Ankündigungen der Staatskanzlei und kann sie gerade im Bereich Handwerk nur begrüßen. Wir wissen, dass wir bei solchen Entscheidungen die Bürger auf unserer Seite haben. Haben Sie Mut zur Lücke, zu Freiräumen, die unsere Bürger selbst ausfüllen können und wollen. Ich freue mich auf die Arbeit im Ausschuss und bin mir sicher, dass wir abrechenbare Ergebnisse erzielen. Etwas Positives kann der Ausschuss schon verzeichnen: Er ist auf ein Jahr begrenzt. Somit gehen wir also mit gutem Beispiel voran, was Bürokratieverzicht angeht. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen! - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von Ihnen, den Fraktionen von SPD und CDU, beantragte Einsetzung eines Sonderausschusses mit dem Ziel, Normen und Standards zu überprüfen, lehnen wir ab. Dieses Vorhaben bedeutet eine Flucht der Landesregierung aus der Verantwortung. In diesem Sonderausschuss soll es offenbar darum gehen, die Effektivität von Gesetzen und Verwaltungshandeln zu überprüfen. Das jedenfalls ist der Ziffer 3 Ihres Antrags und den Unterpunkten 1 bis 4 zu entnehmen. Wir meinen, diese Aufgabe ist zunächst
bei der Exekutive, konkret bei der Landesregierung, anzusiedeln und nicht bei der Legislative, also beim Parlament.
Kurz zu den Gründen: Primär ist die Landesregierung aufgerufen, dieses Land zu regieren. Zu ihren Regierungsaufgaben gehört unter anderem auch die Überprüfung bestehender Gesetze daraufhin, ob sie ihren Zweck erfüllen, womöglich entbehrlich sind, sprachlich lesbar, einfach nachvollziehbar usw. Für diese wohl originären Aufgaben einer Regierung stehen der Landesregierung auch ganz andere Möglichkeiten offen als dem Landtag als Legislative.
Die Regierung führt als oberstes Exekutivorgan sämtliche Behörden des Landes und hat den entsprechenden Einblick bzw. sollte den entsprechenden Einblick in die Verwaltungs- und Gesetzesanwendungspraxis haben. Der Landtag als Legislative hingegen hat dem Regierungshandeln gegenüber eine Kontrollfunktion. Er müsste sich entsprechende Einblicke in das Exekutivhandeln der verschiedenen Verwaltungsebenen sowie die dortigen Erfahrungen bei der Anwendung von Gesetzen sozusagen von außen bei der Exekutive, den Verwaltungen, erst beschaffen.
Wir von der DVU-Fraktion sehen zunächst die Landesregierung gefordert, dem Landtag als Legislative entsprechende konkrete Vorschläge zur Entbürokratisierung des Verwaltungshandelns und zur Straffung des Gesetzesdschungels zu unterbreiten. Erst danach ist aus unserer Sicht der Landtag gefragt, sich mit dem Regierungshandeln auseinander zu setzen, aber nicht in einem Sonderausschuss, meine Damen und Herren, sondern in den bestehenden Fachausschüssen und im Hauptausschuss. Dafür spricht letztlich auch die Vorgehensweise, die aus unserer Sicht vonseiten der Exekutive zweckmäßig und sachdienlich ist.
Zunächst sollte sich die Landesregierung über die notwendigen Aufgaben und über den notwendigen Umfang staatlichen Handelns klar werden. Dann sollte sich die Landesregierung, sollten sich die Fachressorts mit der Effizenz der in ihren Bereich fallenden Gesetze und der ihnen unterstellten Verwaltung befassen und zum Schluss sollten in der Staatskanzlei, welche die Aufgabe zu koordinieren hat, die Fäden zusammenlaufen. Denn wozu haben wir schließlich einen Ministerpräsidenten oder einen Stellvertreter?
Lassen Sie mich noch einmal kurz zusammenfassen, meine Damen und Herren: Die mit dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU beabsichtigte Einsetzung eines Sonderausschusses wäre nicht nur teuer und überflüssig, sondern stellte aus Sicht unserer Fraktion zudem die Aufgabenverteilung zwischen der Regierung - also der Exekutive - und dem Parlament - der Legislative - buchstäblich auf den Kopf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass der Bürokratieabbau mit der Einsetzung eines Sonderausschusses unterstützt werden soll und dass dies ein gemeinsamer Schwerpunkt von Landtag und Landesregierung ist. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Kollegin Fischer, für Ihren sehr lebhaften und engagierten Vortrag bedanken, und hielte es für eine Belebung, wenn Sie in diesem Ausschuss mitwirkten.
Ich hoffe, dass Sie mitmachen und all Ihre Kenntnisse einbringen, denn nur gemeinsam können wir etwas verändern und Sie haben wichtige Hinweise darauf gegeben, wie wir etwas verändern können.
Folgendes, meine Damen und Herren: Bürokratie ist mithilfe des Gesetzgebers entstanden und Bürokratie kann nur mithilfe des Gesetzgebers abgeschafft und reduziert werden, denn die Beamten setzen das um, was der Gesetzgeber vorgegeben hat. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen von der PDS noch einmal an eine frühere Diskussion hier im Plenum erinnern, bei der es um ein Gesetz zur Bauordnung im Zusammenhang mit Behinderten ging. Da wollten Sie den Neigungswinkel der Rampen für Behinderte im Gesetz festlegen - darüber gab es hier eine große Diskussion - und wir haben dazu gesagt: Das können die Männer und Frauen vor Ort doch viel besser. Warum soll das das Parlament tun?
Es gibt viele weitere Beispiele, die zeigen, dass wir handeln müssen, weil der gesunde Menschenverstand im Land größer ist, als wir bisweilen annehmen.
- Regen Sie sich nicht auf! Das ist der Sachverhalt. Das können Sie nachlesen, es steht alles irgendwo in den Akten.
Darum geht es um die Frage, wie wir das Ganze sehen. Wir wollen ein Konzept zum Abbau der Bürokratie entwickeln. Dabei geht es um die Frage, wie viel überhaupt durch den Gesetzgeber geregelt werden muss. Wir glauben, dass der Gesetzgeber nicht alles regeln muss, weil viele Menschen vor Ort besser wissen, wie man damit umgehen kann.
die PDS-Fraktion sicherlich auch einmal ein Regelwerk vorgeschlagen hat, das eine Bürokratisierung zur Konsequenz gehabt hätte - Gegenstand der Arbeit dieses Ausschusses ausschließlich Gesetze und Verordnungen sein werden, die die Unterschrift von Mitgliedern der CDU und der SPD in diesem Lande tragen?
Ja, aber es kann auch sein, dass wir uns noch mit anderen Gesetzen befassen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie darauf hinweisen. Ich weiß, dass die Gesetze hier entstanden sind. Aber ich weiß auch, dass sie zum Teil auch vor dem Hintergrund weitergehender Forderungen entstanden sind. Wenn wir uns darauf verständigen, Herr Vietze, dass Sie von der PDS sagen, wir sollten einmal die Frage klären, wie viel zentral durch Gesetz geregelt werden muss und wir darüber diskutieren könnten, wären wir sofort einer Meinung. Bisher war die Diskussion mit Ihnen nicht möglich. Ich stelle fest, Sie sind offen - das ist gut so -, zwar nicht mit 360 Grad, wie es manchmal scheint, aber 180 Grad reichen uns. Bürokratieabbau ist in Ordnung. Wir haben auch von Ihrer Kollegin gehört, dass sie auf Erfahrungen zurückgreifen kann. Erfahrungen woher? Gut, darüber wollen wir nicht sprechen.
Bürokratieabbau braucht Transparenz. Darum wollen wir versuchen, transparent zu machen, was in der Landesregierung erörtert wird, und Sie werden das im Parlament auch tun. Bürokratieabbau braucht auch ein Weiteres, das ebenfalls wichtig ist: Einvernehmen mit den wichtigen Akteuren Politik, Verwaltung, Bürger und Wirtschaft. Bürokratieabbau braucht Handlungskompetenz und Bürokratieabbau braucht Mitarbeiter, die gewillt sind, das überhaupt zu tun. Denn wenn wir Gesetze ändern und sich die Mitarbeiter von den auf den Gesetzen fußenden Verordnungen vorher eine Fotokopie machen nach dem Motto: „Wenn es das morgen nicht mehr gibt, wissen wir wenigstens noch, wie es war“, ist damit nichts erreicht. Wir müssen also die Mitarbeiter mitnehmen. Das ist eine Aufgabe, an der wir gemeinsam wirken können.
Darum haben wir uns in der Landesregierung entschlossen, seitens der Staatskanzlei enge Verbindungen mit allen Ressorts, dem Landtag, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, der Wirtschaft und der Wissenschaft herzustellen, um den Bürokratieabbau voranzutreiben. Die Staatskanzlei wird das anhand der Vorgaben machen, die wir gemeinsam entwickelt haben. Wir wollen das Ganze als einen fortlaufenden Prozess der kritischen Normenprüfung angehen und als eine Anlaufstelle für die Bürger und die Wirtschaft im dauernden Dialog mit Experten, Vorbildern und dem Landtag betrachten.
Ich hoffe, dass es mit der Einsetzung dieses Ausschusses und der Stabsstelle der Staatskanzlei die Chance geben wird, dass sich Bürger an diejenigen wenden können, die in der Lage sind, Bürokratie zu verändern oder zu erklären, warum etwas so sein muss, wie es ist. Manchmal sehen die Bürger nicht ein, warum etwas bürokratisch geregelt werden muss. Ich denke, dass der Ausschuss im Landtag diesbezüglich einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Es ist wichtig, dass wir Transparenz nicht nur als Floskel ansehen, denn die besten Reformer, die die Welt je gesehen hat, sind die, die bei sich selber anfangen. Das hat Bernhard Shaw, der Dramatiker und Humorist war, einmal gesagt. Wir sollten mit der Reform bei uns selbst anfangen. Das Wichtigste ist, dass sich die politischen Entscheider, die Abgeordneten, im Gesetzgebungsverfahren darüber im Klaren sind. Ich hoffe, dass dies auch Ausstrahlung auf die Kreistage und auf die Stadtverordnetenversammlungen haben wird.
Wir erarbeiten derzeit ein Konzept für die Institutionalisierung einer expertengestützten wirkungsvollen und aussagekräftigen Gesetzesfolgenabschätzung. Denn wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass wir manchmal über Gesetze entscheiden, von denen wir nicht genau wissen, welche Folgewirkungen sie in der Bürokratie haben werden. Diesbezüglich müssen wir noch besser werden. Das wollen wir machen, um Ihnen das vortragen zu können, bevor Sie entscheiden.
Wir begrüßen deswegen auch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Landesregierung sowie der Normenprüfstelle in der Staatskanzlei. Die Stoßrichtung der einzurichtenden Leitstelle ist relativ einfach erklärt. Wir wollen einen Seismographen für bürokratische Brennpunkte einrichten.