Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte das Versäumnis zu entschuldigen. Der Service im Landtag ist nicht so perfekt, dass jede einzelne Besuchergruppe aufgeführt wird. Wir heißen Sie deshalb aber nicht weniger herzlich willkommen als andere. Ich bitte Sie noch einmal um Nachsicht; alle im Lande kenne ich nicht persönlich.

(Allgemeine Heiterkeit - Schulze [SPD]: Noch nicht!)

- Jedenfalls noch nicht.

Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS] meldet Redebedarf an.)

- Möchten Sie die restliche Redezeit der PDS-Fraktion in Anspruch nehmen?

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ja, wenn wir noch Redezeit haben!)

- Bei großzügiger Auslegung der Grenzwerte sind es noch drei Minuten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SPD und Grüne hatten vor der vergangenen Bundestagswahl versprochen, mit ihnen werde es bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe keine Absenkung auf das Niveau der Sozialhilfe für alle geben. Dieses Versprechen haben Sie gebrochen. Manch einer bekommt heute gar nichts mehr. Wenn man der Presse folgt, fühlt sich Ihr Bundestagskollege Hilsberg von der Bundesregierung in dieser Frage übertölpelt. Er meint inzwischen, Hartz IV hätte es unter diesen Bedingungen nicht gegeben.

Frau Dr. Schröder, Sie haben gesagt, Massenarbeitslosigkeit sei das Thema Nr. 1. Damit bin ich einverstanden. Aber genau dagegen macht Hartz IV nichts.

(Beifall bei der PDS)

Wenn die Ministerin gestern festgestellt hat - das kann im Protokoll nachgelesen werden -, dass Änderungen der Regelsätze nur auf Bundesebene durchsetzbar seien; wenn Sie ab dem 01.07. Regelsätze wieder in der alten Höhe verordnen, auch wenn Sie das politisch und sachlich nicht für richtig halten; wenn es für den niedrigeren Regelsatz im Osten keine sachliche Grundlage gibt; wenn sich auch Ihrer Meinung nach, wie Sie gestern bestätigt haben, die Regelsätze binnen kurzer Zeit ändern sollten, falls das Existenzminimum unterschritten wird, wenn Sie also all dies bestätigen, warum lehnen Sie dann den vorliegenden Antrag ab?

(Beifall bei der PDS)

Für die Menschen im Land, die das geringste Einkommen haben, die von Armut bedroht sind oder in Armut leben - ja, ich bin dieser Meinung, auch im Vergleich mit unseren monatlichen Einkommen -, kommt es auf ein paar Euro an, die sie vielleicht jeden Monat zusätzlich erhalten.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben es in der Hand. Handeln Sie! Lassen Sie uns bitte diesen Antrag in den Ausschuss überweisen, denn Sie wissen, dass der gültige Regelsatz ein haushaltspolitisches Machwerk auf der Grundlage veralteter Analysen ist; Sie haben es soeben bestätigt. Datengrundlage ist das Jahr 1998. Eingerechnet ist der Durchschnitt der 20 % Einkommensbezieher mit den niedrigsten Einkommen. Auch daran gemessen liegen die Erhöhungen, die den Beziehern von Arbeitslosengeld II zugestanden werden, immer nur im niedrigen Prozentbereich. Insbesondere Kinder sind davon betroffen, jedes fünfte Kind in der Bundesrepublik.

Nachdem ich es gestern schon persönlich versucht habe, bitte ich Sie heute von dieser Stelle aus, den vorliegenden Antrag in den Ausschuss zu überweisen. Ihre bedauerliche Koalitionsdisziplinierungsregel - „Keine Zustimmung zu PDS-Anträgen!“ würde damit nicht gebrochen. Wir könnten und sollten im Ausschuss - ja, Frau Ministerin! - die regionale Auswertung der aktuelleren Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2003 analysieren und geänderte Regelsätze vorschlagen.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Das ist Bundes- und nicht Landessache!)

Wir könnten uns an der Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes orientieren. Frau Dr. Schröder, Sie klagen immer Wissenschaftlichkeit ein: Wissenschaftler haben auf der Grundlage von Zahlen und Fakten etwas anderes ausgerechnet und sagen uns, wie es geht. Die vom Paritätischen Wohlfahrtverband vorgelegten fünf Punkte könnten wir unterstützen.

Aus Zeitgründen sage ich nur noch: Bitte beschränken Sie sich nicht auf jahrelange Ankündigungen! Warum unterstützen Sie nicht die am 24. Mai im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossene Bundesratsinitiative? Frau Ministerin, wenn Sie sagen, Brandenburg habe kein so großes Gewicht im Bundesrat, dann suchen Sie sich Verbündete - hier sind sie! Ankündigungen allein reichen nicht. Eine Bundesratsinitiative ist vorgeschlagen worden.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Schröder? - Bitte schön.

Frau Kollegin, stimmen Sie mir zu, dass die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II nach SGB II ausschließlich auf Bundesebene, durch Bundesgesetz, dem der Bundesrat zustimmen muss, geändert werden können, dass es sich also nicht um eine primäre Landesaufgabe handelt?

Ich stimme Ihnen zu. Aber der Weg, dieses Bundesgesetz zu ändern, geht über den Bundesrat,

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Nein, der geht über den Bundestag!)

in dem die brandenburgische Landesregierung initiativ werden kann. Ich sage sehr deutlich, dass der Arbeits- und Sozialausschuss des Bundesrates die Höhe des Regelsatzes, den die vorherige Landesregierung, der Sie, Frau Ziegler, als Ministerin angehört haben, mitbeschlossen hat, abgelehnt hat.

Ich komme zum Ende. Wir können und wollen Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen, weil wir uns nicht auf Ankündigungs- und Pressemeldungen als schärfste Waffe im politischen Geschäft beschränken wollen. Es gibt Handlungsbedarf. Handeln Sie! Sie haben die Macht.

(Beifall bei der PDS)

Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zuerst über die Überweisung des Antrags der PDS-Fraktion, Regelsätze ALG II, Drucksache 4/1313, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie ab. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Für den Fall der Ablehnung des Überweisungsantrages hat die Fraktion der PDS namentliche Abstimmung über ihren Antrag in Drucksache 4/1313 beantragt.

Wir kommen damit zu der namentlichen Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Verlesen der Namen zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung - Beifall bei der PDS auf- grund der Jastimme der Abgeordneten Blechinger [CDU])

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? - Bitte schön.

(Die Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD], von Arnim und Dombrowski [CDU] geben ihr Votum ab.)

Frau Blechinger hatte die Frage nicht richtig gehört, wie ich vernommen habe. Frau Blechinger, Sie haben jetzt die Chance, eine eindeutige Antwort zu geben. Bitte.

(Frau Blechinger [CDU]: Ich möchte mit Nein stimmen!)

- Das nehmen wir zur Kenntnis. - Ich frage noch einmal, ob es einen Abgeordneten gibt, der seine Stimme nicht abgegeben hat. - Das ist nicht der Fall. Damit ist alles klar und ich bitte um Auszählung der Stimmen.

Ich teile Ihnen das Ergebnis der Abstimmung mit: Für den Antrag haben 31 Abgeordnete gestimmt, 41 Abgeordnete stimmten dagegen und es gab eine Stimmenthaltung. Der Antrag ist damit abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1152)

Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 4/1356, Regelsätze bei Arbeitslosengeld II betreffend, ab. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag bei mehreren Stimmenthaltungen mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/1314

Das Wort erhält der Abgeordnete Theel von der PDS-Fraktion. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag meiner Fraktion zur Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts dürfte zumindest den altgedienten Abgeordneten in diesem hohen Hause bekannt vorkommen. Bereits im Jahr 2002 - einer erinnert sich noch - hat

ten Sie einen ähnlich lautenden Antrag auf dem Tisch und haben ihn abgelehnt.

Sicherlich geschah diese Ablehnung nicht aus Prinzip, denn über die Notwendigkeit, ein zeitgemäßes Gemeindewirtschaftsrecht auch für die Kommunen des Landes Brandenburg zu schaffen, schien es damals keine Zweifel zu geben. Die Ablehnung unseres Antrages wurde auch mit hoffnungsvollen Bemerkungen der Koalition begleitet, die ein Tätigwerden auf diesem Gebiet vermuten ließen.