Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

Seither sind mehr als drei Jahre vergangen und niemand hat erfahren, ob Sie Veränderungswürdiges in der Gemeindeordnung entdeckt haben. Dabei wäre es so einfach gewesen: Eine Umfrage bei den Kommunen oder ein Blick in die Gemeindeordnungen der Länder Sachsen oder Bayern hätte einen beachtlichen Erkenntnisgewinn gebracht. In diesen und in vielen anderen Bundesländern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass starke Kommunen und wirtschaftlich starke kommunale Unternehmen keine ungeliebten Konkurrenten für die private Wirtschaft sind, sondern dass sich beide gegenseitig sinnvoll ergänzen.

Starke Kommunen garantieren eine leistungsfähige Verwaltung und stehen für Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung und Tätigkeit in ihrem Verantwortungsbereich.

(Beifall bei der PDS)

Mit den Entwicklungen auf den liberalisierten und globalisierten Märkten können Kommunen und ihre Beteiligungsgesellschaften schon lange nicht mehr Schritt halten. Eine grundlegende Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Novellierung der Gemeindeordnung. Die Brandenburgische Gemeindeordnung hält zum Beispiel den Örtlichkeitsgrundsatz außerordentlich hoch. Dieser Grundsatz, der Ausdruck der Selbstverwaltungsgarantie sein soll, hat sich längst überholt. Er hemmt das Bestreben der Kommunen, eine effektive Arbeit zu leisten und spezielle Leistungen über die Gemeindegrenzen hinaus anzubieten.

Während im permanenten Angebot der Politik und jetzt wieder im beginnenden Wahlkampf Begriffe wie Bürokratieabbau, effiziente Verwaltung und vieles mehr Hochkonjunktur haben und sich meist als Sprechblasen erweisen, wäre es ein Leichtes, auch den Kommunen die Möglichkeiten dafür zu geben. Allein der Verzicht auf den Örtlichkeitsgrundsatz könnte eine einfache Kooperation zwischen Kommunen auf den verschiedensten Gebieten ermöglichen. Das ist übrigens ein Vorschlag, den wir im Rahmen der Diskussion über das neue Leitbild in den letzten Tagen gehört haben.

Eine solche unbürokratisch zu handelnde Zusammenarbeit hätte nicht nur wirtschaftliche Vorteile. Sie wäre auch ein Mittel, auf der nächsten Etappe der Kommunalreform leichter voranzukommen, ohne Kopfprämien, ohne ministeriellen Druck. Aus der Erfahrung, aus dem Erleben kommunaler Zusammenarbeit - ohne bürokratische Hürden - entstünde für die Gemeindegebietsreform in den kommenden Jahren eine Aufgeschlossenheit und Bereitschaft von unten.

Trauen Sie den Kommunalvertretungen und den kommunalen Wirtschaftsunternehmen mehr zu! Geben Sie ihnen durch eine Modernisierung des Gemeindewirtschaftsrechts die Chance, zu

zeigen, was in ihnen steckt! Tun Sie Gutes für die Kommunen! Es wäre gut für das Land. Wir haben gestern über die Gründung einer Sonderkommission Bürokratieabbau diskutiert. Frau Fischer hat so nett beschrieben, was da passieren soll. Die SOKO BAB soll sich den großen Berg der bürokratischen Vorschriften - Anzahl unbekannt - auf den Tisch holen und eine Menge x herausfinden, die wir nicht brauchen. Es bleibt ein unbekannter Rest übrig. Nehmen Sie die Novellierung als Teilmenge x1. X1 bringt Erfolg und könnte uns für die anderen Aufgaben, die unter diesem Titel stehen, aufgeschlossen und fit machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die Fraktion der SPD spricht der Abgeordnete Bochow. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bekennt sich zu dem Leitbild starker und handlungsfähiger Gemeinden. Sie können das auch unter Punkt 4.4 in der Koalitionsvereinbarung nachlesen. Dennoch wird - so viel kann ich vorwegnehmen - meine Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen.

Mit dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, bis zum Jahresende einen Gesetzentwurf für die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts vorzulegen. Herr Theel, Sie haben Recht; Ihrem Anliegen kann ich in gewisser Weise sogar folgen. Es gibt gute Gründe, sich der jetzigen Rechtslage mit einem prüfenden Blick anzunehmen. Eine solche Novelle ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Es gibt Gründe, die dagegen sprechen.

Nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll. Problematisch an dem vorliegenden Antrag ist insbesondere das enge Zeitfenster, das für die Vorlage des Gesetzentwurfs vorgegeben werden soll. Tatsächlich fehlen wichtige Voraussetzungen für ein gezieltes gesetzgeberisches Tätigwerden. So fehlt zum Beispiel das Weißbuch der Europäischen Kommission als Basisdokument zu den öffentlich-privaten Partnerschaften.

Der Rechtsrahmen, in dem sich wirtschaftliche Tätigkeit abspielt, entspringt zu weiten Teilen europäischer Gesetzgebung, und zwar europäischem Wettbewerbsrecht. Das gilt auch für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen. Allerdings wird dieses Thema auf der europäischen Ebene zurzeit kontrovers diskutiert, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der so genannten Daseinsvorsorge. Nicht abzusehen ist, wie der europäische Rechtsrahmen letztlich aussehen wird und welcher Raum für nationale und regionale Regelungen verbleibt.

Ich erinnere meine Kollegen aus dem Europaausschuss an den Vortrag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die Fragen, die dort aufgeworfen wurden, haben wir - zumindest einige von uns - mit dem stellvertretenden Direktor des Europabüros des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Dr. Zimmermann, ausführlich diskutiert.

Herr Theel, auch das Thema Zweckverbände oder überörtliche Betätigung wird uns mit Sicherheit auf der europäischen Ebene

noch beschäftigen. Wir können uns gerne nachher über die Dokumente austauschen. Frau Stobrawa kann sie Ihnen zur Verfügung stellen, sie hat dort heftig mitdiskutiert.

Es ist also im Moment wenig sinnvoll, ad hoc ein neues Landesgesetz zu erarbeiten. Dies wäre, wie schon beim jüngsten Antrag der PDS-Fraktion zur Weiterführung der Funktionalreform, nichts anderes als ein Handeln nach dem Prinzip Hoffnung. Das ist mit meiner Fraktion jedoch nicht zu machen.

Sie werden sich daran erinnern - Herr Theel hat es erwähnt -, dass wir das Thema Gemeindewirtschaft vor ungefähr anderthalb Jahren an diesem Ort diskutiert haben. Damals wurde ausgeführt, wie sich der Grundkonflikt in dieser Frage gestaltet. Auf der einen Seite steht der schon erwähnte Wunsch der Kommunen nach Erfüllung ihrer wirtschaftlichen Aufgaben, der mit dem Wunsch der Bürger nach qualitativ hochwertiger und bezahlbarer Daseinsvorsorge korrespondiert. Wir wissen, was alles passieren kann, wenn es nicht bei der Daseinsvorsorge der Kommunen bleibt; ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Wasserversorgung in London.

Die Berechtigung dieses Anliegens dürfte in diesem Haus kaum umstritten sein. Auf der anderen Seite hingegen steht die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung, wenn kommunale Unternehmen mithilfe von Steuermitteln am Markt agieren und mit den freien Handwerksbetrieben konkurrieren. So sehen es jedenfalls andere.

Wenn diese beiden Aspekte im Zusammenhang betrachtet werden, kommen, je nach Betrachter, gänzlich unterschiedliche Positionen heraus. Wir brauchen also nicht so zu tun, als gäbe es schon eine Entscheidung in der politischen Auseinandersetzung. Das Gegenteil ist der Fall.

Wenn Sie die Diskussion um die Daseinsvorsorge in den vergangenen Wochen und Monaten verfolgt haben, wissen Sie, dass wir von einem Durchbruch noch ein Stück entfernt sind. Weil es hier um eine europäische Rahmenregelung geht, ist diese Debatte naturgemäß auf die politischen Institutionen der Europäischen Union fokussiert; die Europaabgeordneten sollten gemeinsam eng dranbleiben.

Die Debatte ist trotzdem notwendig und wichtig; denn sie kann und wird dazu beitragen, dass die Kommunen im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Betätigung letztendlich die Planungssicherheit erhalten, die sie benötigen. Solange auf europäischer Ebene kein verbindlicher Rechtsrahmen vorgegeben werden kann, wird sich an der bestehenden Planungsunsicherheit nichts ändern, egal, was wir tun.

Sie sehen also, dass die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts einiger Voraussetzungen bedarf, die wir auf Landesebene nicht schaffen können. Solange dies der Fall ist, hat das Hantieren mit Landesgesetzen bestenfalls symbolische Bedeutung. Damit ist freilich niemandem geholfen, auch Ihnen als Antragsteller nicht. Es gilt auch hier, was ich vor gut einem Monat im Hinblick auf die Funktionalreform sagte: Gut meinen und gut machen sind zwei verschiedene Dinge.

Ich komme zum Schluss. Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ein Feld ist, auf dem Handlungsbedarf besteht. Wir werden das Thema daher auf der Agenda belassen. Angesichts der derzeitigen

Rahmenbedingungen sieht meine Fraktion jedoch keinen Grund, sich durch unrealistische Zeitvorgaben selbst unter Druck zu setzen. Dass dies die Erfolgsaussichten des vorliegenden Antrags negativ beeinflusst, habe ich bereits erwähnt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der DVU spricht der Abgeordnete Claus. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion, mit dem die Landesregierung zur Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts bis Ende 2005 aufgefordert wird, ist ein typischer PDS-Antrag. Das betrifft sowohl Form, Ziele wie auch sachliche Tiefe. So kann man in Brandenburg nicht Politik machen. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

Maßgeblich für diese Ablehnung ist nicht, dass es aus Sicht unserer Fraktion auf kommunaler Ebene bei wirtschaftlichem Handeln keinen Regelungsbedarf gibt. Das ist gewiss nicht der Fall und hier ist die Landesregierung in der Tat gefragt.

Entscheidend sind für uns die Oberflächlichkeiten Ihres Antrags und Ihre Ziele, die Sie zumindest andeuten. Insbesondere diese Ziele sind nicht die unsrigen.

Es trifft zu, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, dass bei uns in Brandenburg - gelinde ausgedrückt - einiges im Argen liegt, auch auf kommunaler Ebene und insbesondere in wirtschaftlichen Bereichen.

Zu Ihrer Beruhigung, meine Damen und Herren: Mit 1-EuroJobs lassen sich diese Probleme sicherlich nicht lösen, aber mit einer Verwischung der Abgrenzung zwischen staatlichen, kommunalen und privaten Aufgaben erst recht nicht.

Diese Vorgehensweise kann im Prinzip nur zu mehr Staat, weniger Privatautonomie, mehr Kosten und weniger Effizienz führen. Das führt uns zurück auf den Irrweg von Sozialismus: mehr Staat - weniger private Initiative. Genau das bezwecken Sie offensichtlich mit Ihrer Vorgabe an die Landesregierung. Nicht anders sind folgende Eckpunkte in Ihrem Papier zu sehen: Aufhebung der Trennung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung der Kommunen sowie Aufhebung der verschärften Subsidiaritätsklausel.

Das alles kann schließlich nur zu dem Ergebnis führen, meine Damen und Herren von der PDS, dass das kommunale Handeln im wirtschaftlichen Bereich zulasten - zumindest möglicher - privatwirtschaftlicher Initiativen aufgebläht wird.

Unsere Fraktion ist nach wie vor Anhänger des Subsidiaritätsprinzips und folgenden Grundsatzes: Der Mensch und damit die Privatinitiative, nicht das Kollektiv, steht im Mittelpunkt.

(Beifall bei der DVU)

Staatliches wie kommunales Handeln ist erstens prinzipiell auf Kernbereiche zu beschränken und ansonsten nur dort zuzulas

sen, wo zur Erfüllung notwendiger Aufgaben, zum Beispiel Müllabfuhr, Gesundheit oder ÖPNV, nicht genügend Private zur Verfügung stehen.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Aufgaben sind jeweils auf der untersten Ebene anzusiedeln, wo sie sinnvoll erfüllt werden können, damit eine möglichst große Bürgernähe gewährleistet wird. Das gilt gleichermaßen für den staatlichen wie auch speziell für den kommunalen Bereich. Sie werden dafür Verständnis haben, meine Damen und Herren von der PDSFraktion, dass wir Ihren Antrag im Interesse des wirtschaftlichen Mittelstandes in unserem Land Brandenburg ablehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Theel, ob der Antrag der PDS-Fraktion zwei oder zweieinhalb Jahre zurückliegt, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Aber dann hätte die PDS-Fraktion ausreichend Zeit gehabt, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Während Sie nun die Landesregierung in einer Kette von gleich lautenden Anträgen auffordern, gesetzgeberisch tätig zu werden, hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie einen eigenen Gesetzentwurf zu dieser Frage vorgelegt hätten. An fehlender Zeit kann es ja wohl nicht gelegen haben. Ich sehe das schon als politisches Spiel seitens der PDS-Fraktion an.

(Vietze [PDS]: Das hätten Sie wieder billig abgelehnt und so müssen Sie sich dafür entscheiden, dass sich die Re- gierung Arbeit macht.)

- Kollege Vietze, ich könnte ohne Ihre qualifizierten Zwischenrufe nachts nicht ruhig schlafen.

(Vietze [PDS]: Darauf legen wir Wert!)

So einfach, wie Sie es sich mit einer DIN-A4-Seite gemacht haben, ist es eben nicht. Es ist hier verschiedentlich - nicht von der PDS, sondern von anderen - darauf hingewiesen worden, dass es natürlich ein Spannungsfeld gibt. Ich kann nicht daherkommen, von wirtschaftlicher Betätigung und Aufhebung des Örtlichkeitsprinzips reden und behaupten, andere Entfesselungen der wirtschaftlichen Betätigung würden automatisch nur Gutes nach sich ziehen. Da gibt es natürlich Grenzfälle und berechtigte Interessen zum Beispiel von kommunalen Unternehmen anderer Städte, die auch betroffen sind und möglicherweise konkurrieren. Natürlich gibt es dann auch noch die freie Wirtschaft.

Ich möchte einmal zwei Dinge in die Diskussion werfen. Wir hatten heute eine Diskussion zu Hartz IV. Was die Ich-AGs und die 1-Euro-Jobs betrifft, so gibt es schon jetzt im Bereich der Wirtschaft, zum Beispiel im Handwerk, aber auch bei den öffentlichen Dienstleistungen, bestimmte Punkte, die überdenkenswert sind; eine gute Idee hat man vielleicht so angepackt, dass das gut Gemeinte vor Ort anders umgesetzt wurde. So einfach dürfen Sie es sich an dieser Stelle nicht machen. Wir se

hen - das sieht jeder, der solch einen Antrag liest -, dass Sie der Landesregierung und damit der Koalition den schwarzen Peter zuschieben wollen. Es soll ein Gesetzentwurf kommen, wobei von der PDS das übliche Verhalten zu erwarten ist. Sie sind ja immer bereit, mit uns zu sprechen, sagen dann aber letzten Endes doch Nein. Kollege Theel, Sie haben das vor 2004 noch nicht verfolgen können, aber Leute, die dem Landtag schon länger angehören, haben diese Erfahrung gemacht. Von daher ist dieser Antrag abzulehnen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sarrach?