Protokoll der Sitzung vom 31.08.2005

Ich habe wirklich den Verdacht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mich mit Absicht falsch verstehen wollen. Wenn die Landesregierung nachweisen würde, dass die vielen Steuergelder, die bereits in das Handlungskonzept „Tolerantes Bran

denburg“ geflossen sind, einen konkreten Nutzen für unser Land hatten, dann, liebe Kollegen, würden wir von der DVUFraktion sicherlich die Letzten sein, die sich gegen die Fortführung dieses Programms aussprächen.

Ich möchte aber darauf hinweisen, Herr Schulze, dass in § 7 Abs. 2 Satz 1 der LHO - Landeshaushaltsordnung - folgender Satz steht:

Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen.“

Doch leider weigert sich die Landesregierung seit Jahren beharrlich, den Nachweis über die Nützlichkeit ihres Handlungskonzepts zu erbringen. Es ist nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar ausgesprochen unüblich, dass bis jetzt noch keine Evaluierung dieses doch sehr kostenintensiven Programms erfolgt ist. Es ist auch in Brandenburg die Regel, dass Evaluierungen solcher Programme erfolgen. Schlimmer noch: Manche Programme werden ohne eine solche Evaluierung überhaupt nicht gestartet.

Vor wenigen Tagen erst antwortete die Landesregierung dem Kollegen Torsten Krause, dass ein Präventionsprojekt der Berliner Polizei erst evaluiert werden müsse, bevor eine Übernahme für Brandenburg auch nur geprüft werden könne. Aber das „Tolerante Brandenburg“ erhält Jahr für Jahr Steuergelder, ohne dass eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt wird. Das sehen wir nicht ein. Dem soll dieser Antrag abhelfen, Herr Schulze.

Aber es stimmt natürlich, liebe Kollegen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass dieses Handlungskonzept keinerlei Nutzen für unser Brandenburg hat.

(Schulze [SPD]: Da sind wir jetzt aber sehr überrascht!)

Meiner Überzeugung nach handelt es sich um ein getarntes Arbeitsbeschaffungsprogramm für Anhänger von SPD und SED oder PDS oder Die Linke oder Linkspartei oder wie immer sie sich auch schimpfen werden.

Meiner Überzeugung nach missbraucht die vereinigte Linke dieses Programm zur Bekämpfung politisch anders Denkender. Dafür finden sich unzählige Belege. Aber Sie können uns doch ganz einfach den Wind aus den Segeln nehmen, indem Sie unserem Antrag zustimmen und uns die Landesregierung in absehbarer Zeit einen Evaluierungsbericht vorlegt.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind am Ende der Debatte angelangt.

Ich stelle den Wunsch, den Antrag in Drucksache 4/1756 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen, zur Abstimmung. Wer diesem Ansinnen folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit ohne Enthaltungen abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/1756 in der Sache. Wer ihm folgt, den bitte ich um sein

Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch in der Sache wurde der Antrag mit großer Mehrheit ohne Gegenstimmen abgelehnt.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 19 und kommen zu Tagesordnungspunkt 20:

Informations- und Beratungsstellen für berufliche Weiterbildung der LASA Brandenburg GmbH erhalten

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/1760

Des Weiteren liegt Ihnen hierzu in Drucksache 4/1814 ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU vor.

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Otto von der Linkspartei.PDS.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Die Auflösung der Informations- und Beratungsstellen der Landesagentur für Struktur und Arbeit Ende 2005 ist, wenn man die Landesregierung richtig interpretiert, beschlossene Sache. Wir sind dagegen. Wir wollen, dass bewährte Strukturen mit der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik verbunden werden.

Bereits im Jahre 2003 - das ist doch bedenklich - wusste die Landesregierung, dass die Regionalisierung der Förder- und Arbeitsmarktpolitik so erfolgreich ist, dass die Beratungsstellen nicht mehr erforderlich sind. Dem ist aber nicht so. Die regionalen Arbeitsmarktprogramme stecken noch in den Kinderschuhen. Der Fachkräftemangel wird in den Folgejahren erhebliche Probleme für die Klein- und mittelständischen Unternehmen mit sich bringen. 2005 und 2006 befinden wir uns im Übergang zu einer neuen Förderperiode der Europäischen Union und der GA-Förderung. Genau in diesem Übergangsprozess wird eine enge Struktur, die die Verbindung von Land und Regionen beinhaltet, aufgelöst. Dagegen wenden sich Kammern sowie Verwaltungen in den Kreisen und kreisfreien Städten. Sie wollen, dass diese Struktur erhalten bleibt.

Nun mag eingewendet werden, dass diese Strukturen ihre Arbeit nicht gut genug machen. Weit gefehlt! Der Sozialausschuss hat sich in zwei Anhörungen damit beschäftigt und die Meinungen der Betroffenen eingeholt. Das Ergebnis: Kammern und Kommunen stellen den Informations- und Beratungsstellen beste Zeugnisse aus. Diese Stellen decken einen Bedarf, der von niemand anders gedeckt werden kann.

Die PDS-Fraktion stellte bereits in der Diskussion über den Haushaltsplan 2005/2006 einen Antrag zur weiteren Förderung der Beratungsstellen bis 2006 zur Debatte. Fraktionsübergreifend bestand Einigkeit, dass die Diskussion weitergeführt werden soll. Das Ergebnis in der letzten Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie war das gleiche Jein wie in der Haushaltsdiskussion.

Der Antrag der Koalition bestätigt uns, dass Handlungsbedarf angesagt ist. Der Antrag sagt aber auch, dass wir das Thema

nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen können. Am 31. Dezember wird es zu spät sein, weil die Beratungsstellen dann bereits aufgelöst sein werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ein Aufschub in der Sache ist also nicht mehr möglich. Der Faktor Zeit wendet sich gegen die Beratungsstellen. Die Mitarbeiter sind zum Jahresende gekündigt und natürlich werden Mietverträge und alles andere ebenfalls gekündigt. Kompetenzen, die jahrelang erworben worden sind, werden unweigerlich verloren gehen. Die Beratungsstellen, die einen wichtigen Platz in den Regionen haben, werden geschlossen.

Die Linkspartei.PDS-Fraktion stellt deshalb den Antrag, das bestehende Netz der Informations- und Beratungsstellen für berufliche Weiterbildung bis mindestens Ende 2006 zu erhalten und zu fördern.

Die Informations- und Beratungsstellen bearbeiten auch Tätigkeitsfelder, die künftig vielleicht anderswo gebündelt werden müssen. Darüber muss und kann man diskutieren. Profilierung und Weiterentwicklung sind notwendig.

Deshalb beantragen wir in einem zweiten Punkt, die Landesregierung möge uns ihr Konzept zur Ausrichtung der Arbeit der LASA, die Träger der Beratungsstellen ist, vorlegen.

Aber muss man deswegen das Kind mit dem Bade ausschütten? Natürlich nicht! Gleichwohl vernehme ich Ihre Einwürfe mit der Frage, wie das denn finanziert werden soll. Wenn Sie es politisch wollten, dann wäre eine Finanzierung, wie wir bereits in der Haushaltsdiskussion nachgewiesen haben, im Rahmen des Landesprogramms für Qualifizierung und Arbeit bis 2006 möglich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Seit 1992 gibt es die Beratungsstellen. Es sind also wirtschaftlich gesehen gut eingeführte Unternehmen.

Die Arbeit der Beratungsstellen wurde inhaltlich den konkreten Situationen angepasst. Stand 1992 die individuelle Beratung im Mittelpunkt, so war es zur Jahrtausendwende die wirtschaftsnahe Qualifizierung. Gegenüber dem Jahr 2000 wuchs im Jahre 2004 die wirtschaftsnahe Qualifizierung in der Beratung von Klein- und Mittelbetrieben auf 327 %. Das waren mehr als 2 120 branchenunabhängige Vor-Ort-Beratungen zur Qualifizierung, Ausbildung und Kompetenzentwicklung. Im gleichen Zeitraum entwickelte sich die regionale Zusammenarbeit mit der ZukunftsAgentur Brandenburg zur Entwicklung von Bildungsnetzwerken und zur komplexen Investorenberatung.

Das alles wird mit dem Kabinettsbeschluss zur Beendigung der Förderung in den Papierkorb geworfen; lediglich die Weiterbildungsdatenbank wird weitergeführt. In der vergangenen Woche sprachen der Ministerpräsident und die Arbeitsministerin aber richtigerweise davon, dass dem zukünftigen Fachkräftemangel eine große Bedeutung zukomme und dass dem durch entsprechende Strukturen Rechnung getragen werden müsse. Sie kündigen an, eine interministerielle Arbeitsgruppe zu bilden. Die Informations- und Beratungsstellen werden aufgelistet. Verstehe das, wer kann. Ich kann es nicht.

Wir sind der Meinung, dass die begonnene Umstrukturierung hin zur wirtschaftsnahen Beratung fortgeführt werden muss. Die Kammern sind ins Gespräch gekommen. Sie wehren sich zu Recht dagegen, diese Aufgabe zu übernehmen. Kräfte werden zersplittert, die branchenübergreifende Zusammenarbeit wird gestört und das Prinzip der Leistungen aus einer Hand gegenüber Investoren wird ausgehebelt. Noch abwegiger ist die Begründung, mit Hartz IV würden das die Jobcenter übernehmen.

Wir halten es für völlig widersinnig, die Strukturen zu beseitigen, statt den Inhalt der vorhandenen Strukturen weiterzuentwickeln. In der freien Wirtschaft bedeutete dies, dass ein Betrieb aufgelöst würde, wenn sich das Produkt veränderte. - So kann man mit öffentlichen Mitteln und qualifizierten Mitarbeitern nicht umgehen.

Ich fasse zusammen. Wir erwarten, dass die Beratungsstellen der LASA bis 2006 weitergeführt werden. Mit der Neuausrichtung der Förderpolitik in Europa, im Bund und im Land soll entschieden werden, wie die Informations- und Beratungsstellen zukünftig auszurichten und aufzustellen sind. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich rufe den Redebeitrag der SPD-Fraktion auf. Frau Dr. Schröder, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Informationsund Beratungsstellen für berufliche Weiterbildung der LASA Brandenburg GmbH haben in den zurückliegenden Jahren seit 1992 im Auftrag und im Interesse des Landes Brandenburg eine engagierte und vor Ort anerkannte Arbeit geleistet. Dafür möchte ich im Namen meiner Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen einige heute hier anwesend sind, unseren ausdrücklichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

Umso mehr bedauere ich den anhängigen Streit um Kündigungen und Sozialplan. Wie mir heute mitgeteilt wurde, ist auch der Antrag der LASA an das MASGF zur Fortbildung der gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leider noch nicht beschieden. Damit sind wir beim Thema.

Die Schließung der Informations- und Beratungsstellen für berufliche Weiterbildung der LASA zum Jahresende wirft Fragen auf, und zwar insbesondere dahin gehend, wie künftig vor Ort Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen Unterstützung findet. „Von welcher Art und von welcher Seite?“, so lautet die Frage, die uns heute beschäftigt.

Nichts, Herr Kollege Otto, ist beschlossene Sache. Es ist auch nicht so, dass alles eine Frage der Finanzierung sei. Plausible Antworten liegen bis jetzt nicht vor.

Damit komme ich zu den Hintergründen. Am 1. Juli 2003 bestätigte die Landesregierung Vorschläge einer Arbeitsgruppe zur Streichung und Kürzung von Förderprogrammen. Darin enthalten waren unter anderem folgende vier Programmziele: erstens: Beratung betrieblicher Qualifizierungsvorhaben, zwei

tens: Beratung zur berufsbegleitenden Qualifizierung, drittens: persönliche Beratung zu Fragen der beruflichen Weiterbildung, viertens: Betrieb der Weiterbildungsdatenbank. All diese Ziele wurden mit dem Vermerk „Streichen, Pflichtaufgabe Kammern“ versehen. Das Parlament war in diese konkrete Entscheidung weder wirtschafts- noch arbeitsmarktpolitisch eingebunden.

Heute sind wir Abgeordnete mit Protestschreiben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von Bürgermeistern und vor allem der Kammern konfrontiert, die signalisieren, dass sie die infrage stehenden Aufgaben nicht realisieren können oder wollen. Andererseits soll die Abwicklung der Informations- und Beratungsstellen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Einer Vorlage von LASA und MASGF im Fachausschuss am 24. August 2005 ist ein umfassender Katalog von Aufgaben zu entnehmen, die der Geschäftsbereich wirtschaftsnahe Qualifizierung künftig leisten soll, und zwar unter anderem der Betrieb und die Fortführung der Weiterbildungsdatenbank, die in dem erwähnten Kabinettsbeschluss vom Juli 2003 aber ebenfalls als Pflichtaufgabe der Kammern bezeichnet wurde.