Dafür bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Die so genannte Schulstandortkommission hatte den Auftrag, eine Schulstruktur zu entwickeln, die auf sinkende Schülerzahlen, regionale Entwicklungen und schulinterne Organisationsformen Rücksicht nehmen soll. Ihre Empfehlungen sind in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen worden. Die Verhandlungspartner waren gut beraten, diesen Empfehlungen zu folgen, weil dadurch letztlich Schulstandorte im Lande Brandenburg gesichert werden können.
Erstens müssen wir erkennen, dass Bildung und Wissen weiterhin das entscheidende Kapital sind, das wir unseren Kindern mit auf den Weg geben müssen. Dafür soll die Verantwortung
in den Schulen vor Ort liegen. Ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzentwurfes ist, dass die Schulen bei der Wahl der Unterrichtsform nunmehr frei sind, da die Lehrer vor Ort zusammen mit dem Schulträger am besten darüber entscheiden können, ob eine integrative, eine kooperative oder eine gemischte Unterrichtsform in den Schulalltag Eingang finden soll. Dies muss ab dem ersten Schultag gegeben sein. Grundlage dabei ist, dass eine gleiche Lehrerstundenzuweisung berücksichtigt wird. Dies steht im Gegensatz zu dem, was Sie, Frau Große, heute gesagt haben. Wir wollen, dass gerade die Lehrer vor Ort darüber entscheiden, welche Unterrichtsform gewählt wird. Auch damit kann die Demokratie im Lande Brandenburg gestärkt werden, meine Damen und Herren.
Zweitens müssen wir respektieren, dass es unterschiedliche Begabungen gibt. Dies gilt für alle Menschen; selbst die Mitglieder des Landtages haben unterschiedliche Begabungen.
Diese Tatsache muss endlich auch im Schulalltag Berücksichtigung finden. Daher wollen wir diese unterschiedlichen Begabungen für den weiteren Lebensweg junger Menschen nutzen, zumal Gleichmacherei unsere Möglichkeiten am Ende überforderte. Die Oberschule soll nun - der Begriff ist richtig gewählt - mit zwei Bildungsgängen den unterschiedlichen Begabungen Rechnung tragen und zu Schulabschlüssen führen, die anerkannt sind, da sie im Interesse von Klarheit im Bildungswesen gefunden wurden.
Diesem ersten Schritt einer Strukturveränderung soll - Herr Minister, ich schaue Sie sehr erwartungsvoll an - der nächste Schritt inhaltlicher Korrekturen folgen, um damit der Wirtschaft entgegenzukommen,
die Ausbildungschancen ermöglichen soll und uns immer wieder mit auf den Weg gibt, dass wir Veränderungen im Bildungsbereich vornehmen müssen, damit die jungen Menschen besser auf das Berufsleben vorbereitet werden.
Drittens: Für die Fraktion der CDU sage ich sehr deutlich: Die Oberschule ist die einzig richtige Antwort auf die Bedingungen, die wir heute in Brandenburg vorfinden. Deswegen müssen wir sie unter Berücksichtigung der Struktur Brandenburgs als Flächenland, wegen der Verringerung der Schülerzahl, aber auch zur Sicherung von Schulangeboten im Land Brandenburg umsetzen. Dies ist immer mit dem klaren Hinweis zu verbinden: An jedem Tag, in jeder Situation des Lebens gibt es Wettbewerb. Also muss es Wettbewerb auch im Schulalltag geben an jedem Unterrichtstag, in jeder Stunde.
Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist eine Fortsetzung der Bildungsoffensive, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen. Die Menschen draußen haben erkannt - im Rahmen von Diskussionen werden Sie das feststellen -, dass wir in den vergangenen fünf Jahren an dieser Stelle vorangekommen sind. Frau Dr. Enkelmann, wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun und zurückstecken, sondern wir werden in den nächsten fünf Jahren auf diesem Weg offensiv vorangehen.
Die heutige Beratung dient auch dazu, den weiteren Fortgang des Gesetzes zu ermöglichen, damit es zum Schuljahr 2005/06 umgesetzt werden kann. Wir brauchen die Zeit, um im Ausschuss eine Anhörung durchzuführen und über den Entwurf zu beraten. Deswegen bitte ich um Überweisung des Gesetzentwurfs an den zuständigen Ausschuss. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist mein erster Auftritt als Redner in diesem hohen Hause; aber ich fühle mich schon richtig wie zu Hause. Das liegt daran, dass das, was hier läuft, gar nicht so weit von Schule entfernt ist.
Es ist vielleicht ein bisschen zu viel Frontalunterricht, aber ansonsten nicht so weit weg. Ich gehe allerdings davon aus, dass mein pädagogischer Einfluss reichlich gering sein wird.
Zur Sache! Die Landtagsabgeordneten Christoph Schulze und Saskia Funck haben mit dem von ihnen eingebrachten Entwurf eines Schulstrukturgesetzes die Chance eröffnet, zum Schuljahr 2005/06 die Schulstruktur des Landes Brandenburg den demographischen Erfordernissen anzupassen. Der Gesetzentwurf berücksichtigt alle Empfehlungen der Schulstandortkommission Brandenburg. Diese hat mit ihrem Abschlussbericht vom September 2004 die Einführung einer Schule mit zwei Bildungsgängen im Land Brandenburg empfohlen. Vorsitzender dieser Kommission war kein Geringerer als Prof. Baumert, Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und langjähriger Vorsitzender des deutschen PISA-Konsortiums.
Ich begrüße und unterstütze den vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich, auch wenn es notwendig sein wird - das haben wir in der Diskussion schon mitbekommen -, in den Ausschussberatungen über einzelne Punkte noch intensiver zu diskutieren. Ich bin der Auffassung, dass die Einführung einer die Realschulen und die Gesamtschulen - ohne gymnasiale Oberstufe - ersetzenden Schulform lange überfällig ist. Mancher Schulstandortstreit im Frühjahr dieses Jahres wäre weniger konfliktbeladen gewesen, wenn es gelungen wäre, die nun vorliegenden Regelungen zwei Jahre früher in Kraft zu setzen. Die Uhr für die Einführung der Oberschule zeigt insofern nicht mehr fünf Minuten vor zwölf, sondern schon fünf Minuten nach zwölf an.
Im Schuljahr 2002/03 betrug die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I noch ca. 140 000. Bis zum Schuljahr 2008/09 wird dieser Wert nach einer Modellrechnung meines Hauses auf ca. 62 000 Schülerinnen und Schüler absinken. Danach wird er glücklicherweise wieder leicht ansteigen. Bis zum Schuljahr 2007/08 werden unter den geltenden schulorganisatorischen Rahmenbedingungen von ehemals
Von der Prignitz bis in die Lausitz sind wir von Landräten, Bürgermeistern und Schulleitern dringend gebeten worden, die überfällige Änderung der Schulstruktur im Interesse einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Bildungsversorgung in allen Landesteilen endlich in Angriff zu nehmen. Ich habe angekündigt, dass ich die in der Koalitionsvereinbarung vorgesehenen bildungspolitischen Maßnahmen mit Ruhe und Bedacht und im engen Dialog mit den Schulen umsetzen will. Dazu stehe ich; darauf können Sie sich verlassen.
Für die Einführung der Oberschule muss allerdings, was den Zeitrahmen anbelangt, eine Ausnahme gelten. Die neue Schulform wird aus den genannten Gründen zum nächsten Schuljahr eingeführt. Mir ist bewusst, dass die Eile, mit der das Gesetzesvorhaben umzusetzen sein wird, große Anstrengungen aller am Prozess Beteiligten erfordert. Ich glaube aber, dass sich diese Anstrengungen lohnen werden.
Wir geben den Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe eine Chance - entgegen dem, was heute zu hören war. 10 bis 15 Gesamtschulen werden es unserer Einschätzung nach schaffen, ihre gymnasialen Oberstufen zu erhalten. Wer deshalb jedoch gleich von der Beibehaltung des dreigliedrigen Bildungssystems spricht, irrt gewaltig. Davon können nur diejenigen reden, die das dünn besiedelte Land Brandenburg mit der Landeshauptstadt Potsdam verwechseln.
Ich will noch einmal die wichtigsten Argumente nennen, die für die baldige Einführung der Oberschule sprechen:
Erstens: Die Oberschule schafft Chancengleichheit für alle Schüler. Es ist ein Gebot der Chancengleichheit, vor allem im ländlichen Raum, dass jedem brandenburgischen Schüler jeder Bildungsgang in erreichbarer Entfernung angeboten wird. Wir haben es in diesem Schuljahr nicht einmal mehr erreicht, dass in allen ehemaligen Kreisstädten alle Bildungsgänge angeboten werden, beispielsweise in Templin, Kyritz, Seelow und Bad Freienwalde. Mit der Oberschule können wir das wieder garantieren und vielleicht auch den einen oder anderen Schulstandort im ländlichen Raum zusätzlich erhalten.
Zweitens: Die Oberschule schafft eine überschaubare Schulstruktur. Der Rückgang der Schülerzahlen führte zu einer Konkurrenzsituation zwischen der Gesamtschule und der Realschule, die auf Dauer ein ausgewogenes Schulangebot verhindert hätte. Der jahrelange Schulformstreit wird mit der Oberschule beendet. Eine klare und überschaubare Schulstruktur wird geschaffen.
Drittens: Die Oberschule bedeutet eine Chance auf Qualitätsverbesserung. Sie wird das Kernstück des brandenburgischen Bildungssystems sein. Wir müssen gemeinsam alle Kraft in das Gelingen der neuen Schulform legen. Die Oberschule vergibt zentral Zukunftsperspektiven, weshalb sie eine gute, qualitätsvolle Schule sein muss. Besondere Aufgabe der Oberschule wird die Vermittlung von Qualifikationen und Kompetenzen sein, die in eine spätere berufliche Ausbildung münden können. Eltern und Schüler sollen Vertrauen in diese neue Schulform setzen können. Von daher werden wir großes Augenmerk auf die schulische Qualitätsentwicklung und -kontrolle legen.
Die Einführung der Oberschule bietet darüber hinaus die Chance, auf die Ergebnisse der PISA-Untersuchungen mit neuen pädagogischen Konzepten zu reagieren. Diese Chance sollten wir nutzen. Der Gesetzentwurf eröffnet hierfür ausreichend Spielräume. Aufgabe der Oberschulen wird es insbesondere sein, verantwortungsvoll gegenüber allen Schülerinnen und Schülern und ausgerichtet an deren Bedürfnissen die Form der Unterrichtsorganisation bildungsgangbezogen oder bildungsgangübergreifend zu beschließen.
Als ehemaliger Schulleiter begrüße ich es außerordentlich, dass diese Entscheidung durch Schulen selbst getroffen wird; denn dies stärkt ihre Selbstständigkeit und sichert unbürokratische, schnelle Entscheidungsprozesse. Wer das kritisiert, redet offensichtlich nur sonntags von der Selbstständigkeit der Schulen.
Die gemeinsame Einsicht, dass sich die Schulstruktur für unser Land angesichts des Schülerzahlenrückgangs ändern muss, kam erst kurz vor Ende der vergangenen Legislaturperiode. Jetzt stehen wir unter dem zeitlichen Zwang, diese Schulform sehr rasch einzuführen. Dies wird uns gelingen, wenn wir das Vorhaben in einem breiten Konsens durchführen können. Lassen Sie uns die Differenzen, die wir in Details haben, intern regeln. Eine Verunsicherung von Kindern und Eltern sollten wir nicht zulassen.
Die Einführung der Oberschule ist die wichtigste Änderung der brandenburgischen Schulstruktur seit 13 Jahren. Sie muss gelingen; sie wird gelingen, wenn wir alle mitziehen. - Vielen Dank.
Ich schlage vor, dass wir zur Abstimmung kommen. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Drucksache 4/12, Entwurf eines Schulstrukturgesetzes, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dieser Empfehlung folgen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Es gibt eine Gegenstimme. Damit ist die Überweisung beschlossen.
1. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Branden- burgisches Schulgesetz - BbgSchulG)
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Auf die Frage, welche Schlussfolgerungen aus der Diskussion zum Bericht „Bildung auf einen Blick“ gezogen werden müssen, antwortete Andreas Schleicher, Leiter des OECD-Programms zur Bewertung der internationalen Schulleistungen, wie folgt:
„Der Bericht bestätigt, dass das Bildungssystem in Deutschland der Anforderung, mit Verschiedenheit, mit Heterogenität umzugehen, nicht gerecht wird. Auf der einen Seite werden sozial bedingte Schwächen nicht ausreichend ausgeglichen, auf der anderen Seite werden Talente nicht gefördert. Klar bleibt, dass die gegenwärtigen, auf Selektion anstatt individueller Förderung ausgerichteten Schulstrukturen in Deutschland den neuen Anforderungen nicht genügen.“
In den letzten Jahren wurde diese Kritik in ähnlicher Form tausendfach geäußert. Sie blieb dennoch weitgehend folgenlos. Der schwere Tanker Kultusministerkonferenz mag dafür maßgeblich Verantwortung tragen. Vielleicht fährt er jetzt etwas schneller. Da die Kollegen der SPD-Fraktion dieses wichtige Ressort an die CDU, den kleineren Koalitionspartner, abgegeben haben, werden sich die Mehrheiten dort ändern. Die Länder aber und damit auch Brandenburg haben noch immer nicht die Notwendigkeit wirklich tief greifender Reformen erkannt. Dabei haben wir gerade wegen der dramatisch sinkenden Schülerzahlen gute Ausgangsbedingungen für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Schule. Richtige Reformansätze aus den vergangenen Jahren sollten daher ausgebaut, Irrtümer und mit zu heißer Nadel Gestricktes korrigiert werden. Das gesamte Gesetzesund Verordnungswerk gehört auf den Prüfstand. Aus unserer Sicht muss dabei das wichtigste Prüfkriterium sein, wie der Grundsatz „Fördern statt Auslese“ gesetzt wird. Es ist eben, Herr Senftleben, keine Frage des Wettbewerbs. Es ist die Frage, inwieweit wir Wettbewerbsmechanismen mehr Schule überhelfen wollen oder inwieweit wir - wie die skandinavischen Länder - Schulen als Treibhäuser der Zukunft betrachten wollen.
Brandenburgs Bildungssystem braucht einen Innovationsschub, bei dem aber Akteure und von Bildung Betroffene mitgenommen werden müssen und ein sinnvolles Verhältnis zwischen Kontinuität und Erneuerung gewahrt bleibt. Dazu brauchen wir einen neuen Diskurs über die Ursachen der Misserfolge genauso wie die Analyse des Gelungenen.