Brandenburgs Bildungssystem braucht einen Innovationsschub, bei dem aber Akteure und von Bildung Betroffene mitgenommen werden müssen und ein sinnvolles Verhältnis zwischen Kontinuität und Erneuerung gewahrt bleibt. Dazu brauchen wir einen neuen Diskurs über die Ursachen der Misserfolge genauso wie die Analyse des Gelungenen.
Das Schulgesetz, welches wir am Ende dieser Legislaturperiode vorlegen werden, wird erst in 20 Jahren seine Wirksamkeit entfalten können. Ob uns damit überhaupt noch der Anschluss an die sich auch dynamisch entwickelnden PISA-Siegerländer gelingen kann, bleibt fraglich. Es gilt also, keine Zeit zu verlieren. Mut zu großen Schritten unter Beachtung der Nachhaltigkeit ist angesagt.
Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der aus unserer Sicht wichtige Impulse geben kann. Natürlich ist auch unsere Novelle noch nicht das große Reformpaket, mit dem Schule wirklich neu gedacht werden kann.
Wir haben uns auf fünf Probleme konzentriert, die eine Schlüsselfunktion für die bessere Qualität schulischer Bildung haben. Es sind zugleich Forderungen von Wählerinnen und Wählern, auch solchen ohne linke Bindung. Um es gleich vorwegzusagen: Ohne die Bereitschaft, mehr in Bildung zu investieren, eben weil Bildungsausgaben als investive Ausgaben begriffen werden müssen, wird es nicht gehen. Herr Minister, Selbstständigkeit an Wochentagen auch wirklich zu leben hängt sehr wohl mit dem zusammen, was wir in unsere Schulen investieren. Mangelverwaltung wird niemals zu einer wirklichen Selbstständigkeit von Schule führen.
Sie, meine Damen und Herren der Koalition, haben im Wahlkampf stets die Priorität von Bildung betont. Im Koalitionspapier sieht das inhaltlich eher bescheiden aus. Bezüglich der Bereitschaft, die im System befindlichen Mittel zu stabilisieren oder gar mehr Geld in die Hand zu nehmen - Fehlanzeige.
Erstens: Eine andere Pädagogik kann besser in einer anderen Schulstruktur gedeihen. Auch wir wollen das zu Bewahrende aus Gesamt- und Realschule in eine Sekundarschule - sie darf auch anders heißen - mit der von vornherein angestrebten Option, daraus eine Schule für alle wachsen zu lassen, zusammenführen. Unsere weiterführende Schule soll in integrierter Form geführt werden, weil Kinder von Kindern am besten lernen, weil die Durchlässigkeit nur so gewahrt wird, weil die Abschlüsse dann vom Bildungsgang entkoppelt werden können, weil es keine frühzeitigen Stigmatisierungen gibt, weil die Flexibilität, zum Beispiel die Möglichkeit, von einem Ort an den anderen umzuziehen, die wir von den Menschen in unserem Land einfordern, nur dann gewährleistet ist, wenn wir diese Schulen integrativ führen, und weil Lehrkräfte dann besser individuell fördern können und es auch müssen.
Zweitens: Lehrkräfte brauchen dringend Stützsysteme, Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen, Erzieher, um die schwierigen Aufgaben zu bewältigen. Wir wollen sie im Gesetz fester verankern. Das ist auch notwendig wegen des Ganztagsprogramms, wegen der verkürzten Abiturzeit, wegen der hohen Quote der Verweigerer und der Schüler ohne Abschluss. Ich erinnere hier an die EU-Forderungen, an die Auflagen. Verglichen mit den PISA-Siegerländern sind wir ein Entwicklungsland. Das darf nicht so bleiben.
Drittens: Mit unserem Gesetz sollen in Grundzentren und Ämtern Sekundarschulen auch dann bestehen bleiben können, wenn sie über einen absehbaren Zeitraum einzügig oder an unterschiedlichen Standorten geführt werden müssen. Ich möchte den Kollegen Schulze und die Kollegin Hartfelder aus dem Kreis Teltow-Fläming daran erinnern, dass sie hier vielleicht zustimmen oder Ähnliches in ihr Gesetz einbringen können; denn als Kreistagsabgeordnete haben sie eine entsprechende Petition an uns unterschrieben. Wir wissen und haben auch vor der Wahl nie anderes behauptet, dass auch mit dieser Lösung viele Standorte nicht gehalten werden können. Dennoch sollten wir versuchen, wenigstens einigen Schulen und damit Kindern eine Chance zu geben.
Viertens: Der Frequenzrichtwert zur Klassenbildung wird von uns gesetzlich verankert und ist damit nicht mehr dem Richtli
nienweg der Haushaltslage unterworfen. Wir wollen damit zum einen Standorte erhalten. Zum anderen kann es so am ehesten gelingen, Benachteiligungen auszugleichen, Begabungen zu fördern, Hochbegabte zu diagnostizieren, wohl wissend, Herr Senftleben, dass dies kein Automatismus ist. Schlechter Unterricht führt auch in kleinen Klassen zu schlechten Ergebnissen, guter kann in großen Klassen erfolgreich sein. Durch PISA gibt es auch hierzu belastbare Aussagen.
Fünftens: Die Schülerbeförderung ist elternbeitragsfrei zu gewährleisten, wie es in den meisten Bundesländern der Fall ist, wie es auch eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern und von Kreistagen gefordert hat. Unsere letzten Aufrechten sind noch die Kreistage der Kreise Barnim und OstprignitzRuppin.
Die Schülerfahrtkosten sind durch das Land und die Kreise zu finanzieren, weil es eine Schulpflicht gibt, weil es die Sicherheit gebietet, weil Schüler und Eltern nicht dafür zur Kasse gebeten werden dürfen, dass das Land nicht in der Lage ist, ein wohnortnahes Angebot vorzuhalten, und weil die derzeitige soziale Lage vieler Brandenburgerinnen und Brandenburger dies erfordert.
Auch hier geht es um die Wahrung von Chancengleichheit. Auf diese zielt unser gesamter Gesetzentwurf ab.
Erstaunlicherweise hat sich auch der von der CDU vorgeschlagene Bundespräsident nicht dem Mythos der Chancengerechtigkeit angeschlossen, sondern dem der Chancengleichheit. Ich zitiere:
„Chancengleichheit durch bestmögliche Bildung herzustellen ist der wichtigste Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit.“
Wir werben dafür, dass auch unser Gesetzentwurf in die zuständigen Ausschüsse überwiesen wird. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat einen eigenen Schulgesetzentwurf vorgelegt, in dem es um den gleichen Gegenstand geht wie in unserem Gesetzentwurf. Frau Große hat das in fünf Punkte unterteilt, ich fasse das in drei Punkten zusammen, die aus meiner Sicht die Schwerpunkte darstellen.
Erstens wollen auch Sie eine Sekundarschule, also die Zusammenführung von Realschule und Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe.
Zweitens geht es aus Ihrer Sicht darum, wohnortnahe Schulangebote zu erhalten, indem entweder die Klassenfrequenz auf 15 Schüler gesenkt werden kann oder einzügige weiterführende Schulen gestattet werden.
Drittens geht es um die kostenfreie Schülerbeförderung, wohlgemerkt: um die Kostenfreiheit für die Eltern.
Lassen Sie mich auf diese drei Punkte kurz eingehen. Im weiteren Beratungsverfahren haben wir ja noch Gelegenheit, uns damit auseinander zu setzen. Heute also nur so viel:
Zu Punkt 1: Zu dem Ziel, Sekundarschulen generell integrativ zu gestalten, habe ich schon vorhin bei meinen Ausführungen zu unserem Gesetzentwurf etwas gesagt. Das stimmt also insoweit mit unseren Intentionen überein, wobei ich aber noch einmal darauf hinweisen möchte, dass die Verantwortung dafür, wie Schule in Brandenburg vor Ort gestaltet wird, bei Eltern und Lehrern liegt. Wir werden sehen, inwieweit sie diesen Grundsatz begriffen haben, dass man Schüler besser fördern kann, wenn man sie gemeinsam unterrichtet. Das trifft für die schwächeren und für die stärkeren Schüler gleichermaßen zu. Das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun, sondern ist eine andere Form der Förderung.
Zu Punkt 2, einzügige weiterführende Schulen. Hierüber haben wir in diesem Hause schon sehr oft diskutiert. Ich lehne die Einzügigkeit auch heute ab, und zwar ganz einfach aus Qualitätsgründen. Das möchte ich nicht weiter ausführen, weil ich das in diesem Hause schon mehrfach getan habe.
Der Gedanke, die Klassenfrequenz auf 15 Schüler zu senken, hat auf den ersten Blick einen gewissen Charme, nach dem Motto: Kleine Klasse - gute Schule. Aber das ist ja nicht so. Ich widerspreche dem, wenn gesagt wird, dass kleine Klassen - Sie haben es selbst gesagt - einen besseren Unterricht bedeuten. Im Übrigen ist das auch im Hinblick auf die Erhaltung von Schulstandorten aus meiner Sicht eher kontraproduktiv; denn es würde Folgendes passieren: Schulen, die aufgrund der Schließung anderer Schulen höhere Schülerzahlen erreichen, die dann vertretbar sind, werden diese zusätzlichen Schüler nicht mehr bekommen. Dadurch wird es eine noch größere Zahl von Schulen geben, die wegen der Schülerzahlen ebenfalls ins Wanken geraten.
Ich meine, die Lehrerstunden, die benötigt würden, wenn landesweit Klassen mit 15 Schülern organisiert würden, was abgesehen vielleicht von den großen Städten generell der Fall wäre, sollten besser für die Förderung von Qualität eingesetzt werden, um eben gerade zu fördern und zu fordern. Dazu werden entsprechende Lehrerstunden benötigt und sollten deshalb besser für diesen Zweck eingesetzt werden als für die Bildung von kleinen Klassen.
Frau Siebke, im Landtag gibt es viele neue Kolleginnen und Kollegen. Sehen Sie sich in der Lage, für diese noch einmal zu begründen, warum Sie die Einzügigkeit ablehnen?
Ich will gern versuchen, das in kurzer Form zu tun. Einzügige weiterführende Schulen bedeuteten, dass das Kollegium an den betreffenden Schulen aus 3,5 bis 4 Lehrern bestünde. Unserer Meinung nach sind aber der Gedankenaustausch zwischen den Lehrern und die Entwicklung von Konzepten durch das Kollegium von besonderer Bedeutung. Wenn das Kollegium nur aus vier Lehrern bestünde, dann wäre das sehr schwierig. Die Schulen würden dann - um es umgangssprachlich auszudrücken - in ihrem eigenen Saft schmoren. Ein Teil der Lehrer an solchen Schulen wären die so genannten Wanderlehrer, die sich für diese Schulen nicht verantwortlich fühlten. Sie würden dort ihren Unterricht halten und dann einfach wieder gehen. Das hat aus meiner Sicht nichts mit Qualitätsentwicklung an Schulen zu tun. So weit dazu.
Lassen Sie mich jetzt mit meinen Ausführungen fortfahren. Ich habe gesagt, dass die Lehrerstunden besser für die Qualitätssicherung als für durchgängig kleine Klassen eingesetzt werden sollten. In diesem Zusammenhang möchte ich noch bemerken, dass es schon jetzt und in den nächsten Jahren in zunehmendem Maße außerhalb der größeren Städte an weiterführenden Schulen Klassenfrequenzen gibt bzw. geben wird, die bei knapp über 20 Schülern liegen. Bei solchen Klassenfrequenzen kann man einen ordentlichen Unterricht betreiben.
Damit komme ich zu Punkt 3, zu dem Thema der Kosten für die Schülerbeförderung. Auch ich habe damit meine Probleme. Wir haben das auch bei uns diskutiert. Es ist nicht familienfreundlich - abgesehen von der Schulpflicht, die ja auch noch dahinter steckt -, wenn die Eltern für den Schulweg ihrer Kinder bezahlen müssen. Besser wäre es, wenn es nicht so wäre. Dabei muss man aber feststellen, dass es regionale Unterschiede gibt, die auch Sie angesprochen haben. In der Regel ist die Belastung in den von Potsdam weiter entfernt liegenden Gebieten höher, als dies in Potsdam selbst oder um Potsdam herum der Fall ist.
Wir alle haben heute gehört - ich stehe dazu -, dass die finanziellen Mittel des Landes endlich sind. Wenn ich darüber nachdenke, wo das für Bildung vorgesehene Geld eingesetzt werden sollte, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass dies weiterhin die Kitas von Land und Kreisen sein sollten. Wir haben dazu auch eine Begründung gehört. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang die Durchsetzung des Schulressourcenkonzepts nennen, das wir in der letzten Legislaturperiode verabredet haben; denn dieses bildet die Grundlage dafür, dass Qualität in Schulen weiterhin umgesetzt werden kann. Ich stehe also dazu, dass eine kostenlose Schülerbeförderung wünschenswert wäre. Wenn das wegen anderer Schwerpunkte aber nicht machbar ist, dann vertrete ich das auch so. - Danke.
- Ja, ich lobe die PDS-Genossen dafür, dass sie sich hier auf eine Änderung des Schulgesetzes beschränken,
Aber die PDS macht die gleichen peinlichen Fehler wie die Experten im Bildungsministerium, wenn sie sich beispielsweise in ihrem Neuentwurf des § 143 a auf den § 22 bezieht, den sie eigentlich ersatzlos gestrichen hat. Man könnte hier, um einmal mit den Worten der PDS zu sprechen, von dümmlicher Hektik ausgehen.