Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem vorliegenden Antrag einige Anmerkungen machen.

Erstens: Die Förderung der Weiterbildung ist nach SGB II und III möglich, insbesondere die Förderung im Programm „50 Plus“.

Zweitens: Eine qualitativ hochwertige Weiterbildung und Qualifikation, zielgerichtet und am Bedarf orientiert, stellt überhaupt niemand infrage, aber bitte nicht um der Maßnahme willen! Dies wird bereits mit vielen Programmen, die wir hier im Lande haben, realisiert. Ich erinnere an die Programme „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“, „Förderung der Akademie 50 Plus“ oder „Aktiv für Arbeit“ und Maßnahmen wie Einstellungs- und Arbeitsentgeltzuschüsse. Auch die Notwendigkeit dieser Maßnahmen stellt niemand infrage.

Drittens: Es erfolgen regelmäßig Berichterstattungen im Ausschuss, an deren Befassung Sie, meine Damen und Herren von der DVU, sich selbstverständlich beteiligen können. Ich erinnere mich nicht, dass Sie Defizite in diesen Programmen schon im Ausschuss aufgezeigt hätten.

Viertens: Ich empfehle Ihnen das Studium der Kleinen Anfrage, Drucksache 4/1504, des Kollegen Klocksin, die sich ausführlich auch mit dieser Frage befasst. Daher kann ich mir die Einzelheiten sparen.

Fünftens: Sie sprechen von einem Programm „45 Plus“ und von Erziehungsurlaub und Erziehungszeiten. Ich erlaube mir, anzumerken, dass dies, jedenfalls nach meiner Erfahrung, nicht der elterlichen Realität entspricht. Vielleicht meinen Sie Berufsrückkehrerinnen. Aber auch darüber können wir uns gern einmal im Ausschuss unterhalten.

Sechstens: Sie sprechen von der Einführung der Teilnehmer in moderne Informations- und Kommunikationstechniken. Ich erinnere daran, dass unsere gemeinschaftliche Forderung in diesem Haus immer war, zielgerichtet und bedarfsgerecht zu qualifizieren.

Diese Initiative, meine sehr verehrten Damen und Herren von der DVU, ist, glaube ich, kein Beitrag zur Lösung unserer Probleme. Ich habe die Befürchtung, dass Sie nächstens vielleicht noch einen Antrag „35 Plus“ oder „25 Plus“ stellen. Ich meine, das wäre entbehrlich; auch der vorliegende Antrag ist überflüssig. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Otto.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Situation in diesem Haus ist wieder einmal so, dass man sich der Vorrednerin von der CDU-Fraktion inhaltlich anschließen kann.

(Zurufe von der DVU)

Ich möchte unabhängig davon einige Bemerkungen zum vorgelegten Programm machen.

Erstens: Die Qualifizierungsoffensive ist, glaube ich, eine Darstellung der DVU, wobei man meinen könnte, fehlende Qualifizierung führe zu Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist natürlich nicht der Fall; das Hauptproblem ist das Fehlen von Arbeitsplätzen. Deshalb muss vor einer Qualifizierungsoffensive eine Arbeitsplatzoffensive stehen. Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag prinzipiell ab.

Zweitens muss man deutlich machen: Es gibt eine ganze Reihe von Landesprogrammen, die die Qualifizierung älterer Arbeitsloser beinhalten. Sieht man sich dazu Statistiken an, stellt man fest: Die Langzeitarbeitslosigkeit sinkt nicht, sie wächst. Das heißt, wir sind wieder bei Punkt 1, bei den fehlenden Arbeitsplätzen.

(Allgemeine Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

Ein weiteres Problem: Was bringt uns letztlich eine nachhaltige Arbeitsplatzinitiative? - Sie kann uns eine ganze Menge bringen. Ich erinnere an unsere Initiativen zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Ich erinnere an unsere Initiativen zur finanziellen Ausstattung der Kommunen. Ich erinnere an unsere Initiativen zur Erhöhung der Grundsicherung, um die Binnennachfrage anzukurbeln. All das wären Elemente, die auch den älteren Arbeitnehmern Sicherheit geben könnten.

Wir brauchen drittens ein Programm zur Qualifizierung außerhalb des Zyklus Arbeit - Arbeitslosigkeit. Es sollte steuerfinanziert sein und jedem Bürger unseres Landes in seiner Lebensund Berufsplanung die Gelegenheit geben, Qualifizierung, so wie es im öffentlichen Dienst zum Teil praktiziert wird, auch in der freien Wirtschaft zu absolvieren, um den Umschwung in der Arbeit zu gewährleisten.

Viertens: Der technologische Fortschritt bezieht sich nicht nur auf Informations- und Kommunikationstechnik, er wird zunehmend in einer größeren Breite stattfinden. Das heißt, die Qualifizierungsinitiative müsste wesentlich breiter angelegt werden. Dem wird das vorgelegte Papier nicht gerecht, und es berücksichtigt vor allem nicht diejenigen, die ihre Lebensplanung mit einer geringen Qualifizierung realisieren müssen.

Deshalb wiederhole ich unseren prinzipiellen Standpunkt: Wir lehnen diesen Antrag ab. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von der SPD: Wieder Buerlecithin für alle!)

Die Landesregierung verzichtet auf einen Beitrag. Deshalb erhält der Abgeordnete Schuldt von der Fraktion der DVU noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Otto, wir sprechen von Fachkräftemangel in der mittelfristigen Zukunft. Vielleicht haben Sie das noch nicht richtig mitbekommen.

Deutschland, meine Damen und Herren, fällt wirtschaftlich immer weiter zurück. Doch muss das so sein? - Wir als DVUFraktion sagen dazu klipp und klar: Nein!

Doch welche Gründe haben dazu geführt, dass Deutschland heute wirtschaftlich „der kranke Mann Europas“ ist? So war es wörtlich in ausländischen Medien zu lesen. Es sind neben der Unfähigkeit der bisherigen rot-grünen Regierung in Berlin ebenso wie der rot-schwarzen in Brandenburg die über Deutschland wie im Übrigen auch über unsere Nachbarländer hereingebrochenen Folgen der Globalisierung, die man, wenn sie schon nicht aufzuhalten sind, doch wenigstens - so wie die Franzosen - erträglicher gestalten oder - wie die Iren - sogar ins Positive umkehren könnte, indem man deutsche Steuergelder für wirtschafts- und finanzpolitische Aufgaben in Deutschland verwendet, statt sie in alle Welt hinaus zu verschleudern.

(Beifall bei der DVU)

Was halten Sie eigentlich von einer aktiven Förderpolitik unter Ausnutzung aller EU-Fördertöpfe, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank? Das einzig wichtige, ja wichtigste

Kapital, das in Deutschland, einstmals das Land der Dichter und Denker, immer an vorderster Stelle vorhanden war, war in unserem rohstoffarmen Land das Humankapital, also das Wissen und Können unserer Wissenschaftler, Techniker, Ingenieure, Ökonomen usw., welches Deutschland wirtschaftlich einst zur Weltspitze führte. Denken Sie bitte daran, dass aus Deutschland die meisten Nobelpreisträger hervorgegangen sind.

Heute dagegen haben wir es einerseits mit einer demografischen Katastrophe zu tun,

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

welche in Brandenburg inzwischen zur Verödung ganzer Landstriche geführt hat, und zum anderen mit einer bildungspolitischen Katastrophe, welche sich direkt auf die Wirtschaft auswirkt.

(Bischoff [SPD]: Das Dritte Reich war eine Katastrophe!)

- Reden Sie doch nicht so dusselig dazwischen, wenn Sie es einfach nicht verstehen, was ich hier sage.

(Bischoff [SPD]: Ich weiß, das Dritte Reich war die Kata- strophe!)

- Ach, das wissen Sie? Die Hauptsache ist, Sie wissen, was das Dritte Reich war! Aber die heutige Situation kennen Sie nicht, sonst wäre die komische Politik, die Sie machen, von Ihnen sicherlich auch anders zu sehen.

(Beifall bei der DVU - Bischoff [SPD]: Sie von der NPD wissen das sicherlich auch!)

Meine Damen und Herren, doch woher sollen die ausgebildeten Fachkräfte, die wir bereits in wenigen Jahren brauchen werden, kommen, wenn nicht aus unseren eigenen Bildungsschmieden und Bildungsprogrammen? Und da es aufgrund der demografischen Situation gerade hier in Brandenburg

(Bischoff [SPD]: Unerträglich!)

einfach nicht mehr genügend Leute gibt, die die Fachkräftelücke in Zukunft schließen, müssen wir zwingend auf die geburtenstarken Jahrgänge der heute 45-Jährigen und Älteren zurückgreifen.

Doch nicht zuletzt auch aufgrund des drohenden Zusammenbruchs unseres Rentenversicherungssystems kann es nicht angehen, dass die Frührentner immer jünger werden und dass Langzeitarbeitslose zunehmend in die Rente abgeschoben werden. Daher ist es auch aus diesen Gründen besser, das Wissen und Können der über 45-Jährigen nutzbringend für die Volkswirtschaft einzusetzen und diesen Menschen darüber hinaus eine berufliche Perspektive für die Zukunft zu bieten.

Auf privatwirtschaftlicher Ebene gibt es hier in Brandenburg diesbezüglich bereits hoffnungsvolle Ansätze, Herr Bischoff.

(Bischoff [SPD]: Nennen Sie mich nicht beim Namen!)

Ich meine insbesondere das Projekt „Hoffnung Alter“, das in den Regionen Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Barnim und Uckermark umgesetzt werden soll. Es beinhaltet ein ganzes

Maßnahmenbündel, mit dem ältere Arbeitnehmer weitergebildet und in die moderne Berufswelt integriert werden sollen. Zehn Unternehmen, meine Damen und Herren, sind bereits heute in das Projekt einbezogen. Das größte davon ist das Seniorenzentrum „Mata Pita“.

Die von uns geforderte „Qualifikationsoffensive 45 Plus“ zielt darauf ab, im Hinblick auf den zu erwartenden Fachkräftemangel spätestens im Jahre 2010 das Wissenspotenzial und die Erfahrung der über 45-Jährigen zu nutzen. Wenn Sie es, meine Damen und Herren, daher mit den Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer vor einem Fachkräftemangel stehenden Wirtschaft ernst meinen, stimmen Sie unserem Antrag hier heute zu! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich beende die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/1920 „Bundesratsinitiative für eine Qualifikationsoffensive 45 Plus“, an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer diesem Überweisungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/1920 der DVU, „Bundesratsinitiative für eine Qualifikationsoffensive 45 Plus“; es geht um die direkte Abstimmung über den Antrag. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 17:

Bundesratsinitiative zur Erleichterung von GmbHGründungen

Antrag der Fraktion der DVU