Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1921

Ich eröffne die Aussprache. Wir kommen zum Beitrag der beantragenden Fraktion. Bitte, Frau Abgeordnete Hesselbarth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland darf nicht schon wieder Schlusslicht in der EU sein. Doch derzeit ist es so, wenn man sich die Kosten und den Bürokratismus bei der Gründung einer deutschen Kapitalgesellschaft im Verhältnis zu allen vergleichbaren Kapitalgesellschaften unserer EUNachbarn ansieht. Dies gilt insbesondere für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, auch GmbH genannt.

(Glocke des Präsidenten)

Dabei ist die GmbH die Rechtsform, durch die in Deutschland unternehmerisches Handeln am häufigsten ausgeübt wird. Es existieren über 800 000 Gesellschaften, die als GmbH organisiert sind.

Die Beliebtheit der GmbH ist unter anderem auf ihre Flexibilität bei der Satzungsgestaltung zurückzuführen und auch auf den Umstand, dass bei der GmbH im Allgemeinen kein Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter stattfindet und so das Privatvermögen vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt werden kann.

Im Zeichen lahmender Binnenkonjunktur und einer weit verbreiteten Geiz-ist-geil-Mentalität erscheint nun auch zunehmend der Preis für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen im Rahmen des GmbH-Gesetzes zu hoch zu sein, gibt es doch insbesondere nach den drei wegweisenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zur Frage der Anerkennung ausländischer Gesellschaften, nämlich den Urteilen im Falle Centros, Überseering und Inspire Art, die Möglichkeit, rechtssicher auf eine wesentlich kostengünstigere Form der Kapitalgesellschaft nach dem Recht anderer EUStaaten zurückzugreifen.

Als beliebteste Form hat sich hierbei die Konstituierung einer Limited nach dem Recht des Vereinigten Königreichs in Großbritannien in dessen Hoheitsgebiet und die Gründung einer Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland erwiesen, wobei die Gesellschaft lediglich in Deutschland wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet.

Nach dem letzten Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Falle Inspire Art Ende 2004 ist nun der Damm endgültig gebrochen. Auf der Basis des Companies House in Cardiff, das dem deutschen Handelsregister vergleichbar ist, wurde eine Zahl von ca. 10 000 britischen Limiteds genannt, die ihren Verwaltungssitz bereits im Jahr 2004 in Deutschland hatten.

Das „Handelsblatt“ ging in seiner Ausgabe vom Februar dieses Jahres sogar von mittlerweile 12 000 bis 15 000 Schein-Auslandsgesellschaften in Deutschland aus. Rechnet man zu dieser Zahl dann noch mehrere tausend Schein-Auslandsgesellschaften französischen oder niederländischen Ursprungs - um nur zwei verbreitete Formen zu nennen - dazu, so kommt man inzwischen leicht auf heute bereits 30 000 bis 40 000 in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts.

Im Wettbewerb der Rechtsordnung innerhalb der EU droht die Bundesrepublik Deutschland daher auch hier aufgrund des Haupthindernisses zur Gründung von Kapitalgesellschaften in Deutschland gegenüber allen anderen EU-Staaten erheblich zurückzufallen. Ich meine die hohen Stammkapitalanforderungen von mindestens 25 000 Euro bei den GmbHs. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Kritikpunkte am derzeit geltenden, völlig veralteten GmbH-Gesetz, auf die ich im zweiten Teil meiner Rede noch zu sprechen komme.

Doch in erster Linie muss die bisher geltende Haftkapitalkonzeption bei GmbH-Gründungen weg und das Mindeststammkapital muss in Anlehnung an die Gründung einer britischen Limited mit einem britischen Pfund auf einen Euro festgesetzt werden.

(Schulze [SPD]: Aber die Limited funktioniert anders!)

Wenn Ihnen also der Wirtschaftsstandort Deutschland und vor allem der hier in Brandenburg wichtig ist, dann, bitte ich, stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der DVU)

Für die Fraktionen der SPD und der CDU spricht der Abgeordnete Müller. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Richtig ist: Das GmbH-Gesetz muss überarbeitet werden. Falsch ist allerdings, dass der Bundesrat sich damit noch nicht beschäftigt hätte, denn er hat das auf seiner 814. Sitzung am 12. August 2005 getan. Da wurde über einen Antrag der Bundesregierung zum gleichen Thema beraten, der dann jedoch nicht beschlossen worden ist. Allerdings wird aus dem dortigen Verhalten schon deutlich, welche Spielräume es gibt, welche Probleme es gibt und worin der Handlungsbedarf eigentlich besteht. Er besteht eben genau nicht in dem Thema, das Sie hier ansprechen.

Denn die Frage ist: Was muss eigentlich am GmbH-Gesetz geändert werden, wo sind die Probleme, wo ist der Handlungsbedarf? Dieser liegt sicherlich auch bei der Frage, wie hoch das Stammkapital sein soll - das ist ein Punkt, der mit geklärt werden muss -, er liegt aber vor allen Dingen in den Fragen: Welche Bürokratie muss man in das Gesetz aufnehmen, welche Gründungsbürokratie? Wie schnell soll das Ganze funktionieren? Aber auch: Welche Bürokratie im laufenden Betrieb einer GmbH ist sinnvoll, notwendig oder aber durchaus ein Wettbewerbsnachteil?

Weil diese Fragen aber komplex betrachtet werden müssen, ist derzeit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat, in beiden Bereichen, die Diskussion im Gange - der Bundestag hat eine Anhörung dazu beschlossen, die allerdings erst nach der Wahl stattfinden kann -, in der genau das miteinander besprochen wird. Insofern sind die Dinge auf dem Weg. Eine Bundesratsinitiative vonseiten des Landes Brandenburg würde überhaupt nichts positiv bewirken und ist deshalb eine Angelegenheit, die zwar Leute beschäftigt, aber nicht wirklich Probleme löst.

Im Übrigen ist bei all den Diskussionen, die es bisher gegeben hat, eines deutlich geworden: Ihr 1-Euro-Modell ist nicht das, was sonst noch irgendjemand will. Man muss eines natürlich wissen: Die GmbH bringt durchaus auch positive Effekte ein, zum Beispiel den Gläubigerschutz. Das ist ein wichtiges Thema und das muss man dabei mit abwägen. Man würde unter Umständen also auch sehr viel Unheil anrichten.

Ich meine, es gibt keinen Grund, unsere Regierung aufzufordern, eine Bundesratsinitiative einzuleiten. Insofern ist Ihr Antrag abzulehnen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Schrey [CDU])

Für die Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Christoffers. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der DVU nimmt ein Thema auf, welches auch Thema eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung war, nämlich eine Absenkung der Kapitalhöhe für GmbHs auf 10 000 Euro. Der Bundesrat hat am 23.09.2005 dazu eine Entscheidung getroffen, er hat den Gesetzentwurf abgelehnt. Ich glaube, dass die Begründung für die Ablehnung vollinhaltlich tragbar ist, zumindest für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Eine weitere Absenkung des Stammkapitals bringt keine Rechtssicherheit. Sie birgt die Gefahr der Überschuldung, löst nicht das Problem des unpraktikablen Eigenkapitalersatzrechts, vollzieht nicht die notwendige Reform des GmbH-Rechts, sondern nimmt ein Einzelproblem heraus und wird keine Lösung für eine Gründungsinitiative bringen.

Insofern ist der Antrag der DVU aus unserer Sicht abzulehnen. Wir sind in der Erwartung, dass auch im Land Brandenburg zur Reform des GmbH-Rechts ein eigenständiger Vorschlag aus dem Parlament selbst erstellt wird. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Deshalb erhält Frau Hesselbarth von der Fraktion der DVU noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin froh - und ich denke, wir sind hier schon ein ganz schönes Stück weitergekommen -, dass auf diesen Antrag nicht die „Ganz Große Koalition“ geantwortet hat, sondern dass sich wirklich die Fachbereiche mit der Thematik befasst haben. Trotzdem ist es so: Das GmbH-Recht ist seit 1980 keiner größeren Revision unterzogen worden. Weder wurden die Möglichkeiten der rasanten Entwicklung der modernen Telekommunikation und der elektronischen Datenverarbeitung in das GmbH-Gesetz integriert, noch wurde der Entwicklung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Union und der weltwirtschaftlichen Verflechtung im Zuge der Globalisierung in irgendeiner Weise Rechnung getragen.

Hauptkritikpunkte am GmbH-Gesetz, Herr Müller, sind:

Formalismus beim Gründungsakt. Die Errichtung der GmbH bedarf einer notariellen Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister. Bei der britischen Limited entfällt die notarielle Beurkundung.

Formalismus bei der Übertragung von Gesellschafteranteilen. Die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH gilt als zeitaufwendig und umständlich. Die Veräußerung und Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH bedarf ebenfalls der notariellen Beurkundung. Auch dies entfällt bei der britischen Limited.

Zeitdauer bei der Errichtung. Korrespondierend mit dem Erfordernis der notariellen Beurkundung des Gesellschaftervertrags und den hohen formalen Anforderungen ist der hohe Zeitbedarf zur Errichtung einer GmbH, welcher oftmals bis zu einem halben Jahr und mehr in Anspruch nimmt. Demgegenüber kann eine britische Limited binnen 24 Stunden errichtet werden.

Als Folge der notariellen Beurkundung sind auch deutlich höhere Gründungskosten zu benennen. Diese betragen als absolute Untergrenze nach Kostenordnung 480 Euro an Notarkosten, wozu weitere mindestens 100 Euro für die Handelsregistereintragung und weitere ca. 100 Euro für die Veröffentlichung der Eintragung im Bundesanzeiger kommen. Demgegenüber beträgt die Summe für die Eintragung einer Limited 20 britische Pfund.

Schließlich das im ersten Teil meiner Rede bereits ausführlich behandelte Mindeststammkapital von 25 000 Euro. Demgegen

über kann eine britische Limited mit einem Haftungskapital von einem britischen Pfund gegründet werden.

Was würde es also bedeuten, meine Damen und Herren, wenn man das GmbH-Gesetz in seiner heutigen Form gerade nach den jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs wie bisher beließe? - Ich will es Ihnen sagen:

Es würde nach einigen Jahren in Deutschland keine oder kaum mehr eine GmbH nach deutschem Recht existieren, dagegen jedoch eine Vielzahl unterschiedlichster EU-Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichsten EU-Rechtskreisen. Da diese jedoch alle ihren Scheinhauptsitz in anderen EU-Ländern hätten, könnten Sie sich die steuerlichen, die verbraucherschutzrechtlichen Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland schon bei etwas Nachdenken, meine Damen und Herren der anderen hier vertretenen Fraktionen, hoffentlich vorstellen. Weitere Milliarden an Steuerausfällen und eine völlige Durchlöcherung des in Deutschland geltenden Verbraucherschutzes wären die Folge.

Zur Diskussion im Bundesrat: Hierbei soll das Mindeststammkapital einer GmbH von derzeit 25 000 Euro auf 10 000 Euro abgesenkt werden. Wir als DVU-Fraktion dagegen sagen, dass das nicht weit genug geht. Das gesamte GmbH-Gesetz bedarf einer gründlichen Komplettrevision im Hinblick auf europäische Mindeststandards und das Stammkapital muss auf einen Euro reduziert werden.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, also diese Ungleichheit, die sich für deutsche GmbHs gerade im Mittelstand und gerade in Brandenburg zunehmend geschäftsschädigend auswirkt, beseitigen wollen, fordere ich Sie noch einmal auf, unserem Antrag auf eine Bundesratsinitiative zuzustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich beende damit die Aussprache, da die Landesregierung auf ihr Rederecht verzichtet hat.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in Drucksache 4/1921, Bundesratsinitiative zur Erleichterung von GmbH-Gründungen, an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag auf Überweisung mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der DVU in Drucksache 4/1921 in der Sache. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 17 und rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Verhinderung des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1922

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Schuldt.