Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Rechtsberatung oder Verkaufsgespräche? - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der am 14. April 2005 vom Bundesjustizministerium vorgelegte Referentenentwurf eines neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes enthält eine ganze Reihe von Qualitätsmängeln bei der Gesetzgebungstechnik. Die vorgegebenen Gesetzesmotive des Verbraucherschutzes führten tatsächlich zu einer Bloßstellung der Verbraucher. Das so genannte RDG enthält ein kaum absehbares Gefährdungspotenzial für die Rechtspflege.

Gesetzestechnisch operiert der Entwurf vorwiegend mit Generalklauseln, wodurch erhebliche Rechtsdienstleistungen von sonstigen, nicht als rechtliche Dienstleistungen einzustufenden Beratungsleistungen nicht erkennbar abgegrenzt werden. Bereits die Generalklausel, die den Anwendungsbereich des RDG sachlich umreißen soll, lässt nicht erkennen, was eine einfache Beratungsleistung sein soll, die ohne jede rechtliche Prüfung auskommt, und welche nennenswerte juristische Kenntnisse erfordert. Bereits bei der Grundnorm zeigen sich erhebliche Anwendungsschwierigkeiten.

Das Gesetz ist mit ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln gespickt, mit denen sich erst die Gerichte in einer Fülle von Einzelfragen auseinander setzen werden müssen, bis ein Minimum an Verbraucherschutz erreicht ist. Bis dahin aber hängt der Verbraucher in der Luft. Umso unverständlicher ist, dass ein konkreter Katalog einfach einzustufender Beratungsleistungen derzeit nicht einmal angedacht ist. Nur so könnte der Verbraucher erkennen, wann eine Schwelle zwischen einfacher und vertiefter rechtlicher Beratung überschritten ist. Damit wird meines Erachtens sowohl der einzelne Nichtjurist als Berater, darüber hinaus aber auch der Verbraucher überfordert sein.

Die Begründung zu dem Referentenentwurf des BMJ, nämlich die Verbesserung des Verbraucherschutzes, ist daher mehr als gewagt, vor allen Dingen deshalb, weil der vorliegende Novellierungsvorschlag ein System, das ein klares und effektives Korrektiv von Beratungsfehlleistungen gewährleistet, gänzlich vermissen lässt. Verbraucherschutz erfordert aber gerade im Bereich fachlich fundierter Beratung eine nach der Qualität der zu erbringenden Dienstleistungen abzuschichtende berufliche Qualifikation des Beraters, hinreichende Transparenz der Dienstleistungen und eine ausreichende Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur sowie zur Inanspruchnahme des Dienstleisters im Schadensfall. Bei der Machart des vorliegenden Novellierungsvorschlages bleibt der Verbraucher auf nicht absehbaren und womöglich existenzgefährdenden Fehlberatungsfolgen sitzen.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz eröffnet Beratungsmöglichkeiten, die das wesentliche Kriterium des anwaltlichen oder steuerberatenden Rats von vornherein nicht erfüllen können, nämlich die Unabhängigkeit der Beratungsleistungen. Zu dem Mangel an nachvollziehbaren Definitionen, was denn eigentlich eine Nebenberatungsleistung oder eine Erfüllungsgehilfenberatung oder eine vermeintliche einfache Beratungsleistung sein soll, kommt hinzu, dass bei diesen Leistungen sämtliche Dienstleister nicht nur wirtschaftliche und juristische Beratung verbinden, sondern auch die inhaltlich separaten Beratungsleistungen vermischen werden.

Angesichts der harten Konkurrenz auf dem Beratungsmarkt ist es schwer vorstellbar, dass zum Beispiel ein hauptberuflich wirtschaftlich operierender und kalkulierender Banker sein ökonomisches Interesse hinter das juristische Interesse zurücktreten lässt und letztlich im Interesse des Verbrauchers seine eigenen Verkaufschancen beschneidet. Das Gesetz stellt somit geradezu eine Einladung zur Legalisierung unvermeidbarer Interessenkonflikte zulasten des Verbrauchers dar und dies auch noch ohne jede Absicherung durch Haftpflichtversicherung oder Standesrecht. - Ich bedanke mich zunächst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht für die Koalitionsfraktionen an den Abgeordneten Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU kämpft also für das Rechtsberatungsgesetz und begründet dies mit dem Verbraucherschutz. Als das Gesetz 1935 in Kraft getreten ist, ging es nicht um Verbraucherschutz. Damals hatten die Nazis jüdischen Rechtsanwälten gerade die Zulassung entzogen und man wollte verhindern, dass diese qualifizierten Juristen sich nun im außergerichtlichen Bereich zumindest ein Zubrot verdienen konnten. Deshalb wurde dieses Gesetz geschaffen. Es wurde dann nach dem Kriege, natürlich bereinigt um nazistische Wortwahl, in Westdeutschland relativ unkritisch fortgeführt. Allein das wäre meines Erachtens Grund genug, dieses Gesetz heute aufzuheben und durch ein völlig neues, modernes Gesetz zu ersetzen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Verbraucherschutz ist sicherlich das Ziel der Novelle, die im Augenblick diskutiert wird. Wir brauchen uns im Einzelnen nicht damit auseinander zu setzen, denn wir wissen, dass das, was das Justizministerium in der vergangenen Legislaturperiode geplant hat, in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages nicht unbedingt weiter gelten wird. Bekanntlich kämpft unsere Partei derzeit dafür, dass es Kontinuität an der Spitze der Bundesregierung gibt. Ob das auch beim Justizministerium so sein wird, wissen wir nicht; ebenso wissen wir nicht, was der neue Deutsche Bundestag zur Rechtsdienstleistung sagen wird.

Eines aber wissen wir: Dieses Gesetz muss - das sage ich ganz bewusst auch als Rechtsanwalt - reformiert und an moderne Zeiten angepasst werden, ohne dadurch den Verbraucherschutz und die Qualität der Rechtsberatung insgesamt infrage zu stellen. Ich bin sicher, dass dies dem neuen Deutschen Bundestag gelingen wird. Wir brauchen dazu keinen Antrag der DVU; allerdings brauchen wir durchaus ein neues Gesetz. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der DVU ist von dem großen Bemühen der Öffentlichkeit und uns hier im Parlament weismachen zu wollen, dass es der DVU um die Rettung des Rechtsstaates gehe, gekennzeichnet. Ich habe meine Zweifel und ich habe eine Anregung, nachdem ich auch in der neuen Wahlperiode bereits zu einigen rechtspolitischen Initiativen der DVU Stellung genommen habe.

Es ist eigentlich Zeit für eine Bundesratsinitiative der drei demokratischen Fraktionen des Hauses, die die Errichtung einer Bundesprüfstelle für den rechtlichen Unfug von DVU-Bundesratsinitiativen vorsieht, mit deren Hilfe bereits die Einbringung solcher parlamentarischer Beratungsmaterialien unterbunden werden sollte.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Dies allein bedeutet zwar noch nicht die Rettung des Rechtsstaates vor rechtsextremer Dummheit, aber schützt die parlamentarische Kultur.

Der zu debattierende Antrag der DVU strotzt nämlich vor juristischen Plattheiten, die fast schon wieder unfreiwillig komisch wirken. Die größte Plattheit finden Sie gleich im Antragstext. Sie wollen eine Bundesratsinitiative zur Verhinderung eines Referentenentwurfs zu einem möglicherweise zu verabschiedenden Gesetz, der durch die Bundestagswahl bereits der Diskontinuität unterfällt, wobei noch nicht geklärt ist, wer überhaupt Bundesjustizminister wird.

Eine Bundesratsinitiative meint begrifflich eine Initiative zur Gesetzgebung; das ist eine Funktion des Bundesrates. Die von der DVU angeregte Initiative zur Nichtgesetzgebung ist so sinnvoll wie eine Einladung zum Nichtessen oder eine Einladung zum Nichttanzen.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Ich bin mir sicher, dass der Bundesrat ohne Initiativen dieser Art herausfinden wird, wie er sich zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes verhalten muss; wenn es denn überhaupt einen Gesetzentwurf mit Bundestagsdrucksachennummer hierzu geben wird.

„Die Gedanken sind frei“, heißt es in einem Lied. Wer - wie die DVU - bereits Referentenentwürfe in dieser Form abwürgen will, beweist nur, dass er, wenn er könnte, wie er wollte, auch das noch ändern würde. Volkstümlicher gesprochen: Dieser Antrag ist Unsinn.

In der Begründung zum Antrag steht: Ein verbraucherschützendes Gesetz verfehle seine Wirkung, wenn es der juristische Laie ohne Rechtsberatung nicht sofort versteht. - Sie von der DVU müssen den Landtag für eine Versammlung von Kleinkindern halten. Ein Gesetz - auch ein verbraucherschützendes Gesetz - kann nicht daran gemessen werden, ob es der Verbraucher für gute Literatur hält. Dies ist aus kommunikativer Sicht zwar schade, liegt aber im Wesen einer ausgeprägten Rechtsetzungstechnik. Man nennt das auch die geschichtliche Ablösung

der kasuistischen Rechtsetzung durch das Prinzip abstrakt genereller Normen. Das klingt komplizierter, als es ist.

Ein Gesetz, das auf großes Laienverständnis setzt, ist deswegen einfacher, weil es Generalklauseln meidet. Diese findet die DVU so furchtbar und will stattdessen Einzelfälle aufzählen ähnlich der Gesetzesstele von König Hammurabi aus Mesopotamien. So bleibt dem juristischen Laien zwar ein schwieriger Subsumtionsprozess erspart, jedoch ist ein solches Gesetz träge, unflexibel und immer unvollständig, weil das Leben vielschichtiger ist als eine Aufzählung vorstellbarer Einzelfälle. Deshalb sind Generalklauseln wie die „Verkehrsanschauung“, die „Erheblichkeit einer Rechtsdienstleistung“ oder „Verkehrskreise“ kein Teufelszeug. Vor uns liegt ein Antrag, der kaum Sinn macht und von einer Fraktion kommt, von der wir nicht annehmen können, dass sie sich ernsthaft um den Rechtsstaat sorgt. - Die Fraktion der Linkspartei.PDS lehnt den Antrag ab.

Die Landesregierung hat auf einen Beitrag verzichtet. Das Wort geht noch einmal an den Abgeordneten Schuldt von der DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sarrach, wer eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufbauen will, sollte es unterlassen, von sich als Demokraten zu reden.

(Beifall bei der DVU)

Zu Ihnen, Herr Holzschuher: Kommen Sie doch endlich einmal von den Überschriften der „Bild“-Zeitung weg, die wahrscheinlich ohne die NS-Zeit nicht lebensfähig wäre; wir sind in der Gegenwart angekommen. Hallo!

(Beifall bei der DVU)

Auf dieser Ebene ist es natürlich schwer, eine echte sachliche Auseinandersetzung zu führen und Missständen vorzubeugen. Ich möchte dringend betonen, dass es uns nicht um eine Klientelpolitik der einschlägigen verkammerten Berufe geht. Wir wollen den anwaltlichen Beruf nicht privilegieren, weil er den Anwälten Honorarforderungen bringt. Dies wäre eine offensichtliche und kaum schützenswerte Klientelpolitik.

Der unabhängige Rechtsrat, Herr Holzschuher, ist deshalb zu privilegieren, weil er verbraucherfreundlich ist und zwar gerade wegen der berufsrechtlichen Unabhängigkeit. Das Schicksal eines nichtanwaltlichen Hauptgeschäftes bleibt für die Rechtsanwälte im Wesentlichen unbeachtet, da auch bei einem negativen Verlauf oder bei einem Abraten von rechtlichen Schritten oder bei deren Unterlassung die Honoraransprüche begründet werden.

Entscheidend ist, dass die Unabhängigkeit rechtlicher Annexberatung bei der Fokussierung auf einen wirtschaftlichen Hauptzweck rechtlich schwer vorstellbar und in der Praxis lebensfremd ist. Das heutige Rechtsberatungsgesetz enthält klare, trennbare Regelungen, was Gegenstand entgeltlicher und unentgeltlicher Rechtsberatung sein kann und muss. Das dient in erster Linie nicht den Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, sondern dem Verbraucherschutz. Deshalb führt der absichtliche Verzicht auf trennscharfe Regelungen zu keiner Vereinfachung oder gar Verbesserung gegenüber dem Gesetzesbzw. Rechtsansprechungsniveau, sondern in der Konsequenz zu einer Flut von Schadensersatz- und Gewährleistungsfällen, an denen die Rechtsanwälte eher noch verdienen werden.

Die vom Gesetzgeber angestrebte Herauslösung so genannter einfacher Beratung aus der Privilegierung des Rechtsberatungsgesetzes führt jedoch nicht nur zu einer Verbindung von Hauptdienstleistungen und rechtlichen Beratungsleistungen, sondern zu deren Vermischung. Durch die rechtstechnischen Mängel des Gesetzes und das Fehlen von verbraucherschützenden Instrumentarien insgesamt wird die Qualität juristischer Beratungsleistungen unweigerlich vermindert. Die Rechtsberatung wird damit zu einem austauschbaren Handelsgut. Das ist der Komplexität und der Schadensneigung der Materie wahrlich nicht angemessen. Vor allem spricht es dem Verbraucherschutz Hohn und wird unseren Rechtsfrieden jederzeit gefährden.

Der rechtsuchende Bürger wird letztlich genauso in Unsicherheit gelassen wie der Berater, aber ihm wird zusätzlich noch das Risiko aufgebürdet, auf die Folgen fehlerhaften Handelns sitzen zu bleiben. Ich denke, wenn Sie, meine Damen und Herren, noch einmal in sich gehen und noch einmal nachdenken, werden Sie dem Ansinnen unseres Antrags zustimmen können. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich beende die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in Drucksache 4/1922 an den Rechtsausschuss. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag ablehnt.

Bevor ich die Sitzung schließe, möchte ich darauf hinweisen, dass im Anschluss an die Plenarsitzung der Parlamentarische Abend der Waldbesitzer stattfindet. Sie sind dazu herzlich eingeladen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe die Sitzung.

Ende der Sitzung: 18.08 Uhr