Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Beifall bei der DVU)

Es ist so schön, dass man glatt vergessen könnte, dass dank Hartz IV die Kinderarmut auch in Brandenburg beträchtlich zugenommen hat, und man vergisst leicht, dass die Bundesagentur für Arbeit auf immer größeren Zuspruch stößt, wenn sie Brandenburger für hoch qualifizierte Arbeitsplätze in anderen europäischen Ländern abwirbt. Schon gar nicht denkt man daran, dass dieser wunderschöne Bericht nur Spaß ist, weil unser schönes Brandenburg dank 15 Jahren sozialdemokratischer Herrschaft schlicht pleite ist. Jede einzelne familienfreundliche Maßnahme dieser Landesregierung steht unter Haushaltsvorbehalt. Wenn kein Geld mehr vorhanden ist, wird die Maßnahme eingestellt wie schon so viele andere vor ihr.

Deswegen verweigert sich auch diese Regierung, verweigert sich die Koalitionsmehrheit in diesem Haus dem von meiner Fraktion geforderten Familienförderungsgesetz. Ein solches Gesetz würde nämlich die Regierung zwingen, familienfreundlich zu handeln. Dann wäre es damit vorbei, nach Gutsherrenart gelegentlich Wohltaten zu verteilen, mit Vorliebe kurz vor den nächsten Wahlen. Aber ich kann ja verstehen, dass Sie kein Familienförderungsgesetz wollen, werte Kollegen der Koalitionsparteien. Denn Sie wissen schließlich ganz genau, dass Brandenburg pleite ist und dass Ihr Gerede von Familien- und Kinderfreundlichkeit wirklich nur Gerede ist.

Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, wir haben Ihren schönen Bericht mit Freude zur Kenntnis genommen. Doch wann werden Sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Ihre großspurig angekündigten Maßnahmenpakete auch umgesetzt und vor allen Dingen finanziert werden können?

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Schulz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur eine Anmerkung zu meiner Vorrednerin: Mit einer solchen Haltung, wie Sie sie gerade an den Tag gelegt haben, kann man überhaupt keine Familienpolitik gestalten. Das muss man so klar sagen. Wenn Sie meinen, wir hätten ein Spaßpapier vorgelegt, muss ich Ihnen entgegnen: So laut kann ich gar nicht lachen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Bedeutung der Familien für die Gesellschaft ist von meinen Vorrednern schon eine Menge gesagt worden. In einem Punkt sind wir uns alle, glaube ich, in diesem Hause einig; denn eine wirtschaftlich und sozial starke Gesellschaft braucht starke Familien und starke Kinder. Von daher begrüße ich die Vorlage

eines Programms für ein familien- und kinderfreundliches Brandenburg. Es hat in der Tat einer langen Vorbereitungszeit bedurft. Umso mehr müssen alle Anstrengungen unternommen werden, dass dieses Programm Realität wird.

Die Situation der Familien in Brandenburg wird im vorliegenden Papier und wurde von meinen Vorrednerinnen bereits ausführlich beschrieben, insbesondere die Situation im Kontext der demografischen Entwicklung. Fakt ist doch, es werden zu wenig Kinder geboren. Fakt ist auch, dass sich Kinderlosigkeit und Kinderarmut in allen Bereichen sichtbar auswirken. Es beginnt bei den ungenutzten Kindergärten und den leeren Schulen und endet bei der Vereinsamung im Alter. Fakt ist auch: Wir sind zunehmend ein familien- und kinderunfreundliches Land. Umso mehr freut es mich - ich kann fast von unverhohlener Freude sprechen -, dass das Thema Familie zunehmend Schwerpunktthema wird. Dass sich die Landesregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auf einen ressortübergreifenden Zielekatalog verständigt hat, ist von daher ausdrücklich positiv zu bewerten. Leider wird dies im Text des Programms nicht konsequent durchgehalten. In der Einleitung heißt es:

„Sie wollen durch eine enge Verknüpfung von Familienpolitik mit Kinder-, Jugend-, Bildungs-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Brandenburg zu einer besonders kinder- und familienfreundlichen Region in Europa machen.“

Das finde ich ganz toll. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Allein, wenn uns dies im Wettbewerb der Bundesländer gelänge, wäre es schon ein riesengroßer Erfolg.

Im Weiteren wird sinngemäß ausgeführt, dass ein kinder- und familienfreundliches Brandenburg nur durch eine Politik, die Familien- und Kinderpolitik als Querschnittsaufgabe betrachtet, erfolgreich sein kann. Absolut richtig. Wörtlich heißt es:

„Es sind nahezu alle Politikfelder betroffen.“

Meine Damen und Herren, das ist ein Irrtum. Es sind alle Politikfelder betroffen. Nennen Sie mir ein einziges Politikfeld, das nicht von Familienpolitik betroffen ist! Selbst bloße Regelungen zur Organisation betreffen auch immer Familien. So merkwürdig es auch klingen mag, es wäre hilfreich, alle gesetzlichen Vorhaben nicht nur auf ihre finanziellen Auswirkungen, sondern auch auf ihre familienpolitischen Wirkungen zu überprüfen. Dies würde die Bedeutung des Politikfeldes außerordentlich unterstreichen, das Verständnis für das Politikfeld sehr befördern und es würde sicherlich noch stärker zum familienpolitischen Handeln motivieren.

Im vorgelegten Programm werden viele Handlungsfelder beschrieben, die hier in vielen Einzeldiskussionen und Einzelanträgen bereits thematisiert wurden, sei es die Kita-Betreuung, die Kindergesundheit, die Familienbildung oder seien es Themen wie Gewalt und Vernachlässigung und vieles mehr. Sie werden jetzt komprimiert und zusammengefasst und bieten somit, eine gute Handlungsgrundlage. Die bereits haushaltsrelevanten familienpolitischen Leistungen, die sich in Brandenburg immerhin auf mindestens rund 158 Millionen Euro summieren, werden transparent gemacht.

Ich halte es für ganz besonders wichtig, die vorhandenen Angebote transparent zu machen, sodass die Leistungen wirklich

diejenigen erreichen, die wir damit erreichen wollen. Dabei sind Hilfe zur Selbsthilfe und aufsuchende, ortsnahe Strukturen für die Menschen gerade in den berlinfernen Regionen außerordentlich wichtig.

Diese Transparenz wünsche ich mir im Übrigen auch für die Bundesebene. Eine Vielzahl von Leistungen, sei es in den Steuersystemen oder in den sozialen Systemen, etwa ausgewiesene familienpolitische Leistungen wie das Erziehungsgeld, gehören nach meinem Dafürhalten auf den Prüfstand, damit den Familien tatsächlich praktische Lebenshilfe angeboten werden kann. Aber diese Leistungen müssen transparent und wirkungsvoll sowie sinnvoll miteinander verzahnt sein. Dabei ist die Einrichtung einer eigenständigen Familienkasse für mich nach wie vor ein Thema, das bei den weiteren Diskussionen hier auch aufgegriffen werden sollte.

In diesem Sinne wünsche ich mir in diesem Bereich auf der Bundesebene kluge und vorausschauende Entscheidungen und erwarte natürlich, nachdem wir das Ziele-Programm haben, mit großer Spannung einen Maßnahmenkatalog, durch den diese Ziele auch praktisch umgesetzt werden. Das erwarten im Übrigen auch die Menschen in unserem Lande. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Rupprecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn man ein Ziel hat, dann muss man es so einrichten, dass es einem entgegenkommt.“ Das hat Theodor Fontane einmal gesagt.

Wir haben ein politisches Ziel, das in seiner Tragweite und in seinem Anspruch eine außerordentliche Herausforderung darstellt. Wie heute schon mehrmals gesagt worden ist, wollen wir Brandenburg zu einer besonders kinder- und familienfreundlichen Region machen. Wir haben dieses Ziel so eingerichtet, dass es uns in den kommenden Jahren entgegenkommt.

Meine Kollegin Ziegler hat das von unseren beiden Ministerien erarbeitete Programm für Familien- und Kinderfreundlichkeit soeben vorgestellt. Dieses Programm ist in der tiefen Überzeugung formuliert worden, dass es über unser aller Zukunft entscheidet, ob sich Familien und Kinder in unserer Gesellschaft wohl fühlen, ob sie akzeptiert werden und welche Aufmerksamkeit, Unterstützung und Förderung sie genießen.

Wir haben dazu schon in den vergangenen Jahren einiges geleistet. Die OECD hat uns erst jüngst wieder bescheinigt, dass wir das Land mit einer der besten Kinderbetreuungen und, damit verbunden, Unterstützung und Entlastung für Familien sind. Ich freue mich, dass dies auch außerhalb immer stärker wahrgenommen wird und wir Anerkennung finden; denn hier haben wir wirklich Potenziale geschaffen, die es weiterzuentwickeln gilt und auf die wir meiner Überzeugung nach zu Recht stolz sein können.

Wir haben uns viel vorgenommen. Wir hoffen, dass sich auch im Lande Brandenburg bald wieder mehr Paare für Kinder ent

scheiden. Dazu brauchen wir eine aktivere Familienpolitik, die jedoch nicht einfach darin bestehen kann - auch das ist hier schon mehrmals angeklungen -, mehr Geld ins System zu geben. Das entscheidende Stichwort hierbei ist vielmehr Netzwerkarbeit. Das haben Frau Ziegler und ich kürzlich in Finnland in perfekter Weise kennen gelernt. Kindergärten, Schulen, Kinderärzte, Gesundheitsämter und viele andere Stellen, die mit Familien zu tun haben, müssen ein Netz für Familien bilden und wir müssen prüfen, welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind und wie die Maßnahmen mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden können, wobei diese finanzielle Ausstattung dann auch verlässlich sein muss.

Angesichts von 125 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung brauchen wir unser Licht wirklich nicht unter den Scheffel zu stellen. Diese Ausgaben für ein sehr gut ausgebautes System der frühkindlichen Betreuung sind eine richtige und zukunftsweisende Investition, eine Investition in die Zukunft, wie es so schön heißt. Mit diesem Geld werden wir zukünftig insbesondere auch die pädagogische Qualität der Kindertagesbetreuung systematisch weiter erhöhen.

Unsere Betreuungsstrukturen können aber noch so gut sein; sie reichen nicht aus, wenn wir nicht einen Wandel in den Köpfen der Menschen hinbekommen. Für eine zukunftsorientierte und vor allem zukunftsfähige Kinder- und Familienpolitik ist ein gesamtgesellschaftlicher Wertewandel hin zu einer positiven Einstellung zu Kindern und Familien unumgänglich. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel: Ich habe vor wenigen Wochen die Firma Rolls-Royce in Dahlewitz besucht. Das dortige Unternehmen hat mit der örtlichen Kita für seine Mitarbeiter ein vorbildliches Kinderbetreuungssystem aufgebaut. Dort trifft sich unternehmerische Weitsicht mit der Überzeugung, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

Jetzt möchte ich in aller Kürze noch drei für mein Ressort besonders wichtige Ziele unseres Programms benennen.

Erstens: Wir wollen die Erziehungskompetenz der Eltern stärken. Ich will, dass das Angebot bestehender Maßnahmen der Familienunterstützung und der Familienbildung weiter verbessert wird. Gerade die Eltern, die mit ihren Erziehungsaufgaben überfordert und kaum bereit sind, Hilfen anzunehmen, müssen von uns erreicht werden. Konkret wollen wir dies durch den Ausbau von Kindertagesstätten, Krippen, Horten oder anderen geeigneten Einrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren erreichen.

Zweitens: Alle Kinder haben das gleiche Recht auf gute Bildung und Ausbildung von Anfang an und unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern. Unser Bildungssystem muss ein entscheidendes Instrument zur Schaffung von Chancengleichheit sein. Wichtigster Teil eines Bündels von Maßnahmen für gute und gleiche Bildungschancen wird ein Diagnoseund Förderprogramm zur sprachlichen Förderung von Kindern schon während der Kita-Zeit sein. Das wird derzeit in meinem Hause erarbeitet. Ein Jahr vor der Einschulung sollen alle Kinder an einer Sprachstandserhebung teilnehmen und bei entsprechendem Bedarf intensiv gefördert werden. In diesem Zusammenhang bin ich auch froh, dass uns PISA gerade bestätigt hat - auch das ist heute schon angeklungen -, dass die in Brandenburg erreichten Bildungserfolge von der sozialen Herkunft der Kinder weitgehend unabhängig sind.

Drittens: Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit, aber auch von Phasen der Aus- und Weiterbildung, und Familie muss deutlich verbessert werden. Die Situation von Familien und Kindern ist nur dann spürbar zu verbessern, wenn wir neben anderen arbeitsmarkt- und wirtschaftsbezogenen Maßnahmen auch differenzierte, zeitlich flexible und wohnortnahe Angebote der Kindertagesbetreuung haben.

Zur Verbesserung der genannten Situation müssen auch Ganztagsschulen zu Lern- und Lebensorten weiterentwickelt werden, an denen unsere Kinder einen großen Teil des Tages sinnvoll und zufrieden verbringen können. Durch eine wirksame Zusammenarbeit von Schule, Jugendhilfe und anderen Trägern können wir damit insbesondere auch in dünn besiedelten Regionen die Erreichbarkeit jugendkultureller Angebote sichern.

Wir werden nun auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses zur Schaffung familienfreundlicher Bedingungen, des Kabinettsbeschlusses vom 18. Oktober sowie der Ergebnisse der erfolgreichen Konferenz von vor 14 Tagen ein Maßnahmenpaket erarbeiten, auf dass uns das Ziel der Kinder- und Familienfreundlichkeit weiter entgegenkomme. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU sowie vereinzelt bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Alter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Fechner, bin ich nicht sprachlos, sondern bin im Gespräch mit den Akteuren vor Ort, die nicht nur jammern, sondern gute Arbeit leisten und gute Ergebnisse vorweisen können. Damit es noch besser wird, brauchen sie unsere Unterstützung.

Familie ist dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen. Neben die Familie im herkömmlichen Sinne sind in zunehmendem Maße alleinerziehende Mütter und Väter, nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie Patchwork- und Pflegefamilien getreten. Wenn man sich diese Vielfalt, dieses enorme Spektrum bewusst macht, dann kann man nur zu einer Schlussfolgerung gelangen: Familie ist überall, Familie berührt alle Politikfelder, wie es vorhin hier schon gesagt worden ist.

Wenn Brandenburg Familien und Familien- und Kinderfreundlichkeit fördern will, dann wird das nur durch eine Beteiligung und Bündelung aller Kräfte möglich sein.

Der Landtag hat die Landesregierung in diesem Jahr aufgefordert, ressortübergreifend ein familienpolitisches Maßnahmenpaket vorzustellen. Das wird für Dezember erwartet. Aber schon heute haben wir den Bericht der Landesregierung unter dem Motto „Die Brandenburger Entscheidung - Kinder haben Vorrang“ vorliegen. Hier wird ganz deutlich, welche Bedeutung Familienpolitik für die Zukunft Brandenburgs haben wird. Deshalb gibt es die klare Prioritätensetzung des Landes für Kinder und Familien.

Die Einbeziehung aller Ressourcen verdeutlicht, dass für Familienpolitik im Land eine gemeinsame Verantwortung besteht. In manchen Bereichen muss man dafür aber schlicht noch den Anreiz zum Augenöffnen geben. Familienpolitik ist klarer Wirtschafts- und Zukunftsfaktor. Es geht schließlich um unsere Kinder von Heute und von Morgen und damit um unsere gesamte Gesellschaft. Das erfordert eine gemeinsame Strategie und konkrete sichtbare Maßnahmen.

Machen wir uns nichts vor: Wir werden in den nächsten Jahren an der Wirksamkeit unserer Politik für Familien und Familienfreundlichkeit gemessen werden. Das bedeutet, vorhandene Strukturen, Angebote und Maßnahmen durch Vernetzung und durch Qualitätsverbesserung noch effizienter zu gestalten, sie flexibler und bedarfsgerecht weiter zu entwickeln und zu erkämpfen. Unsere Familienpolitik muss sichtbar und spürbar für die Kinder, für die Eltern und für die Familien in unserem Land werden, und das in allen Regionen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen viele Dinge am Herzen, und ich möchte lieber heute als morgen mit der Umsetzung bestimmter Maßnahmen beginnen, doch der Sachzwang der Haushaltslage holt uns abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir müssen aus den wenigen Ressourcen das Beste machen. Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, als ob wir erst jetzt die Rahmenbedingungen verbessern. Bei der Kinderbetreuung trägt die Debatte um die Ganztagsschule und die Qualität der Kinderbetreuung sehr wohl dazu bei, Rahmenbedingungen und Zukunftsfähigkeit zu sichern. Aber wir wollen auch Gutes ausweiten, zum Beispiel die Elternbriefe, die sich bewährten und nicht nur pädagogisch wertvoll sind. Eine Ausweitung der Elternbriefe von derzeit sechs Monaten bis auf das achte Lebensjahr begrüße ich sehr. Wir werden also bestehende Maßnahmen verknüpfen und bündeln, wenn möglich erweitern und vor allen Dingen Daten prüfen, wie wir Familienunterstützung und -förderung als Präventionen verstärken können.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass uns der demografische Bericht der Landesregierung vorgelegen hat. Überall und bei jeder Gelegenheit wurde auf die Thematik hingewiesen, immer mit der Verbindung einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft. Ich stolpere jedes Mal über die Stelle, an der vermerkt wird, dass der Kinderwunsch durchschnittlich bei einer Zahl von fast zwei Kindern liegt. Die Realität sieht anders aus. Es dominiert zurzeit die Ein-Kind-Familie. Damit liegen Kinderwunsch und Geburtenrate weit auseinander. Das heißt für mich, dass Mütter und Väter nach dem ersten Kind ihre weitere Familienplanung einstellen, vorrangig aufgrund äußerer Zwänge. Das gilt es abzubauen.

In meiner recht großen Familie und meinem Lebensumfeld werde ich oft auf Defizite bei den vorhandenen familienunterstützenden Angeboten hingewiesen. Es kommen mir Dinge zu Ohren, bei denen ich nur ungläubig den Kopf schütteln kann. Das können wir uns zukünftig nicht mehr leisten. Wir müssen unsere begrenzten Ressourcen noch zielgenauer, bedarfsgerechter, wirksamer und effizienter einsetzen.

Ich habe den Eindruck, dass wir insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung und Prognosen bereits im Prozess eines Wertewandels sind. Familien, Kinder, Alte und der Generationszusammenhalt sind Themen, die stärker im Fokus liegen. Diese Entwicklung müssen wir unterstützen. Wir brau

chen einen Mentalitätswandel in der Politik ebenso wie in der Gesellschaft und in der Wirtschaft.

Ich habe einige konkrete Beispiele und Anfragen an Sie: Auf wie vielen politischen Veranstaltungen - sagen wir, zwischen 10 Uhr und 19 Uhr - waren Sie zuletzt, auf denen Kinderbetreuung angeboten wurde? Wie oft haben Sie selbst erlebt, dass bei Terminvereinbarungen der Aspekt der Vereinbarkeit mit einem Familienalltag eine Rolle spielte? Überlegen Sie! Hier zeigt sich meiner Ansicht nach vorhandenes oder fehlendes Familienbewusstsein ganz konkret. Ich denke auch an das letzte Gespräch auf unserem Fraktionsflur, in dem Mitarbeiter und Abgeordnete thematisierten, inwieweit es möglich ist, kleine Kinder von 0 bis 7 Jahren einmal mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. Ich gebe zu: Damit ist kein Betreuungs- oder Notfallsystem installiert worden. Aber Bedürfnisse und Wünsche sind formuliert und das Nachdenken über die Vereinbarkeit hat eingesetzt.