Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und SPD)

Offensichtlich soll mit der Darbietung umfänglicher medizinischer Abhandlung der Eindruck von Kompetenz erweckt werden - eine verschnörkelte Fassade ohne Fundament und Mauerwerk, wie ich Ihnen gleich erklären werde.

Erstens: Der Vorwurf, Eltern würden deshalb Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen, weil es an Publizität - es steht nicht im Gesetz - fehle, ist geradezu absurd. In diesem Hause gibt es einige Kolleginnen - sie sind gerade nicht anwesend -, die vor nicht allzu langer Zeit Erfahrungen mit der Beratung während der Schwangerschaft machen konnten.

(Sarrach [Die Linkspartei.PDS]: Jawohl!)

Sie konnten praktisch erfahren, wie die Mutterschaftsrichtlinien umgesetzt werden. Diese werden in Ihrem Antrag überhaupt nicht erwähnt, obwohl sie eine sehr wichtige Rolle spielen. Bestehen Anhaltspunkte für Risiken, werden auch die notwendigen Untersuchungen vorgenommen. Diesbezüglich kann ich mich den Ausführungen von Kollegin Schier anschließen.

Zweitens: Die Medizin verzeichnet täglich Fortschritte in der Diagnostik und zum Teil auch in der Therapie. Dieser Entwicklung mit Gesetzesänderungen jeweils hinterherlaufen zu wollen ist weltfremd. Diese Aufgabe ist bei den Medizinern und ihrer Selbstverwaltung wesentlich besser aufgehoben; denn sie können viel schneller darauf reagieren.

Drittens: Die Medizin kennt allein 3 000 bis 6 000 so genannte Erbkrankheiten, wovon der Großteil außerordentlich selten auftritt. Viele von ihnen kann man diagnostizieren, jedoch die wenigsten heilen. Ein Gesundheitswesen, das für jede der diagnostizierbaren Krankheiten und für jeden Versicherten eine Vorsorgeuntersuchung durchführt und finanziert - das wäre die praktische Konsequenz Ihres Antrags -, ist nicht mehr finanzierbar. Zudem wäre die Frage zu stellen, weshalb die Diagnose durchgeführt wird und was danach geschehen soll.

Bei diesen Überlegungen wird die Intention Ihres Antrags deutlich, weshalb wir ihn auch ablehnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Da die Landesregierung Redeverzicht signalisiert hat, erhält der Abgeordnete Nonninger für die DVU-Fraktion für weitere Erläuterungen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erschreckend, wie Sie sich auf diese Plenarsitzung vorbereiten.

(Schulze [SPD]: Sie sehen schon richtig verschüchtert aus!)

Toxoplasmose ist keine Erbkrankheit und eine Erbkrankheit wird im gesamten Antrag nicht erwähnt.

Die Ausführungen meiner Vorredner kann ich in zwei Kernaussagen zusammenfassen. Zum Ersten wollen Sie unseren Antrag nicht und zum Zweiten wollen Sie einen im SGB V verankerten Schutz des ungeborenen Lebens erst recht nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Deshalb stellt sich die Frage: Was wollen Sie dann? - Sie wollen es offensichtlich dabei belassen, dass zwar die Kinderverhinderung im SGB V gesetzlich verankert ist, jedoch nicht das Kinderkriegen - also die Vernichtung, nicht aber der Schutz ungeborenen Lebens -, und dies trotz der demografischen Entwicklung in Deutschland. Das ist nach Ihren Vorstellungen offenbar gesamtgesellschaftliche Aufgabe, was mir unbegreiflich ist.

(Schippel [SPD]: Ja!)

Dennoch erlaube ich mir, auf die Einlassungen meiner Vorredner näher einzugehen.

Was die PDS-Fraktion als „das Letzte“ bezeichnet, ist für die DVU-Fraktion Vorsorge für das ungeborene Leben.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, Ihnen wird bekannt sein, dass in der verflossenen DDR ein angewandtes und bewährtes System zur Toxoplasmosefrüherkennung bestand. Warum sträuben Sie sich hier dagegen? Ist das Ihr Opportunismus? - Das muss es doch nicht sein. Es soll nur etwas wieder eingeführt werden, was sich in der DDR - unabhängig vom System - bewährt hat. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

(Zuruf der Abgeordneten Siebke [SPD])

Frau Schier, Sie sprachen davon, dass es sich nicht lohnt, Toxoplasmose als Standardvorsorgeuntersuchung einzuführen. Sie sprachen von den wenigen Erkrankungen und davon, dass Frauenärzte diesen Antrag für völlig überflüssig halten. Ich halte hier Listen mit Hunderten von Unterschriften von Frauenärzten und Patienten in der Hand, die mir sagten, dass dies ein großes Problem darstellt und die Schwangerschaftsvorsorge zu wünschen übrig lässt. Ich weiß nicht, welche Ärzte Sie kennen, wahrscheinlich nur welche, die ihr Studium abgebrochen haben.

(Beifall bei der DVU - Schippel [SPD]: Dann hätten sie wahrscheinlich keine Zulassung!)

Das ist aber noch nicht alles. Ich habe mich ans Robert-KochInstitut gewandt, um zu erfahren, wie viele Fälle von Toxoplasmose es in Deutschland gibt. Daraufhin ist mir mitgeteilt wor

den, dass Toxoplasmose bei Neugeborenen in Deutschland zwar eine meldepflichtige Erkrankung ist, dass aber - jetzt kommt es! -, da Toxoplasmose in der Schwangerschaftsvorsorge nicht mehr enthalten ist, bei etwa 70 % der Schwangeren das Problem darin besteht, dass sie sich nicht testen lassen. Wenn Toxoplasmose nicht getestet wird, kann sie auch nicht erkannt werden. Dies erklärt, weswegen im Jahre 2004 im Robert-Koch-Institut 16 Geburten von Kindern gemeldet worden sind, die mit Toxoplasmose infiziert waren und aufgrund dessen schwere körperliche und geistige Behinderungen hatten.

16 Infektionen bei 680 000 Geburten - das mag nicht viel sein -, jedoch geht das Robert-Koch-Institut davon aus, dass jährlich etwa 4 560 Erstinfektionen während der Schwangerschaft eintreten. Bei ungefähr 50 % der Fälle führt die Infektion der Mutter zur Infektion des Kindes, sodass mit 2 300 Infektionen bei Neugeborenen zu rechnen ist. Etwa 10 % dieser Kinder weisen zunächst keine klinischen Symptome auf, jedoch 18 bis 20 Jahre später können sie als junge Erwachsene an den Folgen der Toxoplasmoseinfektion ihrer Mutter während der Schwangerschaft erblinden. Ich frage Sie: Haben wir wirklich so viele Kinder, dass wir es nicht nötig haben, jedem Kind jeden erdenklichen Schutz zu geben? - Sagen Sie nicht, das könnte man nicht finanzieren! Auch da sagt das Robert-Koch-Institut eindeutig, es ist günstiger, Vorsorge zu treffen, als zu heilen, was nicht zu heilen ist. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion hat zu dem Antrag namentliche Abstimmung beantragt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der DVU in Drucksache 4/2399, Neudruck. Sie kennen das Prozedere:

Ich bitte Sie, Ihr Votum laut und deutlich abzugeben, damit die Schriftführer es ordnungsgemäß registrieren können.

Ich eröffne die Abstimmung und bitte um das Verlesen der Namen.

(Namentliche Abstimmung)

Die Voten der Abgeordneten Alter und Göhrke sind nicht angekommen.

(Die Abgeordneten Alter [SPD] und Göhrke [Die Links- partei.PDS] geben ihr Votum ab.)

Gibt es weitere Abgeordnete, die keine Gelegenheit hatten, ihr Votum abzugeben?

(Der Abgeordnete Dr. Klocksin [SPD] gibt sein Votum ab.)

Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie um etwas Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion der DVU in Drucksache 4/2399, Neudruck, bekannt: Für den Antrag stimmten 6 Abgeordnete, gegen ihn stimmten 55 Abgeordnete. Damit ist der Antrag mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1739)

Ich beende den Tagesordnungspunkt, schließe die heutige Sitzung und wünsche Ihnen einen angenehmen Abend. Auf Wiedersehen morgen um 10 Uhr!

Ende der Sitzung: 17.25 Uhr